OLG Frankfurt am Main, 10.09.2014 – 19 U 61/14

April 17, 2019

OLG Frankfurt am Main, 10.09.2014 – 19 U 61/14
Leitsatz

Im Schadensersatzprozess gegen eine Bank wegen fehlerhafter Anlageberatung erstreckt sich der Umfang der Verjährungshemmung (§ 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB) auf alle Aufklärungs- und Beratungspflichtverletzungen unabhängig davon, ob sie auch vorgetragen sind. Denn bei natürlicher Betrachtungsweise stellt sich eine Anlageberatung als einheitlicher Lebensvorgang dar, der nicht in einzelne Aufklärungs- und Beratungspflichten aufgespalten werden kann.
Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 27.02.2014 verkündete Urteil der 10. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Es wird festgestellt, dass die Beklagte zu 1) verpflichtet ist, der Klägerin sämtliche Schäden zu ersetzen, welche ihr aus ihrer Beteiligung an der B GmbH & Co. KG entstanden sind und noch entstehen werden.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen; die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die Gerichtskosten erster Instanz tragen die Klägerin zu 59 % und die Beklagte zu 1) zu 41 %. Von den außergerichtlichen Kosten erster Instanz trägt die Klägerin ihre eigenen zu 59 %, die der Beklagten zu 1) zu 25 % und die des Beklagten zu 2) voll. Die Beklagte zu 1) trägt von den außergerichtlichen Kosten erster Instanz die der Klägerin zu 41 % und ihre eigenen zu 75 %.

Die Gerichtskosten zweiter Instanz tragen die Klägerin und die Beklagte zu 1) zu je 50 %. Darüber hinaus trägt die Klägerin die zweitinstanzlichen außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 2) voll und ihre eigenen zweitinstanzlichen außergerichtlichen Kosten zu 50 %. Die Beklagte zu 1) trägt ihre eigenen zweitinstanzlichen außergerichtlichen Kosten voll und die der Klägerin zu 50 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte zu 1) darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

Die Revision wird für die Beklagte zu 1) zugelassen.
Gründe
1

I.

Wegen des Sach- und Streitstands erster Instanz wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen. Diese werden wie folgt ergänzt:
2

Die Klägerin hat in erster Instanz zur Rolle der Produktionspartnerin des Fonds, X, und zu den gegen diese erhobenen Vorwürfen wegen betrügerischer Erhöhung der Produktionskosten, der Zulassung einer Schadensersatzklage gegen X in einer Größenordnung von USD 75 Mio. und der Berichterstattung hierüber in den Medien bereits im Jahr 2002 vorgetragen. Wegen Einzelheiten hierzu wird auf den Schriftsatz vom 29.05.2013, S. 3 f. (Bl. 60 f. d.A.) verwiesen.
3

Die Klägerin hat behauptet, die fehlerhafte Beratung sei kausal für ihre Anlageentscheidung gewesen. Denn sie hätte bei Wissen um die Dubiosität der Geschäftspartner der Beklagten zu 1) nicht in den Fonds investiert.
4

Die Beklagte zu 1) hat hierzu die Auffassung vertreten, dass hinsichtlich dieses erst mit Schriftsatz vom 29.05.2013 vorgebrachten Beratungsfehlers die Verjährung nicht rechtzeitig gehemmt worden sei. Im Übrigen hat sie behauptet, dass die Klägerin in Anbetracht der von ihr, der Beklagten zu 1), übernommenen Garantie für die Zahlungsverpflichtung von X und damit des faktischen Risikoausschlusses auch im Falle weitergehender Informationen über den Hintergrund der oben erwähnten Klage von der Zeichnung nicht abgesehen hätte (Beweisangebot: Vernehmung der Klägerin als Partei).
5

Die Klage ist der Beklagten zu 1) am 16.08.2012 (Zustellungsurkunde Bl. 16R d.A.) und dem Beklagten zu 2) am 16.09.2012 (Bl. 20R d.A.) zugestellt worden.
6

Das Landgericht hat die Feststellungsklage ohne Ausführungen zu deren Zulässigkeit als unbegründet abgewiesen und hierzu ausgeführt, ein in unverjährter Zeit geltend gemachter Beratungsmangel sei nicht festzustellen. Eine Fehlberatung zu den Steuerrisiken der Beteiligung sei nicht dargetan, denn der Prospekt weise auf S. 49 dezidiert auf die steuerlichen Risiken und die Möglichkeit einer Änderung von Gesetzen, Rechtsprechung oder der Praxis der Finanzverwaltung sowie auf S. 50 auf Risiken betreffend die Anerkennung der Filmherstellereigenschaft und die Zahlung der Mindestgarantiesumme durch die Bank1 hin. Etwaige Beratungsmängel betreffend die Seriosität und Liquidität der Produktionsfirma seien verjährt. Denn eine wirksame Hemmung der Verjährung setze für jede einzelne Pflichtverletzung die Individualisierung des konkret geltend gemachten Aufklärungsmangels voraus. Ausgehend von einem Erwerb der Anlage im Januar 2003 sei die zehnjährige absolute Verjährung spätestens im Februar 2013 ungehemmt abgelaufen. Die mangelhafte Aufklärung über Risiken betreffend die Produktionsfirma X sei indes erst mit Schriftsatz vom 29.05.2013 beanstandet worden.
7

Gegen das am 27.02.2014 verkündete und am 06.03.2014 zugestellte Urteil (Empfangsbekenntnis Bl. 129 d.A.) hat die Klägerin am 04.04.2014 Berufung eingelegt (Bl. 136 d.A.) und diese nach Fristverlängerung bis zum 06.06.2014 (Bl. 145 d.A.) mit am 23.05.2014 eingegangenem Schriftsatz begründet (Bl. 149 ff. d.A.).
8

Mit der Berufung hält die Klägerin den Vorwurf einer unzureichenden Aufklärung über die Zweifelhaftigkeit der steuerlichen Fondskonstruktion nebst Vortrag zur entsprechenden Kenntnis der Beklagten zu 1) bereits im Jahr 2002 aufrecht. Durch die Reduzierung der Rechte der Klägerin auf die theoretischen Prospektaussagen werde die Aufklärungs- und Beratungspflicht der Beklagten auf Null reduziert. Weiter wiederholt die Berufung die Rüge X betreffend und meint, Verjährung sei wegen des einheitlichen Streitgegenstandes nicht eingetreten, weshalb es der Klägerin unbenommen sei, bei einmal gehemmter Verjährung nach § 204 BGB ihren Vortrag weiter zu substantiieren. Schließlich wiederholt die Klägerin auch den Vorwurf der die Steuerkonstruktion gefährdenden Mittelverwendung bei B.
9

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 12.02.2014 (Az. 2/10 O 553/11) abändernd festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, ihr sämtliche Schäden zu ersetzen, welche ihr aus ihrer Beteiligung an der B GmbH & Co. KG entstanden sind und noch entstehen werden.

10

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

11

Sie verteidigen die angefochtene Entscheidung.
12

Der Senat hat Beweis erhoben über die Frage, ob es für die Anlageentscheidung der Klägerin ohne Belang war, dass und aus welchem Grund in den USA eine Schadensersatzklage in der Größenordnung von 75 Mio. US-Dollar gegen X zugelassen worden war, durch Vernehmung der Klägerin als Partei. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 06.08.2014 (Bl. 213ff. d.A.) Bezug genommen.
13

II.

Die insgesamt zulässige Berufung hat in der Sache Erfolg, soweit sich die Klage gegen die Beklagte zu 1) richtet. Im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet.
14

Die gegenüber den Beklagten erhobene Feststellungsklage ist zulässig. Das hierfür erforderliche besondere Feststellungsinteresse (§ 256 ZPO) ist gegeben. Zwar liegt bereits in der Zeichnung der Beteiligung am B ein Schaden, den die Klägerin beziffern könnte. Gleichwohl ist sie insoweit nicht auf den Vorrang der Leistungsklage zu verweisen, weil sich der Schaden zum Zeitpunkt der Klageerhebung noch in der Fortentwicklung befand mit der Folge, dass die Feststellungsklage insgesamt zulässig ist (Zöller-Greger, ZPO, 30. Aufl., § 256 Rn. 7a). Dass die Höhe des insgesamt eingetretenen Schadens zum Zeitpunkt der Klageerhebung und auch derzeit nicht abschließend beziffert werden kann, ergibt sich aus der Darlegung der Klägerin, wonach ihr derzeit nicht bezifferbare Steuernachzahlungen für die Jahre ab 2001 drohten und diese davon abhängig seien, ob die Finanzverwaltung vor dem Finanzgericht München obsiege (dann Nachforderungen) oder nicht, sowie ihrem weiteren Vortrag zur drohenden Verjährung. Dieser Vortrag ist unstreitig geblieben. Denn auch aus dem Vorbringen der Beklagten, wonach die endgültige steuerliche Behandlung im vorliegenden Fall vom rechtskräftigen Ausgang des finanzgerichtlichen Verfahrens abhänge, (Klageerwiderung S. 13), ergibt sich, dass zumindest die Möglichkeit künftiger Schadensfolgen besteht. Dies und nicht erst eine – von der Beklagten in Abrede gestellte – Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts reicht aus, um das Feststellungsinteresse zu bejahen.
15

Im Verhältnis zur Beklagten zu 1) ist die Feststellungsklage auch begründet. Die Beklagte zu 1) ist verpflichtet, der Klägerin sämtliche Schäden zu ersetzen, die mit der Beteiligung am B einhergehen.
16

Ein Anspruch der Klägerin auf Schadensersatz gemäß § 280 Abs. 1 BGB ist gegeben, weil die Beklagte im Zusammenhang mit der Produktionspartnerin X die gebotene Aufklärung unterließ, indem sie nicht darauf hinwies, dass bereits zum Beratungszeitpunkt bei X der Vorwurf betrügerischer Überhöhung von Produktionskosten im Raum stand und in den USA eine Schadensersatzklage gegen sie in einer Größenordnung von 75 Mio. US-$ erhoben und zugelassen worden war.
17

Die Beratung der Klägerin hinsichtlich des B ist zwischen den Parteien nicht im Streit.
18

Die beratende Bank ist zu einer anleger- und objektgerechten Beratung verpflichtet. Inhalt und Umfang der Beratungspflichten hängen dabei von den Umständen des Einzelfalls ab. Maßgeblich sind einerseits der Wissensstand, die Risikobereitschaft und das Anlageziel des Kunden und andererseits die allgemeinen Risiken, wie etwa die Konjunkturlage und die Entwicklung des Kapitalmarktes, sowie die speziellen Risiken, die sich aus den Besonderheiten des Anlageobjekts ergeben. In Bezug auf das Anlageobjekt hat sich die Beratung auf diejenigen Eigenschaften und Risiken zu beziehen, die für die jeweilige Anlageentscheidung wesentliche Bedeutung haben oder haben können. Während die Bank über diese Umstände richtig, sorgfältig, zeitnah, vollständig und für den Kunden verständlich zu unterrichten hat, muss die Bewertung und Empfehlung des Anlageobjekts unter Berücksichtigung der genannten Gegebenheiten lediglich ex ante betrachtet vertretbar sein. Das Risiko, dass eine aufgrund anleger- und objektgerechter Beratung getroffene Anlageentscheidung sich im Nachhinein als falsch erweist, trägt der Anleger (BGH, Urt. v. 27.11.2011 – XI ZR 178/10, Rn. 23, juris).
19

Nach diesen Maßstäben liegt ein Verstoß gegen die Pflicht zur objektgerechten Beratung darin, dass die Beklagte zu 1), hierbei vertreten durch ihren Anlageberater, den Beklagten zu 2), nicht auf die zum Zeitpunkt der Beratung durch das Bundesbezirksgericht in Los Angeles bereits zugelassene Schadensersatzklage gegen die für den Weltvertrieb der vom Fonds produzierten Filme zuständige Produktionspartnerin X in einer Größenordnung von 75 Mio. US-$ hinwies. Die Schadensersatzklage einschließlich des im Raum stehenden Vorwurfs des betrügerischen Aufblähens der Produktionskosten war für die Anlageentscheidung der Klägerin von wesentlicher Bedeutung, weil sie Anlass gab, die Bonität und Zuverlässigkeit der X als Produktionspartner des Fonds in Zweifel zu ziehen. Das Erfordernis eines diesbezüglichen Hinweises folgt schon aus der herausragenden Bedeutung, die X im Rahmen des Fondskonzepts zugewiesen worden ist. Der Prospekt weist X bzw. deren Tochtergesellschaft noch vor dem Inhaltsverzeichnis als Lizenznehmerin aus (S. 2). Durch mit dem Fonds geschlossene Lizenzverträge erhielt ihre Tochtergesellschaft die Rechte für den weltweiten Vertrieb der vom Fonds produzierten Filme (S. 5). Dass der wirtschaftliche Erfolg der Filme und damit der des Fonds wesentlich von deren Verwertung abhängt, liegt auf der Hand. Auch der Umstand, dass X im Prospekt unter der Überschrift ‚Der Produktionspartner‘ gleich an erster Stelle und ausführlich vorgestellt wird (S. 14 f.), unterstreicht deren Bedeutung für die Fondskonzeption ebenso wie der weitere Umstand, dass sie nach dem unstreitig gebliebenen Vortrag der Klägerin die Verwertungslizenz nur gegen das Versprechen einer Garantiezahlung erhalten hat (Pr. S. 5).
20

Das Erfordernis eines Hinweises auf den gegen X nicht nur angestrengten, sondern auch zugelassenen Rechtsstreit ergab sich zum damaligen Zeitpunkt aber auch aus dessen Dimension. Denn dass eine Schadensersatzklage über immerhin 75 Mio. US-$ im Erfolgsfall eine erhebliche Gefährdung für die von X später zu leistende Einmalzahlung (Summe aller Mindestgarantien) darstellen konnte, versteht sich von selbst. Im Übrigen ist auch zu berücksichtigen, dass der erhobene Vorwurf, nämlich das betrügerische Aufblähen von Produktionskostenbudgets, den Kern der Tätigkeit von X bzw. genau den Aufgabenbereich betraf, mit dem sie als Produktionspartner auch im vorliegenden Fondskonzept betraut worden ist.
21

Dieser Umstand ist aus Sicht des vernünftigen Anlegers geeignet, die Vertrauenswürdigkeit der Fondsverantwortlichen bzw. deren Zuverlässigkeit und Seriosität in Frage zu stellen. Ein diesbezüglicher Hinweis war der Beklagten zu 1) zum Beratungszeitpunkt auch möglich. Denn unstreitig berichteten z.B. die Zeitung1am ….2002 und weiter die Zeitung2 am ….2002 über den Schadensersatzprozess und dessen Hintergründe. Demgegenüber mutet der auf S. 14 des Prospekts enthaltene Hinweis zu „angeblich überhöhten Produktionskostenbudgets“ mager und geradezu verharmlosend an.
22

Für die Frage der Aufklärungsbedürftigkeit kommt es auch nicht entscheidend darauf an, ob zum Zeitpunkt der erwähnten Pressemitteilungen eine Verurteilung von X absehbar oder wahrscheinlich war. Allein der Umstand, dass die Klage auch aus damaliger Sicht im Erfolgsfall erhebliche Auswirkungen auf die Bonität eines der entscheidenden Produktionspartner, dessen Zahlungsfähigkeit und die Einhaltung der Einmalzahlung hätte haben können, reicht aus, um ein erhebliches Risiko für die Anleger und damit eine Aufklärungsbedürftigkeit hierüber zu bejahen.
23

Der Annahme eines Aufklärungsmangels steht die zur Verringerung des mit X verbundenen Bonitätsrisikos eingegangene Schuldübernahme der Beklagten zu 1) in Höhe der Mindestgarantie (Pr. S. 12) nicht entgegen. Es trifft zwar zu, dass die von der X als Gegenleistung für die weltweite Verwertungslizenz übernommene Garantie für alle vom Fonds produzierten Filme in Höhe des Gesamtinvestitionsvolumens des Fonds durch die Schuldübernahme der Beklagten zu 1) eine zusätzliche Abfederung erfahren hat. Dementsprechend ist in diesem Zusammenhang im Prospekt zu Recht auch von einer Verringerung des mit X verbundenen Bonitätsrisikos die Rede (S. 12). Hierbei bleibt aber unberücksichtigt, dass die prospektgemäß beabsichtigte Absicherung durch zwei bonitätsstarke Schuldner, nämlich X und die Beklagte zu 1), eine höhere Sicherheit für das von den Anlegern eingesetzte Kapital bietet als die Absicherung nur noch durch einen Schuldner. Im Übrigen stand und fiel die gesamte Fondskonzeption mit der Stabilität und Seriosität der X als zentralem Produktionspartner, weshalb die Übernahme der Verpflichtungen von X durch die Beklagte zu 1) das Vorliegen eines Beratungsfehlers nicht ausschließt.
24

Des Weiteren war angesichts des mit der Schadensersatzklage erhobenen Vorwurfs betrügerisch überhöhter Produktionskosten ein Hinweis auch aus Gründen der Rentabilität der Anlage veranlasst. Denn es liegt auf der Hand, dass übermäßig hohe Produktionskosten den Verwertungserlös schmälern und damit im Ergebnis die Höhe der laufenden Ausschüttungen negativ beeinflussen können.
25

Der hier angenommene Pflichtverstoß ist entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht wegen Ablaufs der absoluten kenntnisunabhängigen Verjährungsfrist (§ 199 Abs. 3 Nr. 1 BGB) verjährt.
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Der Beklagten ist zwar zuzugestehen, dass bei der kenntnisabhängigen Verjährung die Voraussetzungen des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB – Kenntnis des Gläubigers von den anspruchsbegründenden Umständen bzw. grob fahrlässige Unkenntnis hiervon – für jede einzelne Pflichtverletzung zu prüfen sind (BGH, Urt. v. 24.03.2011 – III ZR 81/10 Rn. 11, juris). Hierum, also um die Frage, wann die Klägerin von den Umständen X betreffend und damit vom materiellrechtlichen Anspruchsgrund Kenntnis erlangte, geht es indes nicht. Ihrem Vortrag, wonach sie erst im Zusammenhang mit der Recherche eines Urteils des 10. Zivilsenats des OLG Frankfurt (Urt. v. 12.07.2012 – 10 U 106/11; Kopie Bl. 65 ff. d.A.) am 29.05.2013 hiervon Kenntnis erlangt habe, wofür das Datum der juris-Recherche spricht, ist die Beklagte zu 1) auch nicht entgegengetreten. Eine kenntnisabhängige Verjährung scheidet damit aus. Hier geht es aber um die Frage, ob durch Klageerhebung im August bzw. September 2012 die Verjährung auch wegen des erst mit Schriftsatz vom 29.05.2013 (Bl. 60 ff. d.A.) gerügten Aufklärungsmangels gehemmt worden ist.
27

Dies ist der Fall.
28

Der von der Rechtskraft bzw. Verjährungshemmung erfasste Streitgegenstand ergibt sich im Falle einer Klage aus dem Klageantrag, in dem sich die vom Kläger in Anspruch genommene Rechtsfolge konkretisiert, und dem Lebenssachverhalt (Anspruchsgrund), aus dem der Kläger die begehrte Rechtsfolge herleitet. Zum Anspruchsgrund sind alle Tatsachen zu rechnen, die bei einer natürlichen vom Standpunkt der Parteien ausgehenden und den Sachverhalt seinem Wesen nach erfassenden Betrachtung zu dem zur Entscheidung gestellten Tatsachenkomplex gehören, den der Kläger zur Stützung seines Rechtsschutzbegehrens dem Gericht vorträgt. Umfasst hiervon werden alle materiellrechtlichen Ansprüche, die sich im Rahmen des gestellten Antrags aus dem zur Entscheidung unterbreiteten Lebenssachverhalt herleiten lassen unabhängig davon, ob die einzelnen Tatsachen hierzu vorgetragen worden sind oder nicht (BGH, Urt. v. 22.10.2013, XI ZR 42/12, Rn. 15 m.w.N., juris). Nach diesen Grundsätzen stellt sich eine Anlageberatung bei natürlicher Betrachtungsweise als einheitlicher Lebensvorgang dar, der nicht in einzelne Aufklärungs- und Beratungspflichtverletzungen, die der Anleger der Bank vorwirft, aufgespalten werden kann (BGH, a.a.O., Rn. 17). Der Umfang der Rechtskraft und dementsprechend auch der Umfang der Hemmung erstrecken sich danach auf die Verletzung aller Beratungs- und Aufklärungspflichten unabhängig davon, ob sie auch vorgetragen worden sind.
29

Soweit die hier zitierte Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 22.10.2013 zur Rechtskraftwirkung einer Entscheidung gegen eine Bank wegen fehlerhafter Kapitalanlageberatung, nicht aber zur Verjährungshemmung durch Klageerhebung erging, besteht trotz der Erörterung in der mündlichen Verhandlung vor dem hiesigen Senat kein Anlass, den Streitgegenstandsbegriff bei der Verjährungshemmung (§ 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB) anders zu definieren als bei der Frage nach dem Rechtskraftumfang. Im Übrigen hat der Bundesgerichtshof auch in einer früheren Entscheidung ergangen zur Unterbrechung durch Klageerhebung (§ 209 Abs. 1 BGB a.F.) bei der Frage nach dem Streitgegenstand auf den Lebenssachverhalt, aus dem der Anspruch abgeleitet wird, abgestellt (BGH, Urt. v. 21.03.2000 – IX ZR 183/98, Rn. 13 m.w.N., juris).
30

Das Verschulden der Beklagten zu 1) wird gemäß § 280 Abs. 1 S. 2 BGB vermutet.
31

Die Zeichnung der Anlage beruhte auch darauf, dass der Beklagte zu 2) stellvertretend für die Beklagte zu 1) die erforderliche Aufklärung über X unterließ.
32

Steht wie hier eine Aufklärungspflichtverletzung fest, streitet für den Anleger die Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens, d.h. der Aufklärungspflichtige, hier die Beklagte zu 1), trägt die Darlegungs- und Beweislast für die Behauptung, der Anleger hätte die Beteiligung auch bei gehöriger Aufklärung erworben. Die sogenannte Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens gilt dabei für alle Aufklärungs- und Beratungsfehler eines Anlageberaters (BGH, Urt. v. 08.05.2012 – XI ZR 262/10, Rn. 27 ff. m.w.N., juris).
33

Dieser Beweis ist der Beklagten nicht gelungen. Die in zweiter Instanz durchgeführte Vernehmung der Klägerin als Partei hat nicht ergeben, dass sie im Hinblick auf die von der Beklagten zu 1) übernommene Garantie bei ordnungsgemäßer Aufklärung von der Zeichnung der Anlage nicht abgesehen hätte. Die Klägerin hat mit ihrer Angabe, sie hätte bei Kenntnis des im Raum stehenden Vorwurfs betrügerischen Handelns die Anlage trotz der von der Bank übernommenen Garantie nicht gezeichnet, den diesbezüglichen Beklagtenvortrag schon nicht bestätigt. Sie hat dies auch nachvollziehbar damit begründet, dass die Garantie nur die Mindestgarantie von X, nicht aber ihre gesamte Einlage abgedeckt hätte. Soweit sie zwar auch eingeräumt hat, nicht beantworten zu können, ob sie auch bei einem Aufgehen des steuerlichen Modells die Klage erhoben hätte, bleiben zwar gewisse Zweifel an der Richtigkeit ihrer Angaben. Diese reichen indes nicht aus, um die Überzeugung vom Gegenteil gewinnen zu können, also davon, dass sie auch bei Aufklärung über Dimension und Hintergründe der gegen X zugelassenen Schadensklage diesen Hinweis unbeachtet gelassen und die Beteiligung gezeichnet hätte.
34

Soweit vorliegend nur eine Feststellungsklage erhoben worden ist, erübrigen sich Ausführungen zur Schadenshöhe.
35

Im Verhältnis zum Beklagten zu 2) ist die Feststellungsklage unbegründet. Vertragliche Ansprüche sind insoweit nicht gegeben. Der Beratungsvertrag ist mit der Beklagten zu 1), vertreten durch den Beklagten zu 2), zustande gekommen. Im Übrigen fehlt es bezüglich einer etwaigen Haftung des Beklagten zu 2), etwa aus Delikt, an einer Anspruchsbegründung, weshalb nur der Vollständigkeit halber angemerkt sein soll, dass ein Ansatz für eine persönliche Haftung des Vertreters nur im Fall der Inanspruchnahme persönlichen Vertrauens gegeben ist. Ein solches lässt sich noch nicht aus seiner Stellung als Vertreter herleiten. Vielmehr ist erforderlich, dass der Vertreter wirtschaftlich in eigener Sache auftritt oder ein besonderes Vertrauen für die Vollständigkeit und Richtigkeit seiner Erklärungen, das über das normale Verhandlungsvertrauen hinausgeht, in Anspruch nimmt (OLG Koblenz, Urt. v. 05.04.2001 – 5 U 1380/00, juris). Hierfür gibt der vorliegende Sachverhalt nichts her.
36

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus den §§ 269 Abs. 3, 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO.
37

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
38

Die Revision ist zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung gemäß § 543 Abs. 2 ZPO jedenfalls mit Blick auf die von der Berufungserwiderung angeführte und in Kenntnis des Urteils des BGH vom 22.10.2013 ergangene Entscheidung des OLG Bamberg, wonach bei verjährungsrechtlich eigenständigen Pflichtverletzungen sowohl der Verjährungsbeginn als auch die Verjährungshemmung einheitlich zu behandeln seien, zuzulassen (OLG Bamberg, Urt. v. 04.06.2014 – 3 U 244/13, juris).

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