OLG Frankfurt am Main, 06.06.2014 – 11 SV 34/14 Der Belegenheitsort des öffentlich-rechtlichen Herausgabeanspruches bezüglich eines hinterlegten Geldbetrages befindet sich am Sitz des zuständigen Amtsgerichts. Darauf, wo das Konto der Gerichtskasse geführt wird, kommt es nicht an.

April 17, 2019

OLG Frankfurt am Main, 06.06.2014 – 11 SV 34/14
Der Belegenheitsort des öffentlich-rechtlichen Herausgabeanspruches bezüglich eines hinterlegten Geldbetrages befindet sich am Sitz des zuständigen Amtsgerichts. Darauf, wo das Konto der Gerichtskasse geführt wird, kommt es nicht an.
Tenor:

Das Landgericht Gießen wird gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO als das zuständige Gericht bestimmt.
Gründe

I.

Die Parteien waren Miteigentümerinnen eines im Bezirk des Amtsgerichts Friedberg belegenen Grundstücks. Nach einem Zwangsversteigerungsverfahren wurde der Versteigerungserlös bei der Hinterlegungsstelle des Amtsgerichts Friedberg hinterlegt.

Mit der vor dem Landgericht Frankfurt a.M. eingereichten Klage begehrt die Klägerin von der in den USA lebenden Beklagten Zustimmung zur Freigabe des nach ihrer Auffassung auf sie entfallenden Anteils des Versteigerungserlöses an die Klägerin. Sie hält das Landgericht Frankfurt a.M. nach § 23 ZPO für örtlich zuständig, weil dort das Konto der Gerichtskasse geführt werde, auf dem das Geld hinterlegt sei.

Nachdem das angerufene Gericht Zweifel an seiner Zuständigkeit geäußert hatte, hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 19.3.2012 hilfsweise Antrag auf Verweisung des Rechtsstreits an das Landgericht Gießen gestellt (Bl. 60 d.A.)

Klageschrift nebst Schriftsatz vom 19.3.2012 sowie Begleitverfügungen wurden ausweislich der amerikanischen Stelle, an die sie zur Zustellung nach dem Haager Übereinkommen über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- und Handelssachen zum Zwecke der Zustellung weitergeleitet worden waren, unter der angegebenen Anschrift am 9.7.2012 einem X übergeben (Bl. 103 d.A.).

Mit Beschluss vom 19.2.2014 hat sich das Landgericht Frankfurt a.M. für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Landgericht Gießen verwiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, nach § 23 ZPO ergebe sich kein örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Frankfurt a.M.. Das beim Amtsgericht Friedberg hinterlegte Geld befinde sich im Rechtssinne dort, so dass das Landgericht Gießen zuständig sei. (Bl. 134 d.A.).

Das Landgericht Gießen hat mit Verfügung vom 5.3.2014 die Übernahme abgelehnt mit der Begründung, der Beschluss des Landgerichts Frankfurt a.M. entfalte keine Bindungswirkung, weil die Klage nicht ordnungsgemäß zugestellt worden sei. Nach § 23 ZPO sei das Landgericht Frankfurt a.M. zuständig, weil dort das Hinterlegungskonto des Amtsgerichts Friedberg geführt werde und die Beklagte deshalb im Bezirk des Landgerichts Frankfurt a.M. Vermögen habe.

II.

Die Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsbestimmung gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO liegen vor. Sowohl das Landgericht Frankfurt a.M. als auch das Landgericht Gießen haben sich für örtlich unzuständig erklärt. Darauf, ob die Klageschrift wirksam zugestellt wurde und damit überhaupt ein „rechtskräftiger“ Verweisungsbeschluss seitens des Landgerichts Frankfurt a.M. vorliegt, kommt es dabei nicht an, da § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO jedenfalls analog auf Fälle tatsächlicher beiderseitiger Kompetenzleugnung anzuwenden ist, soweit die jeweiligen Beschlüsse – wie hier – infolge Bekanntgabe Außenwirkung entfalten (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 30. Aufl., § 36 Rdnr. 25).

Das Landgericht Gießen ist für die Entscheidung des Rechtsstreits zuständig, wobei es auch insoweit nicht darauf ankommt, ob der Verweisungsbeschluß des Landgerichts Frankfurt am Main nach § 281Abs. 2 S. 4 ZPO bindend ist.

Sowohl die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte als auch die örtliche Zuständigkeit ergeben sich vorliegend aus § 23 ZPO. Danach ist für vermögensrechtliche Ansprüche gegen eine Person, die im Inland keinen Wohnsitz hat, das Gericht zuständig, in dessen Bezirk sich Vermögen dieser Person befindet. Nach § 23 S. 2 ZPO gilt bei Forderungen der Wohnsitz des Schuldners als der Ort, an dem sich das Vermögen befindet. Im vorliegenden Fall besteht das in Frage stehende Vermögen der Beklagten in einem öffentlich-rechtlichen Herausgabeanspruch gegen die Hinterlegungsstelle (vgl. Palandt-Grüneberg, BGB, 73. Aufl., Einf. v. § 372 BGB Rdnr. 8). Das Amtsgericht Friedberg als Hinterlegungsstelle ist somit als Schuldner dieses Herausgabeanspruchs anzusehen, so dass es für die Belegenheit des Anspruchs auf seinen Sitz ankommt. Soweit in Rechtsprechung und Literatur ausgeführt wird, dass Bankguthaben am Sitz der Bank belegen seien (Zöller/Vollkommer aaO § 23 Rdnr. 10; BGH NJW-RR 1988, 172), beruht dies auf dem Umstand, dass mit „Bankguthaben“ i.d.R. eine Forderung gegen eine Bank bezeichnet wird, die Bank also Schuldnerin ist. Dies ist jedoch vorliegend gerade nicht der Fall. Die Beklagte hat keinen Anspruch gegen die kontoführende Bank, sondern lediglich gegen das Amtsgericht Friedberg.

Haben Sie Fragen? 

Rufen Sie uns an oder schreiben Sie uns eine E-Mail, damit wir die grundsätzlichen Fragen klären können.

© Rechtsanwalt Krau. All rights reserved.
Powered by wearehype.eu.
© Rechtsanwalt Krau. All rights reserved.
Powered by wearehype.eu.