OLG Frankfurt am Main, 06.02.2017 – 2 U 174/16

März 20, 2019

OLG Frankfurt am Main, 06.02.2017 – 2 U 174/16
Tenor:

Die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 16. Dezember 2016 (Az.: 2-12 O 437/15) wird einstweilen gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 75.000,00 € eingestellt.
Gründe

I.

Die Klägerin nimmt den Beklagten, der seinerseits Zwischenfeststellungswiderklage erhoben hat, auf Räumung des in ihrem Eigentum stehenden sog. „Rennbahngeländes“ (kurz: Gelände) in O1 X in Anspruch.

Sie hatte es mit Vertrag vom 06.09.2010 (Bl. 3 – 16 d. A.) der Streitverkündungsadressatin, der B1 GmbH (kurz: B), die am 26.01.2010 zum Zweck des Betriebs der Galopprennbahn mit einem Stammkapital von zwei Millionen Euro vom geschäftsführenden Alleingesellschafter G gegründet worden war, vermietet. Es wurden eine Mietdauer rückwirkend vom 01.09.2009 bis zum 31.08.2024 und ein Optionsrecht zugunsten der Mieterin, das Mietverhältnis dreimal um je fünf Jahre zu verlängern, vereinbart.

Vertragsgemäß (§ 4) durfte das Gelände als Pferde-, Golf- und Freizeitsportfläche genutzt werden, die Mieterin war verpflichtet, jährlich mindestens fünf Renntage mit jeweils sechs Pferderennen, darunter mindestens ein Listenrennen, zu veranstalten. Da die Mieterin zur Veranstaltung von Vollblutzuchtrennen nicht berechtigt war, war ihr, um vorgenannte Verpflichtung zu erfüllen, gestattet, mit einem D einen Durchführungsvertrag zu schließen.

Dieser – überschrieben als Geschäftsbesorgungsvertrag (Bl. 17 bis 22 d. A.) – wurde mit Nachträgen am 06.12.2010 nunmehr mit dem Beklagten, dessen Vizepräsident G seinerzeit war, geschlossen. Er sah Unterstützungsleistungen der Mieterin (§ 2), u. a. die Überlassung von Büroraum an den Beklagten, eine an diesen zu zahlende Vergütung (§ 4) i.H.v. jährlich 216.000,00 € sowie Sonderzahlungen in Gestalt näher beschriebener Überschusszuweisungen der Mieterin vor.

Als Vertragslaufzeit (§ 3) wurde der Zeitraum vom 1.01.2011 bis zum 31.08.2024 angegeben (Abs. 1), ferner vereinbart (Abs. 2), die Vereinbarung könne von beiden Parteien mit einer Frist von 2 Monaten zum 30.06. oder 31.12. eines jeden Jahres gekündigt werden.

Am 05.08.2014 schloss G, mittlerweile Präsident des Beklagten, mit der Klägerin zu notarieller Urkunde des Notars I (Bl. 23 ff d. A.) zum einen einen Geschäftsanteilskauf – und Abtretungsvertrag bezüglich der Geschäftsanteile an der B zum Kaufpreis von „rund 3 Millionen €“ (Bl. 74 d.A.), die Parteien gehen davon aus, dass dieser Vertrag mittlerweile erfüllt wurde, und zum anderen namens der B einen Aufhebungsvertrag betreffend den Mietvertrag. Insoweit verpflichtete sich die Klägerin gegenüber dem Beklagten nach näherer Maßgabe gemäß II. 3., ihm ein Angebot zum Abschluss eines Nutzungsvertrages zu unterbreiten, das die Nutzung der Pferdesportfläche entsprechend dem bestehenden Vertrag zur Durchführung von Pferderennen bis zum 31.12.2015, die Verpflichtung zur Räumung des Geländes spätestens zu diesem Datum und die diesbezügliche Zwangsvollstreckungsunterwerfung vorsah, aber vom Beklagten nicht angenommen wurde.

Mit Schreiben vom 04.03.2015 kündigte die B den Geschäftsbesorgungsvertrag mit dem Beklagten zum 30.06.2015. Die Klägerin verlangte mit Schreiben vom 29.06.2015 (Bl. 30 d. A.) unter Hinweis u. a. darauf, nach Aufhebung des Mietvertrags sei die Besitzberechtigung des Beklagten entfallen, die Herausgabe des Geländes zum 30.09.2015, hilfsweise zum 31.12.2015, verbunden mit der Erklärung, diese Forderung sei vorsorglich Kündigungserklärung zu den genannten Zeitpunkten.

Die Klägerin hat gemeint, der Geschäftsbesorgungsvertrag sei gemäß § 3 Ziffer 2 des Geschäftsbesorgungsvertrages wirksam gekündigt worden, ihr gegenüber gehe die Rechtsposition des Beklagten jedenfalls nicht weiter als die der B. Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten, er hält – mit Zwischenfeststellungswiderklage geltend gemacht – die Vereinbarungen der Klägerin mit G und der B vom 05.08.2014 auch unter dem Gesichtspunkt der Kollusion für unwirksam.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (Bl. 724 bis 751 d. A.) Bezug genommen.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben und die Zwischenfeststellungswiderklage abgewiesen, für weitere Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des landgerichtlichen Urteils verwiesen.

Das ihm am 22.12.2016 zugestellte Urteil greift der Beklagte mit seiner am selben Tag eingelegten Berufung, die er am 19.01.2017 begründet hat, als rechtsfehlerhaft an, wegen der diesbezüglichen Einzelheiten wird auf die Schriftsätze vom 18.01.2017 (Bl. 770 bis 788 d. A.) und vom 19.01.2017 (Bl. 789 bis 808 d. A.) Bezug genommen. Zugleich beantragt er, die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil ohne, hilfsweise gegen Sicherheitsleistung einstweilen einzustellen.

Er rügt unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens u. a., das Erstgericht habe die gemeinsame Geschäftsgrundlage des einheitlich zu behandelnden Vertragswerks aus Miet- und Geschäftsbesorgungsvertrag nicht beachtet und – gehörswidrig ohne Beweisaufnahme – verkannt, dass die Möglichkeit der Kündigung des Geschäftsbesorgungsvertrags auf das Ende der Festlaufzeit beschränkt sei.

Auf den gerichtlichen Hinweis, bisher sei nicht ersichtlich, dass die in einem Memorandum zum erstinstanzlichen Schriftsatz vom 12.08.2016 zum Beweis benannten Zeugen Angaben zu der Bedeutung von § 3 Abs. 2 des Geschäftsbesorgungsvertrags machen könnten, da nicht erkennbar sei, ob sie an dem Abschluss dieser Vereinbarung seinerzeit beteiligt gewesen seien, Entsprechendes gelte, soweit im Schriftsatz vom 19.01.2017 auf den Seiten 12 f. unter Beweis gestellter Tatsachenvortrag zur Auslegung vorgenannter Vertragsbestimmung herangezogen werden solle, hat der Beklagte mit Schriftsatz vom 27.01.2017 (Bl. 824 ff d. A.) ergänzend Stellung genommen.

Die Klägerin beantragt nach näherer Maßgabe des Schriftsatzes vom 27.01.2017 (Bl. 847 ff d. A.), dem der Beklagte mit Schriftsatz vom 02. 02.2017 (Bl. 861 ff d. A.) entgegen getreten ist, den Vollstreckungsschutzantrag zurückzuweisen, den sie für unzulässig und mit Rücksicht u. a. darauf, dass die Berufung keine Erfolgsaussicht habe, auch für unbegründet hält.

II.

Die Zwangsvollstreckung aus dem für vorläufig vollstreckbar erklärten Urteil des Landgerichts war gegen Sicherheitsleitung einstweilen einzustellen, da nach dem gegenwärtigen Sach- und Streitstand überwiegende Interessen des Beklagten an der vorläufigen Einstellung der Zwangsvollstreckung aus dem Urteil bestehen (§ 719 Abs. 1 S. 1, § 707 Abs. 1 S. 1, 2 ZPO).

Die Zwangsvollstreckung aus einem für vorläufig vollstreckbar erklärten Urteil kann gegen Sicherheitsleistung oder unter besonderen Voraussetzungen ohne Sicherheitsleistung einstweilen eingestellt werden. Bei der erforderlichen Abwägung der Auswirkungen auf die wirtschaftlichen und persönlichen Interessen der Parteien haben diejenigen des Gläubigers kraft der gesetzlichen Wertung grundsätzlich Vorrang, so dass dem Einstellungsantrag nur stattgegeben werden darf, wenn zu Gunsten des Schuldners besondere schutzwürdige Einstellungsinteressen bestehen (vgl. Zöller/Herget, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 719, Rdnr. 3 m.w.N.).

Der Beklagte hat solche besonderen schutzwürdigen Einstellungsinteressen dargelegt, namentlich liegt die Voraussetzung, dass die Vollstreckung ihm als Schuldner einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde, vor (§ 712 Abs. 1 ZPO).

Dem steht nicht entgegen, dass in erster Instanz kein Antrag nach § 712 ZPO gestellt worden ist.

Dieser Antrag kann nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats (vgl. zuletzt Beschluss vom 1.12.2016 – 2 U 150/16, nicht veröffentlicht), auch in der Berufungsinstanz gestellt werden; er ist lediglich in der Revisionsinstanz nicht mehr möglich, wenn er nicht in der Berufungsinstanz gestellt wurde (vgl. BGH, MDR 2013, 924 [BGH 26.06.2013 – XII ZB 19/13]; ZMR 2013, 25 f. m.w.N.).

Zwar ist es nicht Aufgabe des Gläubigers, der seine Ansprüche grundsätzlich auch zum wirtschaftlichen Nachteil des Schuldners durchsetzen darf, wirtschaftliche oder persönliche Nachteile für den Schuldner infolge der Vollstreckung durch Verzicht hierauf oder Zuwarten mit einer Zwangsvollstreckung auszugleichen. Vorliegend ist aber zu beachten, dass die Räumung des Rennbahngeländes – anders als beispielsweise die Vollstreckung eines Zahlungsanspruchs – die besondere Folge hat, dass auf eine zweitinstanzliche Entscheidung hin der durch Vollstreckung eingetretene Besitzverlust nicht mehr rückgängig zu machen sein wird.

Der unersetzliche Nachteil ist vorliegend weniger in wirtschaftlichen Nachteilen zu erblicken, denn der Beklagte ist ein Idealverein ohne Gewinnerzielungsinteressen, dessen Zweck die Ausrichtung von Galopprennen ist. Das streitgegenständliche Gelände bietet hierfür – soweit ersichtlich – in weitem Umkreis die einzige Möglichkeit. Dabei ist der Entscheidung zugrunde zu legen, dass im Fall der Durchführung der Räumungsvollstreckung das Gelände für den Beklagten verloren sein wird. Die Klägerin hat nach eigenem Vortrag im Schriftsatz vom 27.01.2017 aufgrund des von ihr mit dem DFB geschlossenen Erbbaurechtsvertrages die Ausübung von Rücktrittsrechten sowie Vertragsstrafeforderungen des DFB für den Fall verspäteter Übergabe zu gewärtigen, weshalb davon auszugehen ist, sie werde das Gelände nach Durchführung der Vollstreckung an den DFB zur Meidung all dessen übergeben. Die Klägerin hat zu ihr entstehenden erheblichen Nachteilen nicht konkret vorgetragen.

Sollte das landgerichtliche Urteil letztlich keinen Bestand haben, wäre die Klägerin dann nicht mehr in der Lage, dem Beklagten den Besitz an dem Gelände einzuräumen. Dieser Nachteil ist vorliegend nicht als regelmäßige Folge einer Räumungsvollstreckung vom Schuldner grundsätzlich hinzunehmen. Anders als bei zur Berufsausübung angemieteten Räumen, für die der Vollstreckungsschuldner sich Ersatz beschaffen kann, um seine Berufsausübung fortzusetzen (vgl. BGH, Beschluss vom 27. August 1998 – XII ZR 167/98 -, Rn. 6, juris), fehlen zur Ausrichtung von Galopprennen geeignete Flächen, die zudem mit den erforderlichen Einrichtungen, namentlich Tribüne und Stallungen, ausgestattet sein müssten. Vor diesem existenzbedrohenden Nachteil ist der Beklagte durch das Erfordernis der Sicherheitsleistung seitens der Klägerin und durch einen etwaigen Anspruch gemäß § 717 Abs. 2 ZPO nicht ausreichend geschützt, denn es ist gerade nicht anzunehmen, dass die Klägerin zur Wiederherstellung des Zustandes, der ohne die Vollstreckung bestehen würde, in der Lage sein wird.

In die Abwägung der Parteiinteressen hat einzufließen, dass eine Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung in der Berufungsinstanz hier in Betracht kommt und die sachliche Erfolgsaussicht des Rechtsmittels nicht schlechterdings verneint werden kann, wenn auch die rechtliche und tatsächliche Prüfung des Vorbringens der Parteien im Rahmen der Entscheidung über den Antrag auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung noch nicht abschließend erfolgen kann.

Nach dem gegenwärtigen Sach- und Streitstand ist es möglich, dass dem Beklagten gegenüber dem Räumungsverlangen der Klägerin eine Einwendung, sei es unter dem Aspekt von Treu und Glauben, sei es unter Schadensersatzgesichtspunkten dahin zusteht, dass der Klägerin der geltend gemachte Anspruch aus § 546 Abs. 2 BGB gegen den Beklagten als mit dem Mieter nicht identischen besitzenden Dritten nicht zusteht oder sie ihn nicht durchsetzen darf, was gleichermaßen für den Eigentumsherausgabeanspruch (§ 985 BGB) gelten würde.

Die Annahme des Landgerichts (LGU 16 unten), das Hauptmietverhältnis zwischen der Klägerin und der B sei beendet, begegnet gewissen Bedenken, wobei zutreffend ist, dass zwischen den Parteien unmittelbare vertragliche Verbindungen nicht bestehen und der Mietvertrag mit der B einen Vertrag zugunsten des Beklagten als eines Dritten (§ 328 BGB) nicht darstellt (LGU 17). Dem Landgericht dürfte ferner noch darin zu folgen sein, dass der Geschäftsbesorgungsvertrag die Klägerin nicht unmittelbar bindet, weil sie nicht Partei dieses Vertrages ist wie auch der Geschäftsbesorgungsvertrag als solcher miet- oder pachtvertragliche Elemente nicht enthält (LGU 18).

Vom Landgericht nicht genügend in den Blick genommen erscheinen dem Senat indessen andere Umstände, nämlich:

– der Mietvertrag sieht eine Laufzeit bis in das Jahr 2024 und ein Optionsrecht des Mieters zur zweimaligen, jeweils fünfjährigen Verlängerung vor,

– dem Mieter ist die Verpflichtung auferlegt, jährlich mindestens fünf Renntage zu veranstalten,

– bereits bei Vertragsschluss ist davon ausgegangen worden, die Durchführung der Veranstaltungspflicht werde einem Dritten übertragen werden,

– der diesbezügliche Vertrag ist in Gestalt des Geschäftsbesorgungsvertrages mit dem Beklagten geschlossen worden,

– diesem sind darin finanzielle Verpflichtungen nicht nur nicht auferlegt, sondern vielmehr eine Vergütung und weitere Zuwendungen zugesagt worden,

– die Ablaufzeit des Vertrages entspricht mit Ausnahme der hier nicht vereinbarten Verlängerungsoption und eines hier beiden Seiten eingeräumten zweimal jährlich ausübbaren Kündigungsrechts derjenigen des Mietvertrags.

Bei dieser Sachlage war zu erwägen, ob das Kündigungsrecht gemäß dem Geschäftsbesorgungsvertrag – dem Wortlaut entsprechend – ohne weiteres ausgeübt werden durfte oder ob der Vertrag insoweit einschränkend auszulegen ist, während die Ansicht des Landgerichts (LGU 19), auf die Frage, ob der Geschäftsbesorgungsvertrag kündbar gewesen und ob er wirksam gekündigt worden sei, komme es nicht entscheidungserheblich an, zu kurz greifen dürfte.

Nach dem Vortrag des Beklagten kommt in Betracht, dass die Vertragsparteien mit der Kündigungsklausel tatsächlich etwas anderes als die jederzeitige Kündigung zu zwei Terminen jährlich vereinbart haben.

Zwar ist ein Vermieter grundsätzlich nicht gehindert, den Hauptmietvertrag zu Lasten des besitzenden Dritten, regelmäßig eines Untermieters, zu beenden, also insbesondere auch durch Vereinbarung, wenn die im Vertrag vorgesehenen Kündigungsgründe – so auch im Streitfall – nicht vorliegen.

Ebenso ist ein Geschäftsbesorgungsvertrag (§ 675 Abs. 1 BGB), der schwerpunktmäßig als Werkvertrag (§ 631 BGB) zu qualifizieren sein dürfte, weil ein Erfolg – die Ausrichtung von Pferderennen an mindestens fünf Pferderenntagen (§ 1 Abs. 1 des Geschäftsbesorgungsvertrags) – geschuldet ist, vom Auftraggeber grundsätzlich frei kündbar (§ 649 BGB), was vorliegend – allerdings für beide Seiten und lediglich zu zwei Zeitpunkten jährlich – vereinbart worden ist.

Die Annahme eines weitgehend nicht an Voraussetzungen geknüpften freien Kündigungsrechts der B gemäß § 3 Abs. 2 des Geschäftsbesorgungsvertrags erscheint indessen nicht zweifelsfrei. Im Regelfall hat der Auftragnehmer kein persönliches Interesse an der Vertragsdurchführung, sondern vorrangig an der ihm versprochenen Vergütung, weshalb ihm das dem anderen Teil eingeräumte Recht zur Kündigung unter Erhalt seines Anspruchs auf volle Vergütung nicht nachteilig ist. Anders kann dies zu beurteilen sein, wenn der Auftragnehmer über die Realisierung seines Vergütungsanspruchs hinaus ein berechtigtes Interesse an der Ausführung der Vertragsleistung hat, welches durch eine jederzeitige freie Kündigung des Vertrages in einer Weise beeinträchtigt werden würde, die hinzunehmen ihm nicht zugemutet werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 27. 01.2011 – VII ZR 133/10 -, BGHZ 188, 149-157, Rn. 13).

Das besondere eigene Interesse des Geschäftsbesorgers, des Beklagten, an der Ausrichtung von Renntagen zur Austragung von Pferderennen, ist, weil es sich letztlich um den mit seiner Gründung verfolgten Zweck handelt, vorliegend fraglos zu bejahen, denn ein weiteres kommt hinzu:

Die Veranstaltung von Renntagen war verbindlich bereits im Mietvertrag vorgesehen, auch die Klägerin verfolgte mit dem Abschluss des Vertrages diesen Zweck, der satzungsgemäß ebenso Anliegen der Mieterin war.

Unstreitig ist der Mietvertrag mit der B statt mit einem Verein wie dem Beklagten vor allem deshalb geschlossen worden, weil der Klägerin nach der Insolvenz eines „Vorgängervereins“ an einem dauerhaft zahlungsfähigen Vertragspartner gelegen war. Der Abschluss eines Geschäftsbesorgungsvertrages zwischen der B und (letztendlich) dem Beklagten war – der Klägerin bekannt – erforderlich, weil die B die verbandsrechtlichen Voraussetzungen zur Ausrichtung der Rennen nicht erfüllte.

In diesem Sinne könnte auch der Aktenvermerk des G vom 11.01.2010 (Bl. 85 d. A.) zu deuten sein, der u. a. von der Notwendigkeit spricht, den Vertrag [gemeint ist: der Mietvertrag] nicht direkt mit dem „D“ abzuschließen, sondern mit der B, und davon, die B werde mit dem „D“ – einen Pachtvertrag abschließen, der gleichlautend in den Bedingungen sei, „jedoch die Risiken ausklammert“.

Die konkrete Aufeinanderfolge von Mietvertrag und Geschäftsbesorgungsvertrag bei weitgehender Parallelität der vereinbarten Laufzeit lässt ein Verständnis des Geschäftsbesorgungsvertrages dahin als möglich erscheinen, dass dem Beklagten von der B mittels dieses Vertrages im Ergebnis die Position verschafft werden sollte, die er als Mieter, als der er für die Klägerin indessen aus finanzieller Vorsicht nicht in Frage kam, innegehabt hätte. Insoweit ist im Streitfall insbesondere zu berücksichtigen, dass der Mietvertrag ein ordentliches Kündigungsrecht gerade nicht vorsah.

Vor diesem Hintergrund erscheint die Annahme, das in § 3 Abs. 2 des Geschäftsbesorgungsvertrages geregelte Kündigungsrecht habe quasi jederzeit ausgeübt werden können, fraglich.

Es erscheint des Weiteren nicht gänzlich als ausgeschlossen, dass die Klägerin die Aufhebung des Mietvertrages im Verhältnis zur B mit deren geschäftsführendem Alleingesellschafter lediglich aufgrund gleichzeitigen Erwerbs der Geschäftsanteile erreichte.

Hierfür spricht bereits die äußerliche Verbindung beider Geschäfte in einer notariellen Urkunde, aber auch die Höhe des vereinbarten Kaufpreises für die Anteile. Bei einem Stammkapital von 2 Mio. € hatte die GmbH als einzigen relevanten Wert die durch den Mietvertrag gewährte Möglichkeit, äußerstenfalls bis 2039 auf dem Gelände Rennen durchzuführen und so Einnahmen zu erzielen. Ein Gewinn hieraus wäre ihr aber nicht einmal verblieben, sondern wäre ausweislich des Geschäftsbesorgungsvertrages dem Beklagten in bestimmten Grenzen als weitere Zuwendung zugeflossen.

Die Aufhebung des Mietvertrages musste die Anteile sogleich entwerten, so dass der „Übererlös“ als Gegenleistung für die Aufhebungsvereinbarung begriffen werden könnte.

Da die Aufhebung des Mietvertrages ersichtlich den Zweck hatte, der B die Grundlage für die weitere Vertragserfüllung gegenüber dem Beklagten zu entziehen, weil der Klägerin als Vermieter nun der Anspruch auf Rückgabe im Verhältnis zur B (§ 546 Abs. 1 BGB), aber insbesondere auch gegenüber dem Beklagten (§§ 546 Abs. 2, 985 BGB) erwuchs, was gerade das Mietvertragsangebot gegenüber dem Beklagten belegt, und der Erwerb der Anteile an der B sie mittelbar in die Lage versetzte, außerdem von dem im Geschäftsbesorgungsvertrag geregelten Kündigungsrecht Gebrauch zu machen, kommt in Betracht, das Handeln der Klägerin einerseits, der B und des G andererseits dahin zu werten, dass mittels des notariellen Vertrages vom 05.08.2014 die B in sittenwidriger Weise (§ 826 BGB) zum Vertragsbruch gegenüber dem Beklagten verleitet worden ist.

Denn auf Grundlage der Prämisse, dass der B im Verhältnis zum Beklagten kein quasi freies Kündigungsrecht eingeräumt war, konnte die Mietaufhebungsvereinbarung einerseits, die absehbare Kündigung des Geschäftsbesorgungsvertrags andererseits im Verhältnis zum Beklagten eine Vertragsverletzung der B darstellen, zu der die Klägerin den seinerzeit geschäftsführenden Alleingesellschafter durch den Anteilskaufvertrag unter Vereinbarung eines womöglich wirtschaftlich nicht gerechtfertigten Entgelts veranlasst haben könnte.

Zwar ist im Allgemeinen nicht als sittenwidrig zu qualifizieren, dass der Handelnde vertragliche Pflichten verletzt oder bei einem anderen einen Vermögensschaden hervorruft, wenn nicht eine besondere Verwerflichkeit seines Verhaltens hinzutritt, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zutage tretenden Gesinnung oder den eingetretenen Folgen ergeben kann (vgl. BGH, Urteil vom 15.10.2013 – VI ZR 124/12 -, Rn. 8, juris).

Die Mitwirkung eines Dritten an dem Vertragsbruch einer Partei begründet ohne Hinzutreten besonderer Umstände daher für sich genommen noch nicht den objektiven Tatbestand der Sittenwidrigkeit.

Eine solche Schädigung liegt aber vor, wenn das Eindringen des Dritten, dem die Existenz der vertraglichen Bindung positiv bekannt ist, ein besonderes Maß an Rücksichtslosigkeit gegenüber dem Geschädigten offenbart, so etwa, wenn der Dritte eine Vertragspartei zum Vertragsbruch verleitet, kollusiv mit ihr zusammenwirkt oder die Verletzung vertraglicher Treuepflichten bewusst unterstützt (vgl. BGH, Urteil vom 15. 10.2013 – VI ZR 124/12 -, Rn. 8, juris).

Vorliegend kann nach dem bisherigen Sach- und Streitstand davon ausgegangen werden, dass der Klägerin der Inhalt des Geschäftsbesorgungsvertrages und die hierfür maßgeblichen Umstände bekannt waren. Sie wusste ferner, dass der Geschäftsführer der B einer Aufhebung des Mietvertrages ohne Übernahme der Geschäftsanteile nicht zugestimmt hätte, denn dies konnte sich als Vertragsverletzung der B gegenüber dem Beklagten und als vereinsschädigende Handlung des Herrn G persönlich darstellen.

Auf dieser Grundlage könnte die notarielle Vereinbarung vom 05.08.2014 den objektiven und subjektiven Tatbestand eines Sittenverstoßes erfüllen, wobei nicht erforderlich ist, dass die Entscheidungsträger auf Seiten der Klägerin diese Wertung nachvollzogen haben, vielmehr ist ausreichend, dass sie die dieser Wertung zugrunde liegenden Tatsachen kannten (vgl. Palandt/Sprau, BGB, 76. Aufl. 2017, § 826, Rn. 8). Für den Schädigungsvorsatz genügt, dass Art und Richtung des Schadens – dauerhafter Entzug des unmittelbaren Besitze des Beklagten und der Möglichkeit, seinem Vertragszweck entsprechend Galopprennen durchzuführen – vorhergesehen wurden (vgl. Palandt/ Sprau, aaO., Rn. 11), was als offensichtliche Konsequenz im Mietaufhebungs- und Anteilskauf-/ Übertragungsvertrag angelegt ist.

Hiernach könnte dem Beklagten gegenüber dem Räumungsverlangen der Einwand erwachsen sein, er sei von der Klägerin so zu stellen, als sei der Mietvertrag nicht aufgehoben und der Geschäftsbesorgungsvertrag nicht gekündigt worden, womit dem Räumungsverlangen die Grundlage entzogen wäre.

Die Berechtigung eines derartigen Einwands setzt aber – wie dargestellt – auch voraus, dass der Geschäftsbesorgungsvertrag trotz der Regelung in § 3 Abs. 2 bis zum Jahr 2024 nicht ordentlich kündbar war.

Das erscheint auf Grundlage des derzeitigen Parteivorbringens nicht ausgeschlossen, dürfte ohne Beweisaufnahme über den Inhalt der zum Vertragsschluss führenden Willenserklärungen aber nicht zu entscheiden sein.

Der Wortlaut, trotz des Verbots der Buchstabeninterpretation (§ 133 BGB) Ausgangspunkt der Auslegung der Vertragsbestimmung, lässt eine halbjährliche Kündigung trotz der Vertragslaufzeit bis zum 31.8.2024 zu. Dies erscheint zwar wenig sinnvoll, nicht aber zwingend widersprüchlich, da mit der Regelung gemeint sein kann, der Vertrag dürfe gekündigt werden, anderenfalls er jedenfalls mit dem 31.8.2024 enden werde.

Die Vertragsklausel könnte aufgrund der seinerzeit geführten Vertragsverhandlungen auch abweichend zu verstehen sein.

Soweit der Beklagte vorträgt, die Kündigungsregelung habe nur für die Zeit nach dem Endzeitpunkt 2024 gelten sollen, erscheint dies angesichts des Umstands, dass eine Verlängerungsklausel nicht vereinbart ist, zweifelhaft, wenn auch nicht ausgeschlossen, weil vorstellbar ist, das Dauerschuldverhältnis womöglich nach dem anfänglichen Laufzeitende unbefristet fortzusetzen.

Der Beklagte behauptet allerdings auch, dass beide Verträge von ihrer Laufzeit gleichlautend verlaufen sollten, worauf der bereits erwähnte Aktenvermerk des Herrn G ebenso hindeutet wie die grundsätzlich übereinstimmende Laufzeitregelung bis 31.08.2024 in beiden Verträgen.

Dies hat der Beklagte in das Wissen von drei Zeugen gestellt (Klageerwiderung, Bl. 69, 70 d. A). Ferner behauptet er, die „Geschäftsgrundlage“ der Gesamtverträge habe eine Kündigung des Geschäftsbesorgungsvertrages „zur Unzeit“ nicht erlaubt, vielmehr habe hierfür ein besonderer Anlass bestehen müssen, weil dem Beklagten Zeit dafür habe gegeben werden sollen, die Voraussetzungen für den Aufkauf der Geschäftsanteile an der B zu schaffen, dem Beklagten habe ein langfristiger Rennbetrieb ermöglicht werden sollen, wobei die Klägerin durch die Zwischenschaltung der B gegen eine Inanspruchnahme aus dem Rennbetrieb abgesichert gewesen sei, was er in das Zeugnis der Herren J und K stellt (Bl. 394 d. A.). Insoweit hat der Beklagte eine schriftliche Erklärung des seinerzeitigen Präsidenten des früheren Ds vorgelegt (Bl. 268 d. A.), ausweislich derer der Zeuge J den Geschäftsbesorgungsvertrag entworfen haben will und angibt, dessen Laufzeit habe sich „unwiderruflich und ohne jeden Vorbehalt“ an diejenige des Mietvertrages angeschlossen.

Die so beschriebene Geschäftsgrundlage hat der Beklagte ferner in das Wissen des Zeugen L gestellt (Bl. 374, 394 d. A.), ausweislich dessen Schreibens vom 19.09.2014 (Anl. B 5 in der BA) an den späteren Präsidenten des Beklagten, den ebenfalls als Zeugen benannten Herrn M (Bl. 394 d. A.), die „Geschäftsgrundlage“ des gesamten Vertragswerks gewesen sei, dem neu gegründeten D langfristig den Rennbetrieb zu ermöglichen, weshalb eine Kündigung trotz der später in den Vertrag zwischen „GmbH und D“ aufgenommenen Regelung nicht in Betracht gekommen sei.

Wenn auch der Wortlaut der Verhandlungen nicht vorgetragen ist, was aber auch nicht erwartet werden kann, ist dem Vortrag des Beklagten doch zu entnehmen, dass jedenfalls die Zeugen L und J an den Verhandlungen beteiligt gewesen sein sollen.

Das Vorbringen des Beklagten erfüllt nach, was vorliegend ausreicht, summarischer Bewertung (vgl. Musielak/Voit/Lackmann, ZPO13. Aufl. 2016, § 707 Rn. 7) noch die an die Schlüssigkeit zu stellenden Anforderungen. Denn hiernach genügt eine Partei ihrer Darlegungslast, wenn sie Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sind, das geltend gemachte Recht als in ihrer Person entstanden erscheinen zu lassen, während demgegenüber der Vortrag weiterer Einzeltatsachen, die etwa den Zeitpunkt und den Vorgang bestimmter Ereignisse betreffen, nicht verlangt wird, sondern es der Beweisaufnahme vorbehalten werden kann, die benannten Zeugen nach Einzelheiten zu befragen, die für die Beurteilung der Zuverlässigkeit der Bekundungen erforderlich erscheinen (vgl. BGH, Urteil vom 06. Dezember 2012 – III ZR 66/12 -, Rn. 10, juris).

Im Lichte dessen ist für die Frage der Beurteilung der Erfolgsaussicht der Berufung gegenwärtig zumindest nicht auszuschließen, dass der Senat den Behauptungen des Beklagten durch eine Beweisaufnahme nachzugehen haben wird.

Sollte im Ergebnis der Gleichlauf der Verträge im Sinne der beklagtenseits behaupteten Geschäftsgrundlage als das Verständnis der Vertreter des Beklagten bei Abschluss des Geschäftsbesorgungsvertrages zugrunde zu legen sein, dürfte auch die im Rahmen der Auslegung relevante Frage der Erkennbarkeit des Gewollten für den Erklärungsgegner in Gestalt des Herrn G als Geschäftsführer der B zu bejahen sein, da er in Personalunion auch Vizepräsident des Beklagten war.

Der Auslegung von – wie hier – schriftlich festgehaltenen Vertragsbestimmungen – steht die – doppelte – Schriftformklausel in § 5 Abs. 2 des Geschäftsbesorgungsvertrages nicht entgegen.

Insoweit können auch außerhalb des Vertrags liegende, zur Erforschung des Vertragsinhalts geeignete Umstände herangezogen werden wenn der rechtsgeschäftliche Wille der Parteien in der Urkunde einen wenn auch nur unvollkommenen Ausdruck gefunden hat, während die der Auslegung gesetzte Grenze bei der Berücksichtigung dieser Umstände erst überschritten wird, wenn der beurkundete Text die Richtung des rechtsgeschäftlichen Willens nicht einmal dem Grunde nach erkennen lässt (vgl. BGH, Urteil vom 11. Februar 2010 – VII ZR 218/08 -, Rn. 12, juris), was vorliegend mit Rücksicht auf die Laufzeitangabe indessen nicht anzunehmen sein dürfte.

Die Einstellung der Zwangsvollstreckung ohne Sicherheitsleistung kam hingegen nicht in Betracht, weil der Beklagte nicht glaubhaft gemacht hat, zur Sicherheitsleistung außerstande zu sein (§ 707 Abs. 1 Satz 2 ZPO).

Bei Bemessung der Höhe der Sicherheitsleistung hat sich der Senat im Wege der Schätzung an dem der Klägerin für die Dauer des Rechtsmittelverfahrens womöglich aus der Verzögerung der Räumung drohenden Schaden orientiert.

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