OLG Frankfurt am Main, 04.12.2018 – 16 U 3/18

März 14, 2019

OLG Frankfurt am Main, 04.12.2018 – 16 U 3/18
Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main – 24. Zivilkammer – vom 30. November 2017, Az. 2-24 O 272/16, teilweise abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 9.178,98 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 4. Januar 2017 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen und die weitergehende Berufung zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin 14 % und die Beklagte 86 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe

I.

Die Klägerin nimmt die Beklagte im Wege des Rechtsübergangs nach § 116 SGB X auf Ersatz ihrer Aufwendungen für die Jahre 2013 und 2014 in Anspruch, die sie an die Witwe ihres Versicherten A erbracht hat, der am XX.XX.2006 bei einem Verkehrsunfall mit einem bei der Beklagten versicherten Sattelzug nebst Auflieger ums Leben kam. Die Haftung der Beklagten in Höhe von 25 % ist unstreitig. Gegenstand der Klage sind mögliche auf die Klägerin übergegangene Unterhaltsansprüche (Barunterhalt sowie Naturalunterhalt) der Witwe des Versicherten gegen die Beklagte.

Erstinstanzlich haben die Parteien im Wesentlichen über einzelne Aspekte der Schadensberechnung sowie darüber gestritten, in welchem Umfang mögliche Ansprüche auf die Klägerin übergegangen sind.

Wegen der Einzelheiten wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (Bl. 112 bis 121 d.A.) Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, selbst bei Unterstellung der von der Klägerin dargelegten Parameter und Berechnungen, bei denen ein Vorteilsausgleich wegen des ersparten Barunterhalts nicht in Betracht komme, habe die Klägerin gegen die Beklagte keinen Anspruch aus § 116 Abs. 3 SGB X i.V.m. §§ 844, 846 BGB. Es bestehe die Besonderheit, dass die Witwe bei direkter Anwendung des § 116 Abs. 3 SGB X weniger erhalte als bei 100%iger Haftung des Schädigers. Zu dem umgekehrten Fall, dass ein Hinterbliebener bei unmittelbarer Anwendung von § 116 Abs. 3 SGB X mehr erhalte als bei voller Haftung des Schädigers, habe das OLG Hamm (NJW-RR 2004, 317 [OLG Hamm 16.10.2003 – 6 U 16/03]) bei seiner einschränkenden Auslegung des § 116 Abs. 3 SGB X darauf verwiesen, dass das von dem Hinterbliebenen erzielte Einkommen in erster Linie diesem und nicht dem Sozialversicherungsträger zugute kommen und zunächst herangezogen werden solle, um die Differenz zwischen der Leistung des Sozialversicherers und dem bei 100%iger Haftung zu zahlenden Schadensersatz zu decken. Diese Argumente seien auch im vorliegenden Fall anwendbar. Da der Anteil der Witwe, der sich bei einer 100%igen Haftung des Schädigers ergeben würde, immer höher sei als der gesamte quotierte Anspruch, gehe entsprechend nichts auf die Klägerin über.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe (Bl. 121 ff. d.A.) verwiesen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Klägerin mit ihrer Berufung.

Das Landgericht habe zwar die Ersatzansprüche zutreffend berechnet, aber § 116 Abs. 3 SGB X fehlerhaft angewandt. Nach dem in § 116 Abs. 3 S. 1 SGB X niedergelegten Grundsatz gehe im Fall einer Mithaftung des Geschädigten der Anteil am Ersatzanspruch auf den Sozialversicherungsträger über, der dem Vomhundertsatz entspreche, für den der Schädiger zum Ersatz verpflichtet sei. Wenn man demgegenüber den ersparten Unterhalt allein dem Hinterbliebenen zugutekommen lassen würde, liefe dies de facto auf ein Quotenvorrecht des Hinterbliebenen hinaus. Dies widerspreche der ratio des § 116 Abs. 3 S. 1 SGB X, denn diese Norm habe das bis zu ihrem Inkrafttreten aufgrund von § 1542 RVO bestehende Quotenvorrecht des Sozialversicherungsträgers beseitigt, aber nicht ein neues zugunsten des Geschädigten geschaffen. Die von dem Landgericht angeführte Entscheidung des OLG Hamm sei nicht einschlägig.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Frankfurt am Main vom 30. November 2017 die Beklagte zu verurteilen, an sie 10.670,99 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Zustellung zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil. Das Landgericht sei zu Recht davon ausgegangen, dass das von dem Hinterbliebenen erzielte Einkommen in erster Linie diesem und nicht dem Sozialversicherungsträger zugutekommen solle. Selbst bei anderer Berechnung bestehe kein Anspruch, da sich die Beklagte zu einzelnen Positionen umfangreich mit Nichtwissen erklärt habe und an einigen Positionen der Berechnung der Klägerin erforderliche Abzüge nicht vorgenommen worden seien.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung in der Sache überwiegend Erfolg.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von 9.178,98 € aus übergegangenem Recht gemäß § 116 Abs. 3 SGB X i.V.m. §§ 844 Abs. 2, 846 BGB, § 115 Abs. 1 VVG.

1. Zeitraum 1.1.2013 bis 30.6.2013

Der auf die Klägerin übergegangene Anspruch für das erste Halbjahr 2013 beträgt 2.268,54 €.

a) Unter Zugrundelegung der von der Klägerin angegebenen Beträge hat die Witwe gegen die Beklagte nach §§ 844 Abs. 2, 846 BGB i.V.m. § 115 Abs. 1 S. 1 Ziff. 1 VVG einen Anspruch auf Zahlung von monatlich 662,43 €.

aa) Bei einer vollen Haftung des Schädigers beliefen sich die Ansprüche der Witwe auf 2.252,11 €/Monat.

– monatliches Nettoeinkommen des Getöteten 4.012,43 €.

– abzgl. Fixkostenanteil des Getöteten ./. 1.027,- € verteilbares Nettoeinkommen = 2.985,43 €

– Anteil Witwe 1/2 ./. 1.492,72 €

– zzgl. Fixkostenanteil + 1.027,- €

entgangener Barunterhalt = 2.519,72 €

zzgl. Haushaltsführungsschaden + 130,- €

entgangener Bar- und Naturalunterhalt 2.649,72 €

Im Wege des Vorteilsausgleichs wäre davon der durch die weggefallene Unterhaltsverpflichtung der Witwe gegenüber dem Verstorbenen erzielte finanzielle Vorteil (ersparter Barunterhalt) in Abzug zu bringen:

– Einkommen Witwe 1.068,21 € – Anteil Fixkosten ./. 273,- €

– zu verteilendes Einkommen 795,21 €

– Unterhaltsanteil des Getöteten 50 % = Vorteil = 397,61 €

Demnach beliefen sich die monatlichen Ersatzansprüche der Witwe gegen die Beklagte bei einer vollen Haftung des Schädigers auf 2.649,72 € abzüglich 397,61 € = 2.252,11 €.

bb) Der Schädiger haftet allerdings nur zu 25 %.

Insoweit besteht die Besonderheit, dass bei einer Mithaftung des Getöteten der Vorteil nicht stets vom Schaden abgezogen wird. Der Bundesgerichtshof hat dem Hinterbliebenen eine Art Quotenvorrecht hinsichtlich der Einkünfte aus seiner Erwerbstätigkeit zugebilligt. Danach darf der Geschädigte den durch die weggefallene Unterhaltsverpflichtung erzielten finanziellen Vorteil zunächst zum Ausgleich der von der Haftung nicht gedeckten Quote verwenden. Der Schädiger hat nur einen Anspruch darauf, den dann noch verbleibenden Überhang, die Spitze, auf seine Schadensersatzpflicht angerechnet zu bekommen (BGH, Urteil vom 16.9.1986, VI ZR 128/85, zitiert nach juris; Küppersbusch/Höher, Ersatzansprüche bei Personenschaden, 12. A., Rn. 358).

Vorliegend haftet der Schädiger nur zu 25 % und damit nur in Höhe von 662,43 € (25 % von 2.649,72 €). Demnach beläuft sich der von der Haftung nicht gedeckte Schaden der Witwe auf 1.987,29 €. Da die weggefallene Unterhaltsverpflichtung in Höhe von 397,61 € geringer als der Ausfall wegen der Mithaftung ist, greift der Vorteilsausgleich nicht ein.

Demzufolge beläuft sich der Ersatzanspruch der Witwe gegen die Beklagte unter Zugrundelegung der Zahlen der Klägerin für das erste Halbjahr 2013 auf monatlich 662,43 € (so auch die Berechnung der Klägerin, S. 8 der Klage).

b) Dieser Anspruch ist nach § 116 Abs. 3 SGB X in Höhe von 378,09 € auf die Klägerin übergegangen.

aa) Für den Fall, dass der Anspruch des Geschädigten wegen Mitverschuldens oder Mitverantwortlichkeit begrenzt ist, bestimmt § 116 Abs. 3 S. 1 SGB X, dass auf den Versicherungsträger oder Träger der Sozialhilfe von dem nach § 116 Abs. 1 SGB X bei unbegrenzter Haftung übergehenden Ersatzanspruch der Anteil übergeht, welcher dem Vomhundertsatz entspricht, für den der Schädiger ersatzpflichtig ist.

Die Klägerin hat im ersten Halbjahr 2013 monatliche Rentenleistungen in Höhe von 1.512,35 € erbracht. Da die Witwe bei 100%iger Haftung des Schädigers einen Ersatzanspruch in Höhe von 2.252,11 € hätte, würde der Anspruch bei 100%iger Haftung des Schädigers in voller Höhe der Rentenleistungen und damit in Höhe von 1.512,35 €/Monat auf die Klägerin übergehen. Da der Schädiger aber nur zu 25 % haftet, geht der Anspruch nur in Höhe von 378,09 € (25 % von 1.512,35 €) auf die Klägerin über. Die Witwe erhält 284,23 € und damit 25 % des Schadens, der durch die Rentenleistung nicht gedeckt ist (2.649,72 € Ersatzanspruch bei 100%-iger Haftung ohne Vorteilsausgleich ./. 1.512,35 € Rentenzahlung = 1.137,37 x 25 %). Zur Kontrolle: 378,43 € und 284, 34 € ergeben 662,43 €.

bb) Eine davon abweichende Betrachtung ist nicht deshalb veranlasst, weil damit der Witwe die Möglichkeit genommen würde, im Sinne des gegenüber dem Schädiger bestehenden Quotenvorrechts ihre eigenen Einkünfte bzw. den ersparten Vorteil zunächst auf die aus der Mitverantwortung resultierende ungedeckte Quote des Unterhaltsschadens anzurechnen.

Die Berücksichtigung des Quotenvorrechts eines Hinterbliebenen im Rahmen des § 116 Abs. 3 SGB X scheidet aus, da sie weder dem ausdrücklichen Wortlaut noch der Entstehungsgeschichte der Norm entspricht.

Mit dem im Jahr 1982 eingeführten § 116 Abs. 3 SGB X hat der Gesetzgeber das unter der Geltung des früheren § 1542 RVO bestehende Quotenvorrecht des Sozialversicherungsträgers beseitigt. Der Bundesgerichtshof, der dieses Quotenvorrecht kritisch betrachte, zeigte bereits mit Urteil vom 29.10.1968 (Az. VI ZR 280/67, zitiert nach juris) die drei möglichen Lösungen des Konflikts auf, der entsteht, wenn sowohl Drittleistung als auch geschuldeter Schadensersatz jeweils für sich allein den entstandenen Schaden nicht auszugleichen vermögen: die Gewährung eines Quotenvorrechts des Drittleistenden, die Verteilung des infolge der beschränkten Haftung des Schädigers entstehenden Ausfalls nach Anteilen („relative Theorie“) oder die Annahme eines Quotenvorrechts des Verletzten. Der Gesetzgeber hat das nach altem Recht angenommene Quotenvorrecht des Sozialversicherungsträgers aber nicht durch ein Quotenvorrecht des Verletzten ersetzt, sondern sich für einen Forderungsübergang nach der „relativen Theorie“ entschieden (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung zu dem von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Sozialgesetzbuchs (SGB) – Zusammenarbeit der Leistungsträger und ihre Beziehungen zu Dritten -, BT-Drs. 9/1753 S. 41, 44). Dabei hatte der Bundesrat in seiner Stellungnahme zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung ausdrücklich kritisiert, dass der Entwurf zwar ein Quotenvorrecht des Geschädigten für den Fall gesetzlicher Haftungshöchstgrenzen vorsah (vgl. jetzt § 116 Abs. 2 SGB X), nicht aber für Fälle des Mitverschuldens (BT-Drs. 9/95 S. 40). Dennoch entschied sich der Gesetzgeber für die relative Theorie (vgl. dazu ausdrücklich BGH, Urteil vom 21.11.2000, VI ZR 120/99, zitiert nach juris), unabhängig davon, dass er von dem Ausschuss für Arbeit und Soziales aufgefordert wurde, darüber zu berichten, in welchem Umfang Einnahmeausfälle entstanden wären, wenn ein Quotenvorrecht des Versicherten bestanden hätte (BT-Drs. 9/1753 S. 4; der Bericht blieb ohne gesetzgeberische Konsequenz, vgl. Nehls, in: Hauck/Noftz, SGB, 11/14, § 116 SGB X Rn. 33). Dabei ist die Versagung des Quotenvorrechts für den Geschädigten in § 116 Abs. 3 S. 1 SGB X auch durchaus gerechtfertigt, da der Geschädigte, der durch Mitverschulden zur Entstehung des Schadens in zurechenbarer Weise beigetragen hat, weniger schützenswert erscheint als derjenige, der sich einer gesetzlichen Haftungsbegrenzung gegenübersieht, die er nicht beeinflussen kann (BGH, Urteil vom 21.11.2000, aaO.).

Zu einer davon abweichenden Entscheidung gibt auch das Urteil des OLG Hamm vom 16.10.2003 (Az. 6 U 16/03) keine Veranlassung. Es betraf einen Sachverhalt, in dem der Hinterbliebene trotz quotaler Haftung aufgrund eines Mitverschuldens des Getöteten bei wörtlicher Anwendung von § 116 Abs. 3 SGB Xmehr erhalten hätte als bei 100%iger Haftung des Schädigers. In diesem Zusammenhang ist eine einschränkende Auslegung des § 116 Abs. 3 S. 1 SGB X angebracht (Küppersbusch/Höher, aaO., Rn. 446; vgl. auch BGH, Urteil vom 1.12.2009, VI ZR 221/08, m.w.N., zitiert nach juris), zumal Zweck eines Forderungsübergangs stets auch die Vermeidung einer Bereicherung des Geschädigten ist (vgl. BGH, Urteil vom 29.10.1968, aaO.). Vorliegend geht es aber nicht um eine solche Konstellation, sondern darum, ob entgegen der gesetzgeberischen Intention ein Quotenvorrecht des Hinterbliebenen gegenüber dem Sozialversicherungsträger anzunehmen ist. Dies ist zu verneinen. Dabei verkennt der Senat nicht, dass das OLG Hamm bei seiner einschränkenden Auslegung entsprechend einem Berechnungsvorschlag von Küppersbusch/Höher (aaO. Ziff. 2) den ersparten Barbetrag des Hinterbliebenen zunächst herangezogen hat, um die Differenz zwischen der Leistung des Sozialversicherungsträgers und dem bei 100%iger Haftung zu zahlenden Schadensersatz zu decken. Dies mag dann gerechtfertigt sein, wenn bei direkter Anwendung des § 116 Abs. 3 S. 1 SGB X der Hinterbliebene mehr als 100% des Schadens erstattet bekäme und auf diese Weise unter Berücksichtigung der Leistung des Sozialversicherungsträgers zumindest seinen vollen Schaden ersetzt bekommt. Nicht aber kann angenommen werden, dass auch in den übrigen Fällen immer zuerst der ersparte Unterhalt auf den ungedeckten Quotenschaden des Hinterbliebenen anzurechnen ist, bevor es überhaupt zu einem Anspruchsübergang nach § 116 Abs. 3 S. 1 SGB X kommen kann.

cc) Soweit die Klägerin bei uneingeschränkter Anwendung des § 116 Abs. 3 S. 1 SGB X zu einem auf sie übergegangenen Anspruch in Höhe von monatlich 444,84 € (erstes Halbjahr 2013) kommt, wendet sie allerdings ebenfalls eine unzutreffende Berechnungsweise an. Sie hat das Verhältnis ihrer Leistung (1.512,35 €) zum Schadensersatzanspruch der Witwe bei 100%iger Haftung des Schädigers (2.251,11 €) ermittelt (67,15 %) und vertritt die Auffassung, dass 67,15 % des Ersatzanspruchs (444,84 €) auf sie übergegangen seien. Sie greift damit die Berechnung unter Ziff. 1 bei Küppersbusch/Höher (aaO. Rn. 446) auf, die allerdings als eine Berechnungsalternative für den oben angeführten Fall einer einschränkenden Auslegung des 116 Abs. 3 S. 1 SGB X gedacht ist. Nach dem Wortlaut des § 116 Abs. 3 S. 1 SGB X beschränkt sich jedoch der Rückgriffanspruch des Sozialleistungsträgers auf den Anteil der Sozialleistungen, welcher der Haftungsquote des Schädigers entspricht. Danach ist aber nur ein Anspruch in Höhe von 378,09 € auf die Klägerin übergegangen.

c) Ohne Erfolg macht die Beklagte weitere Einwendungen gegen die Höhe des übergegangenen Anspruchs geltend.

aa) Der monatliche Nettoverdienst des Getöteten sowie der monatliche Nettoverdienst der Witwe sind für das gesamte Jahr 2013 unstreitig. Die Beklagte hat zudem mit Schriftsatz vom 1. November 2018 die von der Klägerin für die Jahre 2013 und 2014 angenommenen Fixkosten von monatlich 1.300,- € unstreitig gestellt.

bb) Nicht zu folgen ist der Auffassung der Beklagten, der Witwe sei im Rahmen der Schadensminderungspflicht nach § 254 Abs. 2 BGB durchaus zuzumuten gewesen, ihre Teilzeitstelle von 19 Stunden/wöchentlich auf eine Vollzeitstelle auszudehnen, weshalb das theoretisch erzielbare Mehreinkommen bei Vollzeitbeschäftigung im Rahmen der Schadensminderungspflicht in Abzug zu bringen sei.

Die Erwerbspflicht des hinterbliebenen Ehegatten setzt voraus, dass die Tätigkeit zumutbar ist und den Schädiger nicht unbillig entlastet. Anhaltspukte für die Zumutbarkeit und die Frage der Arbeitspflicht sind Alter, Leistungsfähigkeit, frühere Erwerbstätigkeit, Ausbildung und allgemeine Lebensverhältnisse des Hinterbliebenen (BGH, Urteil vom 6.4.1976, VI ZR 240/74, zitiert nach juris; Jahnke / Burmann, Handbuch des Personenschadensrechts, Kap. 4 Rn. 1007 f.). Dabei trifft die Beklagte als auf der Seite des Schädigers stehend die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass der Witwe eine Ausweitung ihrer Halbtagstätigkeit möglich und zumutbar gewesen wäre (vgl. BGH, Urteil vom 32.1.1979, VI ZR 103/78, zitiert nach juris). Die Beklagte hat aber keine Umstände aufgezeigt, aus denen sich für die Witwe des Versicherungsnehmers die schadensmindernde Obliegenheit ergeben hätte, ihre Arbeitstätigkeit aufzustocken. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass die Witwe bereits seit 1992 bei der Fa. B beschäftigt ist und diese Beschäftigung nach dem Tod ihres Ehemannes aufrechterhalten hat. Insoweit folgt der Senat der Argumentation der Klägerin, dass die Witwe diese Erwerbstätigkeit ihrem verstorbenen Ehemann und damit im Rahmen des § 254 Abs. 2 BGB auch dem Schädiger schuldete. Der Senat vermag aber keine durchschlagenden Gründe zu erkennen, dass die Witwe den Schädiger darüber hinaus dadurch weiter hätte entlasten müssen, dass sie ihre Tätigkeit auf eine Vollzeitstelle ausdehnt.

cc) Soweit die Beklagte rügt, es seien 300,- bis 400,- € pro Monat als Aufwendungen zur Vermögensbildung in Abzug zu bringen und die Klägerin habe den Naturalunterhaltsschaden nicht schlüssig dargelegt, kann offen bleiben, ob dies zutrifft. Denn selbst bei Zugrundelegung von Vermögensaufwendungen in Höhe von 400,- € und unter vollständiger Außerachtlassung eines Haushaltsführungsschadens ändert sich an der Höhe des auf die Klägerin übergangenen Anspruchs (bei korrekter Berechnungsweise, s.o.) nichts, wie die folgende Berechnung für das erste Halbjahr 2013 zeigt.

(1) Volle Haftung des Schädigers

– monatliches Nettoeinkommen des Getöteten 4.012,43 € ./.400,- € Vermögensbildung 3.612,43 €

– abzgl. Fixkostenanteil des Getöteten ./. 1.027,- € verteilbares Nettoeinkommen = 2.585,43 €

– Anteil Witwe 1/2 ./. 1.292,72 €

– zzgl. Fixkostenanteil + 1.027,- €

entgangener Barunterhalt = 2.319,72 €

zzgl. Haushaltsführungsschaden + 0,00 €

entgangener (Bar-) Unterhalt 2.319,72 €

Im Wege des Vorteilsausgleichs wäre davon der durch die weggefallene Unterhaltsverpflichtung der Witwe gegenüber dem Getöteten erzielte finanzielle Vorteil (ersparter Barunterhalt) in Abzug zu bringen:

– Einkommen Witwe 1.068,21 € –

– Anteil Fixkosten ./. 273,- €

– zu verteilendes Einkommen 795,21€ –

– Unterhaltsanteil des Getöteten 50 % = Vorteil = 397,61 €

Demnach beliefen sich die Ersatzansprüche der Witwe gegen die Beklagte bei einer vollen Haftung des Schädigers auf 2.319,72 € abzgl. 397,61 € = 1.922,11 €.

(2) Der Schädiger haftet allerdings nur zu 25 % und damit nur in Höhe von 579,93 € (25 % von 2.319,72 €). Demnach beliefe sich der von der Haftung nicht gedeckte Schaden der Witwe auf 1.739,79 €. Da die weggefallene Unterhaltsverpflichtung in Höhe von 397,61 € geringer als der Ausfall wegen der Mithaftung ist, würde der Vorteilsausgleich nicht eingreifen.

(3) Dieser Schadensersatzanspruch von 579,93 € wäre nach § 116 Abs. 3 S. 1 SGB X (ebenfalls) in Höhe von 378,09 € auf die Klägerin übergegangen. Denn insoweit bliebe es dabei, dass bei 100%iger Haftung des Schädigers der Anspruch in Höhe der Rentenzahlung von 1.512,35 € auf die Klägerin überginge und aufgrund der Mitverschuldensquote von 75 % der Anspruchsübergang auf einen Teil von 25 % = 378,09 € beschränkt ist. Bei der Witwe verbliebe weiterhin ein Schadensersatzanspruch in Höhe von 25 % des Restschadens, d.h. der Differenz zwischen Rentenleistung von 1.512,35 € und dem vollen Schaden von 2.319,72 € (= 807,37 € x 25 % = 201,84 €).

Damit beläuft sich der übergegangene Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte auf 378,43 €/Monat = 2.268,54 €

2. In dem Zeitraum 1.7.2013 bis 31.12.2013 hat sich an den zu berücksichtigenden Einkommensverhältnissen nichts geändert. Die Klägerin hat allerdings monatlich Rentenleistungen in Höhe von 1.528,44 € erbracht. 25 % davon betragen 382,11 €, so dass sich der Anspruch für 6 Monate auf 2.292,66 € beläuft.

3. Für das Jahr 2014 gilt Folgendes:

a) Die von der Klägerin vorgetragenen Beträge betreffend das (hypothetische) Einkommen des Getöteten und das Einkommen der Witwe, die seit dem 6. Mai 2014 arbeitsunfähig erkrankt war, hat die Beklagte in der Klageerwiderung nicht ausdrücklich bestritten. Sie hat lediglich geltend gemacht, dass der Witwe bei zuvor ausgeführter vollschichtiger Arbeit ein höheres Krankengeld ausgezahlt worden wäre und die Differenz des Krankengeldes im Rahmen der Schadensminderungspflicht zu berücksichtigen wäre. Da die Witwe jedoch nicht zur Aufnahme einer Vollzeittätigkeit verpflichtet war, greift der Einwand nicht durch.

Wenn man den nachfolgenden Schriftsatz der Beklagten vom 12. September 2017 dahingehend verstehen wollte, dass sie nur die Einkünfte für das Jahr 2013 unstreitig stellen wollte, nicht aber für das Jahr 2014, ist das einfache Bestreiten zumindest unerheblich. Die Klägerin hat eine Bescheinigung des ehemaligen Arbeitgebers des Getöteten vom 26.3.2015 vorgelegt, wonach dieser im Jahr 2014 netto 49.103,38 € = 4.091,95 € netto /Monat verdient hätte. Zudem ergeben sich die für die Witwe als Einkommen eingesetzten Beträge aus der vorgelegten Verdienstbescheinigung der Fa. B vom 12.1.2015 in Verbindung mit der Lohnsteuerbescheinigung sowie aus der Bescheinigung der C vom 12.6.2014 über das der Witwe ausgezahlte Krankengeld, das ihr nach nicht ausdrücklich bestrittenen Angaben der Klägerin bis zum 22.9.2015 gezahlt wurde.

b) Danach errechnen sich folgende Ansprüche:

– Unterhaltspflichtiges monatliches Nettoeinkommen des Versicherten im Fortlebensfall: 4.091,95 €

– Monatliches unterhaltspflichtiges Einkommen der hinterbliebenen Ehefrau

1.1.2014 bis 30.4.2014

1.5.2014 bis 31.5.2014

1.6.2014 bis 31.12.2014

1.079,- €

178,80 € + 731,75 € = 910,15 €

878,10 €

– Fixe Kosten des Haushalts: 1.300,- €

Zeitraum

Anteil Ehemann am Gesamteinkommen

Anteil Ehefrau am Gesamteinkommen

Anteil Ehemann an den Fixkosten

Anteil Ehefrau an den Fixkosten

1.1. bis 30.4.2014

79 %

21 %

1.027,- €

273,- €

Mai 2014

82 %

18 %

1.066,- €

234,- €

1.6. bis 31.12.2014

83 %

17 %

1.079,-

221,- €

– Entgangener Bar- und Naturalunterhalt

01. – 04.2014

05.2014

06 – 12.2014

Unterhaltspfl. Nettoeinkommen des Getöteten

4.091,95 €

4.091,95 €

4.091,95 €

Anteil Fixkosten des Getöteten

1.027,- €

1.066,- €

1.079,- €

Verteilbares Nettoeinkommen

3.064,95 €

3.025,95

3.012,95 €

Anteil Witwe

1.532,48 €

1.512,98 €

1.506,48 €

Zzgl. Fixkostenanteil

1.027,- €

1.066,- €

1.079,- €

Entgangener Barunterhalt

2.559,48 €

2.578,98 €

2.585,48 €

Ausfall im Haushalt

130,- €

130,- €

130,- €

Unterhaltsanspruch bei 100% Haftung

2.689,48 €

2.708,98 €

2.715,48 €

Quotierter Anspruch (25%)

672,37 €

677,25 €

678,87 €

Ungedeckter Unterhaltsanspruch

2.017,11 €

2.031,73 €

2.036,61 €

– Vorteilsausgleich

Eigenes Einkommen Witwe

1.079,- €

910,15 €

878,10 €

Anteil Fixkosten

273,- €

234,- €

221,- €

Zu verteilendes Einkommen

806,- €

676,15 €

657,10 €

Fiktiver Anteil des Getöteten

403,- €

338,08 €

328,55 €

Bei voller Haftung des Schädigers beliefen sich die Ersatzansprüche der Klägerin auf folgende Beträge:

Ersatzanspruch bei voller Haftung des Schädigers

2.689,48 € ./. 403,- € = 2.286,48 €

2.708,98 € ./. 338,08 € = 2.370,90 €

2.715,48 € ./. 328,55 € = 2.386,93 €.

Da der Schädiger aber nur zu 25 % haftet und die weggefallene Unterhaltsverpflichtung geringer ist als der Ausfall wegen der Mithaftung, erfolgt kein Vorteilsausgleich.

– Folgende monatliche Rentenleistungen wurden erbracht:

1.1.2014 bis 30.6.2014

1.528,44 €

1.7.2014 bis 31.12.2014

1.550,10 €

Da die Witwe bei 100%iger Haftung des Schädigers einen Ersatzanspruch in diese Beträge übersteigender Höhe gehabt hätte, ginge der Anspruch der Witwe bei 100%iger Haftung in Höhe der angegebenen monatlichen Rentenleistungen auf die Klägerin über. Da der Schädiger aber nur zu 25 % haftet, geht der Anspruch in Höhe von 25 % und damit für die Monate Januar bis Juni 2014 in Höhe von monatlich 382,11 € (25 % von 1.528,44 €) und für die Monate Juli bis Dezember 2014 in Höhe von monatlich 387,52 € (25 % von 1.550,10 €) auf die Klägerin über.

Demnach beläuft sich der Anspruch der Klägerin für 2014 auf 6 x 382,11 = 2.292,66 € und 6 x 387,52 = 2.325,12 €, ergibt zusammen 4.617,78 €.

– Dies gilt auch dann, wenn ein Betrag von 400,- € für Vermögensbildung berücksichtigt und der Naturalschaden außer Acht gelassen wird.

01. – 04.2014

05.2104

06 – 12.2014

Unterhaltspfl. Nettoeinkommen des Getöteten

3.691,95 €

3.691,95 €

3.691,95 €

Anteil Fixkosten des Getöteten

1.027,- €

1.066,- €

1.079,- €

Verteilbares Nettoeinkommen

2.664,95 €

2.625,95

2.612,95 €

Anteil Witwe

1.332,48 €

1.312,98 €

1.306,48 €

Zzgl. Fixkostenanteil

1.027,- €

1.066,- €

1.079,- €

Entgangener Barunterhalt

2.359,48 €

2.378,98 €

2.385,48 €

Quotierter Anspruch (25%)

589,87 €

594,75 €

596,37 €

Ungedeckter Unterhaltsanspruch

1.769,61 €

1.784,23 €

1.789,11 €

Rentenleistung

1.528,44 €

1.528,44 €

1.550,10 €

Übergang in Höhe von 25 %

382,11

382,11

387,52 €

Kontrolle

Differenz zwischen Rentenleistung und vollem Schaden

831,04 €

850,54 €

835,38 €

Davon 25 %

207,76 €

212,64 €

208,85 €

Die Beträge der letzten Tabelle ergeben zusammen mit den Beträgen betreffend die übergegangenen Ansprüche genau die Summe des quotierten Schadensersatzanspruchs der Witwe gegen die Beklagte.

4. Insgesamt beläuft sich der Anspruch der Klägerin auf 9.178,98 €, der nach §§ 291 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB seit Rechtshängigkeit (4.1.2017) zu verzinsen ist.

III.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 92 Abs. 1, 708 Ziff. 10, 713 ZPO, § 26 Ziff. 8 EGZPO.

Die Revision war nicht gemäß § 543 Abs. 2 S. 1 ZPO zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordert.

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