OLG Frankfurt am Main, 11.09.2018 – 8 U 27/17

März 15, 2019

OLG Frankfurt am Main, 11.09.2018 – 8 U 27/17
Tenor:

Die Entscheidung über die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 21. Dezember 2016 wird ausgesetzt.

Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden nach Art. 267 Abs. 2 AEUV folgende Fragen zur Auslegung von Art. 18 Abs. 1 AEUV vorgelegt:

1.

Sind Adressaten des Diskriminierungsverbotes des Art. 18 Abs. 1 AEUV nicht nur die EU-Mitgliedstaaten und die Unionsorgane, sondern auch Private (unmittelbare Drittwirkung des Art. 18 Abs. 1 AEUV)?
2.

Sollte Frage 1 zu verneinen und Art. 18 Abs. 1 AEUV im Verhältnis zwischen Privaten unanwendbar sein: Ist Art. 18 Abs. 1 AEUV dahin auszulegen, dass diese Bestimmung einer Beschränkung des Deckungsschutzes auf Schadensfälle, die im metropolitanen Frankreich und in den französischen Überseegebieten eintreten, deswegen entgegensteht, weil die zuständige französische Behörde, das Bureau central de tarification, die entsprechende Klausel nicht beanstandet hat, obwohl diese Klausel deswegen gegen Art. 18 Abs. 1 AEUV verstößt, weil sie eine mittelbare Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit beinhaltet?
3.

Sollte Frage 1 zu bejahen sein: Unter welchen Voraussetzungen kann in Drittwirkungsfällen eine mittelbare Diskriminierung gerechtfertigt werden? Insbesondere: Kann eine territoriale Begrenzung des Versicherungsschutzes auf Schadensfälle, die innerhalb eines bestimmten EU-Mitgliedstaates auftreten, dann mit dem Argument der Begrenzung der Einstandspflicht des Versicherungsunternehmens und der Prämienhöhe gerechtfertigt werden, wenn zugleich die einschlägigen Versicherungsverträge vorsehen, dass im Falle von Serienschäden die Deckung pro Schadensfall und die Deckung pro Versicherungsjahr summenmäßig begrenzt sind?
4.

Für den Fall, dass Frage 1 zu bejahen ist: Ist Art. 18 Abs. 1 AEUV dahin auszulegen, dass dem Versicherer dann, wenn dieser unter Verstoß gegen Art. 18 Abs. 1 AEUV nur bei Schadensfällen, die im metropolitanen Frankreich und in den französischen Überseegebieten eingetreten sind, in die Regulierung eingetreten ist, der Einwand, eine Zahlung könne nicht erfolgen, weil die Deckungshöchstsumme nunmehr bereits erreicht sei, verwehrt ist, wenn der Schadensfall außerhalb dieser Gebiete eingetreten ist?

Gründe

I.

Die Klägerin nimmt die Beklagten auf Zahlung von Schmerzensgeld und die Feststellung der Ersatzpflicht für weitere materielle und immaterielle Schäden in Anspruch. Die Klägerin ließ sich im Herbst 2006 aus medizinischen Gründen (eingetretene Kapselbildung) die Brustimplantate austauschen. Hierzu begab sie sich zu dem erstinstanzlichen Beklagten zu 1, Herrn A, in Behandlung, der mit ihr am 2. März 2006 die gewünschte Operation besprach. Am 30. Oktober 2006 oder am 1. November 2006 wurden die Brustimplantate ausgetauscht. Hierbei wurden der Klägerin Implantate der B B. V. (im Folgenden: B) eingesetzt, die im Jahr 2012 wieder ausgetauscht wurden.

Bei den bei der Klägerin im Jahr 2006 eingesetzten Brustimplantaten handelte es sich um mit nicht zugelassenem Industriesilikon gefüllte Brustimplantate des Herstellers Poly Implant Prothèse S.A. (im Folgenden: PIP). In Verkehr gebracht worden waren die Implantate nicht von PIP, sondern von dem niederländischen Unternehmen B, das sie jedoch von PIP bezogen und lediglich verpackt und mit einer Packungsbeilage versehen hatte (Schriftsatz der Beklagten zu 2 vom 3. März 2016, S. 6, Anlagenband).

Die Beklagte zu 2 war seit Oktober 1997 von der PIP u. a. mit der Konformitätsbewertung gemäß deutschen, europäischen und anderen internationalen Normen beauftragt worden, wobei sie als „Benannte Stelle“ im Sinne der Medizinprodukterichtlinie RL 93/42/EWG vom 14. Juni 1993 (später in der Fassung RL 2003/12/EG vom 3. Februar 2003) tätig wurde. Auch B führte als Quasi-Hersteller ein Konformitätsbewertungsverfahren nach Anhang II der Medizinprodukterichtlinie durch. Im Rahmen dieses Verfahrens hat B die erstinstanzliche Beklagte zu 2 als privatrechtlich tätige „Benannte Stelle“ mit der Überprüfung bestimmter Aspekte beauftragt. Alle relevanten Auslegungs- und Herstellungsschritte erfolgten allerdings beim Originalhersteller PIP (Schriftsatz der Beklagten zu 2 vom 3. März 2016, S. 6, Anlagenband).

Bei der Beklagten zu 3 unterhielt die PIP u. a. eine Betriebs- und Produkthaftpflichtversicherung, wobei sie von der zuständigen französischen Behörde (Bureau Central de Tarification) einem Kontrahierungszwang zu näher festgelegten Konditionen unterworfen war. Die Geltungsdauer des entsprechenden Versicherungsvertrages wurde mehrfach verlängert. Nach französischem Recht (Gesetz Nr. 2002-303 vom 4. März 2002) gewährt die von PIP unterhaltene Haftpflichtversicherung Geschädigten einen Direktanspruch gegen den Versicherer. Den Versicherungsbedingungen zufolge erstreckt sich der Versicherungsschutz auf Schadensfälle, die in Frankreich und den überseeischen französischen Gebieten eintreten.PIP verwendete teilweise anstelle des in den Produktunterlagen beschriebenen und im Rahmen der Marktzulassung spezifizierten und freigegebenen Materials „NuSil“ Industriesilikon anderer Hersteller.

Der Beklagten zu 2 als „Benannte Stelle“ im Sinne der Richtlinie oblag gemäß Anhang II der Medizinprodukterichtlinie die förmliche Überprüfung (Audit) des Qualitätssicherungssystems der PIP. Sie führte in der Zeit von 1997 bis 2010 mehrere Überwachungsaudits bei PIP durch, die jeweils vorher angekündigt wurden. Im März 2010 stellte die französische Aufsichtsbehörde bei einer Inspektion erstmals fest, dass PIP unzulässigerweise Industriesilikon verwendete. Später kam der Verdacht auf, dass auch Implantate der B B. V. betroffen sein könnten. Die Empfehlungen der Gesundheitsbehörden wurden ständig erweitert und verschärft. Empfahl das Deutsche Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) am 1. April 2010 noch den Ärzten, die Silikonimplantate von PIP eingesetzt hatten, die betroffenen Patientinnen lediglich zu informieren und diese Brustimplantate nicht mehr einzusetzen, so änderte sich im Folgenden die Empfehlung und unter dem 6. Januar 2012 wurde die komplette Entfernung dieser Implantate empfohlen.PIP wurde insolvent und im Jahr 2011 liquidiert. Der Gründer des Unternehmens PIP, X, wurde von einem französischen Gericht im Dezember 2013 wegen der Herstellung und des Vertriebs von gesundheitsgefährdenden Produkten zu vier Jahren Haft verurteilt.

Die Klägerin hat behauptet, sie sei durch den erstinstanzlichen Beklagten zu 1 nicht ausreichend über die Risiken des Eingriffs sowie die einzusetzenden Implantate aufgeklärt worden. Sie hat weiter behauptet, die Beklagte zu 2 habe die erforderlichen Prüfungen und jährlichen Audits nicht ordnungsgemäß vorgenommen. Die Beklagte zu 2 hätte – so die Klägerin weiter – die von der französischen Aufsichtsbehörde erlangten Kenntnisse ebenso (und früher) erlangen können. Die Beklagte zu 2 hätte nach Ansicht der Klägerin aktiv nach Warnzeichen suchen müssen, die Anlass zu einem unangekündigten Besuch hätten geben können. Eine Kontrolle des Wareneingangs bei der PIP durch die Beklagte zu 2 hätte extrem auffällige Differenzen zwischen der Menge des beschafften (regelkonformen) NuSil-Silikons einerseits und der für die hergestellten Implantate benötigten Silikonmenge andererseits aufgedeckt.

Die Klägerin hat zudem die Rechtsansicht vertreten, ihr stehe gegen die Beklagte zu 3 – der Haftpflichtversicherung des französischen Hersteller- und Vertriebsunternehmens PIP – ein Direktanspruch nach französischem Recht zu. Eine Begrenzung der Regulierungspflichten aus dem Versicherungsvertrag auf französische Staatsgebiete verstoße gegen Unionsrecht.

Die Klägerin hält ein Schmerzensgeld in Höhe von mindestens € 45.000,- für angemessen. Sie hat erstinstanzlich zuletzt beantragt,

1.

die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an sie einangemessenes Schmerzensgeld zu bezahlen, welches in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, mindestens jedoch in Höhe von € 45.000,00 nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit;
2.

die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an sie für bereits entstandene Aufwendungen einen Betrag in Höhe von € 762,00 nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen; und
3.

festzustellen, dass die Beklagten gesamtschuldnerisch verpflichtet sind, ihr sämtliche weiteren, materiellen und – im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung nicht vorhersehbaren – immateriellen Schaden zu ersetzen, welche dieser anlässlich der Implantation von B-C-Brustimplantaten mit Silikon aus dem Hause der Firma Poly Implant Prothèse (PIP) entstanden sind oder noch entstehen werden, soweit diese Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind oder übergehen werden.

Die Beklagten haben erstinstanzlich jeweils beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte zu 2 hat die Ansicht vertreten, eine Verpflichtung zur Durchführung unangekündigter Audits habe nicht bestanden. Es habe aufgrund eines strukturierten Täuschungs- und Verschleierungssystems innerhalb der PIP für die Beklagte zu 2 nie ein Anlass bestanden, Zweifel an der ausschließlichen Verwendung von medizinisch zugelassenem Silikon zu hegen. Zudem sei bis heute offen, welche Produktchargen überhaupt betroffen seien. Auch fehle es an der Kausalität einer etwaigen Pflichtverletzung für den hier in Rede stehenden Vorgang.

Die Beklagte zu 3 hat die Rechtsansicht vertreten, eine Haftung ihrerseits scheide aus, da sich der Versicherungsschutz der Versicherungsverträge zwischen PIP und der Beklagten zu 3 ausschließlich auf Schadensfälle innerhalb des französischen Territoriums beschränke.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf das angegriffene Urteil vom 21. Dezember 2016 (Bl. 507 ff. d. A.) wird Bezug genommen.

Mit ihrer Berufung begehrt die Klägerin die Aufhebung des Urteils und Stattgabe der Klage, soweit diese gegenüber den Beklagten zu 2 und zu 3 abgewiesen worden ist. Die Klageabweisung gegenüber dem Beklagten zu 1 greift die Klägerin mit der Berufung hingegen nicht an.

Zur Begründung der Berufung führt die Klägerin aus, der Beklagten zu 2 hätte es als „Benannte Stelle“ insbesondere vor dem Hintergrund der bereits in den Jahren ab 2000, 2001 und 2003 erfolgten Äußerungen der Gesundheitsbehörden oblegen, nicht nur angekündigte Audits, sondern auch zusätzlich unangemeldete Besichtigungen und Prüfungen vorzunehmen. Im Übrigen wäre es – so die Klägerin weiter – Aufgabe der Beklagten zu 2 gewesen sicherzustellen, dass für die Implantate nur Materialien Verwendung finden, die dem aktuellen Stand der Sicherheit und Technik entsprachen.

Rechtsfehlerhaft gehe das Landgericht in Bezug auf eine etwaige Haftung der Beklagten zu 3 davon aus, dass die zwischen dieser und PIP vertraglich vereinbarte Beschränkung des Versicherungsschutzes auf Frankreich wirksam sei. Diese Beschränkung stelle vielmehr eine unzulässige indirekte Diskriminierung dar. Auch habe das Landgericht rechtsfehlerhaft einen Verstoß gegen die Warenverkehrsfreiheit verneint.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils

die Beklagten zu 2 und zu 3 zu verurteilen, an sie ein angemessenes Schmerzensgeld zu bezahlen, welches in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit;

festzustellen, dass die Beklagten zu 2 und zu 3 verpflichtet sind, ihr sämtliche weiteren, materiellen und – im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung nicht vorhersehbaren – immateriellen Schäden zu ersetzen, welche dieser anlässlich der Implantation von Brustimplantaten aus dem Hause der Firma Poly Implant Prothèse (PIP) entstanden sind und noch entstehen werden, soweit diese Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind oder übergehen werden;

hilfsweise, den Rechtsstreit zur erneuten Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen.

Die Beklagten zu 2 und zu 3 beantragen jeweils,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigen das angefochtene Urteil.

II.

Vor der Entscheidung über die Berufung ist das Verfahren auszusetzen und gemäß Art. 267 Abs. 1 und Abs. 2 AEUV eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union zu den im Beschlusstenor gestellten Fragen einzuholen. Die Sachentscheidung ist im Prozessrechtsverhältnis der Klägerin zur Beklagten zu 3 abhängig von der Auslegung des Art. 18 Abs. 1 AEUV.

1. Soweit etwaige Ansprüche der Klägerin gegen die Beklagte zu 3 betroffen sind,

ist französisches Recht anwendbar.

Deliktische Ansprüche unterliegen nach Art. 40 Abs. 1 EGBGB grundsätzlich dem Recht des Staates, in dem der Ersatzpflichtige gehandelt hat. Der Geschädigte kann auch die Anwendung des Rechts des Staates verlangen, in dem der Erfolg eingetreten ist. Der Verletzte kann nach Art. 40 Abs. 4 EGBGB seinen Anspruch unmittelbar gegen den Versicherer des Ersatzpflichtigen geltend machen, wenn das Recht der unerlaubten Handlung oder das auf den Versicherungsvertrag anzuwendende Recht dies vorsieht.

Art. 40 EGBGB ist ratione temporis anwendbar. Die Bestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 864/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht („Rom II-Verordnung“) sind erst auf schadensbegründende Ereignisse anwendbar, die ab dem 11. Januar 2009 eingetreten sind, Art. 31 und 32 Rom II-Verordnung. Als schadensbegründendes Ereignis im Anwendungsbereich des Rechts der unerlaubten Handlungen wird darunter die zum Primärschaden führende Handlung des Haftenden verstanden, nicht der Deliktserfolg im Sinne einer Rechtsgutverletzung, so dass es auf den Eintritt von Folgeschäden, mittelbaren Schäden und Spätschäden nicht ankommt (vgl. Engel, in: Herberger/Martinek/Rüßmann u.a., jurisPK-BGB, 8. Aufl. 2017, Art. 31 Rom II-Verordnung). Das schadensbegründende Ereignis ist spätestens mit dem Einsatz von Implantaten mit Silikon der PIP, also im Herbst 2006, eingetreten.

Das bis zur Geltung der Rom II-Verordnung weitgehend von richterlicher Rechtsfortbildung geprägte französische Recht anerkennt die Möglichkeit der Rückverweisung. Auch nach dem französischen Internationalen Privatrecht, auf das Art. 40 Abs. 1 EGBGB verweist, ist das französische Recht anwendbar (vgl. OLG Oldenburg, Beschluss vom 12.06.2017 – 11 U 7/17, VersR 2018, 605, 606 [OLG Oldenburg 01.06.2017 – 11 U 7/17]).

Nach französischem Recht ist auf deliktische Ansprüche das am Ort der unerlaubten Handlung geltende Recht (lex loci delicti commissi) anzuwenden. Zur Frage, ob hierbei auf den Ort der schädigenden Handlung oder den Ort des Schadenseintritts abzustellen ist, hat die französische Rechtsprechung ausgeführt, der Ort der unerlaubten Handlung umfasse sowohl den Ort der schädigenden Handlung als auch den Ort des Schadenseintritts. Wenn der Ort des Schadenseintritts zufällig sei, genüge es, auf den Ort der schädigenden Handlung abzustellen. Der Umstand, dass das in Frankreich mit nicht zugelassenem Silikon befüllte Implantat in Deutschland implantiert wurde, ist als eher zufällig anzusehen, so dass das französische nicht auf das deutsche Recht zurückverweist (vgl. OLG Oldenburg, Beschluss vom 12.06.2017 – 11 U 7/17, VersR 2018, 605, 606 [OLG Oldenburg 01.06.2017 – 11 U 7/17]).

Die Bestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht („Rom I-Verordnung“) sind erst auf (Versicherungs-)Verträge anwendbar, die ab dem 17. Dezember 2009 geschlossen wurden, Art. 28 Rom I-Verordnung. Es kann hier dahinstehen, ob es bei den Vertragsverlängerungen jeweils zum Abschluss neuer eigenständiger Versicherungsverträge zwischen PIP und der Beklagten zu 3 (bzw. deren Rechtsvorgängerin) kam. Auch dann, wenn es sich um Verträge handeln sollte, die ab dem 17. Dezember 2009 geschlossen wurden, ist französisches Recht anwendbar. Ergibt sich die Versicherungspflicht aus dem Recht eines EU-Mitgliedstaates, richtet sich der Vertrag bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen des Art. 46c EGBGB nach dem Recht des Staates, der diese Pflichtversicherung vorschreibt (vgl. OLG Oldenburg, Beschluss vom 12.06.2017 – 11 U 7/17, VersR 2018, 605, 606 [OLG Oldenburg 01.06.2017 – 11 U 7/17]; Dörner, in: Bruck/Möller, VVG, 9. Aufl. 2012, Art. 7 Rom I-VO, Rdnr. 49). Andernfalls käme über Art. 7 Rom I-Verordnung mangels Rechtswahl das französische Recht zur Anwendung.

Da der Ersatzpflichtige (PIP) in Frankreich gehandelt hat, ist französisches Recht anwendbar. Da das französische Recht einen Direktanspruch („action directe“) gegen die Versicherung des Ersatzpflichtigen vorsieht, kann dieser Anspruch nach französischem Recht geltend gemacht werden (vgl. OLG Oldenburg, Beschluss vom 12.06.2017 – 11 U 7/17, VersR 2018, 605, 606 [OLG Oldenburg 01.06.2017 – 11 U 7/17]; LG Karlsruhe, Urteil vom 25.11.2014 – 2 O 25/12, BeckRS 2015, 7880).

2. Das einschlägige französische Recht stellt sich für den Senat wie folgt dar:

Das französische Recht schreibt für die Hersteller von Medizinprodukten vor, für die aus dieser Tätigkeit Dritten drohenden Schadensrisiken Haftpflichtversicherungsschutz zu beschaffen und zu unterhalten (Art. L.1142-2 Code de la santé publique; Décret 2003-462 2003-05-21, im WWW abrufbar unter https://www.(…).fr). PIP ist als Hersteller von Medizinprodukten im Sinne dieser Vorschrift einzuordnen. Das Gesetz macht den Herstellern keine genauen Vorgaben für den Mindestumfang des Versicherungsschutzes. Vielmehr kann der Umfang des Versicherungsschutzes durch die Parteien frei bestimmt werden (Art. 124-4 alinéa 3 Code des assurances; Décret 76-667 1976-07-16, im WWW abrufbar unter https:// www.(…).fr). Die Regelung zur Versicherungspflicht enthält keine Aussage dazu, welche geographische Reichweite der Versicherungsschutz haben muss, um den gesetzlichen Anforderungen zu genügen.

Die zuständige französische Behörde, das Bureau central de tarification, ist nach Art. 252-1 alinéa 1 Code des assurances (Décret 76-666 1976-07-16, https:// www.(…).fr) für den Fall, dass ein Versicherungsinteressent für den von ihm nach Art. L.1142-2 Code de la santé publique zu beschaffenden Versicherungsschutz keinen Versicherer findet, befugt, einen Versicherer zum Vertragsschluss zu verpflichten. Dabei ist es dem Versicherungsinteressenten vorbehalten, den Versicherer zu bestimmen. Das Bureau central de tarification hat hingegen die Befugnis, die Prämienhöhe sowie einen etwaigen Selbstbehalt des Versicherungsnehmers festzulegen.

Das Bureau central de tarification hat im Jahre 2005 der D (im Folgenden: D) – der Rechtsvorgängerin der Beklagten zu 3 – mitgeteilt, dass die D verpflichtet ist, PIP Haftpflichtversicherungsschutz für Medizinprodukte zu bestimmten Konditionen zu gewähren (s. Bl. 169 d. A., Anlage B 4). Dabei hat das Bureau central de tarification seiner Prämienberechnung u. a. die (geschätzten bzw. vorläufigen) Umsätze von PIP für die Jahre 2004 und 2005 zugrunde gelegt. Der Vorschlag der D gegenüber dem Bureau central de tarification enthielt eine geographische Beschränkung des Deckungsumfangs auf Frankreich und die überseeischen Gebiete (DOM-TOM: Départements d’outre-mer – Territoires d’outre-mer). Insoweit hat das Bureau central de tarification keine Änderungen angeordnet. Durch einen weiteren Bescheid vom 20. März 2008 infolge einer neuerlichen Ablehnung von Versicherungsschutz für PIP durch die D hat das Bureau central de tarification sodann die Mindestprämie erhöht, die übrigen Konditionen jedoch beibehalten.

In den besonderen Vertragsbedingungen (clauses particulières) der Beklagten zu 3 vom 28. Juli 2005 (Anlage B 7 f., Anlagenband) mit diversen Nachträgen, hier insbesondere dem vom 27. Februar 2006 (Anlage B 8 f., Anlagenband), heißt es auf Seite 3 unter der Überschrift „Geographische Reichweite“: „In Abweichung von Art. 4 der generellen Regelungen COM 07471 gilt der Deckungsschutz ausschließlich für Schadensfälle, die im metropolitanen Frankreich und in den französischen Überseegebieten eintreten“ (im französischen Original unter der Überschrift „Etendue géographique“: „Par dérogation à l’article 4 des Dispositions Générales ACC 8586, la garantie s’applique exclusivement aux sinistres survenus en France métropolitaine et aux DOM-TOM“).

Nach dem in dieser Klausel in Bezug genommenen Art. 4 der „Generellen Regelung“ der Beklagten zu 3 (Anlage B 7 b, Anlagenband) gilt der Deckungsschutz für weltweit eintretende Schadensfälle, mit Ausnahme von solchen, die auf Aktivitäten in den USA sowie in Kanada oder von in diesen Staaten direkt vertriebenen Produkten beruhen. Ausgenommen sind zudem vorübergehende Aktivitäten außerhalb des metropolitanen Frankreich und des Fürstentums Monaco von einer längeren Dauer als sechs Monaten.

Jeder der einschlägigen Versicherungsverträge mitsamt den jeweiligen Nachträgen sieht vor, dass im Falle von Serienschäden die Deckungshöchstsumme pro Schadensfall („sinistre“) sich auf € 3.000.000,00 beläuft und die Deckungshöchstsumme pro Versicherungsjahr € 10.000.000,00 beträgt (Bl. 217 d. A., Anlagen B 9, 9a, 14, 14a, 16, 16a, Anlagenband).

Es steht zwischen den Parteien nicht im Streit, dass es hier um einen Serienschaden handelt (s. auch Berufungsgericht Riom, Urteil vom 31.01.2018 – 16/00102, Anlage BE 27, Bl. 1359 f. d. A.).

3. a. Nach Einschätzung des Senats stellt sich die Frage, ob die in den besonderen Vertragsbedingungen (clauses particulières) der Beklagten zu 3 geregelte Beschränkung des Deckungsschutzes auf Schadensfälle, die im metropolitanen Frankreich und in den französischen Überseegebieten eintreten, mit Art. 18 Abs. 1 AEUV zu vereinbaren ist. Der Senat neigt dazu, diese Frage zu verneinen.

Art. 18 AEUV kommt nur bei unionsrechtlich geregelten Fallgestaltungen zur Anwendung kommen, für die der AEU-Vertrag keine besonderen Diskriminierungsverbote vorsieht (vgl. etwa EuGH, Urteil vom 04.09.2014 – C-474/12, Schiebel Aircraft, Tz. 20; Urteil vom 18.07.2017 – C-566/15, Erzberger, Tz. 25).

Hier handelt es sich um eine unionsrechtlich geregelte Fallgestaltung. Bereits durch die territoriale Beschränkung der Deckungspflicht erfolgt nämlich eine gewisse Auslandsberührung, die durch den Auftritt von Schadensfällen im Ausland (also außerhalb des metropolitanen Frankreichs und der französischen Überseegebiete) greifbar wird.

Die im AEU-Vertrag normierten besonderen Diskriminierungsverbote greifen hier nicht ein, so dass das allgemeine Diskriminierungsverbot des Art. 18 Abs. 1 AEUV zur Anwendung kommt.

Art. 18 Abs. 1 AEUV verbietet unmittelbare ebenso wie mittelbare Diskriminierungen aufgrund der Staatsangehörigkeit (s. etwa EuGH, Urteil vom 23.01.1997 – C-29/95, Eckehard Pastoors und Trans-Cap GmbH ./. Belgien, Tz. 16; Haratsch/Koenig/Pechstein, Europarecht, 11. Aufl. 2018, Rdnr. 764). Es liegt für den Senat auf der Hand, dass die geschilderte Beschränkung des Deckungsschutzes auf Schadensfälle, die im metropolitanen Frankreich und in den französischen Überseegebieten eintreten, eine mittelbare Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit darstellt, weil davon typischerweise nichtfranzösische Patientinnen betroffen sind (in Bezug auf das vergleichbare Anknüpfen am Wohnort so etwa auch EuGH, Urteil vom 23.01.1997 – C-29/95, Eckehard Pastoors und Trans-Cap GmbH ./. Belgien, Tz. 17; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 19.07.2016 – 2 BvR 470/08, NJW 2016, 3153, 3156).

Allerdings stellt sich die Frage, ob Adressaten des Diskriminierungsverbotes nicht nur die EU-Mitgliedstaaten und die Unionsorgange, sondern auch private Parteien sind (unmittelbare Drittwirkung des Art. 18 Abs. 1AEUV). Der Gerichtshof der Europäischen Union hat diese Frage – soweit ersichtlich – noch nicht explizit entschieden.

Auf der Grundlage der bisherigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes neigt der Senat gleichwohl dazu, diese Frage zu bejahen. Der EuGH hat in der Rechtssache C-281/98 (EuGH, Urteil vom 06.06.2000 – C-281/98, Roman Angonese ./. Cassa di Risparmio di Bolzano SpA) ausgesprochen, dass das in Art. 48 des EG-Vertrages (nunmehr: Art. 45 AEUV) ausgesprochene Verbot der Diskriminierung auf Grund der Staatsangehörigkeit auch für Privatpersonen gilt (Tz. 36). In der Rechtssache C-411/98 entschied der EuGH (Urteil vom 03.10.2000 – C-411/98, Angelo Ferlini ./. Centre hospitalier de Luxembourg), dass Art. 6 Abs. 1 EG-Vertrag (nunmehr: Art. 18 Abs. 1 AEUV) auch in Fällen gilt, in denen eine Gruppe oder Organisation gegenüber Einzelpersonen bestimmte Befugnisse ausüben und sie Bedingungen unterwerfen kann, die die Wahrnehmung der durch den Vertrag gewährleisteten Grundfreiheiten beeinträchtigen (Tz. 50 m. w. N.; vgl. ferner EuGH, Urteil vom 14.07.1976 – 13/76 -, Gaetano Donà ./. Mario Mantero, Tz.17-19). In der Rechtssache C-94/07 (EuGH, Urteil vom 17.07.2008 – C-94/07, Andrea Raccanelli ./. Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e.V.) hat der EuGH schließlich in Bezug auf Art. 39 EG-Vertrag (= Art. 45 AEUV), „der eine Grundfreiheit formuliert und eine spezifische Anwendung des in Art. 12 EG-Vertrag [= Art. 18 AEUV] ausgesprochenen allgemeinen Diskriminierungsverbots darstellt“, ausgeführt, „dass das Diskriminierungsverbot auch für alle die abhängige Erwerbstätigkeit kollektiv regelnden Tarifverträge und alle Verträge zwischen Privatpersonen gilt“ (Tz. 45; s. auch EuGH, Urteil vom 28.06.2012 – C-172/11, Georges Erny ./. Daimler AG, Tz. 36; Urteil vom 17.04.2018 – C-414/16, Vera Egenberger ./. Evangelisches Werk für Diakonie und Entwicklung e. V., Tz. 77).

Vor diesem Hintergrund ist der Senat der Ansicht, dass das allgemeine Diskriminierungsverbot in Art. 18 Abs. 1 AEUV auch Private verpflichtet (in diesem Sinne etwa auch GA Jacobs, Schlussanträge zu den verbundenen Rechtssachen C-92/92 und C-326/92 vom 30. Juni 1993, Slg. 1993, I-5145; Tz. 33; v. Bogdandy, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim (Hrsg.), Das Recht der Europäischen Union: EUV/AEUV, Stand: Mai 2010, Art. 18 AEUV, Rdnr. 25 ff.; Krenn, CMLRev. 49 (2012), 177, 192 f.; Forsthoff, EWS 2000, 389, 393; Jaensch, Die unmittelbare Drittwirkung der Grundfreiheiten, 1997, S. 254 f.; wohl auch Repasi, EuZW 2008, 532, 532 f.). Selbst wenn man einer engeren Ansicht folgen sollte, nach der Art. 18 Abs. 1 AEUV zwischen Privaten nur dann eingreifen soll, wenn zwischen diesen ein Machtgefälle besteht, dass sich die einzelnen Bürger einer Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit kaum zu entziehen vermögen (so etwa Epiney, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, 5. Aufl. 2016, Art. 18 AEUV, Rdnr. 40; Frenz, Handbuch Europarecht, Band 1: Europäische Grundfreiheiten, 2012, § 11, Rdnr. 3928; Rust, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje, Europäisches Unionsrecht, Band 1, 7. Aufl. 2015, Art. 18 AEUV, Rdnr. 44; wohl auch Haratsch/Koenig/Pechstein, Europarecht, 11. Aufl. 2018, Rdnr. 748), wäre Art. 18 Abs. 1 AEUV hier nach Ansicht des Senats anwendbar, da sich die territoriale Beschränkung des Deckungsschutzes in den besonderen Versicherungsbedingungen der Beklagten zu 3 findet, welche die Klägerin in keiner Weise beeinflussen konnte.

Sollte diese Frage jedoch zu verneinen und Art. 18 Abs. 1 AEUV im Verhältnis zwischen Privaten unanwendbar sein, stellt sich die Frage, ob Art. 18 Abs. 1 AEUV hier deswegen einer Beschränkung des Deckungsschutz auf Schadensfälle, die im metropolitanen Frankreich und in den französischen Überseegebieten eintreten, entgegensteht, weil die zuständige Behörde, das Bureau central de tarification, die entsprechende Klausel offenbar nicht beanstandet ist, wozu sie nach Überzeugung des Senats mit Blick auf Art. 18 Abs. 1 AEUV jedoch verpflichtet gewesen wäre.

b. Geht man – wie der Senat – davon aus, dass es sich bei der Beschränkung des Deckungsschutzes auf Schadensfälle, die im metropolitanen Frankreich und in den französischen Überseegebieten eintreten, um eine grundsätzlich unzulässige mittelbare Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit handelt, stellt sich weiter die Frage, ob es für eine solche mittelbare Diskriminierung eine Rechtfertigung gibt.

Eine mittelbare Diskriminierung (im Sinne einer unterschiedlichen Behandlung) durch nationale Rechtsvorschriften ist gerechtfertigt, wenn sie auf objektiven, von der Staatsangehörigkeit der Betroffenen unabhängigen Erwägungen beruht und in einem angemessenen Verhältnis zu dem Zweck steht, der mit den Rechtsvorschriften zulässigerweise verfolgt wird (EuGH, Urteil vom 23.03.2004 – C-138/02, Brian Francis Collins ./. Secretary of State for Work and Pensions, Tz. 66). Der Senat geht davon aus, dass diese Überlegung cum grano salis auch auf Drittwirkungsfälle übertragen werden kann.

Einige Gerichte haben in vergleichbaren Fällen als Rechtfertigung angeführt, die Beklagte zu 3 sei daran interessiert gewesen, den Umfang ihrer Einstandspflicht und damit ihr wirtschaftliches Risiko zu begrenzen, während das Interesse der PIP dahin ging, möglichst geringe Versicherungsbeiträge zu zahlen. Ein innerer Zusammenhang mit der Staatsangehörigkeit möglicher Geschädigter bestehe nicht. Die Begrenzung des Versicherungsschutzes auf Schadensfälle, die innerhalb Frankreichs eintreten, stelle eine praktikable, geeignete und verhältnismäßige Maßnahme zur Risiko- und Prämienbegrenzung dar (s. etwa OLG Hamm, Beschluss vom 03.05.2017 – I-3 U 30/17, juris).

Der Senat hält diese Argumentation nicht für stichhaltig. Es ist schon mehr als zweifelhaft, ob derartige betriebswirtschaftliche Interessen gewinnorientierter Unternehmen eine Rechtfertigung für eine mittelbare Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit sein können (ablehnend für das Ziel „Schutz der nationalen Wirtschaft“ in einem Nichtdrittwirkungsfall EuGH, Urteil vom 18.03.2014 – C-628/11, International Jet Management GmbH, Tz. 70).

Es kommt noch hinzu, dass das entscheidende Instrument zur Begrenzung des von der Beklagten zu 3 zu übernehmenden Risikos als auch zur Begrenzung der von dem Hersteller zu zahlenden Prämien aus der Sicht des Senats die oben beschriebene Festlegung der Deckungshöchstsummen ist. Werden wirksam Deckungshöchstsummen vereinbart, ist das wirtschaftliche Risiko des Versicherers von vornherein klar begrenzt und genau berechenbar. Ob die von der Versicherung zu regulierenden Schadensfälle in Frankreich, in Deutschland, in Italien oder einem anderen EU-Mitgliedstaat auftreten, spielt demgegenüber keine Rolle.

Eine ganz andere Frage ist, ob sich wegen der Vielzahl der Geschädigten diese nicht gefallen lassen müssen, dass ihre Ansprüche anteilig reduziert werden (vgl. dazu etwa Berufungsgericht Riom, Urteil vom 31.01.2018 – 16/00102, Anlage BE 27, Bl. 1359 f. d. A.). Dies betrifft jedoch allein die Höhe etwaiger Ansprüche der Klägerin, nicht jedoch die Frage einer Haftung der Beklagten zu 3 dem Grunde nach.

c. Gegebenenfalls stellt sich noch die Anschlussfrage, welche Auswirkungen ein Verstoß gegen Art. 18 Satz 1 AEUV hat.

Die Beklagte zu 3 trägt vor, dass durch Leistungen in Bezug auf Schadensfälle, die im metropolitanen Frankreich und in den französischen Überseegebieten eingetreten waren, zwischenzeitlich die Deckungshöchstsummen erreicht seien. Vor diesem Hintergrund ist sie der Ansicht, dass der Klägerin selbst im Falle eines Verstoßes gegen Art. 18 Satz 1 AEUV durch die räumliche Begrenzung des Versicherungsschutzes keine Ansprüche zustehen können.

Es stellt sich die Frage, ob eine solche Argumentation Art. 18 Satz 1 AEUV nicht seiner praktischen Wirksamkeit (effet utile) beraubt. Es erscheint treuwidrig, wenn ein Versicherungsunternehmen zunächst unter Verstoß gegen seine Verpflichtungen aus Art. 18 Satz 1 AEUV bei Schadensfällen, die außerhalb Frankreichs und der französischen Überseegebieten eingetreten waren, Zahlungen verweigert, und sich sodann – nach Feststellung eines entsprechenden Verstoßes durch den EuGH – seiner Zahlungspflicht unter Hinweis auf die nunmehr durch andere Geschädigte, bei denen der Schadensfall innerhalb Frankreichs oder der französischen Überseegebieten eingetreten ist, bereits ausgeschöpfte Deckungshöchstsumme zu entziehen versucht.

4. Die Vorlagefragen sind für den weiteren Gang des Verfahrens vor dem Senat erheblich. Sind die Fragen in dem von dem Senat skizzierten Sinne zu beantworten, haftet die Beklagte zu 3 dem Grunde nach. Ist die territoriale Beschränkung des Deckungsschutzes auf Schadensfälle, die außerhalb des metropolitanen Frankreichs und der französischen Überseegebieten eingetreten waren, auch in Ansehung des Art. 18 Abs. 1 AEUV nicht zu beanstanden, besteht keine Haftung der Beklagten zu 3 und die Berufung der Klägerin wird im Prozessrechtsverhältnis zur Beklagten zu 3 zurückzuweisen sein.

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