OLG Frankfurt am Main, 10.09.2013 – 18 W 189/13

April 19, 2019

OLG Frankfurt am Main, 10.09.2013 – 18 W 189/13
Tenor:

Auf Grund des Urteils des Landgerichts Limburg an der Lahn vom 7.12.2012 sind von dem Kläger € 2.617,14 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins aus einem Teilbetrag von € 1.679,90 seit dem 17.12.2012 und aus einem Teilbetrag von € 136,85 seit dem 14.1.2013 an die Beklagte zu erstatten.

Im Übrigen wird die sofortige Beschwerde zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen. Die Gerichtsgebühr wird auf die Hälfte ermäßigt. Die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Der Beschwerdewert wird auf € 273,70 festgesetzt.
Gründe
1

I.

Die Parteien haben vor dem Landgericht Limburg an der Lahn gestritten, das durch Urteil vom 7.12.2012 (Bl. 298 ff d.A.) entschieden hat. Auf den Antrag der Beklagten vom 17.12.2012 / 10.1.2013 (Bl. 304 f / 309 f d.A.) hat das Landgericht die Kosten der Beklagten mit Beschluss vom 7.6.2013 (Bl. 373 f d.A.) festgesetzt. Gegen den am 25.6.2013 zugestellten Beschluss hat die Beklagte am 9.7.2013 sofortige Beschwerde eingelegt und die Absetzung der Kosten von € 273,70 gerügt, die durch die außergerichtliche Inanspruchnahme des Ermittlungsbüros X entstanden sind. Der Rechtspfleger hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Akte vorgelegt (Beschluss vom 20.8.2013, Bl. 392 d.A.).
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II.

1.

Die sofortige Beschwerde der Beklagten ist zulässig, insbesondere fristgerecht bei Gericht eingegangen, §§ 104 III S.1, II; 567 I Ziff.1; 569 I, II ZPO.
3

2.

In der Sache hat das Rechtsmittel teilweise Erfolg. Der Rechtspfleger hat die auf Beklagtenseite angefallenen Ermittlungskosten zu Unrecht in vollem Umfang abgesetzt, denn die Voraussetzungen des § 91 I ZPO liegen hinsichtlich eines hälftigen Anteils der Ermittlungskosten vor.
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2.1

Schaltet eine Partei des Prozessverfahrens einen privaten Sachverständigen oder einen Detektiv zur Ermittlung des Sachverhalts ein, unterliegt die Erstattungsfähigkeit der dadurch verursachen Kosten zwei grundsätzlichen Voraussetzungen: Zum einen muss es sich um eine „prozessbezogene“ Maßnahme handeln, die im Hinblick auf einen konkreten Rechtsstreit veranlasst worden ist. Zum anderen muss diese zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung „erforderlich“ gewesen sein.
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2.2

Beide Voraussetzungen liegen, wenn auch nicht in vollem Umfang, vor.
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a)

Die thematisch einschlägige außergerichtliche Maßnahme einer Partei, die während eines Rechtsstreits eingeleitet wird, stellt sich regelmäßig als prozessbezogen im o. g. Sinne dar. Eine solche Fallgestaltung ist nicht gegeben, da der Klageentwurf vom 24.2.2011 am 3.3.2011 bei Gericht eingegangen ist (Bl. 1 d.A.), die von der Beklagten veranlassten Ermittlungen ausweislich der vorgelegten Rechnung vom 31.8.2010 (Bl. 366 d.A.) aber bereits im August 2010 durchgeführt worden sind.
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Die vorgerichtliche Prüfung einer Berechtigung der gegenüber einer Partei geltend gemachten Ansprüche ist grundsätzlich deren allgemeinem (Betriebs)aufwand und nicht den erstattungsfähigen Kosten des Rechtsstreits (§ 91 I ZPO) zuzurechnen.
8

Anderes gilt nach gefestigter Rechtsprechung allerdings, wenn sich zum Zeitpunkt der die Kosten verursachenden Maßnahmen bereits ein bestimmter Rechtsstreit abzeichnet. In diesem Fall ist es möglich, den vorgerichtlich entstandenen Aufwand als „prozessbezogen“ den Kosten des Rechtsstreits zuzuordnen und in die Kostenfestsetzung einzubeziehen (z.B. BGH, NJW 2003, 1398 [BGH 17.12.2002 – VI ZB 56/2]).
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Ein konkreter Rechtsstreit zeichnet sich aus Sicht des Anspruchsgegners in jedem Falle ab, wenn der Anspruchsteller bereits eine Klage angedroht hat (BGH, NJW 2003, 1398 [BGH 17.12.2002 – VI ZB 56/2]). Auch diese Konstellation liegt nicht vor, denn erst mit Anwaltsschreiben vom 3.11.2010 (Bl. 24 f d.A.) – also nach Veranlassung der Ermittlungen – ließ der Kläger die Klageerhebung androhen (Bl. 25 d.A.: „…Zur Vermeidung eines Klageverfahrens….“).
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Handelt es sich bei dem Anspruchsgegner aber um einen Versicherer, lässt die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, von der abzuweichen keine Veranlassung besteht, es allerdings genügen, dass der Versicherer bei verständiger Bewertung des der Forderung zu Grunde gelegten Sachverhalts von dem Verdacht eines Versicherungsbetrugs ausgehen kann. Denn in einer solchen Situation ist absehbar, dass sich der Versicherer zu einer freiwilligen Leistung nicht bereitfinden wird, so dass er bereits frühzeitig von der Notwendigkeit der gerichtlichen Klärung ausgehen darf (BGH, NJW-RR 2009, 422; BGH, NJW 2003, 1398 [BGH 17.12.2002 – VI ZB 56/2]). Dies ist vorliegend zu bejahen. Denn die Beklagte hat in der Erwiderung vom 7.4.2011 auf den Prozesskostenhilfeantrag des Klägers nachvollziehbar dargelegt, aus welchen Gründen sie – unabhängig von dem erst unter dem 22.10.2010 erstellten Gutachten der A – das Vorliegen eines fingierten Unfalls für wahrscheinlich gehalten hat (S. 7 f, Bl. 17 f d.A.).
11

Den Umstand, dass sich die streitbefangenen Ermittlungsmaßnahmen auf den vorliegenden Rechtsstreit bezogen haben, macht die Beklagte bereits dadurch glaubhaft, dass die Rechnung der Fa. X die Namen der vermeintlich unfallbeteiligten Fahrer (B und C) ausweist. Allerdings steht zwischen den Parteien außer Streit, dass im Jahre 2010 unter dem Az.: …/10 vor dem Amtsgericht …„ein Rechtsstreit C“ (Schriftsatz des Klägers vom 15.4.2013, Bl. 360 f d.A., siehe auch Bl. 226 d.A.) unter Beteiligung der Beklagten durchgeführt wurde, so dass jedenfalls nicht ausgeschlossen werden kann, dass die streitbefangenen Ermittlungsmaßnahmen auch im Hinblick auf den Parallelrechtsstreit durchgeführt worden sind. Die Vernehmung des beklagtenseits angebotenen Zeugen Z (Bl. 365 d.A.) zu diesem Thema kommt im vereinfachten Kostenfestsetzungsverfahren nicht in Betracht (§§ 294 II, 104 II S.1 ZPO). Beziehen sich außergerichtliche Maßnahmen aber auf mehrere Prozessverfahren, ist es geboten, die durch sie entstandenen Kosten auf die Verfahren zu verteilen. Vor diesem Hintergrund kann lediglich die Hälfte der angemeldeten Kosten in dem vorliegenden Verfahren berücksichtigt werden.
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b)

Entgegen der durch den Rechtspfleger vertretenen Auffassung stellen sich die beklagtenseits angestrengten Ermittlungen auch als „erforderlich“ dar.
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Dies ist der Fall, wenn eine verständige und wirtschaftlich vernünftig denkende Partei die Kosten auslösende Maßnahme ex ante als sachdienlich ansehen durfte. Dabei darf die Partei die zur vollen Wahrnehmung ihrer Belange notwendigen Schritte ergreifen (st. Rspr., z.B. BGH, MDR 2013, 559) und ist lediglich gehalten, unter mehreren gleichwertigen Alternativen die kostengünstigste zu wählen (z.B. BGH, NJW 2003, 898 [BGH 16.10.2002 – VIII ZB 30/2]). Die von der Beklagten mit Schriftsatz vom 7.3.2013 (Bl. 354 f d.A.) dargelegten Ermittlungen der Fa. X genügen diesen Voraussetzungen. Denn sie waren ggf. geeignet, den bereits bestehenden Verdacht einer Manipulation zu erhärten. Kostengünstigere Alternativen sind nicht ersichtlich.
14

2.3

Einer Berücksichtigung der Ermittlungskosten steht nicht entgegen, dass sie durch die Fa. X als Pauschale berechnet und nicht in Einzelpositionen ausgewiesen worden sind. Denn zum einen ändert der Ausgleich einer Pauschale nichts an dem Umstand, dass der Beklagten die Kosten von € 230,- netto tatsächlich entstanden sind. Zum anderen lässt der von der Beklagten mit Schriftsatz vom 7.3.2013 (Bl. 354 f d.A.) vorgetragene Ermittlungsaufwand der Fa. X einen Verstoß der Beklagten gegen die von jeder Partei zu beachtende Kostengeringhaltungsobliegenheit nicht annehmen.
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2.4

Letztlich steht zwischen den Parteien außer Streit, dass die streitbefangenen Ermittlungskosten nicht bereits auf andere Weise, i. e. durch Berücksichtigung der Kosten im Parallelverfahren vor dem Amtsgericht …, ausgeglichen worden sind. Denn die Beklagte hat unbestritten vorgetragen (Schriftsatz vom 3.6.2013, Bl. 369 d.A.), dass dieses Verfahren bislang „nicht abgerechnet wurde“.
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2.5

Der zusätzlich festzusetzende Betrag ist nach § 104 I S. 2 ZPO seit Eingang des korrigierenden Festsetzungsantrags vom 10.1.2013 (Bl. 309 f d.A., Eingang: 14.1.2013) in gesetzlicher Höhe zu verzinsen. Zwar enthält der berichtigende Schriftsatz einen ausdrücklichen Zinsantrag nicht. Er ist aber dahingehend auszulegen, dass der im vorausgegangenen Schriftsatz vom 13.12.2012 gestellte Zinsantrag (Bl. 304 f d.A.) auch die nachträglich angemeldeten Sachverständigen- und Ermittlungskosten erfassen soll. Soweit der Rechtspfleger eine Verzinsung der Sachverständigenkosten nicht vorgesehen hat, kann eine Abänderung des Festsetzungsbeschlusses analog § 528 ZPO allerdings nicht erfolgen.
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3.

Da durch die Teilzurückweisung der Beschwerde eine Gerichtsgebühr nach Ziff. 1812 der Anlage I zu § 3 II GKG entsteht, ist diese durch die Beklagte als Verursacherin zu tragen. Wegen des Teilerfolgs der Beschwerde ist es geboten, die Gebühr auf die Hälfte zu reduzieren. Die Entscheidung zu den außergerichtlichen Kosten folgt aus § 92 I ZPO.
18

Der Beschwerdewert (§ 47 I GKG) ergibt sich aus der Höhe der angemeldeten Ermittlungskosten.
19

4.

Von der Zulassung der Rechtsbeschwerde ist abzusehen, da die Voraussetzungen des § 574 II, III ZPO nicht vorliegen. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs als Beschwerdegericht.

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