OLG Frankfurt am Main, 10.10.2014 – 24 U 116/13 Zur Frage, ob wegen in einem Titel enthaltener, bereits verjährter Zinsen ein Rechtsschutzbedürfnis für eine Vollstreckungsgegenklage besteht

April 17, 2019

OLG Frankfurt am Main, 10.10.2014 – 24 U 116/13
Zur Frage, ob wegen in einem Titel enthaltener, bereits verjährter Zinsen ein Rechtsschutzbedürfnis für eine Vollstreckungsgegenklage besteht
Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Darmstadt vom 27.06.2013 abgeändert und die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Der Wert zweiter Instanz wird auf 84.726,04 € festgesetzt.
Gründe

I.

Die Beklagte vollstreckte aus einer Grundschuldurkunde des Notars X (UR …/1987, GA 47), die inzwischen verjährte Zinsen ab 21.05.1987 enthielt, beschränkte sich dabei aber unstreitig auf die nicht verjährten Zinsen.

Der Kläger hat Verjährungseinrede hinsichtlich aller vor dem 01.01.2005 angefallenen Zinsen erhoben (GA 58).

Der Kläger hat überdies Einstellung und Unzulässigerklärung der Zwangsvollstreckung beantragt.

Die Beklagte hat sich eine neue Klausel mit Zinsen erst seit 01.01.2007 (GA 54) ausstellen lassen.

Das Landgericht hat die Zwangsvollstreckung eingestellt (GA 63) und mit Urteil vom 27.06.2013 auf Antrag des Klägers festgestellt, dass sich der Rechtsstreit erledigt hat.

Die Beklagte hatte beantragt, die Klage abzuweisen.

Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, die ursprüngliche Klage sei zulässig allein wegen des im Besitz der Beklagten befindlichen Titels gewesen. Ausreichend sei die bloße Vollstreckungsmöglichkeit.

Die Klage sei auch begründet gewesen, da die Verjährungseinrede wirksam gewesen sei.

Mit der Berufung begehrt die Beklagte Abänderung und Klageabweisung.

Sie verweist darauf, dass die Vollstreckung bereits verjährter Zinsen unstreitig weder beabsichtigt noch durchgeführt worden sei.

Der Kläger meint hingegen, es komme nur auf die bloße Vollstreckungsfähigkeit des Titels, nicht auf eine tatsächliche oder drohende Vollstreckung an. Die verjährten Zinsen seien tituliert und damit Teil der Vollstreckung. Voraussetzung für die Annahme eines fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses sei, dass die dem Titel zugrunde liegende Forderung erloschen sei. Die Beklagte hätte im PKH-Verfahren anerkennen und die Vollstreckungsklausel nach § 733 ZPO abändern lassen sollen.

II.

Der Senat hat bereits in der Sache 24 W 2/13 im Sinne der Beklagten entschieden, nachdem die zugelassene Rechtsbeschwerde vom BGH in der Sache nicht beschieden worden ist.

Auf die dortigen Beschlüsse vom 25.02.2013 und 09.05.2014 wird verwiesen.

Inhaltlich stellt sich der Sachverhalt vorliegend identisch dar.

Das Berufungsgericht hält an der dort vertretenen Auffassung fest und erachtet die gegenteilige Meinung, die bloße Existenz eines Vollstreckungstitels reiche zur Erhebung einer Vollstreckungsgegenklage aus, für zu formalistisch.

Denn diese ignoriert das offensichtlich fehlende Rechtsschutzbedürfnis in Fällen wie dem vorliegenden, in dem eine Zwangsvollstreckung wegen -verjährter! – Zinsen gar nicht betrieben wurde.

Auf die anderweitige Ermöglichung geradezu mutwilliger Vollstreckungsgegenklagen, die eine vernünftige Partei selbst niemals erheben würde, hat der Senat bereits hingewiesen.

Dem trägt auch die Entscheidung des BGH (IX ZR 230/09) in der Weise Rechnung, dass für eine Vollstreckungsgegenklage trotz Vorliegens eines Titels ausnahmsweise kein Rechtsschutzbedürfnis besteht, „soweit eine Zwangsvollstreckung nach den Umständen des Falles unzweifelhaft nicht mehr droht.“.

Eine dabei etwa vom IVb-Zivilsenat des BGH (IVb ZR 52/82 Rn 18 ff. -juris-) angesprochene Lösung missbräuchlicher Vollstreckungsgegenklagen über § 93 ZPO rekurriert auf den Schutz des Gläubigers vor ungerechtfertigten Kostenfolgen, lässt dabei jedoch das – vorgreifliche – Problem des fehlenden Rechtsschutzinteresses für die Vollstreckungsgegenklage des Schuldners außen vor.

Eine Vollstreckungsabwehrklage gegen einen Titel auf wiederkehrende Leistungen soll hingegen auch nach der zuletzt zitierten Entscheidung „mangels Rechtsschutzbedürfnis unzulässig“ sein, „wenn nach erfolgter Erfüllung (…) keine Vollstreckung mehr droht.“.

Ebenso liegen die Dinge im vorliegenden Fall, nach dessen Umständen eine Zwangsvollstreckung offensichtlich nicht droht.

Die Rechtsfrage, ob wegen in einem Titel enthaltener bereits verjährter Zinsen ein Rechtsschutzbedürfnis für eine Vollstreckungsgegenklage besteht oder nicht, ist allerdings umstritten. Nachdem jedoch zwischen den Parteien unstreitig ist, dass die Beklagte weder die Absicht hatte, aus verjährten Zinsen zu vollstrecken, noch für den Kläger aus anderen Gründen eine dahingehende Gefahr bestand, sieht das Berufungsgericht die rein abstrakte, theoretische Möglichkeit einer Zwangsvollstreckung nicht als hinreichend an, um – „ins Blaue hinein“ – eine kostenträchtige Vollstreckungsgegenklage zu erheben. Schließlich war der Kläger im Falle einer tatsächlichen Vollstreckung wegen verjährter Zinsen nicht schutzlos gestellt.

Die entgegenstehende Argumentation des Klägers ist widersprüchlich und absurd: Die verjährten Zinsen waren nie „Gegenstand der Vollstreckung“. Dies ist unstreitig. Insofern hat sich auch eine (wegen des vorhandenen Titels) gegebene „Drohung“ mit einer Vollstreckung gerade nicht „verwirklicht“, (vgl. die klägerischen Ausführungen im Schriftsatz vom 29.07.2014 (GA 287).

Folgerichtig – wenngleich nicht überzeugend – meint der Kläger an gleicher Stelle im Absatz zuvor, auch bei überhaupt nicht durchgeführter Vollstreckung und nur „vorsorglich“ erhobener Vollstreckungsgegenklage „droht die Vollstreckung“.

Diese Argumentation zeigt indes, welch wichtige Filterfunktion das Erfordernis eines Rechtsschutzbedürfnisses für derartige Klagen besitzt, (vgl. zu diesem allgemeinen und dem für die Feststellungsklage besonderen – gleichermaßen notwendigen wie hier fehlenden – Feststellungsinteresse nur Zöller, ZPO, 30. A., Rn 7 zu § 256 ZPO).

Nach alledem war das landgerichtliche Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.

Nebenentscheidungen: §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 10 ZPO.

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