OLG Frankfurt am Main, 05.06.2014 – 1 U 48/12

April 17, 2019

OLG Frankfurt am Main, 05.06.2014 – 1 U 48/12
Leitsatz

1. Bei einem Kaufvertrag über bewegliche Sachen umfasst die besondere Zuständigkeit des Erfüllungsortes nach Art. 5 Nr. 1 lit. b) erster Spiegelstrich EuGVVO auch die Schadensersatzklage des Käufers gegen den Verkäufer wegen angeblicher Mängel der Kaufsache.

2. Allein die Tatsache, dass eine Partei im Rahmen einer mehrjährigen Geschäftsbeziehung bei Abwicklung eines spätger geschlossenen Vertrages eine Rechnung übersendet, die erstmalig eine Gerichtsstandsklausel enthält, und die andere Partei der Geltung der Gerichtsstandsklausel nicht widerspricht, genügt nicht, um die auch bei der sog. „halben“ Schriftlichkeit nach Art. 23 Abs. 1 Satz 3 lit. a) Alt. 2 EuGVVO erforderliche Willensübereinstimmung hinsichtlich einer Gerichtsstandsvereinbarung zu begründen.

3. Hat das Landgericht die Klage wegen fehlender (internationaler) Zuständigkeit abgewiesen, hat das Berufungsgericht den Rechtsstreit unter Aufhebung der erstinstanzlichen Entscheidung durch Urteil an das zuständige Landgericht zu verweisen.
Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das am 18. Januar 2012 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 20. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird auf Antrag des Klägers an das international und örtlich zuständige Landgericht Hanau verwiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
1

(von der Darstellung des Tatbestandes wird abgesehen, §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1, 543 Abs. 1 Nr. 1 ZPO, 26 Nr. 8 EGZPO).
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I. Auf die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung des Klägers war das angefochtene Urteil aufzuheben und der Rechtsstreit an das Landgericht Hanau zu verweisen.
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Das Landgericht ist zu Unrecht von einem Fehlen der internationalen Zuständigkeit der deutschen Gerichte ausgegangen.
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1. Auf den vorliegenden Rechtsstreit findet die Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 22. Dezember 2000, ABl. EG 2001 Nr. 12, S. 1 (im Folgenden: EuGVVO) Anwendung. Diese Verordnung ist gemäß Art. 76 am 1. März 2002 für die Mitgliedstaaten der EG (jetzt: EU) mit Ausnahme Dänemarks (vgl. Art. 1 Abs. 3, Erwägungsgründe 21 und 22) in Kraft getreten und gilt gemäß Art. 66 Abs. 1 für alle Klagen, die nach ihrem Inkrafttreten erhoben werden. Da die Klage am 18. März 2010 eingereicht wurde, ist die Verordnung anwendbar.
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Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte beurteilt sich, da die Parteien ihren Sitz jeweils im Hoheitsgebiet eines Mitgliedsstaates haben und die in Italien ansässige Beklagte abweichend von Art. 2 EuGVVO vor den Gerichten eines anderen Mitgliedsstaates, nämlich in Deutschland, verklagt wird, gemäß Art. 1 Abs. 1 Satz 1, Art. 3 Abs. 1 EuGVVO nach Maßgabe der Art. 5 bis 24 EuGVVO.
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2. Die internationale Zuständigkeit ist jedoch nicht schon durch rügelose Einlassung gemäß Art. 24 Satz 1 EuGVVO begründet worden. Die Beklagte hat das Fehlen einer internationalen Zuständigkeit deutscher Gerichte in beiden Rechtszügen von Anfang an gerügt und in zulässiger Weise lediglich vorsorglich für den Fall, dass das angerufene deutsche Gericht den Gerichtsstaat nach dem maßgeblichen Zuständigkeitsrecht für international zuständig halten sollte, auch Ausführungen zur Hauptsache gemacht, so dass es an einer zuständigkeitsbegründenden Einlassung auf das Verfahren im Sinne von Art. 24 Satz 1 EuGVVO fehlt.
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3. Es kann auch nicht festgestellt werden, dass die Parteien gemäß Art. 23 Abs. 1 EuGVVO wirksam eine Gerichtsstandsvereinbarung getroffen hätten, mit welcher die internationale Zuständigkeit bei dem Landgericht Frankfurt am Main begründet worden wäre.
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Eine schriftliche Vereinbarung gemäß Art. 23 Abs. 1 Satz 3 lit. a) Alt. 1 EuGVVO ist, wie zwischen den Parteien unstreitig ist, nicht zustande gekommen. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist jedoch auch nicht das Vorbringen des Klägers erwiesen, die Beklagte sei mit einem Gerichtsstand in Frankfurt am Main einverstanden gewesen, was dann schriftlich bestätigt worden sei.
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Gemäß Art. 23 Abs. 1 Satz 3 lit. a) Alt. 2 EuGVVO kann allerdings eine Gerichtsstandsvereinbarung wirksam auch dadurch zustande kommen, dass ein mündlich vereinbarter Gerichtsstand schriftlich bestätigt wird, sogenannte halbe Schriftlichkeit (Zöller/Geimer, 30. Aufl., Art. 23 EuGVVO, Rz 16). Eine Gerichtsstandsvereinbarung setzt mithin gemäß Art. 23 Abs. 1 EuGVVO neben der Einhaltung der vorgeschriebenen Förmlichkeiten eine entsprechende Willenseinigung der Parteien voraus.
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Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht jedoch nicht zur erforderlichen Überzeugung des Senats fest, dass es zwischen den Parteien zu einer entsprechenden Einigung auf einen Gerichtsstand in Frankfurt am Main gekommen wäre. Zwar hat es dahingehende Gespräche gegeben. Der Senat kann aber nicht feststellen, dass diese tatsächlich auch in eine inhaltliche Einigung auf den Gerichtsstand Frankfurt am Main mündeten.
11

Der Zeuge A hat zwar glaubhaft bekundet, Herr B habe aufgrund seiner Erfahrungen mit ausländischen Herstellern auf einem Gerichtsstand in Deutschland, möglichst in Frankfurt am Main oder in der Nähe, bestanden. Er, der Zeuge, habe deshalb mit dem Zeugen C darüber gesprochen, worauf dieser gemeint habe, dies sei unproblematisch. Er habe dann dem Zeugen C schriftlich bestätigt, dass italienische Hersteller, auch die Beklagte, mit einem Gerichtsstand in Frankfurt oder ähnlich einverstanden seien. Eine Kopie hiervon habe er der Firma B gegeben, als die ersten Aufträge erteilt worden seien. Er habe noch den Zeugen C gefragt, ob dies so o.k. sei, und dieser habe erklärt, dass er nichts Gegenteiliges gehört habe. Demgegenüber hat der Zeuge C ebenfalls glaubhaft und überzeugend ausgesagt, er habe auf den Wunsch von Herrn B nach einem Gerichtsstand in Frankfurt mit Herrn D darüber gesprochen, ohne jedoch ein Ergebnis zu erzielen. Dies habe er habe in einem Telefonat dem Zeugen A mitgeteilt und diesen gebeten, bei Herrn B aktiv zu werden, damit dieser selbst bei Herrn D anfrage. Er, der Zeuge, habe nämlich die Vorstellung gehabt, dass dann, wenn ein Auftrag an Herrn D erteilt wird, dieser leichter zu einem Entgegenkommen zu bewegen sein würde. Eine entsprechende Anfrage seitens des Klägers sei aber nicht über seinen Tisch gelaufen, obwohl er sämtliche Post zur Übersetzung erhalten habe. Er habe sich deswegen gewundert. Er könne es ausschließen, dass eine Gerichtsstandsvereinbarung in den Unterlagen gewesen sei. Auch die Auftragsbestätigung habe eine Gerichtsstandsvereinbarung nicht enthalten. Auf Vorhalt der Bekundung des Zeugen A, dieser habe ihm eine schriftliche Bestätigung gegeben, hat der Zeuge C angegeben, eine solche Bestätigung nicht gesehen zu haben. Auch auf Nachfrage ist der Zeuge C dabei geblieben, dass er dem Zeugen A telefonisch gesagt habe, Herr B solle persönlich mit Herrn D wegen einer Gerichtsstandsvereinbarung sprechen. Der Senat vermag daher nicht festzustellen, welcher Aussage den Vorzug zu geben ist. Beide Zeugen haben ihre Angaben offen gemacht. Allerdings mag auf den von dem Zeugen C geschilderten Ablauf hindeuten, dass die Beklagte in keiner ihrer Auftragsbestätigungen einen vermeintlich vereinbarten Gerichtsstand in Frankfurt am Main aufgeführt hat. Wenn tatsächlich die Beklagte mit einem Gerichtsstand in Frankfurt einverstanden gewesen wäre, wäre zu erwarten gewesen, dass sie dies in einer der Auftragsbestätigungen festgehalten hätte. Es kann daher nicht mit der erforderlichen hinreichenden Wahrscheinlichkeit festgestellt werden, dass die Beklagte einem Gerichtsstand in Frankfurt am Main zugestimmt hatte. Dieses Ergebnis der Beweisaufnahme geht zu Lasten des Klägers, der beweispflichtig für sein Vorbringen ist.
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4. Jedoch ist eine Zuständigkeit deutscher Gerichte nach Maßgabe von Art. 5 Nr. 1 lit. a) und b) EuGVVO am Gerichtsstand des Erfüllungsortes gegeben, weil der Ort für die Erfüllung der Verpflichtung der Beklagten zur Lieferung des Nadelvlies-Teppichbodens am Sitz des Klägers in O1 anzusiedeln ist.
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a) Die Zuständigkeit nach Art. 5 Nr. 1 lit. b) erster Spiegelstrich EuGVVO umfasst sämtliche Klagen aus ein- und demselben Vertrag über den Verkauf beweglicher Sachen und nicht nur diejenigen aus der Lieferverpflichtung an sich (OLG Hamm, Urteil vom 09. September 2011 – 19 U 88/11, I-19 U 88/11 – juris, Rz 24; Zöller/Geimer a.a.O. Art. 5 EuGVVO, Rz 4). Für den vom Kläger geltend gemachten Schadensersatzanspruch ist also ebenfalls an den Lieferort als Erfüllungsort anzuknüpfen.
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b) Wo die Beklagte ihre Lieferverpflichtung zu erfüllen hatte, ist anders als nach der Vorgängerregelung des Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ nicht mehr nach der lex causae, d.h. mit Hilfe des Internationalen Privatrechts des angerufenen Gerichts, zu bestimmen. Vielmehr wurde mit Art. 5 Nr. 1 lit. b) EuGVVO ein selbstständiger Erfüllungsortbegriff geschaffen. Dieser ist losgelöst von rechtlichen Kategorien der einzelnen Mitgliedstaaten gemeinschaftsrechtlich autonom auszulegen (m.w.N. BGH, Urteil vom 02. März 2006 – IX ZR 15/05– juris, Rz 17).
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Für die Bestimmung des Lieferortes im Sinne von Art. 5 Nr. 1 lit. b) erster Spiegelstrich EuGVVO, an welchem die verkauften beweglichen Sachen nach dem Vertrag geliefert worden sind oder hätten geliefert werden müssen, ist deshalb ohne Rückgriff auf das hier nach Art. 31 CISG zum italienischen Sitz der Beklagten weisende materielle Recht nach der Entstehungsgeschichte, den Zielen und der Systematik der Verordnung aus Gründen seiner Vorhersehbarkeit und der räumlichen Sachnähe zu dem zur Entscheidung berufenen Gericht an den Ort anzuknüpfen, an dem die mit dem Kaufvertrag erstrebte Übertragung der Sachen vom Verkäufer an den Käufer durch deren Ankunft an ihrem endgültigen Bestimmungsort vollständig abgeschlossen ist und der Käufer die tatsächliche Verfügungsgewalt über die Waren erlangt hat oder hätte erlangen müssen (vgl. BGH, Urteil vom 23. Juni 2010 – VIII ZR 135/08– juris, Rz 20; EuGH, Urteil vom 25. Februar 2010 – C – 381/08– juris, Rz 60 ff.). Das war ausweislich der in der Auftragsbestätigung (Anlage B 6, Bl. 142 d.A.) ausdrücklich genannten Lieferadresse in O1.
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5. Der nach Art. 5 Nr. 1 lit. b) erster Spiegelstrich EuGVVO somit in Deutschland gegebene Gerichtsstand des Erfüllungsortes ist entgegen der Darstellung der Beklagten nicht durch die in ihren Rechnungen abgedruckte Gerichtsstandsklausel ausgeschlossen worden, wonach Gerichtsstand in O2/Italien ist. Eine wirksame Gerichtsstandvereinbarung liegt nämlich in keiner der möglichen Formalternativen des Art. 23 Abs. 1 EuGVVO vor.
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a) Eine schriftliche Vereinbarung gemäß Art. 23 Abs. 1 Satz 3 lit. a) Alt. 1 EuGVVO ist nicht gegeben. Um dem Erfordernis der vollen Schriftlichkeit zu genügen, hätte es der schriftlichen Zustimmung des Klägers zu der in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltenen Gerichtsstandsvereinbarung bedurft (vgl. BGH, Urteil vom 9. März 1994 – VIII ZR 185/92– juris, Rz 18).
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b) Auch der „halben“ Schriftlichkeit ist nicht genügt. Deren Einhaltung setzt voraus, dass die Parteien mündlich einen Vertrag geschlossen haben, sich dabei für beide Seiten erkennbar wenigstens stillschweigend über die Zuständigkeitsregelung geeinigt haben und dies von einer Seite schriftlich bestätigt worden ist (vgl. BGH, Urteil vom 9. März 1994 – VIII ZR 185/92– juris, Rz 19). Für diese Einigung reicht es aus, wenn sich die Parteien mündlich über die Anwendung der eine Gerichtsstandsklausel enthaltenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Vertragspartners verständigt haben und diese der anderen Seite beim Vertragsschluss vorlagen (BGH a.a.O.). Die Einigung gilt darüber hinaus auch dann als erzielt, wenn ein Vertrag im Rahmen laufender Geschäftsbeziehungen zwischen den Parteien mündlich geschlossen wurde und feststeht, dass diese Beziehungen in ihrer Gesamtheit bestimmten Allgemeinen Geschäftsbedingungen unterliegen, die eine Gerichtsstandsklausel enthalten (BGH a.a.O.; EuGH, Urteil vom 14. Dezember 1976 – Rs 25/76 = NJW 1977, 495).
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In jedem Fall ist indessen Voraussetzung der „halben“ Schriftlichkeit, die durch die Bestätigung einer Seite eingehalten werden soll, dass der Bestätigung ein mündlicher Vertragsschluss vorausgegangen ist, durch den auch die Allgemeinen Geschäftsbedingungen mit ihrer Zuständigkeitsregelung in die Willenseinigung der Parteien wenigstens konkludent einbezogen wurden (BGH a.a.O. Rz 20). Daran fehlt es hier, weil die Beklagte ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen und die darin enthaltene Gerichtsstandsklausel dem Kläger erst mit jeweiliger Rechnung mitgeteilt hat. Auch in Beziehung auf den streitgegenständlichen Vertrag hat die Beklagte dem Kläger ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen erst mit Rechnung vom 25. Juli 2008 (Bl. 180 f. d.A.) mitgeteilt. Mangels vorausgegangener mündlicher Einigung über die Geltung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen konnte auch die Geltung der Gerichtsstandsklausel nicht mit Überlassung der Rechnung bestätigt werden (vgl. BGH a.a.O. Rz 20 zur Gerichtsstandsklausel in einer Auftragsbestätigung).
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c) Die Beklagte kann auch nicht mit Erfolg einwenden, der Kläger verstoße nunmehr gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB), weil er seinerzeit auf die in ihren Rechnungen abgedruckte Gerichtsstandsklausel nicht reagiert habe. Eine Vereinbarung über eine internationale Zuständigkeit in O2 ist nämlich auch nicht gemäß Art. 23 Abs. 1 Satz 3 lit. b) EuGVVO in einer Form geschlossen worden, „welche den Gepflogenheiten entspricht, die zwischen den Parteien entstanden sind“.
21

Auch diese Alternative setzt voraus, dass eine Willensübereinstimmung hinsichtlich der Gerichtsstandsklausel vorliegt. Der laufende Abdruck von Gerichtsstandsklauseln auf Rechnungen oder Auftragsbestätigungen genügt daher nicht (BGH, Urteil vom 25. Februar 2004 – VIII ZR 119/03– juris, Rz 11 noch zu Art. 17 Abs. 1 Satz 2 lit. b) EuGVÜ; vgl. auch Zöller/Geimer a.a.O. Art. 23 EuGVVO, Rz 27). Gepflogenheiten können nur die Form, nicht jedoch die Einigung ersetzen (OLG Stuttgart, Urteil vom 31. Juli 2012 – 5 U 150/11– juris, Rz 64). Die Parteien müssen sich also zumindest einmal über die Geltung der Gerichtsstandsklausel geeinigt haben.
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Daran fehlt es wie gezeigt hier. Die Beklagte hat zwar erstinstanzlich behauptet, allen Geschäftsbeziehungen der Parteien hätten ausnahmslos ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen zugrunde gelegen. Vorgelegt hat sie jedoch nur Rechnungen ab dem 7. Juli 2003 mit Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Für die Lieferungen der Beklagten an den Kläger aus den Jahren 1996, 1998 und 1999 ergibt sich hieraus nichts. Es fehlt damit jeder konkrete Vortrag dazu, dass in der Anfangsphase der Geschäftsbeziehung zwischen dem Kläger und der Beklagten die Geltung deren Allgemeinen Geschäftsbedingungen einmal vereinbart worden ist. Allein die Tatsache, dass die Beklagte bei Abwicklung eines späteren Vertrages eine Rechnung mit einer Gerichtsstandsklausel übersandt hat und der Kläger deren Geltung nicht widersprochen hat, genügt für die Feststellung der erforderlichen Willensübereinstimmung nicht.
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Darüber hinaus würde es nicht genügen, wenn eine Gerichtsstandsklausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthalten ist, die auf der Rückseite eines auf dem Geschäftspapier einer Partei niedergelegten schriftlichen Vertrages abgedruckt sind, ohne dass auf die Allgemeinen Geschäftsbedingungen ausdrücklich hingewiesen wird (vgl. Zöller/Geimer a.a.O. Rz 22 f.; EuGH, Urteil vom 14. Dezember 1976 – 24/76– juris, Rz 9 f. noch zu Art. 17 EuGVÜ). Aber auch eine solche Bezugnahme auf rückseitige Verkaufsbedingungen würde nicht genügen, wenn nicht festgestellt werden kann, dass beide Parteien die Lieferbeziehungen der Gerichtsstandsklausel unterstellen wollten (vgl. BGH, Urteil vom 25. Februar 2004 – VIII ZR 119/03– juris, Rz 12). Dass der Kläger mit der Geltung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten, insbesondere mit der Geltung der Gerichtsstandsklausel, einverstanden gewesen wäre, ist aber nicht ersichtlich. Im Gegenteil war der Wunsch des Klägers nach einem Gerichtsstand in Frankfurt am Main oder in der Nähe immer wieder Gesprächsthema zwischen den Zeugen A und C. Die Beklagte hat selbst vorgetragen, der Zeuge A habe sich aber geweigert, den Wunsch des Klägers nach Vereinbarung des streitgegenständlichen Gerichtsstandes an sie weiterzuleiten. Der Zeuge C hat ausgesagt, der Zeuge A habe ihn nicht nur einmal auf einen Gerichtsstand in Frankfurt angesprochen, sondern dies sei immer wieder gewesen.
24

d) Es kann auch nicht aufgrund eines internationalen Handelsbrauchs vermutet werden, dass der Kläger mit der in der Rechnung der Beklagten abgedruckten Gerichtsstandsklausel einverstanden gewesen wäre, Art. 23 Abs. 1 Satz 3 lit. c) EuGVVO. Zwar kann dann, wenn eine der Vertragsparteien auf ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben der anderen Partei, das einen vorgedruckten Hinweis auf den Gerichtsstand enthält, nicht reagiert oder schweigt oder wenn eine der Parteien wiederholt Rechnungen der anderen Partei, die einen solchen Hinweis enthalten, widerspruchslos bezahlt, dies als Zustimmung zu der streitigen Gerichtsstandsklausel gelten, wenn ein solches Verhalten einem Brauch in dem Bereich des internationalen Handelsverkehrs entspricht, in dem die Parteien tätig sind, und wenn ihnen dieser Brauch bekannt ist oder als ihnen bekannt angesehen werden muss (EuGH, Urteil vom 20. Februar 1997 – C-106/95– juris, Rz 20; BGH, Urteil vom 16. Juni 1997 – II ZR 37/94– juris, Rz 6 jeweils noch zu Art. 17 Abs. 1 EuGVÜ). Dies ist ausweislich des Protokolls der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vom 8. Mai 2014 (Bl. 239 ff. d.A.) mit den Parteivertretern erörtert worden. Die Existenz eines solchen Handelsbrauchs ist jedoch weder von der Beklagten vorgetragen worden noch sonst ersichtlich.
25

II. Zur Entscheidung dieses Rechtsstreits ist demnach das Landgericht Hanau berufen, in dessen Bezirk sich der die internationale Zuständigkeit begründende Erfüllungsort befindet. Eine eigene Sachentscheidung kam im gegenwärtigen Verfahrensstand nicht in Betracht. Vielmehr war gemäß § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO auf die hilfsweise gestellten Anträge des Klägers das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main aufzuheben und der Rechtsstreit durch Urteil an das zuständige Landgericht Hanau zu verweisen, weil das erstinstanzliche Urteil nicht durch Beschluss aufgehoben werden kann (OLG Frankfurt, Urteil vom 17. Mai 1995 – 17 U 155/94 – juris, Rz 14; Zöller/Greger a.a.O. § 281 ZPO, Rz 13; vgl. BGH, Urteil vom 23. Februar 1977 – VIII ZR 222/75– juris, Rz 22).
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III. Die Kosten des Berufungsverfahrens waren gemäß § 97 Abs. 1 und 2 ZPO dem Kläger aufzuerlegen. Es handelt sich um Mehrkosten, die durch Anrufung eines unzuständigen Gerichts verursacht worden sind (BGH a.a.O.; OLG Frankfurt a.a.O. Rz 16).
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Die Entscheidung über die vor dem Landgericht Frankfurt am Main angefallenen Kosten ist gemäß § 281 Abs. 3 ZPO dem Landgericht Hanau vorzubehalten (vgl. BGH a.a.O.; Urteil vom 05. November 1953 – III ZR 379/51– juris, Rz 53 f.).
28

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10 Satz 1, 713 ZPO. Das zweitinstanzliche Urteil, das eine Verweisung des Rechtsstreits gemäß § 281 Abs. 1 ZPO ausspricht, ist gemäß § 281 Abs. 2 Satz 2 ZPO unanfechtbar (OLG Frankfurt a.a.O. Rz 17; Zöller/Greger a.a.O. § 281 ZPO, Rz 14).

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