OLG Frankfurt am Main, 07.09.2017 – 3 U 126/16

März 20, 2019

OLG Frankfurt am Main, 07.09.2017 – 3 U 126/16
Leitsatz:

Unerheblichkeit der Bezeichnung des Kunden als „Darlehensnehmer“, der irrtümlichen Bezeichnung der Widerrufsbelehrung als „Widerrufserklärung“, der Verwendung des Begriffs „Vertragsurkunde“ für den Antrag, des Nichtabstellens des Fristbeginns auch auf die Alternative „Vertragserklärung Verbraucher“, des Hinweises auf die Einzelwiderrufsbefugnis jedes einzelnen Darlehensnehmers, des überflüssigen Hinweises auf die Rechte beim Fernabsatz zu der Nichtbelehrung über die Pflichten der Bank nach einem Widerruf.
Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 10.06.2016 verkündete Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main, Aktenzeichen 2-10 O 341/15, wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten der Berufung zu tragen.

Das angefochtene und das vorliegende Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger bleibt nachgelassen, die Vollstreckung der Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe

I.

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit des Widerrufs eines im April 2009 geschlossenen Darlehensvertrages über einen Nettokreditbetrag in Höhe von EUR 155.000,00 (Anlage K1) mit einem vereinbarten Zinssatz in Höhe von 4,35% p.a., festgeschrieben für 10 Jahre, zu dessen Absicherung eine Buchgrundschuld über EUR 155.000,00 bestellt wurde.

Hinsichtlich des Inhalts des Vertrages wird auf die Anlage K1 (Anlagenband) Bezug genommen. Die von der Beklagten verwendete und dem Vertragstext beigefügte Widerrufsbelehrung lautet wie folgt:

Widerrufsrecht für jeden einzelnen Darlehensnehmer

Der Darlehensnehmer ist an seine Willenserklärung zum Abschluss des Darlehensvertrages gebunden, wenn er sie binnen zwei Wochen widerruft. Bei mehreren Darlehensnehmern steht dieses Widerrufsrecht jedem einzelnen Darlehensnehmer alleine zu.

Form des Widerrufs

Der Widerruf muss in Textform (z.B. schriftlich, mittels Telefax- oder E-Mail-Nachricht) erfolgen. Der Widerruf muss keine Begründung enthalten.

Fristlauf

Der Lauf der Frist für den Widerruf beginnt einen Tag, nachdem dem Darlehensnehmer

– ein Exemplar dieser Widerrufserklärung und

– die Vertragsurkunde oder eine Abschrift der Vertragsurkunde

zur Verfügung wurden. Zur Wahrung der Frist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs.

Adressat des Widerrufs

Der Widerruf ist zu senden an nachstehende Adresse der Bank

Bank1 AG E-Mail-Anschrift: …@….com

Postkorb … Telefax-Nummer: … / …

Straße1

Stadt1

Widerrufsfolgen

Hat der Darlehensnehmer vor Ablauf der Widerrufsfrist bereits eine Leistung von der Bank erhalten, so kann er sein Widerrufsrecht dennoch ausüben. Im Falle eines wirksamen Widerrufs sind die beiderseits empfangenen Leistungen zurückzugewähren und ggf. gezogenen Nutzungen (z.B. Zinsen) herauszugeben. Kann der Darlehensnehmer die von der Bank erbrachte Leistung ganz oder teilweise nicht zurückgewähren – beispielsweise weil dies nach dem Inhalt der erbrachten Leistung ausgeschlossen ist; so ist er verpflichtet, insoweit Wertersatz zu leisten. Dies kann dazu führen, dass der Darlehensnehmer die vertraglichen Zahlungsverpflichtungen für den Zeitraum bis zum Widerruf gleichwohl erfüllen muss. Dies gilt auch für den Fall, dass er die von der Bank erbrachte Leistung bestimmungsgemäß genutzt hat. Diese Verpflichtung zum Wertersatz kann der Darlehensnehmer vermeiden, wenn er die Leistung vor Ablauf der Widerrufsfrist nicht in Anspruch nimmt. Verpflichtungen zur Erstattung von Zahlungen muss der Darlehensnehmer innerhalb von 30 Tagen nach Absendung seiner Widerrufserklärung erfüllen. Die Bank muss ihre Verpflichtung zur Erstattung von Zahlungen 30 Tage nach Zugang der Widerrufsklärung erfüllen.

Ende der Widerrufsbelehrung

Die Darlehensvaluta wurde an den Kläger ausgezahlt. Anschließend bediente der Kläger das Darlehen entsprechend der vertraglichen Vereinbarung.

Mit Schreiben vom 24.02.2015 übersandte die Beklagte dem Kläger „vereinbarungsgemäß“ einen Aufhebungsvertrag bezüglich des streitgegenständlichen Darlehensvertrages, welcher die Zahlung eines Aufhebungsentgelts in Höhe von 22.056,86 EUR vorsah. Wegen der Einzelheiten wird auf die Anlagen B 2 und B 3 (Anlagenband) verwiesen. Der Kläger nahm dieses Aufhebungsangebot durch Unterschrift vom 02.03.2015 an und zahlte in der Folge den dort ausgewiesenen Rückzahlungsbetrag an die Beklagte.

Mit Schreiben vom 11.03.2015 (Anlage K2, Anlagenband) erklärte der Kläger gegenüber der Beklagten den Widerruf des verfahrensgegenständlichen Darlehensvertrages. Die Beklagte wies dies zurück. Mit seiner Klage hat der Kläger im ersten Rechtszug zum einen die Rückzahlung der geleisteten Vorfälligkeitsentschädigung (beziffert mit 22.217,71 EUR), die Zahlung des Saldos zwischen vereinbarten bzw. gezahlten Zinsen und den marktüblichen Zinsen (berechnet mit 6.750,17 EUR) und die Zahlung der Zinsen für jede gezahlte Rate zwischen Leistungszeitpunkt und Stichtag (beziffert mit 7.372,90 EUR) verlangt. Ferner hat er Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 50.627,21 EUR (Summe aller geleisteten Raten) ab dem Stichtag sowie außergerichtliche Rechtsverfolgungskosten nebst Zinsen geltend gemacht.

Wegen des Sach- und Streitstandes im Einzelnen, insbesondere auch des erstinstanzlichen Parteivorbringens, wird auf das angefochtene Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 10.06.2016 (Bl. 134 ff. d. A.) verwiesen, mit dem das Landgericht die Klage vollumfänglich abgewiesen hat. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Ausübung eines etwaigen Widerrufsrechts des Klägers stehe jedenfalls § 242 BGB entgegen. Es könne dahinstehen, ob die streitgegenständliche Widerrufsbelehrung den Anforderungen des § 355 BGB a.F. entspreche, da ein etwaiges Widerrufsrecht des Klägers zum Zeitpunkt seiner Ausübung bereits verwirkt gewesen sei. Das sog. Zeitmoment sei erfüllt, da der Kläger den Darlehensvertrag erst sechs Jahre nach dessen Abschluss widerrufen habe. Auch das Umstandsmoment sei gegeben, da die späte Geltendmachung durch den Kläger sich als eine mit Treu und Glauben unvereinbare Illoyalität darstelle. Jedenfalls mit Abschluss der Aufhebungsvereinbarung am 02.03.2015 habe der Kläger für die Beklagte einen Vertrauenstatbestand geschaffen, an dem er sich festhalten lassen müsse. Durch Unterzeichnung der Aufhebungsvereinbarung stelle sich der Darlehensvertrag zum Zeitpunkt des Widerrufs – auch wenn dieser nur einige Tage später erfolgte – als abgeschlossener Lebenssachverhalt dar. Darüber hinaus stehe der Geltendmachung eines Widerrufsrechts der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung entgegen, da der Kläger eine formale Rechtsposition zum Zwecke des Erreichens vertragsfremder Zwecke, nämlich die Freistellung von der Vorfälligkeitsentschädigung, ausnutze.

Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er sein Begehren unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vortrags und mit reduziertem Klageantrag weiterverfolgt. Verlangt wird in der Hauptsache nunmehr die Rückzahlung der Vorfälligkeitsentschädigung und die Herausgabe gezogener Nutzungen im Hinblick auf alle bis zum Widerruf geleisteten Zinsraten, insgesamt ein Betrag in Höhe von 25.861,97 EUR.

Der Kläger meint, das Landgericht habe zu Unrecht Verwirkung bzw. ein rechtsmissbräuchliches Verhalten seinerseits angenommen. Die Vereinbarung der Parteien vom 25.02./02.03.2015 sei nicht auf eine vollständige Beseitigung der vertraglichen Bindung gerichtet, sondern erschöpfe sich in der vorzeitigen Kreditabwicklung gegen Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung, was lediglich eine Modifikation des ursprünglichen Darlehensvertrages darstelle. Zudem begründe allein der Umstand, dass die Ausübung des Widerrufrechts für den Widerrufenden aufgrund des aktuellen Zinsniveaus vorteilhaft und für den Vertragspartner mit finanziellen Einbußen verbunden ist, keine Rechtsmissbräuchlichkeit.

Wegen der seiner Auffassung nach vorliegenden Fehler der Belehrung nimmt der Kläger Bezug auf seinen erstinstanzlichen Vortrag. Er meint, dass er eine Vielzahl sprachlicher und inhaltlicher Unkorrektheiten aufgezeigt habe, die einen verwirrenden Eindruck erzeugten und daher mit den gesetzlichen Vorgaben nicht in Einklang stünden. Ein Fehler bestehe schon darin, dass sich die Belehrung nicht an den Adressaten, sondern abstrakt an den „Darlehensnehmer“ wende. Ferner sei insbesondere wegen der Verwendung des Wortes „Widerrufserklärung“ statt Widerrufsbelehrung, aber auch wegen des Gebrauchs des Wortes „Vertragsurkunde“ für den durchschnittlichen Verbraucher bereits nicht nachvollziehbar, wovon der Beginn der Frist abhänge. Darüber hinaus sei die Belehrung auch fehlerhaft, soweit sie angebe, dass bei mehreren Darlehensnehmern jedem einzelnen Darlehensnehmer das Widerrufsrecht alleine zustehe. Tatsächlich könne ein Widerruf nur gemeinschaftlich erklärt werden. Die Beklagte habe zudem überflüssigerweise den Gestaltungshinweis Ziffer (6) für Fernabsatzverträge der seinerzeit gültigen Musterwiderrufsbelehrung aufgenommen, was ein Verstoß gegen das Deutlichkeitsgebot darstelle. Außerdem werde nur unzureichend über die Widerrufsfolgen belehrt, da über etwaige Pflichten der Bank nicht hinreichend informiert werde.

Die Kläger beantragen,

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Frankfurt am Main vom 10.06.2016, Az. 2-10 O 341/15,

1.

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 25.861,97 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 11.03.2015 zu zahlen;
2.

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.358,86 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens. Das Landgericht habe völlig zu Recht den Tatbestand der Verwirkung und des rechtsmissbräuchlichen Verhaltens bejaht. Darüber hinaus habe sie – die Beklagte – dem Kläger eine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung erteilt mit der Folge, dass es auf die Musterkonformität der Widerrufsbelehrung gar nicht ankomme. Schließlich erhebt die Beklagte vorsorglich die Einrede der Verjährung.

Wegen des weitergehenden Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

II.

Die Berufung ist zulässig, insbesondere an sich statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. In der Sache hat sie indes keinen Erfolg.

Die angegriffene Entscheidung beruht weder auf einer Rechtsverletzung (§ 546 ZPO) noch rechtfertigen nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung (§ 513 Abs. 1 ZPO).

1. Wie das Landgericht ist auch der Senat zu dem Ergebnis gelangt, dass der Kläger keine Rechte aus seinem Widerruf vom 11.03.2015 ableiten kann.

Dies schon deshalb, weil der Kläger durch die streitgegenständliche Belehrung zutreffend über Frist und Form eines Widerrufs belehrt worden ist, mit der Folge, dass die Widerrufsfrist bereits im Jahre 2009 in Gang gesetzt wurde und der mit Schreiben vom 11.03.2015 erklärte Widerruf verfristet war. Auf die Frage, ob der Ausübung des Widerrufsrechts der Einwand der Treuwidrigkeit bzw. Verwirkung entgegenstünde, kommt es daher gar nicht mehr an.

Maßgeblich für die gesetzlichen Anforderungen an einen ordnungsgemäßen Widerruf ist vorliegend § 355 BGB in der Fassung vom 2. Dezember 2004. Hiernach betrug die Widerrufsfrist zwei Wochen; sie begann nicht zu laufen, bevor dem Verbraucher nicht eine Widerrufsbelehrung in Textform ausgehändigt sowie entweder die Vertragsurkunde oder seine Vertragserklärung (beziehungsweise deren Abschrift) zur Verfügung gestellt wurden. Weiter war der Widerruf ebenfalls in Textform zu erklären.

Entgegen der Annahme des Klägers informiert die streitgegenständliche Belehrung zutreffend und für einen Durchschnittsverbraucher verständlich über diese Vorgaben des Gesetzes, so dass die fehlende Übereinstimmung mit der Musterbelehrung ohne Bedeutung ist.

a. Das gilt zunächst hinsichtlich der Verwendung des Wortes „Darlehensnehmer“ statt der direkten Anrede („Sie“). Es kann auch für den durchschnittlichen Verbraucher kein Zweifel darüber herrschen, wer Darlehensnehmer ist, zumal aus der Vertragsurkunde und der entsprechenden Kennzeichnung des Unterschriftsfeldes eindeutig hervorgeht, wer mit Darlehensnehmer gemeint ist.

b. Auch über die gesetzlichen Vorgaben für den Fristlauf wird in zutreffender Weise informiert.

Insbesondere ist die Belehrung nicht deshalb unwirksam, weil sie an einer Stelle anstatt des richtigen Begriffs „Widerrufsbelehrung“ das Wort „Widerrufserklärung“ enthält. Dass es sich hierbei um ein bloßes Schreibversehen handelt, ist für jeden unbefangenen Leser des Belehrungstexts offenkundig (vgl. bereits OLG Frankfurt, Verfügung vom 21.12.2015 – 19 U 160/15 – juris Rn. 46 f.; OLG Frankfurt, Beschluss vom 25.01.2016 – 19 U 160/15). Legte man nämlich den (fehlerhaften) Wortlaut des betreffenden Satzes zugrunde, so würde der Darlehensnehmer dahin belehrt, dass die Frist für die Abgabe der Widerrufserklärung einen Tag nach Erhalt der Widerrufserklärung beginne. Es bedarf keiner juristischen Fachkenntnisse, um den hierin enthaltenen Zirkelbezug zu erkennen; dieser springt vielmehr ins Auge. Es ist auch offensichtlich, was die Beklagte an dieser Stelle eigentlich meint: Dass dort statt „Widerrufserklärung“ richtig das Wort „Widerrufsbelehrung“ hätte stehen müssen, ergibt sich unmissverständlich aus dem Gesamtzusammenhang. Zum einen enthält der Text die Angabe, dass der Fristlauf von dem Erhalt eines Exemplars „dieser“ Widerrufserklärung abhänge. Bereits der Gebrauch des Demonstrativpronomens zeigt dem Leser auf, dass es sich um den ihm vorliegenden Text handeln muss. Unterstrichen und bestätigt wird dies dadurch, dass der Passus, der auch den fehlgeschriebenen Hinweis enthält, in der Überschrift ausdrücklich als „Widerrufsbelehrung“ bezeichnet wird und mit den Worten „Ende der Widerrufsbelehrung“ schließt. Zudem bestätigt der Darlehensnehmer unmittelbar anschließend den Erhalt (auch) der Widerrufsbelehrung. Hieraus geht unschwer hervor, dass es tatsächlich auf die Aushändigung der Widerrufsbelehrung ankam und es sich bei dem Wort „Widerrufserklärung“ um einen bloßen Schreibfehler handelte. Dass ein Missverständnis in irgendeinem anderen Sinne möglich sein sollte, vermag der Senat nicht zu erkennen. Es ist nicht zu ersehen, welche andere Urkunde ein Verbraucher für „diese Widerrufserklärung“ hätte halten sollen. Nicht überzeugend ist es insbesondere, soweit die Berufung darauf abstellt, dass ein Verbraucher unter Umständen davon ausgehen könnte, neben der Widerrufsbelehrung ein gesondertes „Formular“ für den Widerruf zu erhalten. Abgesehen davon, dass ein Muster-Widerrufsformular – auch für einen durchschnittlichen Verbraucher ohne weiteres erkennbar – etwas anderes als eine Widerrufserklärung ist, sind der Widerrufsbelehrung und auch den sonstigen Vertragsunterlagen keinerlei Anhaltspunkte für eine Übersendung eines solchen Formulars zu entnehmen.

Es ist darüber hinaus auch nicht nachvollziehbar, warum eine unterbliebene Klarstellung der Beklagten gegen die Annahme eines offensichtlichen Schreibfehlers sprechen soll. Es entspricht der allgemeinen Erfahrung, dass auch ein offensichtlicher Schreibfehler in einem Text trotz dessen mehrfacher Lektüre ohne weiteres übersehen werden kann.

Geht man daher zutreffender Weise von einem offensichtlichen Schreibfehler aus, so vermag dieser die Wirksamkeit der Widerrufsbelehrung nicht in Frage zu stellen (vgl. BGH, Beschluss vom 24.01.2017 – XI ZR 66/16 – juris Rn. 12).

Bei Vorliegen eines offensichtlichen Schreibfehlers fehlt es überdies – entgegen der Annahme der Berufung – zwangsläufig mangels entsprechendem Rechtsbindungswillen an einer vertraglichen Erweiterung der Bedingungen für das Anlaufen der Widerrufsfrist. Die Beklagte hat sich daher durch die fehlerhafte Formulierung auch nicht verpflichtet, dem Verbraucher ein Formular für eine Widerrufserklärung zur Verfügung zu stellen und den Beginn des Laufs der Widerrufsfrist hiervon abhängig zu machen.

c. Auch die Verwendung des Begriffs „Vertragsurkunde“ ist entgegen der Rechtsmeinung des Klägers nicht zu beanstanden. Gemäß § 355 Abs. 2 S. 3 BGB a. F. begann bei Verträgen, die – wie hier wegen § 492 Abs. 1 S. 1 BGB a. F. – schriftlich abzuschließen sind, die Widerrufsfrist erst, sobald dem Verbraucher erstens die Widerrufsbelehrung in Textform sowie zweitens entweder die Vertragsurkunde oder seine eigene Vertragserklärung (in Original oder Abschrift) ausgehändigt wurden. Unschädlich ist es, dass die streitgegenständliche Widerrufsbelehrung wegen der zweiten Voraussetzung allein auf die Aushändigung der Vertragsurkunde abstellt, statt alternativ auch eine Übergabe der Vertragserklärung des Verbrauchers genügen zu lassen. Denn es ist den Parteien unbenommen, die Voraussetzungen des Fristlaufs zugunsten des Verbrauchers strenger zu fassen und den Fristbeginn damit im Ergebnis hinauszuschieben (BGH MDR 2009, 1232 [BGH 13.01.2009 – XI ZR 118/08] ; BGH, Urteil vom 13. Januar 2009, XI ZR 509/07, Rn. 15; BGH, Urteil vom 26. Mai 2009, XI ZR 242/08, Rn. 16; jeweils zitiert nach juris).

Entgegen der Rechtsmeinung des Klägers begründete der Belehrungstext auch nicht die Möglichkeit eines Fehlverständnisses des Inhalts, dass mit dem Begriff „Vertragsurkunde“ eine anderweitige, von den Parteien noch nicht unterzeichnete Ausfertigung des Darlehensvertragsvordrucks gemeint sein könne. Auch für den juristisch nicht Vorgebildeten ist der Begriff der „Vertragsurkunde“ hinreichend klar und verständlich und einer ergänzenden Erläuterung nicht bedürftig. Dies entspricht auch der Wertung des Gesetzgebers. Denn die im Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltende Muster-Widerrufsbelehrung zu § 14 Abs. 1, Abs. 3 BGB-InfoV verwendete den Begriff der Vertragsurkunde ebenfalls ohne jede weitere Erläuterung.

d. Es liegt – entgegen der Auffassung der Berufung – auch kein Fehler darin, dass in der streitgegenständlichen Widerrufsbelehrung darüber belehrt wird, dass mehrere Darlehensnehmer jeweils einzeln widerrufen können. Ungeachtet der Frage der Relevanz im zugrunde liegenden Fall, in dem es nur einen Darlehensnehmer gibt, ist diese Belehrung zutreffend. Bereits mit Urteil vom 11.10.2016 (XI ZR 482/15 – juris Rn. 15) hat der Bundesgerichtshof völlig zu Recht entschieden, dass im Fall des Abschlusses eines Verbraucherdarlehensvertrages durch mehrere Verbraucher als Darlehensnehmer jeder von ihnen seine auf Abschluss des Darlehensvertrags gerichtete Willenserklärung selbständig widerrufen kann und sich die Rechtswirkungen des Widerrufs im Verhältnis zwischen dem Darlehensgeber und den übrigen Darlehensnehmern nach § 139 BGB richten. Ein Belehrungszusatz für mehrere Darlehensnehmer ist zwar nicht geboten, wenn er aber gleichwohl erfolgt, muss er – wie bei der streitgegenständlichen Belehrung geschehen – dahin lauten, dass jeder selbständig widerrufen kann.

e. Entgegen der Annahme des Klägers wirkt auch die Aufnahme des Gestaltungshinweises Nr. 6 des Musters zur Anlage 2 der BGB-InfoV bei einer nicht im Wege des Fernabsatzes vereinbarten Finanzierungsdienstleistung keineswegs irreführend. Denn der in dem Gestaltungshinweis wiedergegebene Rechtssatz trifft auch auf Fälle zu, in denen ein Fernabsatzgeschäft nicht vorliegt; er ist dann lediglich nicht aufklärungspflichtig. Der in die streitgegenständliche Belehrung aufgenommene Gestaltungshinweis Nr. 6 stellt den Umfang der Wertersatzpflicht für den Fall der Ausübung des Widerrufsrechts klar: Dem Verbraucher wird erläutert, dass er trotz seines Widerrufs verpflichtet bleiben kann, seine bis zu diesem Zeitpunkt entstandenen Zahlungspflichten zu erfüllen. Dieser Hinweis war auch im vorliegenden Falle sachlich korrekt. Denn § 357 Abs. 1 S. 1 BGB a. F. verwies wegen der Rechtsfolgen des Widerrufs auf die gesetzlichen Bestimmungen zum Rücktritt gemäß den §§ 346 ff. BGB. Die § 346 Abs. 1, § 347 Abs. 1 BGB aber sehen vor, dass im Falle des Rücktritts die Pflicht zum Wertersatz neben der empfangenen Leistung auch gezogene oder schuldhaft nicht gezogene Nutzungen derselben umfasst. Handelt es sich bei der zu erstattenden Hauptleistung um ein Darlehen, so bestehen die Nutzungen aus den Kapitalzinsen (vgl. Palandt-Ellenberger, 76. Aufl., § 100 BGB, Rn. 1), d. h. aus demjenigen, was der Darlehensnehmer gemäß § 488 Abs. 1 S. 2 BGB auch vertraglich zu zahlen verpflichtet ist. Für das Fernabsatzrecht ergeben sich dabei keine materiellen Besonderheiten. Dass eine Belehrung über die mögliche Pflicht des Darlehensnehmers, der kreditgebenden Bank die Zinsen zu ersetzen, gleichwohl nur im Fernabsatzrecht erforderlich war, folgt für den streitgegenständlichen Zeitraum aus § 312d Abs. 6 BGB a. F. Denn diese Bestimmung erklärte die Vorschriften zur Zahlung von Wertersatz gemäß den §§ 346 ff. BGB (abweichend von § 357 BGB) bei Fernabsatzverträgen nur unter der Voraussetzung für anwendbar, dass der Verbraucher hierüber rechtzeitig förmlich belehrt wurde. Hieraus folgt im Umkehrschluss, dass eine solche Belehrung über dieselbe Rechtsfolge in allen anderen Fällen des Widerrufs unnötig war, nicht aber etwa fehlerhaft (vgl. OLG Frankfurt, Verfügung vom 21.12.2015 – 19 U 160/15, juris Rn. 50 ff.).

Soweit die Berufung für ihren abweichenden Rechtsstandpunkt auf das Urteil des Saarländischen Oberlandesgerichts Saarbrücken vom 14.08.2014 (4 U 120/13) Bezug nimmt, lässt sie außer Acht, dass diese Entscheidung eine andere Rechtsfrage betrifft. Das Saarländischen Oberlandesgerichts Saarbrücken befasst sich mit der Situation eines fehlenden, aber nach der Musterbelehrung gebotenen Hinweises und vertritt in der genannten Entscheidung die Ansicht, dass auch bei einem im Fernabsatz und zum Zwecke des Ankaufs eines PKWs geschlossenen Ratenkreditvertrag die Aufnahme des Gestaltungshinweises Nr. 6 (des in der Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 und 3 BGB-Info enthaltenen Musters) keine zwingende Voraussetzung für die Erfüllung der gesetzlichen Belehrungspflichten sei. Zur Frage, ob die erfolgte Aufnahme des Gestaltungshinweises Nr. 6 bei einer nicht im Wege des Fernabsatzes vereinbarten Finanzdienstleistung wegen Irreführung zu einer Verletzung des Deutlichkeitsgebots führt, trifft das OLG Saarbrücken gar keine Entscheidung.

f. Dem Kläger kann schließlich auch nicht darin gefolgt werden, dass der Darlehensnehmer nicht hinreichend über etwaige Pflichten der Bank informiert werde. Zum einen bezieht sich die streitgegenständliche Belehrung auch auf die Pflichten der Bank, wenn ausgeführt wird, dass die beiderseits empfangenen Leistungen zurück zu gewähren und ggf. gezogene Nutzungen herauszugeben seien. Zum anderen entspricht die Passage zum Wertersatz im Kern der Musterbelehrung, die das Risiko der Verpflichtung zum Wertersatz (für den Fall, dass die empfangene Leistung nicht bzw. nicht vollständig zurückgewährt werden kann) ebenfalls ausschließlich im Hinblick auf den Verbraucher formuliert. Letzteres hat im Übrigen auch der Bundesgerichtshof bisher nicht beanstandet (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 24.01.2017 – XI ZR 66/16).

Der Kläger wird auch nicht etwa durch eine zu einseitige Darstellung der Widerrufsfolgen von der Ausübung des Widerrufsrechts abgeschreckt. Wenn, wie vorliegend, überobligatorisch auf die Widerrufsfolgen hingewiesen wird, darf der Hinweis zwar nicht unzutreffend oder irreführend sein (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 21.10.2015 – 31 U 56/15, WM 2016, 116). Das ist aber nicht schon dann der Fall, wenn die Widerrufsbelehrung auf die Rechtsfolgen des Widerrufs hinweist, aber neben den Pflichten des Darlehensnehmers nicht auch vollständig dessen Rechte dokumentiert (OLG Düsseldorf, Urteil vom 10. Februar 2017 – I-7 U 153/15). Hier werden die klägerischen Rechte ersichtlich nicht negiert. Der Beklagten ging es vielmehr erkennbar darum, zu betonen, dass ein Widerruf trotz bereits empfangener Leistungen möglich bleibt. Der Kläger kann sich daher nicht darauf berufen, dass nach einer Gesamtschau der gesamten Klausel die Darstellung der Widerrufsfolgen derartig einseitig sei, dass der Verbraucher durch die gewählte Formulierung von der Ausübung seines Widerrufsrechts abgeschreckt werden könnte.

g. Weitere Besonderheiten, die in Gesamtschau mit dem Schreibversehen im Hinblick auf den Begriff der „Widerrufserklärung“ die Belehrung insgesamt intransparent oder missverständlich erscheine ließen, hat die Berufung nicht mit Erfolg aufgezeigt; sie liegen auch sonst nicht vor.

2. Auf die Frage, ob der Ausübung eines Widerrufsrechts der Einwand der Treuwidrigkeit entgegenstünde, kommt es hiernach nicht mehr an.

3. Da der Widerruf des Darlehensvertrages in der Hauptsache erfolglos geblieben ist, kann der Kläger auch keine Erstattung der außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten beanspruchen.

4. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen, da dieses ohne Erfolg geblieben ist (§ 97 Abs. 1 ZPO).

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Nr. 1 und 2 ZPO nicht vorliegen. Die Sache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.

Aus den oben genannten Gründen mangelt es im Übrigen bereits – entgegen der Annahme der Berufung – an einer Abweichung des Senats von der Entscheidung des Saarländischen Oberlandesgerichts Saarbrücken vom 14.08.2014 (4 U 120/13). Auch im Hinblick auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 22.11.2016 (XI ZR 434/15) ist eine Divergenz nicht festzustellen, da der Senat die vom Bundesgerichtshof in der genannten Entscheidung angesprochenen Grundsätze zu einer vertraglichen Erweiterung der Bedingungen für das Anlaufen der Widerrufsfrist nicht in Frage stellt. Die Berufung lässt außer Acht, dass es im Fall eines offensichtlichen Schreibfehlers bereits an einer entsprechenden Einigung mangelt.

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