OLG Frankfurt am Main, 07.10.2013 – 5 U 135/13

April 19, 2019

OLG Frankfurt am Main, 07.10.2013 – 5 U 135/13
Tenor:

In Abänderung des Beschlusses vom 29. August 2013 wird auf den Antrag der Verfügungsbeklagten unter Zurückweisung des weitergehenden Antrags die Zwangsvollstreckung der Verfügungsklägerin aus dem am 13. August 2013 verkündeten Urteil der 9. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Frankfurt am Main (3/9 O 78/13) bis zum Erlass des Urteils im zweiten Rechtszug gegen Sicherheitsleistung der Verfügungsbeklagten in Höhe von 15.000,00 € einstweilen eingestellt.
Gründe
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Der Verfügungsbeklagten ist mit dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Urteil im Wege einstweiliger Verfügung auf Antrag der Verfügungsklägerin u. a. aufgegeben worden, hinsichtlich ihrer Gewinnforderungen für die Jahre 2010 und 2011 gegen die A-… GmbH & Co. KG (im Folgenden: Schuldnerin) den Rangrücktritt dergestalt zu erklären, dass diese Forderungen in den Rang des § 39 Abs. 2 InsO rücken, bezüglich der genannten Forderungen die Stundung bis zum 31.12.2014 auszusprechen und dementsprechend die Fälligstellung ihrer Gewinnentnahmeforderungen für die Jahre 2010 und 2011 bis zum 31.12.2014 zu unterlassen.
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Auf Antrag der Verfügungsbeklagten, die gegen das Urteil Berufung eingelegt und das Rechtsmittel mit Schriftsatz vom 26. August 2013 begründet hat, war gemäß §§ 719 Abs. 1 Satz 1, 707 Abs. 1 Satz 1 ZPO auszusprechen, dass die Zwangsvollstreckung bis zum Erlass des Urteils gegen Sicherheitsleistung einzustellen ist.
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Der Antrag auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung ist zulässig und begründet.
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Gemäß §§ 719 Abs. 1, 707 ZPO kann, wenn gegen ein für vorläufig vollstreckbar erklärtes Urteil Berufung eingelegt wird, die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil gegen Sicherheitsleistung einstweilen eingestellt werden. Das gilt anerkanntermaßen gleichermaßen für einstweilige Verfügungen erlassende Urteile, auch wenn die Einstellung nur ganz ausnahmsweise veranlasst ist. Der Einstellung steht nicht entgegen, dass die einstweilige Verfügung – wie hier auch – ein Unterlassungsgebot enthält (vgl. hierzu den ebenfalls die Streitparteien betreffenden Senatsbeschluss vom 1. Oktober 2013 – 5 U 145/13).
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Im Rahmen der hierbei zu treffenden Ermessensentscheidung hat das Gericht die widerstreitenden Interessen des Gläubigers einerseits und des Schuldners andererseits abzuwägen. Dabei ist jedoch die Wertentscheidung des Gesetzgebers zu beachten, dass grundsätzlich den Belangen des Vollstreckungsgläubigers der Vorrang gebührt. Das führt dazu, dass in der Regel ein Obsiegen des Schuldners -nach summarischer Prüfung- überwiegend wahrscheinlich sein muss, um eine einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung in Betracht zu ziehen (Schuschke/Walker, Vollstreckung und vorläufiger Rechtsschutz, 5. Auflage, 2011, § 707 Rn. 8).
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Das ist vorliegend der Fall, weil die Berufung der Verfügungsbeklagten aller Voraussicht nach Erfolg haben wird.
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Die bloße Sicherung eines Individualanspruchs (§ 935 ZPO), den weder der Antrag noch die Antragsbegründung bezeichnen, begehrt die Verfügungsklägerin bereits nicht, außerdem besorgt sie nicht die Veränderung eines bestehenden Zustandes und damit einhergehend eine Vereitelung oder Erschwerung der Verwirklichung eines ihr zustehenden Rechts, sondern sie sucht eine Veränderung des Ist-Zustandes herbeizuführen. Sie verlangt – das Erledigungsfeststellungs-begehren zunächst außer Acht gelassen – von der Verfügungsbeklagten nämlich die Erklärung eines Rangrücktritts sowie, eine Stundung bestimmter Geldforderungen auszusprechen, letzteres verbunden mit dem Gebot, “dementsprechend“ die Fälligstellung der bezeichneten Forderungen befristet zu unterlassen.
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Damit nimmt sie die Verfügungsbeklagte zur Regelung eines einstweiligen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis auf Leistungen in Anspruch, die ihr indessen vorliegend im Wege der einstweiligen Verfügung nicht zugebilligt werden können, auch wenn das das Gericht nach freiem Ermessen bestimmt, welche Anordnungen zur Erreichung des Zwecks erforderlich sind (§ 938 Abs. 1 ZPO).
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Der Senat sieht bereits keinen schuldrechtlichen Anspruch der Verfügungsklägerin gegen die Verfügungsbeklagte auf Unterlassung der Fälligstellung hinsichtlich der Gewinnforderungen der Verfügungsbeklagten gegen die Schuldnerin für die Jahre 2010 und 2011.
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Auf Grundlage des eigenen Vortrags der Verfügungsklägerin, die ein noch nicht rechtskräftiges erstinstanzliches, von ihr vorgelegtes und im Rahmen des vorliegenden einstweiligen Verfügungsverfahrens verteidigtes Zahlungsurteil (ASt 27 in ges AO) betreffend ihre eigene Gewinnforderung für das Jahr 2010 erstritten hat – diesbezüglich ist das Berufungsverfahren beim erkennenden Senat anhängig (5 U 57/13) – ist die Gewinnforderung des Kommanditisten (§ 169 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 HGB) nach der im Gesellschaftsvertrag getroffenen Regelung in § 6 Abs. 2 Satz 2 zwei Werktage nach der Beschlussfassung über den betreffenden Jahresabschluss fällig.
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Dies gilt dann aber nicht nur für die Verfügungsklägerin, sondern gleichermaßen für die Forderungen der Verfügungsbeklagten als der weiteren Kommanditistin.
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Die Fälligkeit einer Forderung ist ein Rechtszustand, in Bezug auf den ein weiteres Tätigwerden des Gläubigers nicht erforderlich ist. Schon deshalb ist nicht ersichtlich, die Verfügungsbeklagte, die mittlerweile von der Fälligkeit auch ihrer Forderung ausgeht, habe in diesem Zusammenhang etwas zu unterlassen, auch wenn die Verfügungsbeklagte zufolge eigenen Vortrags nach Verkündung des erstinstanzlichen Urteils im Zahlungsprozess ihre Gewinnforderung “fällig gestellt“ hat. Denn dies bedeutet der Sache nach aber nichts anderes, als sie geltend gemacht zu haben. Dies ist für den Eintritt und die Fortdauer der Fälligkeit jedoch ohne Belang.
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Anderes würde sich allerdings ergeben, wenn die Verfügungsbeklagte die ihr abgeforderten Erklärungen des Rangrücktritts und der Stundung abgäbe. Hierzu ist die Verfügungsbeklagte indessen schuldrechtlich nicht verpflichtet.
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In diesem Zusammenhang können die Einwendungen der Verfügungsklägerin gegen die Zulässigkeit des Insolvenzantrags und einzelner Verfahrenshandlungen der Beteiligten dahin stehen, da diese Fragen sämtlich in die Entscheidungskompetenz des Insolvenzgerichts bzw. auf Rechtsmittel der entsprechenden Rechtsmittelgerichte fallen, während das Prozessgericht die Eröffnung des Insolvenzverfahrens hinzunehmen und die Zuständigkeit des Insolvenzgerichts für die davon erfassten Fragen zu beachten hat (vgl. BGH, Urteil vom 22. Januar 1998 – IX ZR 99/97–, BGHZ 138, 40, Juris-Rz. 9 für noch der KO unterliegenden Eröffnungsbeschluss; so auch der die Parteien vorliegenden Rechtsstreits betreffende Senatsbeschluss vom 1. Oktober 2013 – 5 U 145/13).
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Die Verfügungsklägerin hat zwar bezüglich ihres eigenen Gewinnanspruchs für das Jahr 2010 und den nach Verrechnung verbleibenden Anspruch für das Jahr 2011 mit der Schuldnerin am 18.06.2013 eine Rangrücktrittsvereinbarung geschlossen, nachdem sie – wie erwähnt – ein obsiegendes Urteil erstritten und im Wege der Zwangsvollstreckung die Eintragung einer Sicherungshypothek erwirkt hat.
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Die Verfügungsklägerin hat also ihre Forderung ebenfalls zunächst gegenüber der Schuldnerin geltend gemacht. Ihre autonom getroffene Entscheidung, nach Beantragung des Insolvenzverfahrens den Rangrücktritt zu erklären, berechtigt sie nicht, von der Verfügungsbeklagten Gleiches zu verlangen, auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer vermeintlichen gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht oder mit Blick auf die Gesellschaftervereinbarung vom 18.11.2009.
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Denn bei Abgabe der Erklärungen würde die Verfügungsbeklagte im Zuge des Insolvenzverfahrens lediglich nachrangig Befriedigung erlangen können. Es ist nicht ersichtlich, warum die Verfügungsklägerin, die sich hierzu freiwillig verstanden hat, von der Verfügungsbeklagten die Übernahme dieses Nachteils sollte fordern dürfen. An die vor Beantragung der Insolvenz erklärte Bereitschaft, zur Vermeidung eines Insolvenzverfahrens einen Rangrücktritt zu erklären, ist die Verfügungsbeklagte nach Beantragung und erst recht nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht mehr gebunden.
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Es ist auch nicht davon auszugehen, dass die Erklärung des Rangrücktritts die Insolvenzgründe – Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung – entfallen ließe. Denn aufgrund des von der Antragstellerin selbst vorgelegten Gutachtens des vom Insolvenzgericht beauftragten Sachverständigen und vorläufigen Sachwalters B vom 06.08.2013 (Anl. ASt 56) ergibt sich, dass die Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin unabhängig davon vorliegt, ob die Verfügungsbeklagte ihre Gesellschafterforderungen tatsächlich stundet (S. 9, 69). An der vom Sachwalter mit 8,938 Mio EUR bezifferten Überschuldung (S. 77) ändert sich nichts, wenn die Forderungen der Verfügungsbeklagten in Höhe von 5,3 Mio. EUR herausgerechnet würden. Infolgedessen ist der Verfügungsbeklagten auch mit Rücksicht hierauf die Abgabe der Erklärungen nicht zuzumuten.
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Die Grundsätze der actio pro socio tragen entgegen der angefochtenen Entscheidung die Verpflichtung zur Abgabe der geforderten Erklärungen gleichfalls nicht. Es ist nicht ersichtlich, woraus sich ein gegenüber der Verfügungsbeklagten von der Verfügungsklägerin geltend zu machendes bzw. gemachtes Recht der Schuldnerin, die Gewinnforderungen zu stunden oder einen Rangrücktritt zu erklären, ergeben sollte.
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Durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen ist die Schuldnerin aufgelöst worden (§§ 161 Abs. 2, 131 Abs. 1 Nr. 3 HGB). Eine aus dem Gesichtspunkt gesellschaftsvertraglicher Treuepflicht herzuleitende Verpflichtung des Gesellschafters ihr gegenüber, nunmehr noch einen Sanierungsbeitrag zu leisten, besteht nicht. Soweit die Regelungen der Insolvenzordnung insbesondere nach Inkrafttreten des ESUG in die Rechtsstellung der Anteilseigner eingreifende Sanierungsmaßnahmen vorsehen, hat darüber die Gläubigerversammlung und nicht ein Mitgesellschafter, hier die Verfügungsklägerin, zu entscheiden.
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Die der Verfügungsbeklagten mit dem Antrag abverlangten Erklärungen sind überdies als Willenserklärungen zu qualifizieren, hieran ändert die lediglich vordergründige Inanspruchnahme der Verfügungsbeklagten auf Unterlassung der Fälligstellung der Gewinnforderungen nichts.
22

Die Stundung stellt in der Sache das Hinausschieben der Fälligkeit einer Forderung, regelmäßig auf Grundlage einer vertraglichen Abrede dar (vgl. Palandt/Grüneberg, BGB, 72.- Aufl. 2013, § 271, Rz. 12), erfordert mithin eine Stundungserklärung des Gläubigers und damit eine Willenserklärung, erst recht dann, wenn die Fälligkeit – wie hier – unstreitig bereits eingetreten ist .
23

Nichts anderes gilt für die der Verfügungsbeklagten aufgegebene Erklärung, den Rangrücktritt dergestalt zu erklären, dass diese Forderungen in den Rang des § 39 Abs. 2 InsO rücken. Der Rang des § 39 Abs. 2 InsO setzt bereits aufgrund des Wortlauts der Bestimmung die Vereinbarung des Nachrangs im Insolvenzverfahren zwischen Gläubiger und Schuldner, also ebenfalls eine rechtsgeschäftliche, vertragliche Abrede und damit die Abgabe korrespondierender Willenserklärungen voraus.
24

Grundsätzlich darf der Antragsgegner im Wege einstweiliger Verfügung aber nicht dazu verurteilt werden, eine Willenserklärung abzugeben. Denn § 940 ZPO gestattet lediglich, rechtlich mögliche Regelungen zu treffen. Das kann in Bezug auf Willenserklärungen regelmäßig nicht angenommen werden, wie sich aus § 894 ZPO ergibt (vgl. Hans. OLG Hamburg, MDR 1990, 1022 [OLG Hamburg 20.06.1990 – 12 U 37/90]; Zöller/Vollkommer, ZPO, 29. Aufl. 2012, § 938, Rz. 5; OLG Zweibrücken, MDR 2009, 221, Juris-Rz. 22).
25

Soweit nach einer weitergehenden Auffassung ein Antrag auf Erlass einer auf Abgabe einer Willenserklärung gerichteten einstweiligen Verfügung für zulässig erachtet wird, wenn der Antragsteller auf die sofortige Erfüllung seines Anspruchs dringend angewiesen ist und eine Ablehnung der einstweiligen Verfügung einer Rechtsverweigerung gleich käme, liegen diese Voraussetzungen nicht vor, weil ein Anspruch der Verfügungsklägerin auf Abgabe jener Erklärungen – wie ausgeführt – nicht besteht.
26

Da bereits für die Annahme eines Anspruchs auf Unterlassung der Fälligstellung kein Raum ist, kommt es auf die Berechtigung der Erwägung der Verfügungsklägerin, die geforderten Erklärungen seien von dem Anspruch auf Unterlassung, dessen Durchsetzung sie dienten, umfasst, ebenfalls nicht an.
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Für die Frage der einstweiligen Einstellung der Zwangsvollstreckung ohne Relevanz ist die vom Landgericht ausgesprochene Erledigungsfeststellung bezüglich der ursprünglich beantragten und erlassenen einstweiligen Verfügung, weil die angefochtene Entscheidung insoweit keinen vollstreckungsfähigen Inhalt hat.
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Die Zwangsvollstreckung war nur gegen Sicherheitsleistung der Verfügungsbeklagten einzustellen.
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Die vorrangig begehrte Einstellung ohne Sicherheitsleistung kam mit der Folge diesbezüglicher Zurückweisung des Antrags nicht in Betracht, weil die Verfügungsbeklagte zu den diesbezüglichen Erfordernissen des § 707 Abs. 1 Satz 2 ZPO schon keinen Vortrag gehalten hat.
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Bei Bemessung der Höhe der Sicherheitsleistung war in der Hauptsache zu berücksichtigen, dass die Verfügungsklägerin die Vollstreckung der einstweiligen Verfügung bereits nicht erreichen kann, weshalb durch die Einstellung in der Hauptsache eintretende Nachteile nicht ersichtlich sind und die Höhe hiervon nicht beeinflusst werden kann.
31

Deshalb hält der Senat eine relativ geringfügige Sicherheit mit Blick darauf, dass sie auch den Kostenerstattungsanspruch der Verfügungsklägerin abdecken muss, in aus der Formel ersichtlichen Höhe für ausreichend.

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