OLG Frankfurt am Main, 07.11.2012 – 11 AR 190/12

Mai 3, 2019

OLG Frankfurt am Main, 07.11.2012 – 11 AR 190/12
Tenor:

Das Landgericht Frankfurt am Main wird gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO als das zuständige Gericht bestimmt.
Gründe
1

I.

Die Klägerin nimmt die Beklagte zu 1) als Gründungs- und Treuhandkommanditistin und die Beklagte zu 2) als die Anlage vermittelnde und beratende Bank wegen einer Beteiligung an der … fonds mbH & Co. KG auf Schadensersatz in Anspruch.
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Die Klägerin zeichnete im Jahre 1990 eine Beteiligung an diesem Immobilienfonds in Höhe von 20.000 DM zzgl. Agio. Sie behauptet, sie hätte sich zu der Beteiligung aufgrund einer unzureichenden, unter anderem verdeckte Rückvergütungen zu ihren Gunsten verschweigenden Beratung eines Mitarbeiters der Beklagten zu 2) entschlossen. Auch sei der Prospekt in mehrfacher Hinsicht fehlerhaft; hierfür hafte die Beklagte zu 1) als Gründungs- und Treuhandkommanditistin. Sie sei in dieser Eigenschaft ebenfalls zur richtigen und vollständigen Aufklärung verpflichtet gewesen.
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Die Klägerin beantragt, nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO das Landgericht Frankfurt a.M. als gemeinsam zuständiges Gericht zu bestimmen. Die Beklagte zu 1) hat dem Antrag zugestimmt. Die Beklagte zu 2) regt eine Abtrennung des gegen sie gerichteten Verfahrens an. Jedenfalls aber sollte das Landgericht Mannheim, in dessen Bezirk das maßgebliche Beratungsgespräch erfolgt sei, als gemeinsam zuständig bestimmt werden. Auch das KG Berlin habe in einem jüngst ergangenen Beschluss den Schwerpunkt eines vergleichbar gelagerten Sachverhalts dort gesehen, wo das zugrunde liegende Beratungsgespräch erfolgte (Beschluss vom 8.5.2012, Az: 18 AR 14/12). Sollte der Senat von der dort vertretenen Auffassung abweichen wollen, werde eine Vorlage an den Bundesgerichtshof angeregt.
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II.

Auf den nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO zulässigen Antrag ist das Landgericht Frankfurt am Main als das gemeinsam zuständige Gericht zu bestimmen.
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Nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO erfolgt auf Antrag eine Gerichtsstandsbestimmung, wenn mehrere Personen, die bei verschiedenen Gerichten ihren allgemeinen Gerichtsstand haben (§§ 12, 17 ZPO), als Streitgenossen verklagt werden sollen und für den Rechtsstreit ein gemeinschaftlicher besonderer Gerichtsstand nicht begründet ist. Diese Voraussetzungen liegen vor.
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Die Beklagten haben ihren allgemeinen Gerichtsstand in verschiedenen Landgerichtsbezirken, die Beklagte zu 1) im Bezirk des Landgerichts Frankfurt am Main, die Beklagte zu 2) im Bezirk des Landgerichts Mannheim. Ein gemeinschaftlicher besonderer Gerichtsstand der Beklagten ist nicht begründet. Er ergibt sich insbesondere nicht aus § 32 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO. Die Kläger nehmen die Beklagte zu 2) ausschließlich wegen fehlerhafter Beratung im Rahmen des Anlageberatungsvertrages in Anspruch. Für Klagen, die auf falsche oder unzureichende Beratung im Rahmen eines Anlageberatungsvertrages gestützt werden, ist der ausschließliche Gerichtsstand des § 32 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO nicht eröffnet (vgl. BGH NJW 2007, 1365 [BGH 07.02.2007 – X ARZ 423/06]).
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Streitgenossenschaft auf Beklagtenseite ist gegeben. § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO findet bei allen Arten der passiven Streitgenossenschaft Anwendung (vgl. BGH NJW 1998, 686 [BGH 30.10.1997 – VII ZR 299/95]; Zöller/Vollkommer, 29. Aufl., ZPO, § 36 Rd. 14 m.w.N.). Gegenstand des Rechtsstreits sind Ansprüche wegen Aufklärungspflichtverletzungen im Zusammenhang mit der Vermittlung der Kommanditbeteiligungen an die Kläger, also aus im Wesentlichen gleichartigen tatsächlichen und rechtlichen Gründen i. S. d. §§ 59 ff ZPO.
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Unter den in Betracht kommenden Gerichten erfolgt die Auswahl nach Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten und unter Berücksichtigung der Prozesswirtschaftlichkeit, wobei im Regelfall nur ein solches Gericht bestimmt werden kann, bei dem einer der in Anspruch genommenen Streitgenossen seinen allgemeinen Gerichtsstand hat (vgl. BGH NJW 1987, 439 [BGH 09.10.1986 – I ARZ 487/86]). Die Zweckmäßigkeit spricht vorliegend dafür, das Landgericht Frankfurt am Main als zuständiges Gericht zu bestimmen, denn in dessen Gerichtsbezirk befindet sich der Sitz des Anbieters der Vermögensanlage und liegt damit auch der Schwerpunkt des Rechtsstreits. Der vorliegende Rechtsstreit ist einer aus einer Vielzahl von Rechtsstreitigkeiten, die von enttäuschten Anlegern gegen die Anlagegesellschaft, gesellschaftsnahe Personen, Vermittler etc. anhängig gemacht wurden und die in rechtlicher oder tatsächlicher Hinsicht gleich oder ähnlich liegen und vor dem Hintergrund der geltend gemachten Ansprüche ohne Aufklärung der Verhältnisse der Anlagegesellschaft nicht sachgerecht beurteilt werden können. Es erscheint deshalb zweckmäßig, Verfahren, die Lebenssachverhalte solcher Art zum Gegenstand haben, auch dann bei dem ortsnahen Gericht am Sitz des Anbieters der Vermögensanlage zu konzentrieren, wenn allenfalls hinsichtlich der Beklagten zu 1) als Gründungs- und Treuhandkommanditistin ein ausschließlicher Gerichtsstand gemäß § 32 b Abs. 1 Nr. 1 ZPO in Betracht kommt und ein Fall der Prospekthaftung im engeren Sinne nicht vorliegt (vgl. BayObLG NJW-RR 2003, 134 [BayObLG 21.08.2002 – 1 Z AR 86/02]; Zöller/Vollkommer, a. a. O., § 36 Rd. 18). Zudem ist bei dem Landgericht Frankfurt am Main eine Reihe von Parallelverfahren anhängig, so dass es sachgerecht erscheint, die Verfahren bei diesem Gericht zu konzentrieren.
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Der Senat hat in einer Vielzahl von Zuständigkeitsstreitigkeiten zu entscheiden, ob der Schwerpunkt eines Rechtsstreits sich am Ort der Beratungsleistung oder am Ort des Sitzes des Anbieters der Vermögensanlage befindet. Soweit – wie vorliegend – der Sitz des Anbieters der Vermögensanlage als allgemeiner oder ausschließlicher Gerichtsstand einer der Beklagten gewählt werden kann, entscheidet sich der Senat in ständiger Rechtsprechung unter besonderer Berücksichtigung der vom Gesetzgeber gewollten Konzentration derartiger Streitigkeiten gemäß § 32 b ZPO für den Ort des Anbieters der Vermögensanlage.
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Soweit die Beklagte zu 2) auf eine Entscheidung des KG Berlin verweist, in welcher das Gericht des Ortes der Beratungsleistung als gemeinsam zuständig bestimmt wurde (Beschluss vom 8.5.2012, Az: 18 AR 14/12), ist eine Divergenzvorlage an den Bundesgerichtshof gemäß § 36 Abs. 2 ZPO nicht veranlasst. Die Frage, welches Gericht im Einzelfall aus Gründen der Zweckmäßigkeit als gemeinsam zuständig bestimmt wird, betrifft keine Rechtsfrage i.S.d. § 36 Abs. 2 ZPO, sondern unterfällt dem Bereich einer nach pflichtgemäßen Ermessen zu treffenden Einzelfallwertung.
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Soweit die Beklagte zu 2) eine Abtrennung des gegen sie gerichteten Verfahrens angeregt hat, kann diese Frage nur von dem Prozessgericht entschieden werden.

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