OLG Frankfurt am Main, 09.04.2018 – 3 U 178/16

März 18, 2019

OLG Frankfurt am Main, 09.04.2018 – 3 U 178/16
Leitsatz:

Der Versicherungsnehmer haftet für die Angaben derjenigen Personen, die er mit der Erstattung von Auskünften gegenüber dem Versicherer betraut hat. Zwar trägt der Versicherer die Beweislast für eine Täuschungsabsicht des Versicherungsnehmers. Dies gilt aber nur, wenn der Versicherungsnehmer seiner sekundären Darlegungslast nachgekommen ist, welche entsteht, wenn die entscheidungserheblichen Umstände sich in seiner Sphäre abgespielt haben, so dass der Versicherer sie nicht kennen und dazu vortragen kann. Ein zuvor abgegebenes Anerkenntnis hindert den Eintritt der Leistungsfreiheit jedenfalls dann nicht, wenn es wirksam angefochten wurde. Die Angabe des genauen rechtlichen Grundes der Anfechtung ist für die Wirksamkeit der Erklärung nicht erforderlich, sofern wenigstens diejenigen Tatsachen mitgeteilt werden, auf die sie gestützt wird.
Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das am 12.8.2016 verkündete Urteil der 10. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main – Aktenzeichen: 3-10 O 45/15 – wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Der Streitwert für die Berufungsinstanz wird auf bis zu 95.000,- € festgesetzt.
Gründe

I.

Wegen des Sach- und Streitstands wird auf die Darstellung im Hinweisbeschluss vom 14.3.2018 (Bl. 296 ff. d.A.) sowie den Tatbestand des angefochtenen Urteils (Bl. 191 ff. d.A.) verwiesen.

Auf die Hinweise des erkennenden Senats hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 4.4.2018 (Bl. 318 ff. d.A.) Stellung genommen, auf den Bezug genommen wird.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Frankfurt am Main vom 12.8.2016, Az. 3-10 O 45/15,

1.

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 58.500,- Euro nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus einem Betrag i.H.v. 43.878,44 Euro seit dem 28.03.2014 sowie aus einem weiteren Betrag i.H.v. 14.621,56 Euro seit dem 07.10.2014 zu zahlen,
2.

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 25.592,23 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus einem Betrag von 455,57 Euro seit dem 28.03.2014, einem weiteren Betrag von 5.064,00 Euro seit dem 14.06.2014, einem weiteren Betrag von 1.065,10 Euro seit dem 13.01.2015, einem weiteren Betrag von 6.880,74 Euro seit dem 17.01.2015 und einem weiteren Betrag von 11.046,82 Euro seit Klagezustellung zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

II.

Das Rechtsmittel der Klägerin war gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO durch einstimmigen Beschluss des Senats zurückzuweisen, weil die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat und eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist. Die Rechtssache hat auch weder grundsätzliche Bedeutung noch ist aus Gründen der Rechtsfortbildung oder Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung durch Urteil erforderlich. Zur Begründung wird vollumfänglich auf die Ausführungen im Beschluss vom 14.3.2018 (Bl. 296 ff. d.A.) verwiesen.

Die Stellungnahme der Klägerin auf die Hinweise des Senats mit Schriftsatz vom 4.4.2018 Stellung bietet keine Veranlassung, von der Einschätzung im Hinweisbeschluss abzuweichen.

1) Nachdem die Klägerin ihrer sekundären Darlegungslast, warum ihr Mitarbeiter A wahrheitswidrige Angaben gemacht hat, nicht genügt hat, kommt dessen Vernehmung nicht in Betracht. Es entspricht dem Wesen einer Darlegungslast, dass die erforderliche Darlegung nicht durch ausforschende Vernehmung von Zeugen ersetzt werden kann. Der Senat teilt im Übrigen nicht die Auffassung der Klägerin, dass sie ihren Mitarbeiter nicht zur Offenbarung zwingen könne. Aus dem Arbeitsverhältnis folgt eine vertragliche Nebenpflicht des Arbeitnehmers, dem Arbeitgeber gegenüber Auskünfte zu erteilen, die sich auf die von ihm zu erbringende Arbeit beziehen und die der Arbeitnehmer unschwer erteilen kann (vgl. Erfurter Kommentar/Preis BGB § 611a Rn. 736-737, beck-online). Die Klägerin hat sich hier nicht einmal dazu erklärt, ob sie den Mitarbeiter überhaupt um eine solche Auskunft ersucht hat, d.h. es fehlt bereits an der Darlegung auch nur einfachster Nachforschungsbemühungen.

2) In welcher Frist eine Willenserklärung angefochten werden kann, bestimmt sich ausschließlich nach § 124 Abs. 1 BGB. Die Anwendbarkeit dieser Norm kann nicht durch Verweis auf eine Fürsorgepflicht des Versicherers abbedungen werden. Bei der Anfechtungsmöglichkeit wegen arglistiger Täuschung handelt es sich um zwingendes Recht (Palandt-Ellenberger, 77.Auflage, § 123, Rz. 1 m.N.). Der Gesetzgeber hat sich – anders als bei dem Irrenden, der gemäß § 121 Abs. 1 BGB nur unverzüglich anfechten kann – bewusst dazu entschieden, dem arglistig Getäuschten eine Jahresfrist zur Prüfung und Überlegung, ob er sein Recht ausübt, zuzugestehen. Eine hierdurch auf Seiten des Täuschenden vorübergehend bestehende Rechtsunsicherheit muss dieser hinnehmen; schließlich hat er sie durch sein eigenes Verhalten veranlasst. Entstehen dem Täuschenden in dieser Zwischenzeit Aufwendungen oder Schäden, die er hätte vermeiden können, wenn er bereits gewusst hätte, dass das Anfechtungsrecht tatsächlich ausgeübt wird, ist dies Folge seiner von der Rechtsordnung missbilligten Handlung und kann nicht auch noch dem Opfer der Täuschung angelastet werden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat seine Grundlage in § 708 Nr. 10 S. 2 ZPO.

Vorausgegangen ist unter dem 14.03.18 folgender Hinweis (die Red.)

In dem Rechtsstreit (…)

wird darauf hingewiesen, dass beabsichtigt ist, die Berufung der Klägerin durch Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.

Nach Vornahme der gemäß § 522 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO gebotenen Prüfungen ist der Senat einstimmig davon überzeugt, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat und eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist. Die Sache hat auch weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung durch Urteil.

I.

Die Klägerin verfolgt mit ihrer Berufung Ansprüche aus einer bei der Beklagten bestehenden Werkverkehr-Versicherung weiter.

Die Parteien schlossen eine Werkverkehr-Versicherung mit Vertragsbeginn 05.04.2012. Versichert waren auf bestimmten Tiefladern durch die Klägerin transportierte Baumaschinen.

Am XX.10.2012 kam es auf der Autobahn X in Höhe Stadt1 zu einem Unfall, bei dem ein auf einem Tieflader der Klägerin transportierter, bei einer Fa. B angemieteter Kompressor beschädigt wurde, da ein Spanngurt riss und der Kompressor von der Ladefläche stürzte. Der Kompressor war lediglich mit drei Spanngurten gesichert, was der klägerische Mitarbeiter Herr A auch so gegenüber der Polizei zu Protokoll gab.

Die Klägerin als Versicherungsnehmerin meldete den Schaden an dem Kompressor der Beklagten als Versicherer mit Schadensmeldung vom 17.10.2012. Hierauf beauftragte die Beklagte den Sachverständigen SV1 mit der Klärung der Schadensursache. Der Sachverständige führte am 19.10.2012 eine Besichtigung des Kompressors durch. Gegenwärtig waren auch der Geschäftsführer der Klägerin und der Mitarbeiter A. Letzterer gab gegenüber dem Sachverständigen SV1 wahrheitswidrig an, dass der Kompressor mit vier Spanngurten gesichert gewesen sei. Mit Schreiben vom 24.10.2012 (Anlage K5, Anlagenband), erklärte die Beklagte, unter Bezugnahme auf einen Zwischenbericht des Sachverständigen SV1 den Schadenfall vom Grunde her anzuerkennen.

Im Folgenden beauftragte die Beklagte nochmals einen weiteren Sachverständigen mit der Ermittlung zu Hergang, Ursache, Umfang und Höhe des Transportschadens. Der insoweit tätige Sachverständige SV2 stellte in seinem Gutachten vom 13.02.2013 (Anlage K8, Anlagenband) klar, dass der Kompressor nur mit drei und nicht mit vier Spanngurten gesichert war. Er kam zu dem Ergebnis, dass die Ladungssicherung mit drei Spanngurten ungenügend und mangelhaft gewesen sei, was als schadensursächlich anzusehen sei.

Mit anwaltlichen Schreiben vom 14.10.2013 (Anlage K 9) wies die Beklagte die von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche aus der Versicherung bzgl. des beschädigten Kompressors zurück und verweigerte eine Deckung. Mit weiterem anwaltlichem Schreiben vom 05.11.2013 (Anlage K 10) erklärte die Beklagte die Anfechtung ihres Anerkenntnisses aus dem Schreiben vom 24.10.2012.

Zwischen der hiesigen Klägerin und dem Vermieter des Kompressors wurde ein Rechtsstreit vor dem Landgericht Stadt2 (Az. …/13) und dem Oberlandesgericht Stadt3 (Az. …/14) geführt, bei dem die hiesige Beklagte dem Vermieter als Streithelferin beitrat und der mit einem Vergleichsschluss endete.

Die Klägerin hat die Beklagte aus dem Versicherungsvertrag für einstandspflichtig gehalten. Dies ergebe sich auch aus dem Anerkenntnis der Beklagten dem Grunde nach. Die Anfechtung greife nicht durch.

Die Beklagte hat unter anderem die Auffassung geäußert, dass sie von ihrer Leistungspflicht aus dem Versicherungsvertrag gem. Ziffer 6.4 AVB Werkverkehr 2008 frei geworden sei, da die Klägerin im Hinblick auf die bewusst wahrheitswidrigen Angaben zur Ladungssicherung gegen ihre Obliegenheiten aus Ziffer 11.4 AVB Werkverkehr 2008 verstoßen habe, um die Beklagte arglistig zu täuschen. Aus gleichem Grunde habe die Beklagte ihr Anerkenntnis wirksam angefochten.

Das Landgericht hat die auf Zahlung von 58.500,- € (Schadensersatz an den Vermieter) und weiteren 25.592,23 € (Prozesskosten für das Verfahren LG Stadt2/OLG Stadt3) gerichtete Klage abgewiesen. Die Klägerin dürfe sich zur Anspruchsbegründung nicht darauf berufen, dass die Beklagte den Schadenfall vom Grunde her anerkannt hat, denn diese habe das Anerkenntnis wirksam mit anwaltlichen Schreiben vom 05.11.2013 wegen arglistiger Täuschung durch die Klägerin gem. § 123 BGB angefochten. Die Klägerin habe die Beklagte vor Abgabe des Anerkenntnisses arglistig über die Umstände der Ladungssicherung bzgl. des beschädigten Kompressors getäuscht, indem ihr Mitarbeiter A gegenüber dem von der Beklagten beauftragten Sachverständigen SV1 vorsätzlich wider besseres Wissen falsche Angaben zur Ladungssicherung gemacht habe. Die Klägerin müsse sich die arglistige Täuschung durch ihren Mitarbeiter A zurechnen lassen und zwar unabhängig davon, ob die Klägerin selbst die Täuschung kannte. Herr A habe im Lager des Erklärungsempfängers gestanden und sei als dessen Vertrauensperson erschienen. Zwar sei die unmittelbare Täuschung gegenüber dem Sachverständigen SV1 geschehen. Jedoch sei sowohl dem Geschäftsführer der Klägerin als auch Herrn A klar und bekannt gewesen, dass der Sachverständige SV1 von der Beklagten beauftragt worden war und dieser gegenüber das Gutachten erstellen wird, in dem selbstverständlich auch die (wahrheitswidrigen) Angaben des klägerischen Mitarbeiters A verwertet werden würden. Die Beklagte habe auch die Anfechtungsfrist des § 124 BGB eingehalten, da sie frühestens durch das Gutachten des Sachverständigen SV2 vom 13.02.2013 Kenntnis von der arglistigen Täuschung erlangt habe. Nach Auffassung des Landgerichts sei die Beklagte gem. Ziffer 6.4 der in den Versicherungsvertrag einbezogenen Allgemeinen Versicherungs-Bedingungen für Gütertransporte im Werkverkehr Fassung 2008 von der Verpflichtung zur Leistung frei geworden. Gem. Ziffer 11.4 AVB Werkverkehr 2008 habe der Versicherungsnehmer alles zu tun, um bei der Aufklärung hinsichtlich der Umstände des Versicherungsfalls mitzuwirken. Gegen diese Obliegenheit habe die Klägerin als Versicherungsnehmerin durch ihren Wissenserklärungsvertreter, ihren Mitarbeiter A, arglistig verstoßen. Durch die bewusst wahrheitswidrigen Angaben zur Ladungssicherung habe die Beklagte davon abgehalten werden sollen, weitere Ermittlungen über die Berechtigung des Anspruches anzustellen, insbesondere im Hinblick darauf, ob bei der Verwendung von nur drei Spanngurten die Ladung nicht ausreichend gesichert war.

Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin ihr erstinstanzliches Begehren in vollem Umfang weiter. Sie macht geltend, dass kein Anscheinsbeweis für Arglist bestehe, so dass die Beklagte diese nachweisen müsse. Das Landgericht hätte insoweit durch Einvernahme des Zeugen A prüfen müssen, unter welchen Umständen die Falschangabe erfolgt sei und ob der Sachverständige SV1 sich möglicherweise nicht eindeutig über den Grund seiner Beauftragung ausgewiesen hat. Die Beklagte selbst sei durch den Mitarbeiter A nicht getäuscht worden. Auch die Anfechtung des Anerkenntnisses sei unwirksam gewesen, da es darin an einer tragfähigen Begründung fehle. Indem sich die Beklagte erstmals auf Leistungsfreiheit berufen habe, als bereits gegen die Klägerin ein Haftungsprozess anhängig gewesen sei, habe sie ihre vertraglichen Nebenpflichten verletzt. Das Landgericht habe verkannt, dass die hier im Raum stehende Arglist allenfalls den Angestellten der Klägerin, nicht jedoch die Klägerin als Versicherungsnehmerin treffen könne. Auch habe die Beklagte dadurch gegen ihre Treuepflichten verstoßen, dass sie in dem Vorprozess der Prozessgegnerin beigetreten sei, weshalb sie die ihr hierdurch entstehenden Kosten selbst tragen müsse. Die Klägerin habe der Beklagten nach Eingang der Deckungsverweigerung mitgeteilt, dass sie auch ohne Notwendigkeit eines Streitbeitritts laufend über den Fortgang des Prozesses unterrichtet werde.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Frankfurt am Main vom 12.8.2016, Az. 3-10 O 45/15,

1.

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 58.500,- Euro nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus einem Betrag i.H.v. 43.878,44 Euro seit dem 28.03.2014 sowie aus einem weiteren Betrag i.H.v. 14.621,56 Euro seit dem 07.10.2014 zu zahlen,
2.

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 25.592,23 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus einem Betrag von 455,57 Euro seit dem 28.03.2014, einem weiteren Betrag von 5.064,00 Euro seit dem 14.06.2014, einem weiteren Betrag von 1.065,10 Euro seit dem 13.01.2015, einem weiteren Betrag von 6.880,74 Euro seit dem 17.01.2015 und einem weiteren Betrag von 11.046,82 Euro seit Klagezustellung zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Soweit sich die Klägerin nunmehr darauf berufe, dass keine Täuschung gegenüber der Beklagten selbst erfolgt sei, werde dieser neue Vortrag als verspätet gerügt. Im Übrigen habe der Sachverständige gegenüber der Klägerin anlässlich der Besichtigung ausdrücklich darauf hingewiesen, dass er von der Beklagten auch und insbesondere mit der Ermittlung beauftragt worden sei, ob die Ladung ausreichend gesichert gewesen ist. Zudem habe der Geschäftsführer der Klägerin selbst in der Schadensanzeige gegenüber der Beklagten erklärt, dass der Kompressor in alle Richtungen verspannt gewesen sei. Schließlich sei die Beklagte zudem nach Ziff. 6.2. der AVB leistungsfrei geworden.

II.

Die zulässige Berufung hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Die angegriffene Entscheidung beruht weder auf einer Rechtsverletzung (§ 546 ZPO) noch rechtfertigen nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung (§ 513 Abs. 1 ZPO).

Zu Recht hat das Landgericht die Klage abgewiesen, da der Klägerin gegen die Beklagte die geltend gemachten Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag nicht zustehen.

A) Die Beklagte ist gem. Ziffer 6.4 der in den Versicherungsvertrag einbezogenen Allgemeinen Versicherungs-Bedingungen für Gütertransporte im Werkverkehr Fassung 2008 von der Verpflichtung zur Leistung frei geworden. Gem. Ziffer 6.4 AVB Werkverkehr 2008 ist der Versicherer von der Verpflichtung zur Leistung frei, wenn der Versicherungsnehmer oder seine Repräsentanten aus Anlass des Versicherungsfalls in arglistiger Absicht versucht haben, den Versicherer zu täuschen, auch wenn hierdurch dem Versicherer kein Schaden entstanden ist.

Es ist nicht zu beanstanden, dass das Landgericht den klägerischen Mitarbeiter A als Wissenserklärungsvertreter angesehen und dessen Verhalten als arglistige Täuschungshandlung gegenüber der Beklagten gewertet hat. Der Versicherungsnehmer haftet nämlich für die Angaben derjenigen Personen, die er mit der Erstattung von Auskünften gegenüber dem Versicherer betraut hat (Prölss/Martin/Armbrüster VVG § 28 Rn. 153, beck-online m.N.), was im Hinblick auf den Mitarbeiter gegenständlich der Fall war.

Arglist erfordert über das Wollen der Obliegenheitsverletzung hinaus, dass das Verhalten des Versicherungsnehmers zumindest bedingt vorsätzlich darauf gerichtet ist, dem Versicherer einen Nachteil zuzufügen. Hierzu genügt es, wenn das inkorrekte Verhalten des Versicherungsnehmers Beweisschwierigkeiten überwinden (BGH VersR 2011, 1121 [BGH 22.06.2011 – IV ZR 174/09] Rn. 29) oder wenn der Versicherer davon abgehalten werden soll, an sich gebotene Ermittlungen über die Berechtigung des Anspruches anzustellen (Prölss/Martin/ Armbrüster VVG § 28 Rn. 196-200, beck-online).

Zutreffend hat das Landgericht diese Merkmale als erfüllt angesehen. Zwar trägt der Versicherer die Beweislast für eine Täuschungsabsicht des Versicherungsnehmers (BGH in st. Rspr. Urteil vom 11.5.2011, Az. IV ZR 148/09, juris). Allerdings ist ebenso anerkannt, dass den Versicherungsnehmer eine sekundäre Darlegungslast trifft, sofern die entscheidungserheblichen Umstände sich in seiner Sphäre abgespielt haben, so dass der Versicherer sie nicht kennen und dazu vortragen kann (BGH Urteil vom 7.11.2007, Az. IV ZR 103/06, juris).

Im Streitfall waren der Beklagten – anders als der Klägerin – jegliche Erkenntnisquellen dazu verschlossen, warum der Mitarbeiter der Klägerin gegenüber dem von der Beklagten beauftragten Sachverständigen wahrheitswidrige Angaben gemacht hat, indem er wider besseres Wissen äußerte, den Kompressor mit vier statt mit drei Spanngurten gesichert zu haben. Da die Klägerin keinerlei Erklärungsversuch für dieses Verhalten unternommen hatte, war es mitnichten Aufgabe des Landgerichts zu erforschen, unter welchen Umständen und warum die Falschangabe erfolgte. Vielmehr lag die Annahme auf der Hand, dass der Mitarbeiter A bewusst wahrheitswidrig eine ordnungsgemäße Ladungssicherung behauptet hat, um vom eigenen Fehlverhalten abzulenken und um den Sachverständigen SV1 entsprechend zu täuschen. Für die von der Berufung vorgebrachten Spekulationen, ob sich der Mitarbeiter A möglicherweise nicht darüber bewusst gewesen sei, dass es sich bei dem Sachverständigen SV1 um einen Beauftragten der Werksversicherung seines Arbeitgebers handelt, werden ebenfalls keinerlei Anhaltspunkte mitgeteilt; sie erscheinen im Übrigen auch völlig lebensfremd.

B) Die Klägerin kann sich nicht darauf berufen, dass die Beklagte mit Schreiben vom 24.10.2012 „den Schadenfall vom Grunde her anerkannt“ hat.

Im Einklang mit den Ausführungen des Landgerichts geht auch der Senat davon aus, dass die Beklagte ihre Willenserklärung bzgl. dieses Anerkenntnisses wirksam mit anwaltlichen Schreiben vom 05.11.2013 wegen arglistiger Täuschung durch die Klägerin gem. § 123 BGB angefochten hat.

1) Die Angabe des genauen rechtlichen Grundes der Anfechtung ist für die Wirksamkeit der Erklärung nicht erforderlich, sofern wenigstens diejenigen Tatsachen mitgeteilt werden, auf die sie gestützt wird (BeckOK BGB/Wendtland BGB § 143 Rn. 3-7, beck-online). Nachdem die Beklagte zunächst mit dem der Anfechtungserklärung vorangegangenen Schreiben vom 14.10.2013 (Anlage K 9) sich zur Begründung ihrer Deckungsverweigerung bereits darauf bezogen hatte, dass keine zureichende Ladungssicherung stattgefunden hatte und die Beklagte in der weitgefassten Anfechtungserklärung das vorbezeichnete Schreiben aufgriff, musste die Klägerin damit rechnen, dass die ausdrücklich auf alle weiteren in Betracht kommenden Anfechtungsgründe gestützte Anfechtung auch eine Anfechtung wegen arglistiger Täuschung darstellt, zumal der Irrtum, auf den sich die Beklagte ausdrücklich berufen hatte, wesentlicher Bestandteil einer Täuschung ist und bei der Klägerin seinerzeit bekannt war, dass der Irrtum auf einer zurückliegenden Täuschungshandlung des Mitarbeiters A beruhte. Zusätzlich erfolgte eine ausdrücklich mit arglistiger Täuschung begründete Anfechtungserklärung im Deckungsverfahren vor dem LG Stadt2.

2) Eine Versäumung der Anfechtungsfrist, die ausweislich des § 124 Abs.1 BGB ein Jahr beträgt, hat die insoweit darlegungs- und beweisbelastete Klägerin nicht nachvolllziehbar vorgetragen. Gemäß § 124 Abs. 2 BGB beginnt der Fristlauf mit der Entdeckung der Täuschung. Maßgeblich ist, dass der Getäuschte die arglistige Täuschung und den daraus folgenden Irrtum tatsächlich (positiv) erkannt hat; der bloße Verdacht, getäuscht worden zu sein, genügt ebenso wenig wie fahrlässige Unkenntnis (BGH Beschluss vom 9.11.2011, Az. IV ZR 40/09, BeckRS 2011, 28293). Nach diesen Maßstäben kann eine Kenntnis der Beklagten erst mit Vorlage des Gutachtens SV2 im Februar 2013 angenommen werden, als dieser feststellte, dass der Kompressor nur mit drei und nicht mit vier Spanngurten gesichert war. Mithin konnte im November 2013 noch wirksam angefochten werden.

C) Anders als die Klägerin meint, besteht auch kein Schadensersatzanspruch aus § 280 Abs. 1 BGB wegen Verletzung einer vertraglichen Nebenpflicht im Hinblick auf den Vorprozess vor dem LG Stadt2/OLG Stadt3.

1) Ist der Versicherer von der Verpflichtung zur Leistung frei, so erstreckt sich diese Leistungsfreiheit auch auf die Aufwendungen für damit zusammenhängende Deckungsverfahren. Nachdem der Klägerin eine arglistige Täuschung ihres Mitarbeiters zuzurechnen ist, ist es ihr verwehrt, sich darauf zu berufen, dass die Beklagte ihre Deckungsverweigerung erst nach Anhängigkeit des Deckungsprozesses erklärt hat. Schließlich wurde die Beklagte durch die bewusste Falschangabe des klägerischen Mitarbeiters zunächst in die Irre geführt und durfte demzufolge umfangreiche und zeitaufwändige Ermittlungsmaßnahmen wie die Beiziehung der Ermittlungsakte und die Einholung eines zweiten Gutachtens sowie rechtliche Prüfungen für erforderlich halten, um sich zu über den wahren Sachverhalt zu vergewissern und zu entscheiden, welche rechtlichen Konsequenzen sie daraus ziehen möchte. In diesem Zusammenhang kann für die Überlegungsfrist wiederum auf den Rechtsgedanken des § 124 Abs. 1 BGB zurückgegriffen werden. Wenn der Gesetzgeber dem arglistig Getäuschten nach Aufdeckung der Täuschung eine Frist von einem Jahr zugesteht, um eine entsprechendes Anfechtungsrecht auszuüben, kann es der Beklagten schwerlich vorgeworfen werden, dass sie ihre Deckungsverweigerung nicht bereits zu einem früheren Zeitpunkt erklärt hat. Dies gilt auch unter Berücksichtigung des zuvor erfolgten Anerkenntnisses, da auch dieses auf der arglistigen Täuschung beruhte. Ein Anspruch auf Ersatz eines Vetrauensschadens gemäß § 122 BGB besteht bei einer Anfechtung wegen arglistiger Täuschung nicht.

2) Aus dem Vorbringen der Klägerin ergibt sich im Übrigen nicht, dass und inwiefern ihr der Beitritt der hiesigen Beklagten im Vorprozess als Streithelferin der Gegenseite einen infolge pflichtwidrigen Verhaltens entstandenen Schaden bereitet haben sollte. Soweit sich die Klägerin darauf beruft, man sei auch ohne Streitbeitritt dazu bereit gewesen, die Beklagte über den Fortgang des Verfahrens laufend zu unterrichten, sei angemerkt, dass sich die Rechtsstellung des Streithelfers, wie sich aus den §§ 67, 68 ZPO ergibt, nicht in Informationsrechten erschöpft.

III.

Der Klägerin bleibt nachgelassen, zum beabsichtigten Vorgehen binnen zweier Wochen ab Zugang dieses Beschlusses Stellung zu nehmen.

Es wird abschließend darauf hingewiesen, neuer Vortrag in der Berufungsinstanz nur in engen Grenzen zulässig ist und dass bei Rücknahme der Berufung Gerichtsgebühren in nicht unerheblicher Höhe vermieden werden können.

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