OLG Frankfurt am Main, 08.06.2017 – 10 U 88/16

März 20, 2019

OLG Frankfurt am Main, 08.06.2017 – 10 U 88/16
Tenor:

Die Kläger werden darauf hingewiesen, dass beabsichtigt ist, ihre Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 14.4.2016 – Az.: 2/20 O 254/15 – durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.

Die Kläger erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme binnen drei Wochen.
Gründe

I.

Die Kläger haben von der Beklagten die Rückabwicklung eines am 10./30.7.2009 geschlossenen Darlehensvertrages verlangt. Der Darlehensvertrag (Bl. 12-18 d.A.) enthielt eine Widerrufsbelehrung, wegen deren Inhalts auf Bl. 17 der Akte verwiesen wird. Mit anwaltlichem Schreiben vom 21.5.2015 erklärten die Kläger den Widerruf dieses Darlehensvertrages (Bl. 21/22 d.A.). Die Beklagte erkannte den Widerruf wegen Fristversäumung nicht an.

Mit der Klage haben die Kläger die Feststellungen begehrt, dass sich der Darlehensvertrag durch ihren Widerruf in ein Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt hat, sowie Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten verlangt.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Feststellungsklage sei zwar zulässig, jedoch unbegründet. Die Kläger hätten den Darlehensvertrag wegen Verfristung nicht mehr widerrufen können. Anders als in dem von den Klägern angeführten, vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall (Urteil vom 10.3.2009 – XI ZR 33/08) lasse die vorliegende Belehrung hinreichend erkennen, dass der Lauf der Frist einen Tag nach Vertragsschluss beginne. Dies setze denknotwendig voraus, dass den Klägern nicht nur der Darlehensantrag, sondern eine Vertragsurkunde, mithin ein durch beide Seiten unterzeichneter schriftlicher Vertrag vorliege. Ein Verständnis, wonach der Fristablauf auch bei einem einseitigen Angebot bereits beginnen könne, sei bei einer objektiven Auslegung durch einen durchschnittlichen Adressaten nicht zu erwarten. Die Widerrufsbelehrung verstoße auch nicht gegen das Deutlichkeitsgebot des § 355 Abs. 2 S. 1 BGB. Die Widerrufsbelehrung müsse als solche lesbar sein, was eine ausreichend große Schrift und eine Untergliederung des Textes erfordere. Sie müsse sich durch Farbe, größere Lettern, Sperrschrift oder Druck in nicht zu übersehender Weise aus dem übrigen Text herausheben. Dies sei bei der vorliegend verwandten Widerrufsbelehrung aber gerade der Fall. Sie befinde sich in einem schwarz umrandeten Kasten und enthalte die Überschrift „Widerrufsbelehrung für jeden einzelnen Darlehensnehmer“. Sie sei durch fett gedruckte Überschriften gegliedert. Wegen des Sach- und Streitstandes in I. Instanz, der vom Landgericht festgestellten Tatsachen sowie der Begründung im Einzelnen wird auf die angefochtene Entscheidung verwiesen (Bl. 137-143 d.A.).

Gegen das am 21.4.2016 zugestellte Urteil haben die Kläger am 20.5.2016 Berufung eingelegt und ihr Rechtsmittel innerhalb verlängerter Frist am 30.6.2016 begründet. Entgegen den Ausführungen des Landgerichts lasse sich der Widerrufsbelehrung der Beklagten nicht entnehmen, dass die Frist einen Tag, nachdem der Vertrag geschlossen wurde, beginne. Innerhalb der Widerrufsbelehrung sei lediglich aufgeführt, dass die Vertragsurkunde oder eine Abschrift der Vertragsurkunde zur Verfügung gestellt werden müsse. Insofern weiche die Entscheidung des Bundesgerichtshofs nicht maßgeblich von dem hier zu entscheidenden Fall ab. Das Landgericht habe es auch versäumt, sich mit Nr. XII des Darlehensvertrages zu beschäftigen, wonach sie (Kläger) auf den Zugang der Annahmeerklärung der Bank in Schriftform verzichtet hätten. Dadurch sei der Irrtum unterstützt worden, dass die maßgebliche Frist bereits mit der Übermittlung des noch nicht unterzeichneten „Darlehensvertrages“ (Darlehensantrages) ausgelöst worden sei. Ihnen sei aufgrund des Zugangsverzichts zu keinem Zeitpunkt eine ordnungsgemäße Fristberechnung möglich gewesen. Ferner sei es ihnen durch den Verzicht auf die Annahmeerklärung und damit die nicht mögliche Berechnung des Widerrufsfristbeginns unmöglich gemacht worden, die Bindungsfrist des eigenen Angebotes zu überprüfen, insbesondere, ob innerhalb dieser Frist eine Annahme erfolgt sei. Demgemäß müsse zu ihren Gunsten davon ausgegangen werden, dass die Widerrufsfrist bereits mit Abgabe des eigenen Angebotes begonnen habe. Ferner habe das Landgericht der Empfangsbestätigung über den Erhalt des Darlehensantrages und der Widerrufsbelehrung keine Beachtung geschenkt. Sie hätten davon ausgehen müssen, dass der maßgebliche Zeitpunkt für den Beginn der Widerrufsfrist der Tag der Unterzeichnung des Antrages und der Empfangsbestätigung (10.7.2009) gewesen sei. Da die Empfangsbestätigung wie die Widerrufsbelehrung mit schwarzer Umrandung „hervorgehoben“ gewesen sei, sei allein dadurch der Eindruck erweckt worden, sie sei ebenfalls Teil der Widerrufsbelehrung selbst. Die zusätzliche Empfangsbestätigung könne nicht anders ausgelegt werden als eine aktiv gezielte Täuschung des laienhaften Verbrauchers. Die Widerrufsbelehrung verstoße gegen das Deutlichkeitsgebot des § 355 Abs. 2 S. 1 BGB. Dass der Verzicht auf den Zugang der Annahmeerklärung außerhalb des schwarzen Rahmens stehe, führe dazu, dass sie dem Durchschnittskunden nicht deutlich vor Augen führe, dass der Verzicht in zwingendem unmittelbaren Zusammenhang mit dem Beginn des Widerrufs (richtig: der Widerrufsfrist) stehe. Dieser Beginn sei dahin modifiziert, dass er nicht nur durch den Erhalt eines Bestätigungsschreibens oder sonstiger schriftlicher Unterlagen ausgelöst werden könne, sondern es insoweit maßgeblich auf eine tatsächliche Verhaltensweise der Bank, die Zurverfügungstellung des Darlehensbetrages (Darlehensantrages?), ankommen könne. Ferner sei durch das nicht tolerierbare Abweichen von der Musterwiderrufsbelehrung die Widerrufsfrist nicht ordnungsgemäß in Gang gesetzt worden. Das Landgericht hätte weiter in die Bewertung der Widerrufsbelehrung einfließen lassen müssen, dass die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten dazu führten, dass der Zugangsverzicht innerhalb dieser Geschäftsbedingungen unzulässig sei. Die Regelung weiche von dem Grundgedanken des BGB ab und verstoße gegen § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB. Der Zugangsverzicht sei ferner nicht mit § 308 Nr. 6 BGB vereinbar, weil die Annahmeerklärung von besonderer Bedeutung sei. Weiter liege ein Verstoß gegen § 308 Nr. 1 BGB vor, weil für sie (Kläger) nicht bestimmbar gewesen sei, wie lange sie an ihr eigenes Angebot gebunden gewesen seien.

Die Kläger beantragen,

das angefochtene Urteil abzuändern und nach ihren Schlussanträgen in der I. Instanz zu erkennen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivortrags wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

II.

Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

In der Sache hat das Rechtsmittel jedoch keine Aussicht auf Erfolg im Sinne von § 522 Abs. 2 ZPO.

Das Landgericht hat zutreffend entschieden, dass die Widerrufsbelehrung den Anforderungen des § 355 Abs. 2 BGB a. F. entsprochen hat.

Unterstellt, die Auffassung der Kläger träfe zu, dass die Widerrufsfrist erst nach Vertragsabschluss beginnt, gehen sie zu Unrecht davon aus, dass die Widerrufsbelehrung nicht deutlich mache, dass die Widerrufsfrist nicht vor Abschluss des Vertrags beginne. Der Satz „Der Lauf der Frist für den Widerruf beginnt einen Tag, nachdem dem Darlehensnehmer (…) die Vertragsurkunde oder eine Abschrift der Vertragsurkunde zur Verfügung gestellt wurde…“ lässt klar erkennen, dass es eines von beiden Vertragsparteien unterzeichneten schriftlichen Originals des Vertrags bedarf, da dies dem vom Gesetzgeber in § 355 Abs. 2 S. 3 BGB a.F. verwendeten Begriff der „Vertragsurkunde“ entspricht und insbesondere nicht dahin ausgelegt werden kann, er meine in einem bestimmten Kontext den schriftlichen Vertragsantrag des Darlehensgebers (BGH, Urteil vom 21.2.2017 – XI ZR 381/16 = ZIP 2017, 809, 810 Tz. 14). Der Unternehmer muss nicht genauer formulieren als der Gesetzgeber selbst (BGH a.a.O.).

Zwar enthielt die von der Beklagten verwendete Widerrufsbelehrung nicht den Hinweis darauf, dass die Frist auch zu laufen beginnt, wenn dem Verbraucher dessen schriftlicher Antrag oder eine Abschrift des Antrags zur Verfügung gestellt wird (so § 355 Abs. 2 S. 3 BGB a. F.). Dies führte jedoch nicht zur Unwirksamkeit der Belehrung. Die von dem gesetzlichen Erfordernis abweichende Formulierung enthielt vielmehr den – hier von den Klägern abgegebenen – Antrag, die Voraussetzungen für das Anlaufen der Widerrufsfrist auf vertraglicher Grundlage zu erweitern. Dies war unbedenklich, weil es nur zu Gunsten der Kläger wirkte (dazu BGH, Urteil vom 22.11.2016 – XI ZR 434/15 = ZIP 2017, 417, 420 Tz. 30, 31), dass die Voraussetzungen der Fristbeginns eingeschränkt und auf die Zurverfügungstellung der „Vertragsurkunde“ reduziert wurden. Die Vertragsurkunde ist den Klägern nach Unterzeichnung durch beide Seiten von der Beklagten übermittelt worden (Bl. 45 d. A., Anl. B 1).

Die von den Klägern in Bezug genommene Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 10.3.2009 liegt anders als der Streitfall. Der Bundesgerichtshof hat dort die Fehlerhaftigkeit der Widerrufsbelehrung darin gesehen, dass diese das unrichtige Verständnis nahegelegt habe, die Widerrufsfrist beginne bereits einen Tag nach Zugang des Darlehensangebots der Bank (Urteil vom 10.3.2009 – XI ZR 33/08 = NJW 2009, 3572, 3573 Tz. 16). Im Streitfall kann ein solches Fehlverständnis schon deshalb nicht aufkommen, weil als Voraussetzung für den Lauf der Widerrufsfrist die Zurverfügungstellung der Vertragsurkunde oder einer Abschrift davon, nicht aber – wie in dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall – auch des schriftlichen Darlehensantrages genannt worden ist.

Die Unrichtigkeit der Belehrung kann auch nicht aus einer angeblichen Abweichung zur Musterbelehrung (Anl. 2 zu § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV) hergeleitet werden. Ausschlaggebend ist allein, dass sie den Anforderungen des § 355 Abs. 2 BGB a. F entsprach.

Der Beklagten ist die Berufung auf den Ablauf der Widerrufsfrist auch nicht gemäß § 242 BGB nach Treu und Glauben verwehrt, weil sie die Kläger in anderer Weise über den Beginn der Widerrufsfrist in die Irre geführt habe. Die Kläger wollen dies daraus herleiten, dass sie mit der Empfangsbestätigung den Erhalt Ihres Darlehensantrages bestätigen sollten. Die Empfangsbestätigung war nicht Teil der Widerrufsbelehrung. Dies ging für den verständigen Verbraucher ohne weiteres daraus hervor, dass die mit einem eigenen schwarz umrandeten Kasten vom übrigen Text des Vertragsformulars abgegrenzte Widerrufsbelehrung über dem unteren Rand den Vermerk „Ende der Widerrufsbelehrung“ trug, die Empfangsbestätigung als solche durch die Überschrift gekennzeichnet war und sie sich ferner auf die Zurverfügungstellung einer Abschrift „der Widerrufsbelehrung“ bezog. Dies ließ keinen Zweifel daran, dass nach dem Vermerk „Ende der Widerrufsbelehrung“ keine weiteren Teile der Widerrufsbelehrung nachfolgten, sondern sich die Empfangsbestätigung auf den Erhalt der Belehrung bezog, also nicht selbst Teil der Belehrung sein konnte. Der verständige Verbraucher entnahm ferner aus der Empfangsbestätigung nicht etwa, dass – in Abweichung zu der voranstehenden Belehrung – der Lauf der Widerrufsfrist nicht erst mit der Zurverfügungstellung der Vertragsurkunde oder einer Abschrift davon beginnen sollte. Vielmehr war dem verständigen Verbraucher klar, dass er mit der Unterzeichnung des Formulars zunächst nur den Darlehensantrag gestellt und der – wenngleich mit dieser Überschrift versehene – Darlehensvertrag erst durch Hinzufügung der Unterschrift der Beklagten abgeschlossen sein würde. Unabhängig davon ergab sich dies auch aus Nr. XII des Vertragsformulars, wonach der Darlehensnehmer auf den Zugang der Annahmeerklärung der Bank in Schriftform verzichtet. Diese Klausel, selbst wenn sie rechtlich unwirksam sein sollte, wies in aller Deutlichkeit darauf hin, dass es noch einer Annahmeerklärung der Bank bedurfte (wie hier auch z. B. OLG Frankfurt am Main, Beschl. vom 24.7.2015 – 19 U 9/16; OLG Celle, Beschl. v. 20.7.2015 – 3 U 89/15, Bl. 234 d.A.).

Ein solcher Verstoß gegen den Grundsatz von Treu und Glauben lässt sich ebenso wenig damit begründen, dass die Darlehensnehmer erklärten, auf den Zugang der Annahmeerklärung der Beklagten in Schriftform zu verzichten. Selbst wenn die Kläger daraus entnommen haben, ihnen würde die Annahmeerklärung der Beklagten nicht mitgeteilt, änderte dies nichts an dem Inhalt der Belehrung, wonach ihnen die Vertragsurkunde oder eine Abschrift davon zur Verfügung gestellt sein musste, um die Widerrufsfrist in Gang zu setzen.

Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Berufungsgerichts aufgrund mündlicher Verhandlung, die auch nicht aus sonstigen Gründen geboten ist.

Haben Sie Fragen? 

Rufen Sie uns an oder schreiben Sie uns eine E-Mail, damit wir die grundsätzlichen Fragen klären können.

© Rechtsanwalt Krau. All rights reserved.
Powered by wearehype.eu.
© Rechtsanwalt Krau. All rights reserved.
Powered by wearehype.eu.