OLG Frankfurt am Main, 08.08.2017 – 16 U 47/17

März 20, 2019

OLG Frankfurt am Main, 08.08.2017 – 16 U 47/17
Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Gießen vom 17. Februar 2017, Az. 3 O 36/16, teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 3.527,81 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Oktober 2015 zu zahlen.

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, die Klägerin von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 198,90 € freizustellen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen und die weitergehende Berufung zurückgewiesen.

Die Kosten der ersten Instanz werden gegeneinander aufgehoben.

Die Kosten der Berufung hat die Klägerin zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert für die Berufung wird auf 3.493,94 € festgesetzt.
Gründe

I.

Die Klägerin macht gegen die Beklagten Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall vom … Februar 2015 geltend.

Das Landgericht hat der Klage in vollem Umfang stattgegeben.

Wegen der Einzelheiten wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Dagegen wenden sich die Beklagten mit ihrer Berufung, mit der sie teilweise Abänderung des Urteils begehren. Sie rügen, das Landgericht habe übergangen, dass unstreitig außergerichtlich 3.493,94 € gezahlt worden seien. In dieser Höhe sei Erfüllung eingetreten. Damit sei auch die Entscheidung über die Zinsen sowie die Kostenquote falsch.

Hinsichtlich der ausgeurteilten außergerichtlichen Anwaltskosten habe das Landgericht das Bestreiten der Rechnungslegung und der Zahlung – mithin der Entstehung der Gebühren – übergangen. Zudem sei die Klägerin unstreitig vorsteuerabzugsberechtigt; dennoch habe das Landgericht einen Bruttobetrag ausgeurteilt. Zudem seien auf die Anwaltskosten 347,60 € gezahlt worden.

Die Beklagten beantragen,

unter Abänderung des am 17. Februar 2017 verkündeten Urteils des Landgerichts Gießen, Az. 3 O 36/16, die Klage hinsichtlich eines über den Betrag von 3.527,81 € nebst ausgeurteilter Zinsen hinausgehenden Betrags abzuweisen.

Die Klägerin hat ein sofortiges Anerkenntnis erklärt, soweit die Beklagten 3.494,94 € auf die Hauptforderung und 347,60 € auf die außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten gezahlt haben.

Im Übrigen beantragt sie,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagten beantragen im Hinblick auf das Anerkenntnis

den Erlass eines Anerkenntnisurteils.

Die Klägerin weist darauf hin, dass die Zahlung nach Klageerhebung erfolgt sei, weshalb auch die Kostenentscheidung zutreffend sei. Im Verhandlungstermin vor dem Landgericht sei eine Erledigungserklärung abgegeben worden, die allerdings nicht protokolliert worden sei. Richtig sei auch, dass die Vorsteuerabzugsberechtigung der Klägerin im Prozess unstreitig gestellt worden sei. Es sei auch hinsichtlich der Rechtsanwaltsgebühren entsprechende Erfüllung eingetreten.

Vor Berufungseinlegung sei den Beklagten zugesichert worden, dass insoweit nicht vollstreckt werde. Es hätte eine schlichte Korrektur des Urteils ausgereicht, da es sich um offensichtliche Fehler handele.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

II.

1. Die Berufung ist zulässig.

a) Mangels offensichtlicher Unrichtigkeit konnte das Urteil entgegen der Auffassung der Klägerin nicht lediglich nach § 319 Abs. 1 ZPO berichtigt werden. Der Fehler der Nichtberücksichtigung nach Klageerhebung erfolgter Zahlungen ergibt sich nicht – was erforderlich wäre (vgl. Zöller/Vollkommer, 30. A., § 319 ZPO Rn. 5) – ohne weiteres für einen Außenstehenden aus dem Zusammenhang des Urteils.

b) Die Berufung ist auch nicht deshalb unzulässig, weil wegen des Schreibens des Klägervertreters vom 15. März 2017, mit dem den Beklagten versichert wurde, dass wegen der bereits geleisteten Zahlungen eine Vollstreckung nicht erfolgen werde, das Rechtsschutzbedürfnis fehlen würde. Die Beklagten rügen auch ihre Verurteilung zur Zahlung von Anwaltskosten sowie die Kostenentscheidung, was beides nur im Rahmen einer Berufung erfolgen kann.

2. Die Berufung ist teilweise begründet.

a) Hinsichtlich der unstreitig erfolgten Zahlungen ist das Urteil bereits aufgrund des Anerkenntnisses der Klägerin durch ein Anerkenntnisurteil entsprechend § 307 Abs. 1 ZPO abzuändern. Zwar ist streitig, ob dann, wenn der in der Vorinstanz erfolgreiche Kläger und Rechtsmittelbeklagte den Rechtmittelantrag des Beklagten und Rechtsmittelführers anerkennt, ein Urteil nach § 307 Abs. 1 ZPO ergehen kann. Der Senat folgt jedoch der dies bejahenden Auffassung des OLG Stuttgart (Urteil vom 24.1.2002, 16 U UF 512/01, zitiert nach juris) und macht sich dessen überzeugende Argumentation zu eigen. Im Wege des Anerkenntnisurteils ist deshalb unter Abänderung der angefochtenen Entscheidung die Klage abzuweisen, soweit sie über einen Betrag von 3.527,81 € nebst Zinsen in der Hauptsache und über einen Betrag von 302,74 € an außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten (650,34 € abzgl. Zahlung von 347,60 €) hinausgeht.

b) Im Übrigen hat die Berufung teilweise Erfolg.

Soweit die unstreitig vorsteuerabzugsberechtigte Klägerin bei den geltend gemachten Rechtsanwaltskosten zu Unrecht Mehrwertsteuer in Höhe von 103,84 € zuerkannt bekommen hat, waren die verbleibenden Kosten unter Abzug dieses Betrags auf 198,90 € zu reduzieren. Zugleich war das Urteil dahingehend abzuändern, dass die Klägerin nur einen Anspruch auf Freistellung hat. Die Beklagten haben bestritten, dass die Klägerin von ihrem Prozessbevollmächtigten eine Rechnung betreffend die außergerichtlich angefallenen Kosten erhalten und diese beglichen hat; dem ist die Klägerin nicht entgegen getreten. Zwar ist der Vergütungsanspruch des Prozessbevollmächtigten mit Aufnahme seiner außergerichtlichen Tätigkeiten entstanden und mit ihrer Beendigung nach § 8 RVG fällig geworden; mangels Zahlung hat sich in dem Vermögen der Klägerin aber noch kein Schaden realisiert, der zu ersetzen wäre, so dass die Klägerin keinen Schadensersatz verlangen kann. Da sie aber mit einer Verbindlichkeit belastet ist, hat sie einen Anspruch auf Freistellung von der Verbindlichkeit. Dem steht nicht entgegen, dass der Klägervertreter seinen Vergütungsanspruch der Klägerin noch nicht in Rechnung gestellt hat. Die Rechnungsstellung nach § 10 Abs. 1 RVG betrifft nur die Einforderbarkeit der Vergütung im Verhältnis zum Mandanten des Anwalts, lässt aber materiell-rechtliche Erstattungsansprüche des Mandanten gegenüber Dritten unberührt (vgl. BGH, Urteil vom 22.3.2011, VI ZR 63/10, zitiert nach juris; Klüsener, in: Bischof/Jungbauer/ Bräuer/Klipstein/Klüsener/Uher, RVG, 7. A., Rn. 10; Schneider/Wolf, RVG, 7. A., § 10 RVG Rn. 12).

Nach alledem war das Urteil wie erfolgt abzuändern.

III.

Die Kosten der ersten Instanz sind abweichend von dem angefochtenen Urteil nach § 92 Abs. 1 ZPO gegeneinander aufzuheben. Dabei ist unerheblich, dass die Zahlung erst nach Klageerhebung erfolgt ist. Mangels Erledigungserklärung der Klägerin – das nach § 165 ZPO maßgebliche Protokoll der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht vom 22. April 2016 (Bl. 44 d.A.) enthält insoweit keine entsprechende Erklärung – hätte die Klage in erster Instanz in Höhe der auf die Hauptforderung erfolgten Zahlung aufgrund eingetretener Erfüllung mit der entsprechenden Kostenfolge abgewiesen werden müssen.

Die Kosten der Berufung gehen nach § 91 Abs. 1 ZPO zu Lasten der Klägerin. Zwar kommt grundsätzlich die entsprechende Anwendung des § 93 ZPO mit der Maßgabe in Betracht, dass die Klägerin nicht durch ihr Verhalten Anlass zur Einlegung der Berufung gegeben hat (vgl. OLG Stuttgart, aaO.). Diese Voraussetzungen liegen jedoch nicht vor. Zum einen hat die Klägerin erstinstanzlich die Zahlung auf die Hauptsache zwar unstreitig gestellt, es aber versäumt, ihren Antrag entsprechend umzustellen. Zum anderen hat sie zwar mit Schreiben vom 15. März 2017 gegenüber den Beklagten die Zahlungen auf die Hauptforderung und (auch auf) die Anwaltsgebühren (erneut) bestätigt und versichert, insoweit aus dem Urteil nicht zu vollstrecken; da aber – wie der Rechtsstreit zeigt – zwischen den Parteien Streit über die Kosten der ersten Instanz besteht, hatten die Beklagten keine andere Wahl, als Berufung gegen das Urteil einzulegen. Dies steht nach Auffassung des Senats der Annahme entgegen, dass die Klägerin durch ihr Verhalten keine Veranlassung zur Einlegung der Berufung gegeben hat.

Soweit die Klägerin hinsichtlich der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten teilweise obsiegt, hat dies keine Auswirkungen auf die Kostenentscheidung, da es sich bei den Rechtsanwaltskosten um nicht streitwerterhöhende Nebenforderungen im Sinne der §§ 43 Abs. 1 GKG, 4 ZPO handelt (BGH, Beschluss vom 11.3.2008, VI ZB 9/06, zitiert nach juris).

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf 708 Ziff. 1 und Ziff. 10, 713 ZPO.

Die Revision war nicht gemäß § 543 Abs. 2 S. 1 ZPO zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordert.

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