OLG Frankfurt am Main, 11.10.2018 – 1 UF 361/15

März 15, 2019

OLG Frankfurt am Main, 11.10.2018 – 1 UF 361/15
Tenor:

Der Beschluss des Amtsgerichts -Familiengericht- Frankfurt am Main vom 11.11.2015 wird aufgehoben.

Es wird festgestellt, dass die durch rechtskräftige Entscheidung des Bezirksgerichts Taipei, Republik China (Taiwan) vom XX.XX.2011 ausgesprochene Adoption der B, geb. am XX.XX.2008, durch den Beteiligten zu 1. und die Beteiligte zu 2. anerkannt wird.

Das Eltern-Kind Verhältnis des Kindes B, geb. am XX.XX.2008, zu seinen bisherigen Eltern ist durch die Annahme erloschen.

Das Annahmeverhältnis steht einem nach den deutschen Sachvorschriften begründeten Annahmeverhältnis gleich.

Gerichtskosten werden nicht erhoben. Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten findet nicht statt.

Der Beschwerdewert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe

I.

Die Antragsteller erstreben die Anerkennung der in Taipei (Taiwan)/China erfolgten Adoption der B, geb. am XX.XX.2008.

Die Beteiligten besitzen die kanadische Staatsangehörigkeit, die Beteiligte zu 1. ist darüber hinaus deutsche Staatsangehörige. Sie haben bereits in der Vergangenheit ein weiteres Kind aus dem gleichen Kulturkreis adoptiert. Durch Beschluss des Bezirksgerichts Taipei (Taiwan)/China vom 29.08.2008 wurde die Adoption des am XX.XX.2004 geborenen C durch die Beteiligten ausgesprochen. Die Entscheidung wurde durch Beschluss des Amtsgerichts -Vormundschaftsgericht- Stadt1 vom 02.08.2010, Az. …/09, anerkannt. Sie entschieden sich nachfolgend, ein weiteres Kind adoptieren zu wollen und wandten sich an eine an ihrem Wohnort in Stadt2/ Kanada niedergelassene Adoptionsvermittlungsagentur. Durch einen Sozialarbeiter dieser Agentur wurde nachfolgend ein Sozial- und Eignungsbericht der Beteiligten verfasst.

Die Anzunehmende wurde am XX.XX.2008 im Krankenhaus1 in Stadt3, Taipei (Taiwan)/China unehelich geboren und erhielt den Namen A. Die leibliche Mutter des Kindes ist Frau E. Sie leidet seit ihrem 14.Lebensjahr an psychischen Problemen. Bei ihr wurden eine Schizophrenie und eine Abhängigkeit von Opioiden diagnostiziert sowie eine Depression vermutet. Ein Vater ist in der Geburtsurkunde nicht verzeichnet.

Die leibliche Mutter betreute und pflegte das Kind zunächst in ihrem Haushalt. Etwa eine Woche nach der Geburt, ließ sie es unbeaufsichtigt in ihrer Wohnung zurück und beabsichtigte, einen Suizid zu begehen. Als Nachbarn sie davon abhielten, kehrte sie in ihre Wohnung zurück und schlug das Kind. Durch Sozialarbeiter, die von Anwohnern verständigt wurden, wurde die sofortige Behandlungsbedürftigkeit der Mutter festgestellt und diese in einem Krankenhaus aufgenommen. Seither wurde sie in verschiedenen Einrichtungen behandelt, zwischenzeitlich war sie inhaftiert. Das Kind wurde zunächst auf der Neugeborenenstation des Krankenhaus2 und im Juli 2008 bei einer Pflegefamilie untergebracht.

In einem gerichtlichen Eilverfahren wurde das Kind durch Beschluss vom XX.XX.2008 unter Vormundschaft gestellt, die Entscheidung wurde zu späterer Zeit bis zum XX.XX.2008 verlängert.

Die leibliche Mutter, die sich zu dieser Zeit zur Therapie im Krankenhaus3 aufhielt, stellte am 17.09.2008 unter Brief Nr. … und am 02.09.2009 unter Brief Nr. … des Sozialamtes der Landkreisregierung Taipei Anträge, dass der Landkreis Taipei vormundschaftsrechtliche Maßnahmen ergreifen solle.

Durch Urteil des Bezirksgerichts Stadt3 (Taiwan)/China vom XX.XX.2009 wurde der Vater der leiblichen Mutter als deren Vertreter bestellt. In einem vor demselben Gericht geführten sorgerechtlichen Verfahren wurde der Mutter durch Urteil vom XX.XX.2009 im Verfahren zu Az. …/ 2009, das am 18.01.2010 bestätigt und rechtskräftig wurde, die elterliche Sorge für ihr Kind entzogen und die Vormundschaft eines Vertreters des Landkreises angeordnet. In den Gründen der Entscheidung wird ausgeführt, dass die leibliche Mutter durch ihren Vater im Verfahren vertreten wurde. Dieser hatte den Anträgen des Landkreises Taipei im Namen der Mutter zugestimmt. Inhaltlich stützt sich das Urteil darauf, dass ausweislich der Zusammenfassung der Krankheitsgeschichte durch das Krankenhaus4 sowie der Bescheinigung der Krankenhaus5 die Mutter ihre mütterlichen Pflichten nicht ausüben könne. Sie leide aufgrund ihrer Schizophrenie sowie der Abhängigkeit von Opiaten an erheblichen psychischen Einschränkungen und müsse langfristig stationär behandelt werden.

Am XX.XX.2011 wurde zwischen den Beteiligten zu 1. und 2. sowie dem Vormund des Kindes ein Adoptions-Vertrag geschlossen. In dem anschließenden gerichtlichen Verfahren, in dem die Mutter weder beteiligt noch gehört wurde, fand am 04.10.2011 eine Anhörung statt. Mit Urteil vom XX.XX.2011 des Bezirksgerichts Taipei wurde die Adoption der A, geb. am XX.XX.2008, durch die Beteiligten zu 1. und zu 2. ausgesprochen. Der Adoption stimmte ein Vertreter des Jugendamts als Vormund des Kindes zu. Das Urteil ist seit dem 05.12.2011 rechtskräftig.

Seit dem XX.XX.2012 wohnen die Antragsteller und das Kind gemeinsam in Kanada. Die Entscheidung des Bezirksgerichts Taipei vom XX.XX.2011 wurde durch die Provinz British Columbia/Kanada anerkannt. Darüber bestätigte die Provinz British Columbia/Kanada am XX.XX.2013, dass der Name des Kindes von A in B geändert wurde.

Den Antrag der Antragsteller auf Anerkennung dieser Entscheidung wies das Amtsgericht – Familiengericht – Frankfurt am Main mit Beschluss vom 11.11.2015, auf den Bezug genommen wird, zurück. Zur Begründung verwies es darauf, dass der Entscheidung des Bezirksgerichts Taipei vom XX.XX.2011 wegen Verstoßes gegen den innerstaatlichen ordre public die Anerkennung zu versagen sei. Sie würde zu einem Ergebnis führen, welches mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar sei. Der Mutter sei keine Möglichkeit gegeben worden, ihre Rechte im Adoptionsverfahren wahrzunehmen. Alleine eine gegebenenfalls erfolgte Beteiligung der Mutter im sorgerechtlichen Verfahren genüge nicht, um sie im Rahmen des Adoptionsverfahrens nicht zu beteiligen.

Gegen diese am 16.11.2015 zugestellte Entscheidung wenden sich die Antragsteller mit ihrer am 14.12.2015 beim Amtsgericht eingegangenen Beschwerde vom 12.12.2015, mit der sie ihren erstinstanzlichen Anerkennungsantrag weiter verfolgen. Zur Begründung verweisen sei darauf, dass ein Verstoß gegen den deutschen ordre public nicht vorläge. Das Adoptionsverfahren sei mit Wissen und im Einverständnis mit der Mutter und deren Familie eingeleitet worden.

Das beteiligte Bundesamt für Justiz hat im Rahmen seiner im Beschwerdeverfahren abgegebenen Stellungnahmen vom 22.02.2016, 13.07.2016, 23.01.2018 und 14.03.2018 auf die Bezug genommen wird, zur rechtlichen Einordnung des Anerkennungsverfahrens und zur Zulässigkeit der Beschwerde Stellung genommen und die Entscheidung des Amtsgerichts kritisch hinterfragt.

II.

I. Die Beschwerde ist nach § 5 Abs. 4 S. 2 AdWirkG statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt (§§ 58 Abs. 1, 63 Abs. 1, 64 FamFG), wobei es eines Abhilfeverfahrens (§ 68 Abs. 1 S. 1 FamFG) im Hinblick auf die nach Auffassung des Senats gegebene Anwendbarkeit des § 68 Abs. 1 S. 2 FamFG nicht bedarf (vgl. OLG Frankfurt, FamRZ 2017, 1512).

II. Die Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.

1. Die Entscheidung beruht auf § 108 Abs.2 S.3 FamFG i.V.m. § 2 Abs.1 AdWirkG. Der Anwendungsbereich des Haager Übereinkommens vom 29.05.1993 über den Schutz von Kindern und die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der internationalen Adoption (HAÜ) ist nicht eröffnet, weil Taiwan kein Vertragsstaat dieses Übereinkommens ist.

Die gesetzlichen Anerkennungsvoraussetzungen sind erfüllt.

Das Urteil des Bezirksgerichts Taipei, Republik China (Taiwan) vom XX.XX.2011 ist eine rechtskräftige ausländische Adoptionsentscheidung gem. § 1 AdWirkG. Die Antragsteller begehren die Anerkennung einer auf Grundlage des Bürgerlichen Gesetzbuches von 1929 der Republik China (Taiwan) gerichtlich ausgesprochenen Adoption. Nach taiwanesischem Recht erfolgt die Adoption durch einen privatschriftlichen Vertrag mit anschließender gerichtlicher Genehmigung.

Gem. § 108 Abs.2 S.1 FamFG sind für die Anerkennung eines Annahme als Kind die §§ 2 bis 4 AdWirkG zu beachten, wenn der Angenommene zur Zeit der Annahme das 18. Lebensjahr nicht vollendet hatte. Die Anzunehmende wurde am XX.XX.2008 geboren, die Adoption wurde am XX.XX.2011 ausgesprochen.

2. Die Anerkennung ist vorliegend nicht nach § 109 FamFG ausgeschlossen.

Ihr steht nicht entgegen, dass sie zu einem Ergebnis führt, welches mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar wäre (§ 109 Abs.1 Nr.4 FamFG). Gegenstand der Überprüfung ist hierbei, ob die Anerkennung der ausländischen Entscheidung angesichts ihres Inhalts oder der Umstände ihres Zustandekommens und des konkreten Sachverhalts gegen den ordre public verstößt (Staudinger/Henrich, BGB, § 109 FamFG, 2016 Rn.232; BGH NJW 2010, zitiert nach juris Rn.27f.; BGHZ 48, 327, zitiert nach juris Rn.15). Durchgreifende Bedenken hinsichtlich der Vereinbarkeit mit dem verfahrensrechtlichen ordre public bestehen vorliegend auch nicht deshalb, weil die leibliche Mutter im Adoptionsverfahren weder beteiligt noch gehört wurde. Art. 103 Abs. 1 GG gibt jedem an einem gerichtlichen Verfahren vor einem deutschen Gericht Beteiligten ein Recht darauf, dass ihm Gelegenheit gegeben wird, sich zu dem einer gerichtlichen Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt vor Erlass der Entscheidung zu äußern. Mittelbar ist die Anerkennung dieses Grundsatzes in Verfahren vor ausländischen Gerichten insoweit gesichert, als er als tragender Rechtsgrundsatz des deutschen Verfahrensrechts zum deutschen ordre public gehört und deshalb seine Nichtbeachtung durch ein ausländisches Gericht die Nichtanerkennung des Urteils dieses Gerichts in Deutschland nach sich zieht (BGHZ 48, 327, zitiert nach juris Rn.10). Jedoch kann aufgrund des verfahrensrechtlichen ordre public der Entscheidung eines ausländischen Gerichts die Anerkennung nicht schon deshalb versagt werden, weil sie in einem Verfahren erlassen worden ist, das von zwingenden Vorschriften des deutschen Verfahrensrechts abweicht. Ein Versagungsgrund für die Anerkennung ist vielmehr nur dann gegeben, wenn das Urteil des ausländischen Gerichts aufgrund eines Verfahrens ergangen ist, das von den Grundprinzipien des deutschen Verfahrensrechts in einem solchen Maße abweicht, dass nach der deutschen Rechtsordnung das Urteil nicht als in einem geordneten, rechtsstaatlichen Verfahren ergangen angesehen werden kann (Staudinger/Henrich, BGB, § 109 FamFG, 2016 Rn.293; Staudinger/Henrich, BGB, 2014, Art.22 EGBGB, zitiert nach juris Rn. 22; BGH NJW 1978, 1114, zitiert nach juris Rn.20; BGHZ 118, 312, zitiert nach juris Rn.32). Die Anerkennung der Entscheidung müsste ein Ergebnis zur Folge haben, das den Kernbestand der inländischen Regelung antastet (BT-Drs. 10/504, 42). Es kommt daher darauf an, ob die Art und Weise, wie der ausländische Richter im Einzelfall verfahren ist, den Prinzipien zuwiderläuft, auf denen Art. 103 Abs. 1 GG beruht. Demnach ist auf die Grundwerte zurückzugehen, die Art. 103 Abs. 1 GG schützen will. Dies ist einmal das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit, das grundsätzlich verbietet, eine Entscheidung zu treffen, bevor der Betroffene Gelegenheit hatte, sich zu äußern. Dies setzt voraus, dass der Betroffene von dem Sachverhalt und dem Verfahren, in dem dieser verwertet werden soll, überhaupt Kenntnis erhält. Art. 103 Abs. 1 GG schützt ferner in dem besonderen Fall eines gerichtlichen Verfahrens die Unantastbarkeit der Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 S. 1 GG). Diese wäre verletzt, wenn einem Verfahrensbeteiligten nicht die Rolle eines Verfahrenssubjekts eingeräumt würde, das aktiv die Gestaltung des Verfahrens beeinflussen kann, sondern nur die Rolle eines passiven Verfahrensobjekts, mit dem im gerichtlichen Verfahren etwas geschieht (BVerfG FamRZ 2008, 243, zitiert nach juris Rn.12; BGHZ 48, 327, zitiert nach juris Rn.14; BGH NJW 1978, 1114, zitiert nach juris Rn.20).

a. Das Verfahren, in welchem das Bezirksgerichts Stadt3 (Taiwan)/China zu dem Ausspruch der Adoption am XX.XX.2011 gelangte, verstößt nach diesen Maßstäben nicht gegen die Grundwerte des Art.103 Abs.1 GG. Unter Berücksichtigung der weitergehenden, im Beschwerdeverfahren festgestellten Abläufe, kann nicht angenommen werden, dass nach der deutschen Rechtsordnung das Urteil nicht als in einem geordneten, rechtsstaatlichen Verfahren ergangen angesehen werden könnte, weil der Kernbestand des Art. 103 Abs.1 GG angetastet würde.

Das Bezirksgericht Stadt3 (Taiwan)/China hat in Rahmen von gerichtlichen Verfahren sowohl den Bedarf nach einer gesetzlichen Vertretung der Mutter wie auch der Erforderlichkeit des Entzugs der elterlichen Sorge angenommen und durch Entscheidungen vom XX.XX.2009 und XX.XX.2009 ausgesprochen. Es liegen keine Anhaltspunkte vor, wonach das gewählte Verfahren gegen den ordre public verstieß. Insoweit kann vermutet werden, dass sich der ausländische Richter an sein Verfahrensrecht gehalten hat. Folglich ist dieses zu bewerten, bis nachgewiesen ist, dass er davon abgewichen ist (Staudinger/Henrich, BGB, § 109 FamFG, 2016 Rn.236, 294).

aa. Im Bereich des Betreuungsrechts begegnet das taiwanesische Verfahrensrecht insoweit keinen Bedenken, als gem. § 1111a des Bürgerlichen Gesetzbuches von 1929 bei der Bestellung eines Vormunds für Volljährige der Wille des Mündels zu beachten ist. Gleiches gilt nach §§ 1113, 1113a, 1098 des Bürgerlichen Gesetzbuchs von 1929 bei der Bestellung eines besonderen Vertreters. Nach den vom ausländischen Richter anzuwendenden Verfahrensvorschriften ist daher anzunehmen, dass sie ihren Willen im Betreuungsverfahren einbringen konnte und ihr Gehör gewährt wurde.

bb. Darüber hinaus wurde die leibliche Mutter in dem sorgerechtlichen Prozess, der dem Adoptionsverfahren voran ging, ordnungsgemäß beteiligt und ihr rechtliches Gehör gewährt. Durch rechtskräftiges Urteil des Bezirksgerichts Stadt3 (Taiwan)/China vom XX.XX.2009 im Verfahren zu Az. …/ 2009 wurde ihr die elterliche Sorge entzogen und die Vormundschaft eines Vertreters des Landkreises angeordnet. Ausweislich der Entscheidungsgründe dieses Urteils wurde sie in jenem Verfahren durch ihren Vater vertreten. Wie vorstehend ausgeführt, wurde dieser von dem gleichen Gericht als zuvor als deren Vertreter bestellt. Er wurde nachfolgend im sorgerechtlichen Verfahren beteiligt, äußerte sich zu dem Entzug der elterlichen Sorge und stimmte den Anträgen des Jugendamts zu. Darüber hinaus äußerte sich die Mutter auch persönlich zu dem Entzug der elterlichen Sorge. Ausweislich der Entscheidungsgründe des Urteils vom XX.XX.2009 stellte sie, während sie sich im Krankenhaus3 aufhielt, am 17.09.2008 unter Brief Nr. … und am 02.09.2009 unter Brief Nr. … des Sozialamtes der Landkreisregierung Taipei gegenüber dieser Behörde den Antrag, dass der Landkreis Taipei Vormundschaftsmaßnahmen hinsichtlich ihres Kindes ergreifen solle. Diese Ausführungen stehen im Einklang mit dem von den Beteiligten zu 1. und zu 2. eingereichten Einzelfallbericht des Sozialzentrums für Stadt4 und Stadt5 der Sozialbehörde der Stadt New Taipei City. In ihm wird vermerkt, dass die leibliche Mutter in dieser Klinik einen dahingehenden Antrag im September 2008 stellte. Darüber hinaus war bereits in diesem Verfahren die Adoption und die damit verbundenen Beendigung der verwandtschaftlichen Verhältnisse Gegenstand des Gesprächs. In vorgenannten Bericht der Sozialbehörde wird dargelegt, dass sie gegenüber der Mitarbeiterin des Jugendamts in die Adoption des Kindes einwilligte. Am gleichen Tage beriet sie sich zudem mit ihrem Vater und bestätigte daraufhin wiederholt die Freigabe des Kindes zur Adoption. Schließlich erklärte sie im Dezember 2008 gegenüber ihrem Vater, der sie im Gefängnis besuchte, die Freigabe des Kindes zur Adoption.

cc. Vor diesem Hintergrund vermag der Umstand, dass der leiblichen Mutter im Adoptionsverfahren nicht erneut Gelegenheit zur Äußerung gegeben wurde, nicht die Annahme zu begründen, dass das Urteil nicht als in einem geordneten, rechtsstaatlichen Verfahren ergangen angesehen werden könnte. Denn die Grundwerte, deren Schutz Art. 103 Abs. 1 GG erstrebt, wurden bei der Verfahrensgestaltung insoweit gewahrt.

(1) Eine Versagung der Anerkennung ist nicht deshalb angezeigt, weil die Mutter im Adoptionsverfahren nicht förmlich beteiligt wurde. In der vorliegenden Fallgestaltung sieht das taiwanesische Recht eine Beteiligung der Mutter nicht vor. Nach Art. 1076 des Bürgerlichen Gesetzbuches von 1929 war ihre Zustimmung nicht erforderlich, weil sie die Rechte und Pflichten für das Kind nicht ausüben kann und die Interessen des Kindes nicht beschützt hat. In den Entscheidungsgründen des sorgerechtlichen Urteils des Bezirksgerichts Stadt3 (Taiwan)/China vom XX.XX.2009 im Verfahren zu Az. …/ 2009 wird dargelegt, dass das Gericht davon überzeugt ist, dass diese Voraussetzungen gegeben sind. Die fehlende formale Beteiligung der Mutter steht bereits deshalb nicht im Widerspruch zu den Grundwerten des Art. 103 Abs.1 GG, weil -wie das Amtsgericht zutreffend ausführt- auch das deutsche Adoptionsrecht Fallgestaltungen vorsieht, in denen eine Einwilligung eines Elternteiles entbehrlich ist. Nach § 1747 Abs.4 BGB ist die Einwilligung eines Elternteils nicht erforderlich, wenn er zur Abgabe der Erklärung außer Stande ist. Er ist dann nach § 188 Abs.1 Nr.1 b. FamFG weder materiell noch formell am Adoptionsverfahren zu beteiligen (MüKo/Mauer, FamFG, 2. Aufl., § 188, Rn.10; Keidel/Engelhardt, FamFG, 19. Aufl., § 188, Rn.3, BGH FamRZ 2015, 828, zitiert nach juris Rn.23).

(2) Die leibliche Mutter hatte Gelegenheit, sich vor der gerichtlichen Entscheidung zum Verfahrensgegenstand zu äußern. Wie vorstehend ausgeführt äußerte sie sich im Rahmen des sorgerechtlichen Verfahrens zu der Adoption und willigte in diese ein. Neben Vorgenanntem ist insoweit auch die Protokollübersicht der „Erbrachten Leistungen in der Freigabe zur Adoption- September bis Oktober 2011“ der betreuenden Einrichtung des Kindes zu berücksichtigen. Dieser ist zu entnehmen, dass in dem gerichtlichen Adoptionsverfahren in einer Anhörung am 04.10.2011 von der zuständigen Sozialarbeiterin des Jugendamts gegenüber dem Gericht ausgeführt wurde, dass die gesamte Familie der Betroffenen über die Adoption unterrichtet sei. Diese wollten jedoch nicht in Erscheinung treten, um sich an den damit verbundenen Angelegenheiten nicht beteiligen zu müssen. Bei Würdigung des ausländischen Verfahrens ist zudem zu beachten, dass es auch das nationalen Verfahrensrecht ermöglicht, von einer Anhörung eines leiblichen Elternteiles im Adoptionsverfahren abzusehen, sofern er nach § 1747 Abs.4 S.1 BGB zur Abgabe der Erklärung dauerhaft außerstande ist (vgl. BGH FamRZ 2015, 828, zitiert nach juris Rn.23). Vor dem Hintergrund der festgestellten psychischen Erkrankungen der Mutter vermag das Absehen von ihrer wiederholten Anhörung im Adoptionsverfahren jedenfalls die Rechtsstaatlichkeit des konkreten Verfahrens nicht in Zweifel zu ziehen.

b. Schließlich war zu berücksichtigen, dass der Sachverhalt lediglich einen schwachen Inlandsbezug aufweist. Nicht nur bei Art 6 EGBGB, sondern auch bei § 109 Abs. 1 Nr. 4 FamFG ist für das Eingreifen des ordre public eine Inlandsbeziehung erforderlich. Dies gilt nicht nur für den materiell-rechtlichen ordre public, der ohnehin enge Verwandtschaft zu dem international-privatrechtlichen aufweist, sondern auch für den verfahrensrechtlichen. Zwischen der Intensität der Binnenbeziehung und der für das Eingreifen des ordre public nötigen Erheblichkeit der Abweichung von deutschen Grundwerten besteht eine umgekehrte Proportionalität, so dass die Abweichung umso größer sein darf, je schwächer die Binnenbeziehung ist und umgekehrt (Staudinger/Henrich, BGB, 2016, § 109 FamFG Rn.256f.). Der Inlandsbezug des Verfahrens ist ausschließlich über die (auch) deutsche Staatsangehörigkeit der weiteren Beteiligten zu 1. vermittelt und daher nur schwach ausgebildet. Die Annehmenden besitzen die kanadische Staatsangehörigkeit, der Anzunehmende erwarb mit der Geburt die chinesische Staatsangehörigkeit, er wohnt gemeinsam mit den Beteiligten seit März 2012 in Kanada. Die kanadischen Gerichte haben die Adoptionsentscheidung des Bezirksgerichts Taipei, Republik China (Taiwan) vom XX.XX.2011 bereits anerkannt. Die Beteiligten erstreben darüber hinaus eine Anerkennung in Deutschland, weil die Beteiligte zu 1. auch deutsche Staatsangehörigkeit ist. Eine über diesen Aspekt hinausgehende Verbindung zum Inland besteht jedoch nicht.

c. Weitere Aspekte, welche der Anerkennung der Entscheidung entgegenstehen könnten, sind nicht ersichtlich.

3. Nach § 108 Abs.2 S.3 FamFG i.V.m. § 2 Abs.2 S.1 Nr.1 AdWirkG war auszusprechen, dass das Eltern-Kind Verhältnis zu den bisherigen Eltern des Kindes erloschen ist und das Annahmeverhältnis einem nach deutschen Sachvorschriften begründeten Annahmeverhältnis gleichsteht. In Bezug auf minderjährige Kinder wird im taiwanesischem Recht von einer Volladoption ausgegangen, da das Kindschaftsverhältnis nach § 1077 Abs.2, 1083 des Bürgerlichen Gesetzbuchs von 1929 zwischen den angenommenen Kind und seinen leiblichen Eltern während der Dauer des Annahmeverhältnisses ruht (Bergmann/Ferid/Henrich/Altenburger, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, 2014, Lieferung, Republik China (Taiwan), S.85).

4. Der Senat hat -ebenso wie das Amtsgericht- von einer persönlichen Anhörung des Kindes nach § 5 Abs. 3 S. 2 AdWirkG i.V.m. § 159 FamFG abgesehen, weil die Anerkennung der taiwanesischen Entscheidung lediglich von rechtlichen Erwägungen hinsichtlich der Verfahrensgestaltung abhing, die durch einen persönlichen Eindruck des zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Adoption drei Jahre alten Kinds nicht hätten beeinflusst werden können (vgl. OLG Nürnberg, Beschluss v. 27.10.2015, Az. 7 UF 718/15, zitiert nach juris Rn.48; OLG Celle FamRZ 2012,1226, zitiert nach juris Rn.21, OLG Frankfurt ZKJ, 2009, 376, zitiert nach juris Rn.19).

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 81 Abs.1 FamFG; die Wertfestsetzung aus § 42 Abs. 2 und 3 FamGKG.

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