OLG Frankfurt am Main, 04.08.2017 – 24 U 80/16

März 20, 2019

OLG Frankfurt am Main, 04.08.2017 – 24 U 80/16
Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das am 13.07.2016 verkündete Urteil der 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Darmstadt mit dem Sitz in Offenbach am Main wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Dieses Urteil sowie das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Der Wert der Berufung wird auf 2.447.285 € festgesetzt.
Gründe

I.

Die Klägerin macht als Rechtsnachfolgerin der Bank1 Ansprüche aus abgetretenem Recht der X mbH geltend. Der Beklagte ist seit dem 01.11.2008 Insolvenzverwalter der Y GmbH.

Wegen der erstinstanzlich getroffenen Tatsachenfeststellungen und der dort gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (Blatt 118 ff. d. A.) Bezug genommen.

Das Landgericht hat der Klage auf Feststellung einer Forderung von 16.315.229,25 € zur Insolvenztabelle stattgegeben. Wegen der entsprechenden Erwägungen wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Mit der Berufung verfolgt der Beklagte sein Ziel der Abweisung der Klage weiter. Er rügt Rechtsfehler des Landgerichts, das die Bestimmung des § 109 Abs. 2 InsO falsch angewandt habe. Zudem sei zum Zeitpunkt der Aufforderung durch die X ein bestehendes Mietverhältnis nicht mehr vorhanden gewesen, weshalb der Beklagte hierin auch nicht habe eintreten können. Ein Schadensersatzanspruch beschränke sich im Übrigen auch auf einen Zeitraum von drei Monaten.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Darmstadt, Kammer für Handelssachen mit dem Sitz in Offenbach am Main, vom 13.07.2016 zu Aktenzeichen 16 O 153/15 die Klage abzuweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil.

Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der vorgetragenen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die Berufung ist zulässig, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.

Zu Recht hat das Landgericht den Beklagten verurteilt, die von der Klägerin zur laufenden Nummer 124 angemeldete Forderung in Höhe von 16.315.229,25 € zur Insolvenztabelle festzustellen, weil es sich um einen zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründeten Anspruch gegen die Insolvenzschuldnerin handelt (§§ 38, 175 InsO).

Zwar geht der Senat im Gegensatz zum Landgericht nicht davon aus, dass zwischen den Parteien ein Vertragsverhältnis im Sinne von § 109 Abs. 2 InsO bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens bestanden hatte. Denn die vertragliche Regelung in der Mietbeitrittsvereinbarung regelt ausdrücklich, dass der Mietbeitritt erst mit Zugang der Aufforderung, dem Mietvertrag beizutreten, erfolgt ist (Ziffer 2 am Ende) und dass im Fall eines – wie hier – bereits vorzeitig beendeten Mietvertrags ein neuer Mietvertrag abzuschließen ist (Nr. 4). Da die Aufforderung zum Abschluss eines Mietvertrages erst mit Schreiben vom 31.07.2009 und damit lange nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgte und ihr zudem vom Beklagten nicht entsprochen wurde, fehlt es an der Voraussetzung eines bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens bereits begründeten Vertragsverhältnisses.

Gleichwohl bestand bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens bereits ein begründeter Anspruch gegenüber der Insolvenzschuldnerin. Grundsätzlich sind in das Insolvenzverfahren auch Forderungen einzubeziehen, die vor Verfahrenseröffnung noch nicht vollständig entstanden sind. Auch eine befristete oder bedingte Forderung genügt (vgl. §§ 41, 191 InsO). Eine Insolvenzforderung ist dann gegeben, wenn der Tatbestand der Forderungsbegründung so weit verwirklicht ist, dass der Gläubiger eine gesicherte Rechtsposition im Sinne einer Anwartschaft innehat. Daher ist es insbesondere auch ausreichend, dass der Gläubiger seine Forderung durch Ausübung eines ihm zustehenden, nicht zerstörbaren Gestaltungsrechts zur Entstehung bringen kann (vgl. Jacoby in: Jaeger, InsO, 2014, § 103 Rn. 74; anders allerdings Henckel, ebenda, § 38 Rn. 64). In der Rechtsprechung sind deshalb auch bereits vorkonkurslich erworbene Abfindungsansprüche außenstehender Aktionäre (vgl. BGH, NJW-RR 2008, 846 [BGH 17.03.2008 – II ZR 45/06]) oder auf Abschluss eines Vertrages gerichtete Andienungsrechte nach dem SachenRBerG (vgl. BGH, NJW-RR 2002, 1198, 1199 [BGH 18.04.2002 – IX ZR 161/01]) jedenfalls als Insolvenzforderungen behandelt worden.

So liegt der Fall hier. Wie das Landgericht zutreffend festgestellt hat, hatte die Insolvenzschuldnerin keinerlei Gestaltungsspielraum hinsichtlich des Vertragsschlusses oder der Vertragsgestaltung im Falle einer Aufforderung durch die Vermieterseite. Sie hatte sich bereits bei Abschluss der Mietbeitrittsvereinbarung verpflichtet, zu den Konditionen des Hauptmietvertrages einzutreten bzw. abzuschließen, wenn ein Fall der Ziffer 2 oder 4 der Mietbeitrittsvereinbarung vorliegt. Es handelte sich somit um eine einseitig erzwingbare Verpflichtung zum Abschluss eines bzw. zum Eintritt in einen bestehenden Mietvertrag. In diesem Sinne ist die Vereinbarung rechtlich als Vorvertrag oder als Option zu bewerten. Das Optionsrecht war auch bereits bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet worden. Hinsichtlich der Mieterin ist am 21.08.2008 die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beantragt worden. Damit lagen die Voraussetzungen der Ziffer 2 a) der Mietbeitrittsvereinbarung ab diesem Zeitpunkt vor und es bedurfte lediglich noch einer entsprechenden Aufforderung an die Insolvenzschuldnerin. Dass diese tatsächlich erst am 31.07.2009 und damit nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin am 01.11.2008 erfolgte, ändert nichts daran, dass die Anwartschaft der Vermieterseite und damit auch der Klägerin bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens bestand. Auch der Umstand, dass der ursprüngliche Mietvertrag zu diesem Zeitpunkt bereits durch den Insolvenzverwalter der Mieterin gekündigt worden war, ist nach Ziffer 4 der Mietbeitrittsvereinbarung unmaßgeblich. Letztlich kommt es auch nicht darauf an, dass der Beklagte der Aufforderung zum Abschluss eines Mietvertrages nicht nachgekommen ist und er hierzu auch rechtlich nicht verpflichtet war, weil es hier nicht um eine Masseverbindlichkeit, sondern lediglich um eine Insolvenzforderung geht.

Die Forderung ist auch der Höhe nach berechtigt, weil der Klägerin ein entsprechender Schadensersatzanspruch zusteht, nachdem der Mietvertrag mit der Insolvenzschuldnerin nicht weitergeführt wurde. Die Klägerin hat diesen Anspruch In Form der Netto-Leasingraten, der Netto-Verwaltungskostenpauschalen, der Mietnebenkosten und des entgangenen Zinsgewinns in Folge Nichtüberlassung von Mieterdarlehen abzüglich erzielter Erlöse, wie das Landgericht zu Recht festgestellt hat, schlüssig dargelegt, der Beklagte hat gegen die Berechnung erstinstanzlich auch keine erheblichen Einwendungen erhoben. Soweit er in der Berufung seinen erstinstanzlichen Vortrag wiederholt, ein Schadensersatzanspruch sei wegen des Sonderkündigungsrechtes des § 109 InsO auf einen Zeitraum von drei Monaten beschränkt, greift dies nicht durch. Denn selbst wenn der Beklagte auf die Aufforderung der X zum Vertragsschluss eingegangen wäre und anschließend von seinem Sonderkündigungsrecht Gebrauch gemacht hätte, wäre der geltend gemachte Schadensersatzanspruch als Insolvenzforderung entstanden (§ 109 Abs. 1 S. 3 InsO).

Auf die vom Landgericht zur Recht abgelehnte Einrede der Verjährung ist der Beklagte in der Berufung nicht mehr zurückgekommen.

Entgegen der in der mündlichen Verhandlung geäußerten Auffassung des Beklagten greift auch eine insolvenzrechtliche Anfechtung nicht durch. Die Voraussetzungen des § 133 Abs. 2 InsO liegen nicht vor, weil die Mietbeitrittsvereinbarung bereits im Jahre 2003 geschlossen wurde, das Insolvenzverfahren aber erst im Jahre 2008 geführt wurde. Für die Voraussetzungen des § 133 Abs. 1 InsO hat der insoweit darlegungs- und beweispflichtige Beklagte nichts vorgetragen. Vielmehr hat die Klägerin unbestritten vorgetragen, dass im Jahre 2003 für eine Zahlungsunfähigkeit der Insolvenzschuldnerin nichts ersichtlich gewesen sei. Auch die Fristen des § 134 InsO sind weit überschritten, abgesehen davon, dass die Insolvenzschuldnerin die Rechte als Mieter erworben hätte und damit von einer unentgeltlichen Leistung nicht die Rede sein kann.

Die Berufung war daher mit der Kostenfolge aus § 97 ZPO zurückzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Der Senat lässt die Revision zu, weil die Rechtsfrage, ob ein bei Insolvenzeröffnung noch nicht ausgeübtes, aber bereits dem Grunde nach entstandenes Optionsrecht eine Insolvenzforderung begründen kann – soweit ersichtlich – höchstrichterlich noch nicht eindeutig entschieden ist und die Kommentarliteratur hierzu unterschiedliche Auffassungen vertritt.

Bei der Streitwertbemessung folgt der Senat der von den Parteien nicht angegriffenen Festsetzung durch das Landgericht (§ 182 InsO).

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