OLG Frankfurt am Main, 11.01.2017 – 10 U 197/15

März 20, 2019

OLG Frankfurt am Main, 11.01.2017 – 10 U 197/15
Leitsatz:

Zur hinreichenden Bestimmtheit einer im 19. Jahrhundert bestellten Fahrtgerechtsame
Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Wiesbaden vom 08.10.2015, Az. 2 O 55/15, wird zurückgewiesen.

Die Anschlussberufung des Beklagten hat ihre Wirkung verloren (§ 524 Abs. 4 ZPO)

Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des nach dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf insgesamt € 76.111,11 festgesetzt.
Gründe

I.

Der Kläger begehrt die Löschung einer zugunsten des Grundstücks des Beklagten (Straße1, Stadt1) auf seinem Grundstück (Straße1, Stadt1) eingetragenen Grunddienstbarkeit, hilfsweise die Feststellung der Verpflichtung des Beklagten zur hälftigen Tragung der für die Instandhaltung und Unterhaltung des Tores und der Tordurchfahrt auf seinem Grundstück erforderlichen Kosten.

Das Landgericht hat die Verpflichtung des Beklagten festgestellt, die für die Instandhaltung und Unterhaltung erforderlichen Kosten für das Tor und die Tordurchfahrt des Hauses Straße1 in Stadt1 hälftig zu tragen, und die Klage im übrigen abgewiesen. Wegen des Sach- und Streitstandes in erster Instanz, der vom Landgericht festgestellten Tatsachen sowie der Begründung im Einzelnen wird auf die angefochtene Entscheidung (Bl. 61-67 d. A.) verwiesen.

Gegen dieses Urteil wendet sich der Kläger mit seiner am 10.11.2015 eingelegten und innerhalb verlängerter Frist am 12.01.2016 begründeten Berufung, mit der er den Löschungsanspruch weiter verfolgt.

Er beantragt,

unter teilweiser Aufhebung des Urteils des Landgerichts Wiesbaden vom 08.10.2015, Az. 2 O 55/15, den Beklagten zu verurteilen, die zu Lasten des Grundstücks Straße1 in Stadt1, eingetragen im Grundbuch des Amtsgerichts Stadt1, Blatt …, eingetragene Fahrtgerechtsame zu löschen, die zugunsten des Grundstücks im Grundbuch des Amtsgerichts Stadt1, Flur …, Flurstück …/246 eingetragen ist.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Mit seiner im Rahmen der Berufungserwiderung eingelegten Anschlussberufung beantragt er,

unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils den Hauptsatz über die hälftige Tragung der Kosten für die Unterhaltung des Tores dahingehend abzuändern, dass diese Verpflichtung zur Tragung nicht hälftig, sondern allenfalls zu 2/9 gegeben ist.

Der Kläger beantragt,

die Anschlussberufung zurückzuweisen.

Der Kläger ist durch Beschluss vom 25.11.2016 (Bl. 108-117 d. A.) auf die beabsichtigte Zurückweisung seiner Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO hingewiesen worden. Hierzu hat er innerhalb der ihm gesetzten Frist nicht mehr Stellung genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf das angefochtene Urteil und den Hinweisbeschluss vom 25.11.2016 verwiesen.

II.

Die zulässige Berufung des Klägers hat keine Aussicht auf Erfolg. Sie ist offensichtlich unbegründet. Die Rechtssache hat zudem keine grundsätzliche Bedeutung, und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern keine Entscheidung des Senats aufgrund mündlicher Verhandlung (§ 522 Abs. 2 ZPO).

Der Antrag des Klägers, mit dem er von dem Beklagten die Löschung der Fahrtgerechtsame begehrt, ist dahingehend auszulegen, dass er gegen den Beklagten einen Anspruch auf Bewilligung der Löschung der Fahrtgerechtsame geltend macht. Ein solcher Anspruch steht dem Kläger gegen den Beklagten jedoch – wie das Landgericht zutreffend festgestellt hat – nicht zu.

1. Ein Anspruch ergibt sich nicht aus § 894 BGB, da das Grundbuch nicht unrichtig im Sinne von § 894 BGB ist. Danach liegt eine Unrichtigkeit vor, wenn der Inhalt des Grundbuchs in Ansehung eines Rechts an dem Grundstück, eines Rechts an einem solchen Recht oder einer Verfügungsbeschränkung der in § 892 Abs. 1 bezeichneten Art mit der wirklichen Rechtslage nicht im Einklang steht.

Dies ist vorliegend nicht der Fall. Dass die Grunddienstbarkeit nicht wirksam entstanden oder mittlerweile erloschen wäre, hat der Kläger nicht ausreichend dargetan. Entgegen der Ansicht des Klägers hat nicht der Beklagte die Einigung über das Wegerecht darzulegen und zu beweisen. Vielmehr trifft die Darlegungs- und Beweislast für die gegenwärtige Unrichtigkeit des Grundbuchs den Kläger. Dass die im Grundbuch eingetragene Grunddienstbarkeit nicht wirksam entstanden wäre, behauptet der Kläger selbst nicht. Der Umstand, dass der Beklagte gegebenenfalls vorübergehend die Hofeinfahrt tatsächlich nicht nutzt, führt im übrigen nicht zum Erlöschen der bestellten Grunddienstbarkeit. § 1019 BGB verlangt zwar zwingend einen Vorteil für die Benutzung des Grundstücks des Berechtigten; fehlt dieser, ist die Bestellung grundsätzlich nichtig (OLG München NJW-RR 2011, 97, 98 [OLG München 30.06.2010 – 34 Wx 57/10] m.w.N.). Bei einem nachträglichen Vorteilswegfall, etwa infolge grundlegender Veränderung der tatsächlichen Verhältnisse oder der rechtlichen Grundlagen oder durch dauernde tatsächliche oder rechtliche Unmöglichkeit der Rechtsausübung, führt dies daher zum nachträglichen Erlöschen der Grunddienstbarkeit (OLG München NJW-RR 2011, 97, 98 [OLG München 30.06.2010 – 34 Wx 57/10]). Diese Voraussetzungen sind hier ersichtlich jedoch nicht erfüllt. Die auch heute noch nur über das Grundstück des Klägers mögliche Zufahrt zu den hinter dem Vorderhaus des Beklagten gelegenen Garagen und Stellplätzen beinhaltet auch weiterhin den in der Fahrtgerechtsame liegenden Vorteil des Grundstücks des Beklagten im Sinne von § 1019 BGB.

Zudem ist die Fahrtgerechtsame ihrem Inhalt nach – wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat – hinreichend bestimmt bezeichnet. Gemäß Art. 184 Satz 1 EGBGB richtet sich der ursprüngliche Inhalt einer bei Inkrafttreten des BGB bestehenden Grunddienstbarkeit nach altem Recht. Es ist daher zunächst nach altem Recht der ursprüngliche Umfang der Grunddienstbarkeit festzustellen und sodann ihre Anpassung an die wirtschaftliche und technische Fortentwicklung nach neuem Recht zu beurteilen (vgl. nur BGH NJW 2014, 3780, 3781 [BGH 18.07.2014 – V ZR 151/13]).

Der Zeitpunkt der Bestellung der Fahrtgerechtsame ist vorliegend nicht feststellbar. Sie scheint jedoch in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts begründet worden zu sein, da sie in einem das Grundstück des Klägers betreffenden Kaufvertrag aus dem Jahr 1800 noch keine Erwähnung findet, bei Anlage des Stockbuchs in den Jahren 1853/1854 jedoch eingetragen wurde. Demzufolge ist hier für die Bestimmung des Inhalts zunächst das gemeine Recht maßgebend, wonach für die Bestellung der Grunddienstbarkeit ein formloser Vertrag genügte (vgl. BGH, Urteil vom 24.06.1964, V ZR 162/61, Rn. 2, zit. nach juris), so dass an sich der Inhalt der Grunddienstbarkeit danach zu bestimmen wäre, was die Vertragsschließenden vor dem Hintergrund des von ihnen gewählten Wortlauts und des Sinns und Zwecks der Vereinbarung gewollt haben (vgl. insoweit zum Allgemeinen Preußischen Landrecht RGZ 131, 158, 167 ff.; zur Vergleichbarkeit der Auslegungsgrundsätze zwischen Allgemeinem Preußischen Landrecht und gemeinem Recht BGH, Urteil vom 24.06.1964, V ZR 162/61, Rn. 4, zit. nach juris). Da Vertragsunterlagen zur Begründung der Fahrtgerechtsame jedoch nicht (mehr) auffindbar sind, ist einziger Anknüpfungspunkt für die Bestimmung des Inhalts der Grunddienstbarkeit der betreffende Eintragungstext „Fahrtgerechtsame“.

Unter Zugrundelegung dieses Begriffs wurde zugunsten des Grundstücks des Beklagten ein Wegerecht in Gestalt eines Geh- und Fahrrechts begründet. Gerechtsame ist ein veralteter Begriff für (Vor)Recht. Fahrt bezeichnet die Fortbewegung mit einem Wagen oder einer Fuhre. Danach wurde durch die Fahrtgerechtsame zugunsten des jeweiligen Eigentümers des Grundstücks des Beklagten das Recht begründet, das Grundstück des Klägers mit einem Fuhrwerk zu befahren. Hierbei handelte es sich zu damaliger Zeit um mit Zugtieren bespannte Wagen. Nach gemeinem Recht beinhaltet ein Fahrtrecht auch die Befugnis zum Gehen ohne Gespann (Dehner, Nachbarrecht im Bundesgebiet (ohne Bayern), 6. Aufl., § 32 IV Fn. 10 m.w.N.).

Allerdings liegen Inhalt und Umfang einer – wie hier – zeitlich unbegrenzten Dienstbarkeit nicht in jeder Beziehung von vornherein für alle Zeiten fest, sondern sind Veränderungen unterworfen, die sich aus der wirtschaftlichen und technischen Entwicklung ergeben. Maßgeblich ist nicht die augenblickliche, bei Bestellung der Dienstbarkeit gerade bestehende Nutzung. Vielmehr kommt es auf den allgemeinen, der Verkehrsauffassung entsprechenden Charakter des betroffenen Grundstücks an sowie auf das Bedürfnis, von dem Wegerecht in diesem Rahmen Gebrauch zu machen (BGH NJW 2014, 3780, 3781 [BGH 18.07.2014 – V ZR 151/13] m.w.N.). Hiervon ausgehend umfasst das zum Befahren „mit Fuhrwerken“ bestellte Wegerecht nunmehr ein Befahren mit Personen- und Lastkraftwagen. Einem Befahren mit Fuhrwerken entspricht zu heutiger Zeit ein Befahren mit Kraftwagen, denn Fuhrwerke dienten gerade dem Transport von Personen und Gegenständen. Diese Aufgaben haben heute Personen-, Last- und Lieferwagen übernommen (BGH NJW 2014, 3780, 3781 [BGH 18.07.2014 – V ZR 151/13]). Die damit verbundene Bedarfssteigerung hält sich in den Grenzen einer der Art nach gleichbleibenden Benutzung des Grundstücks und stellt keine willkürliche Benutzungsänderung dar (BGH NJW 2014, 3780, 3781 [BGH 18.07.2014 – V ZR 151/13]). Auf einen solchen Fahrzeugverkehr erstreckt sich daher bei vernünftiger Betrachtung die Grunddienstbarkeit.

Genau in dieser Art und Weise wurde im übrigen die Grunddienstbarkeit zwischen den Grundstückseigentümern auch gelebt, indem die Hofeinfahrt des Klägers dazu genutzt wurde, um zu den Stellplätzen und Garagen auf dem Grundstück des Beklagten zu gelangen.

Der in der Grundbucheintragung zur Kennzeichnung der Grunddienstbarkeit schlagwortartig angegebene Begriff der Fahrtgerechtsame ist zudem auch nach heutigem Verständnis hinreichend bestimmt. Das Bestimmtheitsgebot ist nicht schon dann verletzt, wenn die Beteiligten – mittlerweile – unterschiedlicher Auffassung über den Inhalt des Rechts sind, sondern erst dann, wenn die richterliche Auslegung der Grundbucheintragung und gegebenenfalls der in Bezug genommenen Eintragungsbewilligung ergibt, dass der Inhalt der Grunddienstbarkeit mehrdeutig oder nicht vollständig geregelt ist (BGH NJW-RR 2015, 208, 210 [BGH 06.11.2014 – V ZB 131/13] m.w.N.). Die Inhaltsbezeichnung muss so bestimmt sein, dass ein Dritter nach vernünftigem Ermessen in der Lage ist, den Umfang des Rechts zu erkennen; dabei dürfen allerdings keine zu strengen Anforderungen gestellt werden. Dem Grundsatz der Bestimmtheit ist genügt, wenn das Rechtsverhältnis objektiv bestimmbar ist, also im Streitfall ein Richter nach verständigem Ermessen in der Lage ist, eine Abgrenzung vorzunehmen (OLG Köln, Beschluss vom 06.08.2013, 2 Wx 199/13, Rn. 11 m.w.N., zit. nach juris). Dies ist hier entsprechend obigen Ausführungen der Fall.

Soweit der Kläger in den Raum stellt, unter Fahrtgerechtsame sei das Wasserleitungsnutzungsrecht zu verstehen, hat er nicht hinreichend dargetan, woraus sich ein solches Verständnis ergeben soll. Der Wortlaut der Eintragung rechtfertigt, wie oben dargelegt, eine derartige Annahme nicht. Auch der Umstand, dass ein Kaufvertrag aus dem Jahr 1800 die Benutzung einer Wasserleitung vertraglich festlegt, begründet nicht die Annahme, dass eine später eingetragene Grunddienstbarkeit sich auf diese vertraglich vereinbarte Wasserleitungsbenutzung bezieht. Dies gilt umso mehr, als der Wortlaut der Eintragung keinerlei Bezug zu einem Wasserleitungsbenutzungsrecht aufweist.

Auch die von dem Kläger unter Vorlage ausschließlich der Seite 2 des insgesamt fünf Seiten umfassenden Internetartikels „Die Fahrgerechtigkeit von Stadt2“ angeführte Fahrgerechtigkeit führt nicht zu einer Unbestimmtheit der im Grundbuch vorgenommenen schlagwortartigen Bezeichnung „Fahrtgerechtsame“. Denn unter Fahrgerechtigkeit ist das Recht, eine Fähre zu betreiben, zu verstehen. Dies kommt im übrigen auch auf Seiten 1, 3, 4 und 5 des betreffenden Artikels eindeutig zum Ausdruck.

Soweit der Kläger meint, die – derzeit nicht praktizierte – Fremdvermietung der Garagen und Stellplätze durch den Beklagten stelle eine Überschreitung der Rechtsbefugnisse oder einen Verstoß gegen die Verpflichtung zur schonenden Ausübung der Grunddienstbarkeit nach § 1020 BGB dar, begründet dieser Aspekt jedenfalls keinen Anspruch auf Löschung der Grunddienstbarkeit, da diese hierdurch nicht erlischt (vgl. MüKo/Mohr, BGB, 7. Aufl., § 1018 Rn. 75 m.w.N.) und das Grundbuch damit nicht unrichtig wird. Der entsprechende Vortrag ist insoweit daher unerheblich. Der Vollständigkeit halber sei jedoch erwähnt, dass, sofern der Bestellungsakt nichts Gegenteiliges ergibt, ein als Grunddienstbarkeit eingetragenes Wegerecht auch von solchen Personen ausgeübt werden kann, die zum Eigentümer des herrschenden Grundstücks in besonderen Beziehungen stehen, insbesondere von seinen Hausgenossen, Besuchern und Kunden sowie von Mietern und Pächtern (MüKo/Mohr, § 1018 Rn. 22 m.w.N.).

Der Ausübung der Grunddienstbarkeit steht auch nicht der Einwand unzulässiger Rechtsausübung nach § 242 BGB entgegen. Nicht entwicklungsbedingte unvorhersehbare Veränderungen können zwar dazu führen, dass der Ausübung der Dienstbarkeit durch den Berechtigten der Einwand unzulässiger Rechtsausübung entgegensteht. Dies ist der Fall, wenn die Ausübung der Dienstbarkeit aufgrund der veränderten Umstände für den Berechtigten nur noch geringfügigen Nutzen bietet und sich andererseits die Nachteile für das dienende Grundstück so erheblich vermehrt haben, dass der Vorteil außer Verhältnis zum Schaden steht (BGH NJW 1960, 673, 674 [BGH 27.01.1960 – V ZR 148/58]; MüKo/Mohr, § 1018 Rn. 63 m.w.N). So liegt der Fall hier jedoch gerade nicht. Die Zufahrt zu den hinter dem Vorderhaus des Beklagten gelegenen Garagen und Stellplätzen ist bis heute nur über das Grundstück des Klägers möglich. Weder haben sich die Umstände und aufgrund dessen der Nutzen für das beherrschende Grundstück verändert noch haben sich die Nachteile für das dienende Grundstück so erheblich vermehrt, dass der Vorteil außer Verhältnis zum Schaden steht.

2. Ansprüche des Klägers auf Löschung der Grunddienstbarkeit ergeben sich auch

nicht aus §§ 823 ff., 249 BGB oder aus §§ 812 ff. BGB. Dass die Buchberechtigung hinsichtlich der Grunddienstbarkeit deliktisch verschafft oder ohne Rechtsgrund erlangt worden sei, hat der Kläger nicht dargetan.

Ein Anspruch ergibt sich zudem nicht aus § 1004 BGB, da dieser durch die Spezialregelung des § 894 BGB verdrängt wird (MüKo/Kohler, § 894 Rn. 2 m.w.N.).

3. Die von dem Beklagten eingelegte Anschlussberufung verliert infolge der Zurückweisung der Berufung durch Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO ihre Wirkung, § 524 Abs. 4 ZPO.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Dass der Berufungskläger in diesem Fall auch die Kosten der Anschlussberufung zu tragen hat, entspricht der ständigen Rechtsprechung des Senats (ferner z. B. OLG Hamm MDR 2011, 447 [OLG Hamm 11.01.2011 – I-7 U 40/10]). Jedenfalls dann, wenn die erste Instanz – wie im Streitfall – einer Klage nur teilweise stattgegeben hat, ist für die berufungsführende Partei ersichtlich, dass auf ihr Rechtsmittel eine Anschlussberufung der ebenfalls unterlegenen Gegenpartei folgen kann. Da bei einer Zurückweisung der Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO das Anschlussrechtsmittel automatisch seine Wirkung verliert und eine Sachprüfung nicht stattfindet, ist es angemessen, die Kosten des möglicherweise begründeten Anschlussrechtsmittels dem Berufungskläger aufzuerlegen. Das gegen diese Ansicht vorgebrachte Argument, der Anschlussberufungskläger wisse von vornherein, dass sein Rechtsmittel von der Prüfung der Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO abhänge, überzeugt nicht. Ebenso weiß nämlich der Berufungskläger, zumindest wenn – wie hier – seine Klage in erster Instanz teilweise Erfolg gehabt hat, dass sich der Gegner mit einer Anschlussberufung gegen die Teilstattgabe wenden kann. Stellt er den abgewiesenen Teil durch seine Berufung zur Entscheidung, nimmt er in Kauf, dass der stattgebende Teil des erstinstanzlichen Urteils nunmehr von der Gegenpartei ebenfalls angefochten wird. Beide Rechtsmittel werden durch seine Berufung veranlasst.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren bestimmt sich gemäß §§ 47, 45 Abs. 2 GKG nach der Summe des Werts des Löschungsantrags des Klägers unter Berücksichtigung seines Interesses an der Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung (€ 75.000,00) und des Werts des mit der Anschlussberufung des Beklagten verfolgten Antrags (€ 1.111,11). Hinsichtlich der Anschlussberufung wurde von einem Streitwert des erstinstanzlichen Hilfsantrags des Klägers in Höhe von € 4.000,00 ausgegangen. Die Beschwer des Beklagten aufgrund der erstinstanzlichen Verurteilung beläuft sich insoweit auf einen Wert in Höhe von € 2.000,00. Die hiergegen gerichtete Anschlussberufung verfolgt eine Reduzierung der Beschwer auf € 888,89 (2/9 von € 4.000,00), so dass der Wert der Anschlussberufung sich auf € 1.111,11 beläuft.

Vorausgegangen ist unter dem 25.11.2016 folgender Hinweis (die Red.):

Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Wiesbaden vom 08.10.2015, Az. 2 O 55/15, durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen.

Der Kläger erhält Gelegenheit zur Stellungnahme binnen drei Wochen.

I.

Der Kläger begehrt die Löschung einer zugunsten des Grundstücks des Beklagten (Straße1, Stadt1) auf seinem Grundstück (Straße1, Stadt1) eingetragenen Grunddienstbarkeit, hilfsweise die Feststellung der Verpflichtung des Beklagten zur hälftigen Tragung der für die Instandhaltung und Unterhaltung des Tores und der Tordurchfahrt auf seinem Grundstück erforderlichen Kosten.

Wegen des Sach- und Streitstands erster Instanz einschließlich der Anträge wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung (Bl. 62-64 d. A.) Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Verpflichtung des Beklagten festgestellt, die für die Instandhaltung und Unterhaltung erforderlichen Kosten für das Tor und die Tordurchfahrt des Hauses Straße1 in Stadt1 hälftig zu tragen, und die Klage im übrigen abgewiesen. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt, dass kein Löschungsanspruch bestehe. Insbesondere liege keine Unrichtigkeit des Grundbuchs im Sinne von § 894 BGB vor. Die Fahrtgerechtsame sei als Grunddienstbarkeit inhaltlich hinreichend bestimmt. Die Auslegung ergebe, dass mit dem heute nicht mehr gebräuchlichen Begriff ein Geh- und Fahrrecht habe gewährt werden sollen. Dem Kläger stehe gegen den Beklagten auch kein Anspruch auf Verzicht auf die Dienstbarkeit nach §§ 1018, 1019, 242 BGB zu. Eine zeitweise nicht vorgenommene Ausübung des Rechts rechtfertige nicht die Annahme, dass kein Interesse mehr für die Dienstbarkeit bestehe. Ein Anspruch auf Löschung folge auch nicht aus dem Umstand, dass gegebenenfalls bei Begründung der Dienstbarkeit nicht damit zu rechnen gewesen sei, dass aufgrund der technischen Entwicklung in der Zukunft das Überfahrrecht mit Kraftfahrzeugen ausgeübt werden würde. Schließlich bestehe wegen der infolge der Fahrtgerechtsame bestehenden Duldungspflicht des Klägers auch kein Anspruch gemäß § 1004 Abs. 1 BGB. Allerdings stehe dem Kläger gegen den Beklagten ein Anspruch nach § 1020 Satz 2 BGB auf Beteiligung des Beklagten an der Instandsetzung und der Unterhaltung der von ihm aufgrund der Dienstbarkeit mit zu nutzenden Anlage zu. Insoweit sei nach dem Interesse des Beklagten eine hälftige Beteiligung entsprechend §§ 748, 742 BGB angemessen. Dieser Anspruch sei auch nicht verjährt, da er als Stammrecht nicht der Verjährung unterliege. Wegen der Einzelheiten wird auf die Ausführungen in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils (Bl. 64-67 d. A.) Bezug genommen.

Gegen dieses Urteil wendet sich der Kläger mit seiner am 10.11.2015 eingelegten und innerhalb verlängerter Frist am 12.01.2016 begründeten Berufung, mit der er den Löschungsanspruch weiter verfolgt.

Er ist der Ansicht, ihm stehe ein Anspruch auf Löschung der Dienstbarkeit zu, da diese unbestimmt sei. Der Begriff der Fahrtgerechtsame sei im heutigen Sprachgebrauch nicht mehr zu finden. Aus dem Wort sei nicht zu entnehmen, ob es sich um ein Gehrecht, um ein Fahrrecht oder um beides handeln solle. Es sei im übrigen nicht auszuschließen, dass die Fahrtgerechtsame sich auf eine im Jahr 1800 vertraglich geregelte Benutzung einer Wasserleitung beziehe. Die Auslegung dürfe im übrigen nicht maßgeblich auf die über einen längeren Zeitraum geduldete Ausübung eines Rechts abstellen. Vielmehr sei der Inhalt der Rechtsbestellung zunächst durch Auslegung von Einigung und Eintragung festzustellen. Für den Inhalt der Einigung sei jedoch der Beklagte darlegungs- und beweispflichtig. Jedenfalls aber beinhalte das eingetragene Recht vor dem Hintergrund der damaligen landwirtschaftlichen Nutzung nicht die Befugnis, die Zu- und Abfahrt zu von dem Beklagten fremdvermieteten Garagen und Stellplätzen zu nutzen. Ein Löschungsanspruch ergebe sich schlussendlich auch, da der Beklagte die Nutzung nicht mehr durchführe.

Wegen der Einzelheiten wird auf die Berufungsbegründung (Bl. 87-89 d. A.) sowie auf den Schriftsatz vom 20.05.2016 (Bl. 100 f. d. A.) Bezug genommen.

Der Kläger beantragt,

unter teilweiser Aufhebung des Urteils des Landgerichts Wiesbaden vom 08.10.2015, Az. 2 O 55/15, den Beklagten zu verurteilen, die zu Lasten des Grundstücks Straße1 in Stadt1, eingetragen im Grundbuch des Amtsgerichts Stadt1, Blatt …, eingetragene Fahrtgerechtsame zu löschen, die zugunsten des Grundstücks im Grundbuch des Amtsgerichts Stadt1, Flur …, Flurstück …/246 eingetragen ist.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt die angefochtene Entscheidung. Er ist zudem der Ansicht, dass eine Kostentragung nur zu 2/9 gerechtfertigt sei, da der Kläger sieben Wohnungen vermietet habe, deren Mieter den Zugang benutzen müssten, und er selbst lediglich eine Garage und einen Stellplatz in Benutzung habe.

Mit seiner im Rahmen der Berufungserwiderung eingelegten Anschlussberufung beantragt er,

unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils den Hauptsatz über die hälftige Tragung der Kosten für die Unterhaltung des Tores dahingehend abzuändern, dass diese Verpflichtung zur Tragung nicht hälftig, sondern allenfalls zu 2/9 gegeben ist.

Der Kläger beantragt,

die Anschlussberufung zurückzuweisen.

Der Anteil an der Kostentragung könne sich nicht nach der jeweiligen aktuellen Nutzungs- oder Vermietungssituation hinsichtlich der vier Stellplätze und zwei Garagen des Beklagten richten.

II.

Die Berufung des Klägers ist zulässig. Sie hat jedoch keine Aussicht auf Erfolg. Sie ist offensichtlich unbegründet. Die Rechtssache hat zudem keine grundsätzliche Bedeutung, und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern keine Entscheidung des Senats aufgrund mündlicher Verhandlung (§ 522 Abs. 2 ZPO).

Der Antrag des Klägers, mit dem er von dem Beklagten die Löschung der Fahrtgerechtsame begehrt, ist dahingehend auszulegen, dass er gegen den Beklagten einen Anspruch auf Bewilligung der Löschung der Fahrtgerechtsame geltend macht. Ein solcher Anspruch steht dem Kläger gegen den Beklagten jedoch – wie das Landgericht zutreffend festgestellt hat – nicht zu.

1. Ein Anspruch ergibt sich nicht aus § 894 BGB, da das Grundbuch nicht unrichtig im Sinne von § 894 BGB ist. Danach liegt eine Unrichtigkeit vor, wenn der Inhalt des Grundbuchs in Ansehung eines Rechts an dem Grundstück, eines Rechts an einem solchen Recht oder einer Verfügungsbeschränkung der in § 892 Abs. 1 bezeichneten Art mit der wirklichen Rechtslage nicht im Einklang steht.

Dies ist vorliegend nicht der Fall. Dass die Grunddienstbarkeit nicht wirksam entstanden oder mittlerweile erloschen wäre, hat der Kläger nicht ausreichend dargetan. Entgegen der Ansicht des Klägers hat nicht der Beklagte die Einigung über das Wegerecht darzulegen und zu beweisen. Vielmehr trifft die Darlegungs- und Beweislast für die gegenwärtige Unrichtigkeit des Grundbuchs den Kläger. Dass die im Grundbuch eingetragene Grunddienstbarkeit nicht wirksam entstanden wäre, behauptet der Kläger selbst nicht. Der Umstand, dass der Beklagte gegebenenfalls vorübergehend die Hofeinfahrt tatsächlich nicht nutzt, führt im übrigen nicht zum Erlöschen der bestellten Grunddienstbarkeit. § 1019 BGB verlangt zwar zwingend einen Vorteil für die Benutzung des Grundstücks des Berechtigten; fehlt dieser, ist die Bestellung grundsätzlich nichtig (OLG München NJW-RR 2011, 97, 98 [OLG München 30.06.2010 – 34 Wx 57/10] m.w.N.). Bei einem nachträglichen Vorteilswegfall, etwa infolge grundlegender Veränderung der tatsächlichen Verhältnisse oder der rechtlichen Grundlagen oder durch dauernde tatsächliche oder rechtliche Unmöglichkeit der Rechtsausübung, führt dies daher zum nachträglichen Erlöschen der Grunddienstbarkeit (OLG München NJW-RR 2011, 97, 98 [OLG München 30.06.2010 – 34 Wx 57/10]). Diese Voraussetzungen sind hier ersichtlich jedoch nicht erfüllt. Die auch heute noch nur über das Grundstück des Klägers mögliche Zufahrt zu den hinter dem Vorderhaus des Beklagten gelegenen Garagen und Stellplätzen beinhaltet auch weiterhin den in der Fahrtgerechtsame liegenden Vorteil des Grundstücks des Beklagten im Sinne von § 1019 BGB.

Zudem ist die Fahrtgerechtsame ihrem Inhalt nach – wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat – hinreichend bestimmt bezeichnet. Gemäß Art. 184 Satz 1 EGBGB richtet sich der ursprüngliche Inhalt einer bei Inkrafttreten des BGB bestehenden Grunddienstbarkeit nach altem Recht. Es ist daher zunächst nach altem Recht der ursprüngliche Umfang der Grunddienstbarkeit festzustellen und sodann ihre Anpassung an die wirtschaftliche und technische Fortentwicklung nach neuem Recht zu beurteilen (vgl. nur BGH NJW 2014, 3780, 3781 [BGH 18.07.2014 – V ZR 151/13]).

Der Zeitpunkt der Bestellung der Fahrtgerechtsame ist vorliegend nicht feststellbar. Sie scheint jedoch in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts begründet worden zu sein, da sie in einem das Grundstück des Klägers betreffenden Kaufvertrag aus dem Jahr 1800 noch keine Erwähnung findet, bei Anlage des Stockbuchs in den Jahren 1853/1854 jedoch eingetragen wurde. Demzufolge ist hier für die Bestimmung des Inhalts zunächst das gemeine Recht maßgebend, wonach für die Bestellung der Grunddienstbarkeit ein formloser Vertrag genügte (vgl. BGH, Urteil vom 24.06.1964, V ZR 162/61, Rn. 2, zit. nach juris), so dass an sich der Inhalt der Grunddienstbarkeit danach zu bestimmen wäre, was die Vertragsschließenden vor dem Hintergrund des von ihnen gewählten Wortlauts und des Sinns und Zwecks der Vereinbarung gewollt haben (vgl. insoweit zum Allgemeinen Preußischen Landrecht RGZ 131, 158, 167 ff.; zur Vergleichbarkeit der Auslegungsgrundsätze zwischen Allgemeinem Preußischen Landrecht und gemeinem Recht BGH, Urteil vom 24.06.1964, V ZR 162/61, Rn. 4, zit. nach juris). Da Vertragsunterlagen zur Begründung der Fahrtgerechtsame jedoch nicht (mehr) auffindbar sind, ist einziger Anknüpfungspunkt für die Bestimmung des Inhalts der Grunddienstbarkeit der betreffende Eintragungstext „Fahrtgerechtsame“.

Unter Zugrundelegung dieses Begriffs wurde zugunsten des Grundstücks des Beklagten ein Wegerecht in Gestalt eines Geh- und Fahrrechts begründet. Gerechtsame ist ein veralteter Begriff für (Vor)Recht. Fahrt bezeichnet die Fortbewegung mit einem Wagen oder einer Fuhre. Danach wurde durch die Fahrtgerechtsame zugunsten des jeweiligen Eigentümers des Grundstücks des Beklagten das Recht begründet, das Grundstück des Klägers mit einem Fuhrwerk zu befahren. Hierbei handelte es sich zu damaliger Zeit um mit Zugtieren bespannte Wagen. Nach gemeinem Recht beinhaltet ein Fahrtrecht auch die Befugnis zum Gehen ohne Gespann (Dehner, Nachbarrecht im Bundesgebiet (ohne Bayern), 6. Aufl., § 32 IV Fn. 10 m.w.N.).

Allerdings liegen Inhalt und Umfang einer – wie hier – zeitlich unbegrenzten Dienstbarkeit nicht in jeder Beziehung von vornherein für alle Zeiten fest, sondern sind Veränderungen unterworfen, die sich aus der wirtschaftlichen und technischen Entwicklung ergeben. Maßgeblich ist nicht die augenblickliche, bei Bestellung der Dienstbarkeit gerade bestehende Nutzung. Vielmehr kommt es auf den allgemeinen, der Verkehrsauffassung entsprechenden Charakter des betroffenen Grundstücks an sowie auf das Bedürfnis, von dem Wegerecht in diesem Rahmen Gebrauch zu machen (BGH NJW 2014, 3780, 3781 [BGH 18.07.2014 – V ZR 151/13] m.w.N.). Hiervon ausgehend umfasst das zum Befahren „mit Fuhrwerken“ bestellte Wegerecht nunmehr ein Befahren mit Personen- und Lastkraftwagen. Einem Befahren mit Fuhrwerken entspricht zu heutiger Zeit ein Befahren mit Kraftwagen, denn Fuhrwerke dienten gerade dem Transport von Personen und Gegenständen. Diese Aufgaben haben heute Personen-, Last- und Lieferwagen übernommen (BGH NJW 2014, 3780, 3781 [BGH 18.07.2014 – V ZR 151/13]). Die damit verbundene Bedarfssteigerung hält sich in den Grenzen einer der Art nach gleichbleibenden Benutzung des Grundstücks und stellt keine willkürliche Benutzungsänderung dar (BGH NJW 2014, 3780, 3781 [BGH 18.07.2014 – V ZR 151/13]). Auf einen solchen Fahrzeugverkehr erstreckt sich daher bei vernünftiger Betrachtung die Grunddienstbarkeit.

Genau in dieser Art und Weise wurde im übrigen die Grunddienstbarkeit zwischen den Grundstückseigentümern auch gelebt, indem die Hofeinfahrt des Klägers dazu genutzt wurde, um zu den Stellplätzen und Garagen auf dem Grundstück des Beklagten zu gelangen.

Der in der Grundbucheintragung zur Kennzeichnung der Grunddienstbarkeit schlagwortartig angegebene Begriff der Fahrtgerechtsame ist zudem auch nach heutigem Verständnis hinreichend bestimmt. Das Bestimmtheitsgebot ist nicht schon dann verletzt, wenn die Beteiligten – mittlerweile – unterschiedlicher Auffassung über den Inhalt des Rechts sind, sondern erst dann, wenn die richterliche Auslegung der Grundbucheintragung und gegebenenfalls der in Bezug genommenen Eintragungsbewilligung ergibt, dass der Inhalt der Grunddienstbarkeit mehrdeutig oder nicht vollständig geregelt ist (BGH NJW-RR 2015, 208, 210 [BGH 06.11.2014 – V ZB 131/13] m.w.N.). Die Inhaltsbezeichnung muss so bestimmt sein, dass ein Dritter nach vernünftigem Ermessen in der Lage ist, den Umfang des Rechts zu erkennen; dabei dürfen allerdings keine zu strengen Anforderungen gestellt werden. Dem Grundsatz der Bestimmtheit ist genügt, wenn das Rechtsverhältnis objektiv bestimmbar ist, also im Streitfall ein Richter nach verständigem Ermessen in der Lage ist, eine Abgrenzung vorzunehmen (OLG Köln, Beschluss vom 06.08.2013, 2 Wx 199/13, Rn. 11 m.w.N., zit. nach juris). Dies ist hier entsprechend obigen Ausführungen der Fall.

Soweit der Kläger in den Raum stellt, unter Fahrtgerechtsame sei das Wasserleitungsnutzungsrecht zu verstehen, hat er nicht hinreichend dargetan, woraus sich ein solches Verständnis ergeben soll. Der Wortlaut der Eintragung rechtfertigt, wie oben dargelegt, eine derartige Annahme nicht. Auch der Umstand, dass ein Kaufvertrag aus dem Jahr 1800 die Benutzung einer Wasserleitung vertraglich festlegt, begründet nicht die Annahme, dass eine später eingetragene Grunddienstbarkeit sich auf diese vertraglich vereinbarte Wasserleitungsbenutzung bezieht. Dies gilt umso mehr, als der Wortlaut der Eintragung keinerlei Bezug zu einem Wasserleitungsbenutzungsrecht aufweist.

Auch die von dem Kläger unter Vorlage ausschließlich der Seite 2 des insgesamt fünf Seiten umfassenden Internetartikels „Die Fahrgerechtigkeit von Stadt2f“ angeführte Fahrgerechtigkeit führt nicht zu einer Unbestimmtheit der im Grundbuch vorgenommenen schlagwortartigen Bezeichnung „Fahrtgerechtsame“. Denn unter Fahrgerechtigkeit ist das Recht, eine Fähre zu betreiben, zu verstehen. Dies kommt im übrigen auch auf Seiten 1, 3, 4 und 5 des betreffenden Artikels eindeutig zum Ausdruck.

Soweit der Kläger meint, die – derzeit nicht praktizierte – Fremdvermietung der Garagen und Stellplätze durch den Beklagten stelle eine Überschreitung der Rechtsbefugnisse oder einen Verstoß gegen die Verpflichtung zur schonenden Ausübung der Grunddienstbarkeit nach § 1020 BGB dar, begründet dieser Aspekt jedenfalls keinen Anspruch auf Löschung der Grunddienstbarkeit, da diese hierdurch nicht erlischt (vgl. MüKo/Mohr, BGB, 7. Aufl., § 1018 Rn. 75 m.w.N.) und das Grundbuch damit nicht unrichtig wird. Der entsprechende Vortrag ist insoweit daher unerheblich. Der Vollständigkeit halber sei jedoch erwähnt, dass, sofern der Bestellungsakt nichts Gegenteiliges ergibt, ein als Grunddienstbarkeit eingetragenes Wegerecht auch von solchen Personen ausgeübt werden kann, die zum Eigentümer des herrschenden Grundstücks in besonderen Beziehungen stehen, insbesondere von seinen Hausgenossen, Besuchern und Kunden sowie von Mietern und Pächtern (MüKo/Mohr, § 1018 Rn. 22 m.w.N.).

Der Ausübung der Grunddienstbarkeit steht auch nicht der Einwand unzulässiger Rechtsausübung nach § 242 BGB entgegen. Nicht entwicklungsbedingte unvorhersehbare Veränderungen können zwar dazu führen, dass der Ausübung der Dienstbarkeit durch den Berechtigten der Einwand unzulässiger Rechtsausübung entgegensteht. Dies ist der Fall, wenn die Ausübung der Dienstbarkeit aufgrund der veränderten Umstände für den Berechtigten nur noch geringfügigen Nutzen bietet und sich andererseits die Nachteile für das dienende Grundstück so erheblich vermehrt haben, dass der Vorteil außer Verhältnis zum Schaden steht (BGH NJW 1960, 673, 674 [BGH 27.01.1960 – V ZR 148/58]; MüKo/Mohr, § 1018 Rn. 63 m.w.N). So liegt der Fall hier jedoch gerade nicht. Die Zufahrt zu den hinter dem Vorderhaus des Beklagten gelegenen Garagen und Stellplätzen ist bis heute nur über das Grundstück des Klägers möglich. Weder haben sich die Umstände und aufgrund dessen der Nutzen für das beherrschende Grundstück verändert noch haben sich die Nachteile für das dienende Grundstück so erheblich vermehrt, dass der Vorteil außer Verhältnis zum Schaden steht.

2. Ansprüche des Klägers auf Löschung der Grunddienstbarkeit ergeben sich auch nicht aus §§ 823 ff., 249 BGB oder aus §§ 812 ff. BGB. Dass die Buchberechtigung hinsichtlich der Grunddienstbarkeit deliktisch verschafft oder ohne Rechtsgrund erlangt worden sei, hat der Kläger nicht dargetan.

Ein Anspruch ergibt sich zudem nicht aus § 1004 BGB, da dieser durch die Spezialregelung des § 894 BGB verdrängt wird (MüKo/Kohler, § 894 Rn. 2 m.w.N.).

3. Die von dem Beklagten eingelegte Anschlussberufung verliert infolge der Zurückweisung der Berufung durch Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO ihre Wirkung, § 524 Abs. 4 ZPO.

Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert eine Entscheidung des Senats durch Urteil. Eine mündliche Verhandlung ist nicht geboten.

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