OLG Frankfurt am Main, 07.01.2019 – 8 U 168/17

März 14, 2019

OLG Frankfurt am Main, 07.01.2019 – 8 U 168/17
Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das am 12.6.2017 verkündete Urteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts Hanau (Az.: 9 O 951/16) wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das angefochtene Urteil des Landgerichts vom 12.6.2017 ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegens in Höhe von 120 % des auf Grund des angefochtenen Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Der Wert des Streitgegenstandes für das Berufungsverfahren wird auf 100.000,- Euro festgesetzt.
Gründe

I.

Die Parteien sind zwei Unternehmen der Papierverpackungsbranche. Sie schlossen im Herbst 2004 einen Kooperationsvertrag, nach dem die Klägerin für die Beklagte die Vermarktung von Papierverpackungen unter anderem in Deutschland übernehmen sollte.

Das Landgericht, auf dessen Urteil hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und der in erster Instanz gestellten Anträge verwiesen wird (§ 522 Abs. 2 Satz 4 ZPO), hat die Beklagte zur Zahlung einer in dem Kooperationsvertrag vereinbarten Vertragsstrafe von 100.000 € zuzüglich Zinsen verurteilt.

Gegen dieses Urteil hat die Beklagte mit näherer Begründung Berufung eingelegt.

Sie beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Hanau vom 12. Juni 2017 – Az. 9 O 951/16 – die Klage kostenpflichtig abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat die Beklagte mit Beschluss vom 26.11.2018 darauf hingewiesen, dass beabsichtigt sei, die Berufung durch Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen. Auf den Inhalt des Hinweisbeschlusses wird verwiesen.

Mit zwei Schriftsätzen vom 20.12.2018 trägt die Beklagte zu zwei Aspekten des Falles weiter vor. Sie verweist zum einen darauf, dass ihr Geschäftsführer und Gesellschafter A zu dem für den Rechtsstreit relevanten Zeitpunkt zugleich Geschäftsführer der Klägerin gewesen sei. Außerdem zitiert sie Teile der Aussage des auch im vorliegenden Rechtsstreit vernommenen Zeugen B in einem Strafverfahren in Polen. Der Zeuge berichtet darin davon, dass er Informationen an Herrn A weitergegeben habe. Die Zusammenarbeit von Zeuge und Geschäftsführer bei der Abgabe eines Angebots an die Klägerin im November 2015 lasse die Handlung des Zeugen in ganz anderem Licht erscheinen.

Zum anderen stellt sich die Beklagte gegen Teile der rechtlichen Bewertung des im Kooperationsvertrag geregelten Wettbewerbsverbots durch den Senat. Sie meint insbesondere, dass die vom Senat vertretene Meinung, wonach § 90 a Abs. 3 HGB nur dem Schutz des Handelsvertreters diene, gegen Art. 20 der Richtlinie 86/653/EWG vom 18.12.1986 verstoße. Außerdem sei die Klägerin trotz der entsprechenden Bezeichnung im Kooperationsvertrag in Wahrheit nicht als Handelsvertreterin anzusehen. Tatsächlich habe Herr A seine Stellung als Geschäftsführer der Beklagten treuwidrig missbraucht, um diese auf unredliche Art und Weise aus der Welt zu schaffen. Es könne sich bei der Vertragsstrafenklausel aus dem Kooperationsvertrag um einen Knebelungsvertrag handeln. Außerdem habe offensichtlich ein wichtiger Grund für die fristlose Kündigung des Kooperationsvertrages vorgelegen.

II.

Die Berufung des Klägers ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO durch Beschluss zurückzuweisen, weil das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg bietet (§ 522 Abs. 2 Nr. 1 ZPO).

Der Senat sieht auch aufgrund der Einlassungen in den Schriftsätzen der Beklagten vom 20.12.2018 keine Veranlassung, von der in seinem Hinweisbeschluss vom 26.11.2018 dargelegten Beurteilung der Sach- und Rechtslage abzuweichen. Die Stellungnahme der Beklagten enthält keine neuen Gesichtspunkte, die eine Entscheidung zu ihren Gunsten herbeiführen könnten.

1. Die Beklagte verweist auf die Doppelrolle des Herrn A als Geschäftsführer und Gesellschafter beider Parteien im Jahre 2015. Dieser Umstand ist für sich genommen für die Entscheidung des Rechtsstreits unerheblich. Beklagte und Klägerin sind zwei rechtlich selbstständige Gesellschaften, die vertragliche Beziehungen zueinander unterhalten. Der zwischen ihnen vereinbarte Vertragsinhalt gilt daher a priori ganz normal, auch wenn sie teilweise in Personalunion geführt werden. Eine Doppelfunktion, wie Herr A sie offenbar im vorliegenden Fall innehatte, birgt unzweifelhaft abstrakt eine gewisse Gefahr treuwidrigen Verhaltens zu Gunsten der einen oder anderen Seite. Bedeutsam wird dies jedoch erst, wenn die Treulosigkeit konkret dargelegt wird. Daran fehlt es hier.

Die Beklagte benennt weiterhin kein konkretes Verhalten des Herrn A, aus dem sich auf eine gezielte Benachteiligung der Beklagten gegenüber der Klägerin schließen ließe. Insbesondere ist die im Schriftsatz zitierte Aussage des Zeugen B nicht geeignet, ein missbräuchliches Verhalten von Herrn A zu belegen. Der Zeuge schildert in den zitierten Passus lediglich, dass er seinem Chef „Informationen“ weitergeleitet habe. Der Zeuge teilt indes nicht mit, ob die weitergegebenen Informationen in irgendeinem Zusammenhang mit dem hier interessierenden Rechtsstreit standen oder nicht. Außerdem ist die Weitergabe von geschäftsbezogenen Informationen an die Unternehmensleitung nichts besonderes, sondern im Gegenteil eine Selbstverständlichkeit. Jeder Mitarbeiter eines Unternehmens ist verpflichtet, auf Nachfrage der Geschäftsleitung alle geschäftsbezogenen Informationen weiterzuleiten. Ein Missbrauch seiner Geschäftsführerstellung durch Herrn A ergibt sich folglich nicht.

Weil die Aussage des Zeugen und auch seine arbeitsrechtliche Auseinandersetzung mit der Beklagten für den hiesigen Rechtsstreit ohne Bedeutung sind, besteht kein Anlass, in irgendeiner Weise auf den Abschluss irgendwelcher im betreffenden Verfahren in Polen zu warten.

2. Auch die Ausführungen der Beklagten zur rechtlichen Einstufung der Wettbewerbsabrede durch den Senat sind durchweg unkonkret und/oder unerheblich.

So meint die Beklagte lediglich pauschal, das hier interessierende Wettbewerbsverbot sei ein Knebelungsvertrag und wegen Art. 101 Abs. 2 AEUV unwirksam, ohne Argumente zu liefern, anhand derer der Senat seine gegenteilige Ansicht infrage stellen könnte. Gleiches gilt für die Auffassung, § 90 a Abs. 3 HGB verstoße gegen Art. 20 der Richtlinie 86/653/EWG, zumal diese Ansicht bei Lektüre der Norm nicht nachvollzogen werden kann.

Darüber hinaus kommt es, was die Beklagte offenbar übersieht, für die Entscheidung des Rechtsstreits im Ergebnis nicht auf die Frage einer wirksamen Kündigung des Kooperationsvertrags und eine Fortgeltung des Wettbewerbsverbots für die Zeit danach an. Dieser Umstand ist nämlich lediglich für die auf Seite 6 des Hinweisbeschlusses unter Ziff. 1. c. cc) erläuterte Drittbegründung relevant. Die Begründungen aa) und bb) beziehen sich auf Vorgänge vor der umstrittenen Kündigung des Vertrags und tragen die Entscheidung damit in jedem Fall.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10 S. 2, 711, 709 S. 2 ZPO

Vorausgegangen ist unter dem 26.11.2018 folgender Hinweis (die Red.):

In dem Rechtsstreit (…)

weist der Senat auf seine Absicht hin, die Berufung der Beklagten gegen das am 12. Juni 2017 verkündete Urteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts Hanau durch Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.

Die Beklagte hat Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 20. Dezember 2018.

I.

Der Senat ist der Auffassung, dass die Voraussetzungen einer Beschlussentscheidung nach § 522 Abs. 2 ZPO vorliegen. Insbesondere erachtet er die Berufung als offensichtlich unbegründet und hält eine mündliche Verhandlung nicht für geboten.

Im Einzelnen:

1. Der Berufung wird der Erfolg zu versagen sein. Das angefochtene Urteil beruht weder auf einer Rechtsverletzung noch rechtfertigen nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung (vgl. § 513 Abs. 1 ZPO).

Es ist nicht zu beanstanden, dass das Landgericht die Beklagten verurteilt hat, an die Klägerin € 100.000,00 zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30. November 2016 zu zahlen.

a. Der zwischen den Parteien am 3. November 2004 geschlossene Kooperationsvertrag unterliegt deutschem Recht.

Die Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (sog. Rom I-Verordnung) ist auf den Kooperationsvertrag vom 3. November 2004 nicht anwendbar, da diese nur auf Verträge angewandt wird, die ab dem 17. Dezember 2009 geschlossen werden, Art. 28 Rom I-Verordnung.

Hier haben die Parteien eine konkludente Wahl des deutschen Rechts im Sinne des Art. 27 Abs. 1 Satz 2 Fall 2 EGBGB in der bis zum 16. Dezember 2009 gültigen Fassung dadurch getroffen, dass sie den Vertrag in deutscher Sprache abgefasst und eine Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten des Landgerichts Hanau getroffen haben. Mit der Vereinbarung eines Gerichtsstandes zugunsten eines deutschen Gerichts geht nämlich regelmäßig die Erwartung einher, dass dieses das ihm vertraute deutsche Recht zur Anwendung bringt (qui elegit iudicem, elegit ius; vgl. etwa BGH, Urteil vom 04.02.1991 – II ZR 52/90, NJW 1991, 1420; Kropholler, Internationales Privatrecht, 5. Aufl. 2004, S. 453 f.; Martiny, in: Münchener Kommentar zum BGB, Band 10, 4. Aufl. 2006, Art. 27, Rdnr. 48).

Selbst wenn man – zu Unrecht – eine konkludente Wahl des deutschen Rechts hier ablehnen wollte, käme man über Art. 28 EGBGB in der bis zum 16. Dezember 2009 gültigen Fassung ebenfalls zur Anwendbarkeit deutschen Rechts. Die charakteristische Leistung im Sinne des Art. 28 Abs. 2 EGBGB ist hier der Alleinvertrieb der in § 1 Abs. 1 des Vertrages genannten Erzeugnisse. Es wird daher gemäß Art. 28 Abs. 2 EGBGB vermutet, dass der Vertrag die engsten Verbindungen mit der Bundesrepublik Deutschland aufweist, so dass nach Art. 28 Abs. 1 EGBGB deutsches Recht zur Anwendung kommt.

b. Der Kooperationsvertrag ist wirksam. Weder die Vertragsstrafenregelung (§ 5) noch das Wettbewerbsverbot (§ 4) sehen sich durchgreifenden rechtlichen Bedenken ausgesetzt.

Die Vertragsstrafenregelung ist ebenso wie das Wettbewerbsverbot hinreichend klar bestimmt.

Dass es sich bei dieser Regelung oder dem Wettbewerbsverbot um eine allgemeine Geschäftsbedingung handelt, hat die insoweit darlegungsbelastete Beklagte nicht behauptet. Die konkrete Formulierung spricht auch eher dagegen.

Eine Unwirksamkeit des Wettbewerbsverbots ergibt sich auch nicht aus Art. 101 Abs. 2 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union – AEUV – (zur fehlenden Notwendigkeit eines Rückgriffs auf § 134 BGB im Falle eines Verstoßes gegen Art. 101 Abs. 1 AEUV s. etwa Looschelders, in: Heidel/Hüßtege/Mansel/Noack (Hrsg.), BGB, Band 1, 3. Aufl. 2016, § 134 BGB, Rdnr. 36 m. w. N.).

Es liegt zwar auf der Hand, dass auch eine vertikale Vereinbarung zwischen einem Hersteller und dessen Vertriebspartner – wie die im Streitfall – gegen das Verbot des Art. 101 Abs. 1 AEUV verstoßen kann (grundlegend EuGH, Urteil vom 13.07.1966 – verb. Rs. C-56/64 u. C-58/64, Slg. 1966, 321; vgl. ferner Haratsch/Koenig/Pechstein, Europarecht, 11. Aufl. 2018, Rdnr. 1163). Hier ist jedoch nicht ersichtlich, dass alle Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 101 Abs. 1 AEUV erfüllt sind. So ist etwa erforderlich, dass die Wettbewerbsbeschränkung spürbar ist (vgl. etwa Haratsch/Koenig/Pechstein, Europarecht, 11. Aufl. 2018, Rdnr. 1171 f.; Weiß, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, 5. Aufl. 2016, Art. 101 AEUV, Rdnr. 131 f.). Anhaltspunkte dafür fehlen hier.

Vor diesem Hintergrund kann offen bleiben, ob der Kooperationsvertrag der Parteien hier überdies durch Art. 101 Abs. 3 AEUV in Verbindung mit Art. 2 der Verordnung (EU) Nr. 330/2010 der Kommission vom 20. April 2010 über die Anwendung von Art. 101 Abs. 3 AEUV auf Gruppen von vertikalen Vereinbarungen und abgestimmte Verhaltensweisen (Vertikal-GVO) vom Wettbewerbsverbot freigestellt wird.

Nach alledem bestehen auch keine Zweifel an der Zuständigkeit des erkennenden Senats. Eine Zuständigkeit des Kartellsenats des Oberlandesgerichts ist nicht gegeben.

Kartellrechtliche Vorfragen werden typischerweise durch Einwendungen des Beklagten aufgeworfen. Dabei genügt allerdings nicht jeder – auch noch so abwegige – Hinweis auf einen kartellrechtlichen Anspruch oder Einwand. Vielmehr ist eine Zuständigkeit der Kartellgerichte für einen Rechtsstreit nach dem Zweck des GWB und der Art. 101 f. AEUV nur gerechtfertigt, wenn eine Partei durch ausreichenden Tatsachenvortrag einen kartellrechtlich relevanten, entscheidungserheblichen Sachverhalt darlegt (vgl. etwa BAG, Urteil vom 29.06.2017 – 8 AZR 189/15, NJW 2018, 184, 185; OLG Hamm, Beschluss vom 29.07.2011 – 32 SA 57/11, WuW 2011, 1112, 1115; OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 16.12.2010 – 11 AR 3/10, WuW 2011, 415, 417). Daran fehlt es hier.

c. Die Vertragsstrafe ist im Streitfall auch verwirkt.

aa) Das Landgericht hat zutreffend angenommen, dass bereits das im ersten Rechtszug unstreitige Verhalten der Beklagten einen Anspruch der Klägerin auf Zahlung der Vertragsstrafe begründet. Der Kooperationsvertrag ist sowohl von seinem Wortlaut als auch von seinem Zweck her so auszulegen, dass bereits das Anbahnen einer Lieferbeziehung für von dem Vertrag erfasste Produkte eine Pflichtverletzung darstellt. Das ergibt sich nicht nur aus § 4 Abs. 1 des Vertrags, wenn es dort heißt, dass neben dem Vertrieb auch die direkte oder indirekte Beteiligung an einem Wettbewerb erfasst ist, sondern auch aus § 2 S. 3, der den Produzenten zu einem Verzicht auf Kundenwerbung verpflichtet. Durch diese Regelungen wird der Vertragsverstoß sprachlich deutlich auf den vorvertraglichen Bereich erweitert (vgl. OLG Hamburg, Urteil vom 30.03.2006 – 3 U 133/05, juris; BGH, Urteil vom 01.06.1983, I ZR 78/81, NJW 1984, 919). Es besteht kein Zweifel, dass die Tätigkeit der Zeugen im November 2015 eine Kundenwerbung bezweckte und dass die Beklagte sich das Handeln ihrer (damaligen) Mitarbeiter B und C zurechnen lassen muss (§ 278 BGB). Ein solches eher weites Verständnis der Vertragsstrafenregelung erscheint auch interessengerecht, denn – wie der spätere Verlauf der Dinge zeigt – hat die Beklagte die bereits angebahnte Geschäftsbeziehung nach dem (vermeintlichen) Ende der Wirkungen des Kooperationsvertrags sogleich für eine Lieferbeziehung mit der D GmbH & Co. KG genutzt.

bb) Hinzu kommt, dass jedenfalls mittlerweile feststeht, dass es, anders als die Beklagte noch in der Berufungserwiderung meint, im Streitfall sehr wohl noch im November 2015 zu einem Vertragsabschluss zwischen der Beklagten und der D GmbH & Co. KG gekommen ist. Dies wird nunmehr nicht mehr allein durch die insoweit übereinstimmenden Bekundungen der Zeugin E und des Zeugen C (S. 2 und 8 des Protokolls der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht vom 12. Juni 2017, Bl. 150 und 155 d. A.) gestützt, sondern noch deutlicher durch die mit der Berufungserwiderung vorgelegten schriftlichen Dokumente (K 27 und K 29, Bl. 248ff und 252f) belegt. Der Zeuge B hat der D GmbH & Co. KG am 12.11.2015 ein ganz konkretes Angebot unterbreitet, welches diese durch die E-Mail vom 26.11.2015 angenommen hat. Dieser Vertragsschluss füllt das Tatbestandsmerkmal des „Vertreibens in dem Vertragsgebiet“ ohne Weiteres aus. In diesem Zusammenhang sei daran erinnert, dass ein allgemeiner Grundsatz, dass ein Vertragsstrafeversprechen im Zweifel eng auszulegen ist, nicht existiert (vgl. etwa BGH, Urteil vom 20.06.1991 – I ZR 277/89, NJW-RR 1991, 1318, 1319). Der Umstand, dass die Beklagte die Vertragserfüllung wegen rechtlicher Bedenken zunächst zurückstellte, ist insofern irrelevant, weil der Abschluss eines Liefervertrages nach dem allgemeinen wie nach dem juristischen Sprachgebrauch eine Vertriebshandlung darstellt (vgl. etwa EuGH, Urteil vom 03.06.2010 – C-127/09, GRUR 2010, 723, 725).

cc) Es kommt im Streitfall noch hinzu, dass sich der Vertragsstrafenanspruch der Klägerin hier als drittes auch damit begründet lässt, dass es im April 2016 unstreitig zu Geschäftsabschlüssen der Beklagten mit der D GmbH & Co. KG im Hinblick auf die Lieferung von Säcken gekommen ist. Es ist ebenso unstreitig, dass es sich insoweit um Papiersäcke im Sinne des § 1 Abs. 1 des Kooperationsvertrages gehandelt hat (s. die näheren Angaben in dem Anwaltsschriftsatz der Klägerin vom 12. Januar 2017, Bl. 68 d. A.). Es steht schließlich zwischen den Parteien auch nicht im Streit, dass die Beklagte ab April 2016 diese Säcke an die D GmbH & Co. KG geliefert hat.

Zwar hatte zu diesem Zeitpunkt die Beklagte den Kooperationsvertrag bereits gekündigt. Nach § 4 Abs. 1 Satz 2 dieses Vertrages gilt jedoch das Wettbewerbsverbot „ein Jahr über den Zeitpunkt der Vertragsbeendigung hinaus“.

Bedenken gegen die Wirksamkeit dieser Klausel bestehen nicht. Es geht auch nicht an, diese Klausel im Wege der Auslegung im Falle einer außerordentlichen Kündigung für unanwendbar zu erachten. Der Vertrag der Parteien unterscheidet klar und deutlich zwischen verschiedenen Formen der Vertragsbeendigung (ordentliche Kündigung, § 7 Abs. 2; außerordentliche Kündigung, § 7 Abs. 3). Gleichwohl ordnet § 4 Abs. 1 Satz 2 die Weitergeltung des Wettbewerbsverbots für „ein Jahr über den Zeitpunkt der Vertragsbeendigung hinaus“ an. Dies kann nur dahingehend verstanden werden, dass die Vertragsparteien auch für den Fall einer fristlosen Kündigung die übergangsweise Fortgeltung des Wettbewerbsverbotes angeordnet wissen wollten.

Der Wirksamkeit des § 4 Abs. 1 Satz 2 des Kooperationsvertrages steht auch nicht § 90a Abs. 3 HGB entgegen. § 90a Abs. 3 HGB ermöglicht das Lossagen von der „Wettbewerbsabrede“ im Fall der Kündigung eines Handelsvertretervertrages aus wichtigem Grund. Der Begriff der „Wettbewerbsabrede“ ist in § 90a Abs. 1 HGB definiert als eine Vereinbarung, die den Handelsvertreter nach Beendigung des Vertragsverhältnisses in seiner gewerblichen Tätigkeit beschränkt. Um eine solche Vereinbarung handelt es sich bei § 4 des Kooperationsvertrages aber gerade nicht, da diese Bestimmung allein den Hersteller, nicht aber den Handelsvertreter in seiner gewerblichen Tätigkeit beschränkt. Eine analoge Anwendung des § 90a Abs. 3 HGB auf eine Wettbewerbsabrede zulasten des Herstellers verbietet sich, da weder eine planwidrige Regelungslücke noch eine Vergleichbarkeit der Interessenlage besteht. Sinn und Zweck des § 90a Abs. 3 HGB ist nämlich der Schutz des Handelsvertreters. Er soll durch inhaltliche und zeitliche Beschränkungen der Wettbewerbsabreden vor einer übermäßigen Beschränkung seiner wettbewerblichen Bewegungsfreiheit bewahrt werden (vgl. Busche, in: Oetker (Hrsg.), Handelsgesetzbuch, 5. Aufl. 2017, § 90a, Rdnr. 2).

d. Auch die Höhe der Vertragsstrafe ist nicht zu beanstanden. Im Übrigen kann nach § 348 HGB eine Vertragsstrafe, die von einem Kaufmann im Betriebe seines Handelsgewerbes versprochen ist, nicht auf Grund des § 343 BGB herabgesetzt werden.

2. Auch die übrigen Voraussetzungen des § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO liegen vor. Die Beurteilung, dass eine Berufung offensichtlich unbegründet ist, setzt nicht voraus, dass ihre Unbegründetheit auf der Hand liegt; sie kann auch das Ergebnis vorgängiger gründlicher Prüfung sein (vgl. BVerfG, Beschluss vom 18.09.1990 – 2 BvE 2/90, BVerfGE 82, 316, 319 f.; OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 25.11.2013 – 18 U 1/13, juris).

Nach der Funktion des Verfahrens nach § 522 Abs. 2 ZPO ist eine erneute mündliche Verhandlung nur dann geboten, wenn die Entscheidung des Berufungsgerichts auf eine umfassend neue rechtliche Würdigung gestützt wird und diese mit den Parteivertretern im schriftlichen Verfahren nicht sachgerecht erörtert werden kann (vgl. etwa OLG Hamm, Beschluss vom 02.03.2012 – I-20 U 228/11, VersR 2013, 604; OLG Koblenz, Beschluss vom 16.02.2012 – 10 U 817/11, juris; OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 25.11.2013 – 18 U 1/13, juris; Wöstmann, in: Saenger (Hrsg.), ZPO, 7. Aufl. 2017, § 522, Rdnr. 12a). Eine erhebliche wirtschaftliche Bedeutung hingegen reicht nicht, um eine mündliche Verhandlung als geboten anzusehen (vgl. OLG Koblenz, Beschluss vom 16.02.2012 – 10 U 817/11, juris; Wöstmann, in: Saenger (Hrsg.), ZPO, 7. Aufl. 2017, § 522, Rdnr. 12a).

Eine Verbindung des vorliegenden Verfahrens mit dem hier ebenfalls anhängigen Verfahren 8 U 165/16 kommt nach alledem nicht in Betracht.

3. Nach alledem rät der Senat der Beklagten, zur Vermeidung weiterer unnötiger Kosten der Berufung eine Zurücknahme derselben ernsthaft in Betracht zu ziehen. Im Falle der Berufungsrücknahme ermäßigen sich die Gerichtsgebühren von 4,0 auf 2,0 (vgl. Nr. 1222 des Kostenverzeichnisses, Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG). Neuem Sachvortrag setzt die Zivilprozessordnung enge Grenzen.

III.

Der Senat beabsichtigt, den Streitwert des Berufungsverfahrens auf € 100.000,00 festzusetzen.

Haben Sie Fragen? 

Rufen Sie uns an oder schreiben Sie uns eine E-Mail, damit wir die grundsätzlichen Fragen klären können.

© Rechtsanwalt Krau. All rights reserved.
Powered by wearehype.eu.
© Rechtsanwalt Krau. All rights reserved.
Powered by wearehype.eu.