OLG Frankfurt am Main, 09.02.2018 – 5 U 57/16

März 19, 2019

OLG Frankfurt am Main, 09.02.2018 – 5 U 57/16
Tenor:

Die Berufung der Klägerin zu 2. gegen das am 5. April 2016 verkündete Urteil der 5. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Frankfurt am Main wird zurückgewiesen.

Die gerichtlichen Kosten des gesamten Rechtsstreits sind von den Klägerinnen zu 1. und 3. zu jeweils 33%, von der Klägerin zu 2. zu 10% und von der Beklagten zu 24% zu tragen. Von den außergerichtlichen Kosten beider Instanzen der Beklagten tragen die Klägerinnen zu 1. und 3. jeweils 33% und die Klägerin zu 2. 10%, die außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu 2. hat die Beklagte zu 71% zu tragen; im Übrigen findet eine Kostenerstattung nicht statt.

Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Parteien können die Zwangsvollstreckung der gegnerischen Partei gegen Leistung einer Sicherheit in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die gegnerische Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Streitwert für die Berufungsinstanz: 350.000,00 € (Berufung der Klägerinnen zu 1. und 3.: 350.000,00 €, Berufung der Klägerin zu 2.: 100.000,00 €, Berufung der Beklagten: 250.000,00 €).
Gründe

I.

Die Beklagte ist eine Aktiengesellschaft, u. a. die Kläger sind deren Aktionärinnen. In der Hauptversammlung der Beklagten vom 12. Juni 2016 wurde anderen Aktionären die Teilnahmeberechtigung versagt, und es wurden Beschlüsse gefasst bzw. Beschlussvorschläge abgelehnt.

Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil (Bl. 378 bis 401 d. A.) wird Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

Mit der Klage haben die Klägerinnen gegenüber den Beschlüssen zu TOP 2, 3 und 5 Beschlussmängelklage, verbunden mit positiver Beschlussfeststellungsklage zu den TOP 3, 4 und 5 erhoben und die Feststellung begehrt, dass die Eheleute X und Y berechtigt waren, an der Hauptversammlung der Beklagten am 12.6.2015 teilzunehmen und dort mit ihren Aktien stimmberechtigt waren, die Beklagte ist der Klage entgegen getreten, wegen Details der erstinstanzlichen Antragstellung wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen.

Nach Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz haben die Kläger die Klage um weitere Hilfsanträge und subjektiv auf die Eheleute X und Y zu erweitern gesucht sowie wechselseitig Beitritte als Nebenintervenienten zwischen den ursprünglichen Klägern zu 1. bis 3. einerseits und den Klägern zu 4. und 5. andererseits und untereinander (Kläger zu 4. und 5.) erklärt.

Das Landgericht, auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils wird Bezug genommen, hat die Klageerweiterungen für unbeachtlich, die Klage der Klägerinnen zu 1. bis 3. bezüglich des Feststellungsantrags betreffend die Berechtigung der Eheleute X und Y zur Teilnahme an der Hauptversammlung und Abstimmung für – mangels Rechtsschutzbedürfnisses – unzulässig, die Klage aller Klägerinnen bezüglich der isolierten Beschlussfeststellung zu TOP 4 als auf einen fiktiven Beschluss zielend für unbegründet sowie die Klage der Klägerinnen zu 1. und 3. bezüglich der TOP 2, 3 und 5 wegen fehlenden Widerspruchs mangels Anfechtungsbefugnis – Nichtigkeitsgründe seien nicht ersichtlich – für unbegründet gehalten und der Klage der Klägerin zu 2. bezüglich der TOP 2, 3 und 5 und deren positiven Beschlussfeststellungsklage zu TOP 3 und 5 mit der Begründung stattgegeben, die Beschlüsse seien wegen Berücksichtigung der Stimmen einer anderen Aktionärin, die einem Stimmrechtsausschluss unterlegen sei, anfechtbar, bezüglich der Beschlüsse zu TOP 3 und 5 sei ferner eindeutig feststellbar, wie die Abstimmung ausgegangen sei, Anfechtungsgründe seien durch Anfechtungsberechtigte nicht geltend gemacht.

Soweit sie unterlegen sind, haben alle Parteien das Urteil mit der Berufung angegriffen und ihre erstinstanzlichen Prozessziele jeweils unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens weiterverfolgt, wobei die Klägerinnen klargestellt haben, die inhaltliche und subjektive erstinstanzliche Klageerweiterung gemäß Schriftsatz vom 8. März 2016 (BI. 340 ff. der Akten) mit der Berufung nicht weiter zu verfolgen; die Nebenintervention der Eheleute X und Y ist zurückgenommen worden.

Am 13. Oktober 2016 wurde über das Vermögen der Beklagten das Insolvenzverfahren eröffnet.

Die Klägerinnen haben in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat beantragt,

das am 5. April 2016 verkündete Urteil des Landgerichtes Frankfurt am Main zum Geschäftszeichen 3-05 0 131/15, abzuändern und auf die Klage der Klägerinnen zu 1. bis 3. wie folgt zu erkennen:

1.

die Beschlüsse der Hauptversammlung der Beklagten vom 12., Juni 2015, durch welche die Herren A, B und C zu Mitgliedern des Aufsichtsrates der Beklagten gewählt wurden (Punkte 2A bis 2C der Tagesordnung), werden für nichtig erklärt,
2.

der Beschluss der Hauptversammlung der Beklagten vom 12. Juni 2015, durch welchen die Abberufung der Herren D, E und F aus dem Aufsichtsrat abgelehnt wurde (Punkt 3 der Tagesordnung), wird für nichtig erklärt,
3.

der Beschluss der Hauptversammlung der Beklagten vom 12. Juni 2015, durch welchen es abgelehnt wurde, dem Vorstand Herrn G das Vertrauen zu entziehen (Punkt 5 der Tagesordnung), wird für nichtig erklärt,
4.

es wird festgestellt, dass die Herren D, E und F durch Beschluss der Hauptversammlung der Beklagten vom 12. Juni 2015 (Punkt 3 der Tagesordnung) als Mitglieder des Aufsichtsrates der Beklagten abberufen worden sind.
5.

es wird festgestellt, dass Frau H, geb. M, und die Herren I, J, K, L und N durch Beschlüsse der Hauptversammlung der Beklagten vom 12. Juni 2015 (Punkte 2 und 4 der Tagesordnung) zu Mitgliedern des Aufsichtsrates der Beklagten gewählt worden sind,
6.

es wird festgestellt, dass dem Vorstand der Beklagten, Herrn G, durch Beschluss der Hauptversammlung vom 12. Juni 2015 (Punkt 5 der Tagesordnung) das Vertrauen entzogen worden ist,
7.

es wird festgestellt, dass die Eheleute X und Y berechtigt waren, an der Hauptversammlung der Beklagten am 12. Juni 2015 teilzunehmen, und dort mit ihren Aktien stimmberechtigt waren,

sowie,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Die Beklagte hat beantragt,

das angefochtenen Urteil teilweise abzuändern und die Klage im vollen Umfang abzuweisen,

sowie,

die Berufung der Klägerinnen zurückzuweisen.

Nach Erlass eines Beweisbeschlusses und zwischenzeitlicher Aussetzung des Rechtsstreits wegen Wegfalls der gesetzlichen Vertreter der Beklagten hat die Beklagte, deren Vorstand und Aufsichtsrat jeweils neu besetzt worden sind, den Rechtsstreit wiederaufgenommen.

Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Parteien im Berufungsrechtszug wird auf die zweitinstanzlich gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Die Beklagte sowie die Klägerinnen zu 1. und 3. haben sodann ihre Berufungen jeweils insgesamt und die Klägerin zu 2. die ihre bezüglich des Klageantrags zu 4. (ist Berufungsantrag zu 5.) zurückgenommen.

Auf Antrag der Parteien ist das schriftliche Verfahren angeordnet worden.

II.

Der Senat ist an einer Entscheidung nicht mit Rücksicht auf das nach Anhängig werden des Rechtsstreits in zweiter Instanz eröffnete Insolvenzverfahren über das Vermögen der Beklagten gehindert.

Der Rechtsstreit ist nicht unterbrochen (§ 240 Satz 1 ZPO). Aktienrechtliche Beschlussmängelklagen werden nach § 240 Satz 1 ZPO durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Aktiengesellschaft unterbrochen, wenn sie die Insolvenzmasse im Sinne des § 35 InsO betreffen, was der Fall ist, wenn durch den/die angefochtenen Beschluss/Beschlüsse Ansprüche der Masse begründet werden oder Verbindlichkeiten wegfallen, weil dann die Beschlussmängelklage darauf abzielt, die Insolvenzmasse zu verringern (vgl. BGH, Versäumnisurteil vom 19. Juli 2011 – II ZR 246/09 -, BGHZ 190, 291-300, Rn. 9).

Nach Rücknahme der Rechtsmittel im Übrigen ist nur noch über das Feststellungsbegehren der Klägerin zu 2. betreffend Teilnahmeberechtigung und Stimmrecht der Eheleute X und Y zu entscheiden, das offensichtlich nicht massebezogen ist.

Die Berufung der Klägerin zu 2. im noch anhängigen Umfang ist zulässig, insbesondere fristgerecht eingelegt und gerechtfertigt worden, in der Sache hingegen nicht begründet.

Die angefochtene Entscheidung beruht aus Sicht des Berufungsgerichts im Ergebnis nicht auf einer Rechtsverletzung (§ 546 ZPO), wie auch die zugrunde zu legenden Tatsachen eine Entscheidung zugunsten der Klägerin zu 2. nicht rechtfertigen, wobei abweichende tatsächliche Feststellungen im Berufungsverfahren nicht zu treffen sind (§§ 513 Abs. 1, 529 Abs. 1 ZPO).

Das allein noch zu bescheidende Begehren der Klägerin zu 2. ist nicht zulässig.

Die Zulässigkeit der Feststellungsklage richtet sich nach § 256 Abs. 1 ZPO, während der zunächst von allen Klägerinnen hauptweise bemühte Aspekt der Zwischenfeststellungsklage (§ 256 Abs. 2 ZPO) obsolet ist, weil das Feststellungsbegehren der einzige verbliebene Streitgegenstand ist und eine weitergehende Entscheidung, die von dem Bestehen oder Nichtbestehen des streitigen Rechtsverhältnisses abhängen könnte, nicht in Betracht kommt.

Gemäß § 256 Abs. 1 ZPO kann auf Feststellung eines Rechtsverhältnisses geklagt werden, wenn der Kläger an dessen alsbaldiger Feststellung ein Interesse hat. Die Berechtigung der Eheleute X und Y zur Teilnahme und Stimmberechtigung stellen zwar feststellungsfähige Rechtsverhältnisse dar, allerdings, wegen des Bezugs des Antrags auf die Hauptversammlung der Beklagten im Juni 2015, vergangene.

Soweit das Landgericht die Prozessführungsbefugnis für die Feststellungsklage verneint hat, kann dahinstehen, ob seinem Argument zu folgen ist, es gebe prozessdogmatisch keinen Grund, die Funktion der Prozessführungsbefugnis, die richtigen Parteien festzulegen, dem Feststellungsinteresse zuzuweisen, wie es die h. M. tue (vgl. MüKoZPO/Becker-Eberhard, aaO., § 256 Rn. 36).

Demgegenüber ist für den Senat entscheidend, dass es sich aus Sicht der Klägerin zu 2. bei den vorbezeichneten Rechtsverhältnissen zwar um Drittrechtsverhältnisse handelt, deren Feststellung sie aber kraft eigenen Rechts begehrt. Unbeschadet der Frage, ob sie das zulässigerweise unternimmt, macht sie insoweit jedenfalls nicht ein fremdes Recht geltend.

Voraussetzung für die Zulässigkeit der auf ein Drittrechtsverhältnis bezogenen Feststellungsklage ist jedoch, dass es zugleich für die Rechtsbeziehungen der Parteien untereinander von Bedeutung ist und der Kläger ein rechtliches Interesse an einer alsbaldigen Klärung dieses Rechtsverhältnisses hat (vgl. BGH, Urteil vom 14. Mai 1990 – II ZR 125/89, WM 1990, 1240, 1241; vom 18. Oktober 1993 – II ZR 171/92, BGHR ZPO § 256 – Feststellungsinteresse 30). Ausreichend ist, wenn der Kläger vom Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses zwischen dem Beklagten und einem Dritten in seinem Rechtsbereich nur mittelbar betroffen wird (vgl. BGH, Urteil vom 23. September 1996 – II ZR 126/95 -, Rn. 15, juris).

Ob das vorliegend mit der Erwägung zu bejahen ist, die Anfechtungsklage solle die Rechtmäßigkeit der Hauptversammlungsbeschlüsse gewährleisten und stelle insoweit ein Instrument der Rechtskontrolle dar, mit dem sich der Minderheitsaktionär gegen Eingriffe der Mehrheit in seine Rechte zur Wehr zu setzen vermag (vgl. BGH, Urteil vom 25. November 2002 – II ZR 49/01 -, BGHZ 153, 32-46, Rn. 41), kann dahinstehen.

Letztlich kann hier nämlich offenbleiben, ob sich ein Aktionär sich im Rahmen der Anfechtungsklage nicht sollte darauf sollte berufen können, der Beschluss leide unter einem Gesetzes-, nämlich Verfahrensverstoß dahin, andere Aktionäre seien bei der Hauptversammlung zu Unrecht von der Teilnahme ausgeschlossen und an der Beteiligung an der Abstimmung gehindert worden.

Wie im Termin zur mündlichen Verhandlung mit den Parteien erörtert, neigt der Senat zwar dazu, die Frage im Sinne des Aktionärs zu bejahen, muss dies aber nicht mehr entscheiden.

Denn der Klage der Klägerin zu 2. fehlt nunmehr nach Rücknahme der Berufungen im Übrigen jedenfalls das Interesse an der Feststellung der streitigen Rechtsverhältnisse.

Das Interesse an einer alsbaldigen Feststellung eines vergangenen Rechtsverhältnisses bedarf nämlich einer besonderen Begründung. Es ist nur zu bejahen, wenn sich hieraus noch Folgen für Gegenwart oder Zukunft ergeben (BAG, Urteil vom 15. Dezember 1999 – 5 AZR 457/98 -, Rn. 11, juris), oder mit anderen Worten: entscheidend ist, ob das Interesse an der Feststellung ein gegenwärtiges ist (vgl. MüKoZPO/Becker-Eberhard, 5. Aufl. 2016, § 256 Rn. 30).

Ein in diesem Sinne gegenwärtiges Interesse der Klägerin zu 2. an der Feststellung der Teilnahme- und Stimmberechtigung der Eheleute X und Y ist indes – anders als zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung – nicht mehr gegeben. Es ist nicht (mehr) ersichtlich, inwieweit sich aus den Rechtsverhältnissen noch Rechtsfolgen für Gegenwart und Zukunft ergeben könnten.

Bis zur Rücknahme der Berufung der Kläger im Übrigen bzw. der Beklagten kam in Betracht, dass die Berechtigung der vorgenannten Eheleute zur Teilnahme an der Hauptversammlung und den Abstimmungen Vorfrage der Rechtmäßigkeit der streitgegenständlichen Beschlüsse bzw. des Zustandekommens der mit den positiven Beschlussfeststellungsklagen geltend gemachten Beschlüsse war.

Dies ist nun nicht mehr der Fall, denn mit der Rücknahme sämtlicher Berufungen im Übrigen ist die Feststellungsklage der Klägerin zu 2. der einzige verbliebene Streitpunkt, von dessen Entscheidung für die Parteien im Weiteren nichts mehr abhängt. Das gilt auch bezüglich der Besetzung des Aufsichtsrats (ursprünglicher Klageantrag zu 4., Berufungsantrag zu 5.). Die Frage der Zusammensetzung hatte sich nämlich bereits vor Rücknahme der Berufungen durch Amtsniederlegung der Mitglieder des Aufsichtsrats und gerichtliche Bestellung von drei Aufsichtsratsmitgliedern mit sofortiger Wirkung befristet bis zur nächsten ordentlichen Hauptversammlung mit Beschluss des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom 11.12.2017 (…) erledigt.

Der Klägerin zu 2. war nicht durch entsprechenden Hinweis (§ 139 Abs. 1 ZPO) Gelegenheit dazu zu geben, ihr Feststellungsbegehren mit Rücksicht auf den Wegfall des Feststellungsinteresses (einseitig) für erledigt zu erklären (§ 91a ZPO), nachdem beide Parteien eine alsbaldige Entscheidung erbeten und ohne jede Begründung übereinstimmend auf die Gelegenheit zu weiterer Stellungnahme verzichtet haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 516 Abs. 3 Satz 1, 97 Abs. 1 ZPO

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10. 711 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs.2 ZPO nicht gegeben sind.

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