OLG Frankfurt am Main, 11.12.2017 – 8 W 18/17

März 19, 2019

OLG Frankfurt am Main, 11.12.2017 – 8 W 18/17
Leitsatz:

Das rechtliche Interesse im Sinne von § 485 Abs. 2 ZPO an der Feststellung des Zustandes einer Person oder der Ursache eines Personenschadens muss sich auf das Rechtsverhältnis zwischen Antragsteller und Antragsgegner beziehen.
Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin werden der Beschluss der 14. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 19. Januar 2017 sowie der Nichtabhilfebeschluss vom 27. März 2017 unter Zurückweisung der sofortigen Beschwerde im Übrigen teilweise abgeändert.

Es ist ein schriftliches Sachverständigengutachten über folgende Fragen einzuholen:

1.

Stammt die Sputumprobe, die laut Antragsgegnerin vom 24. November 2015 datiert und deren Untersuchung durch Mikroskopie einen negativen Befund hatte, die Kultur aber einen Nachweis auf Mycobakterium tuberculosis enthalten soll, nachweislich von der Antragstellerin?
2.

Sind die drei Sputumproben, die laut der Antragsgegnerin in der Zeit vom 25. November – 27. November 2015 bei der Antragstellerin genommen wurden, und die mikroskopisch negativ waren, auch in der Kultur mit negativem Befund gewesen?
3.

Wenn dies der Fall sein sollte, wie ist es dann möglich, dass die Sputumprobe, die vom 24. November 2015 datieren soll, in der Kultur positiv gewesen sein könnte, wenn sie denn von der Antragstellerin stammen würde?
4.

Ist vor diesem Hintergrund eine Verunreinigung oder eine Verwechselung der Probe, die vom 24. November 2015 stammen soll, vorstellbar?
5.

Wie ist vor dem Hintergrund der negativen Befunde der Proben und der Röntgenuntersuchungsergebnisse die Wahrscheinlichkeit einer möglichen Infektion der Antragstellerin mit TBC im November 2015 zu beurteilen?
9.

Ist mit Spätfolgen durch die medikamentöse Behandlung zu rechnen?

Die weiter erforderlichen Anordnungen und Maßnahmen werden dem Landgericht übertragen.

Im Übrigen wird der Antrag auf Anordnung eines selbständigen Beweisverfahrens zurückgewiesen.
Gründe

I.

Die Antragstellerin beantragt die Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens im selbständigen Beweisverfahren.

Sie stellte sich am 23. November 2015 bei ihrer Hausärztin, Frau A, vor, da sie an diesem Tage und vier Tage zuvor jeweils etwas Blut im Mund hatte.

Am 23. November 2015 wurde der Thorax der Antragstellerin geröntgt und eine Sputumprobe genommen. In dem Arztbrief des Facharztes für Radiologie B von diesem Tage (Anlage 1, Bl. 15 d. A.) heißt es unter der Überschrift „Beurteilung“ u. a.: „Dringend abklärungsbedürftige Verschattung rechts apikal. Der Befund ist hochverdächtig für das Vorliegen einer TB. Weitere gezielte bakteriologische Abklärung […] empfohlen“.

Frau A wies die Antragstellerin sodann in die Klinik der Antragsgegnerin ein. Dort befand sich die Antragstellerin vom 24. bis zum 30. November 2015 auf der Station Innere Medizin II.

Am ersten Tage ihres dortigen Aufenthalts legte die Antragstellerin die ihr von ihrer Hausärztin überlassene Sputumprobe vor.

In der Klinik der Antragsgegnerin wurden drei weitere Sputum-Untersuchungen vorgenommen, welche ausweislich des Arztbriefes der Antragsgegnerin vom 30. November 2015 (Bl. 27 d. A.) alle ein negatives Ergebnis zeigten.

Das Medizinische Versorgungszentrum Labor C und Kollegen in Stadt1 meldete „gemäß §§ 7, 8, 9 Infektionsschutzgesetz“ mit Schreiben vom 10. Dezember 2015 (Bl. 16 d. A.) dem Gesundheitsamt der Stadt2, dass bei der Antragstellerin eine Erkrankung „durch: Mycobacterium tuberculosis“ bestehe. Als „Abnahmedatum“ der Probe („Sputum 1“) ist der 24. November 2015 genannt.

Das Gesundheitsamt der Stadt2 wandte sich daraufhin mit Schreiben vom 11. Dezember 2015 (Anlage 4, Bl. 30 d. A.) an die Antragstellerin und bat für den Fall, dass diese sich gegen eine erneute stationäre Behandlung entscheide, um Vorsprache im Gesundheitsamt am 14. Dezember 2015.

Mit einer Erklärung vom 15. Dezember 2015 (Anlagen 5 und 6, Bl. 31 f. d. A.) verpflichtete sich die Antragstellerin gegenüber dem Gesundheitsamt der Stadt2, sich ambulant behandeln zu lassen. Einen Tag später begann die Antragstellerin eine ambulante antituberkulotische Chemotherapie.

In der Folgezeit litt die Antragstellerin ausweislich des Arztbriefes der Krankenhaus D GmbH vom 19. Februar 2016 (Bl. 43 f. d. A.) u. a. unter einer Leukopenie und Fieber.

Die Antragstellerin hegt den Verdacht, dass sie möglicherweise gar nicht an TBC erkrankt gewesen sei und die gesamte Folgebehandlung möglicherweise vollkommen unnötig gewesen sein könnte. Es bestehe der Verdacht, dass „die nicht eindeutig zuzuordnende Probe vom 24. November 2015“ entweder beim Anlegen der Kultur verunreinigt oder aber verwechselt worden sei.

Vor diesem Hintergrund hat die Antragstellerin folgende Beweisfragen formuliert:

Beweisfrage Nr. 1: „Stammt die Sputumprobe, die laut Antragsgegnerin vom 24. November 2015 datiert und deren Untersuchung durch Mikroskopie einen negativen Befund hatte, die Kultur aber einen Nachweis auf Mycobakterium tuberculosis enthalten soll, nachweislich von der Antragsgegnerin?“

Beweisfrage Nr. 2: „Sind die drei Sputumproben, die laut der Antragsgegnerin in der Zeit vom 25. November – 27. November 2015 bei der Antragstellerin genommen wurden, und die mikroskopisch negativ waren, auch in der Kultur mit negativem Befund gewesen?“

Beweisfrage Nr. 3: „Wenn dies der Fall sein sollte, wie ist es dann möglich, dass die Sputumprobe, die vom 24. November 2015 datieren soll, in der Kultur positiv gewesen sein könnte, wenn sie denn von der Antragstellerin stammen würde?“

Beweisfrage Nr. 4: „Ist vor diesem Hintergrund eine Verunreinigung oder eine Verwechselung der Probe, die vom 24. November 2015 stammen soll, vorstellbar?“

Beweisfrage Nr. 5: „Wie ist vor dem Hintergrund der negativen Befunde der Proben und der Röntgenuntersuchungsergebnisse die Wahrscheinlichkeit einer möglichen Infektion der Antragstellerin mit TBC im November 2015 zu beurteilen?“

Beweisfrage Nr. 6: „War unter Berücksichtigung aller Aspekte die Überprüfung und das Vorgehen durch das Gesundheitsamt angemessen?“

Beweisfrage Nr. 7: „War unter Berücksichtigung aller Aspekte die erfolgte medikamentöse Behandlung der Antragstellerin angemessen, auch unter Berücksichtigung der erheblichen gesundheitlichen Einschränkungen und Gefährdungen?“

Beweisfrage Nr. 8: „Wäre die medikamentöse Behandlung auch angemessen gewesen, wenn sich erwiesen hätte, dass die Probe vom 24. November 2015 nicht von der Antragstellerin stammte bzw. verunreinigt worden wäre?“

Beweisfrage Nr. 9: „Ist mit Spätfolgen durch diese medikamentöse Behandlung zu rechnen?“

Die Antragsgegnerin hat der Durchführung des selbständigen Beweisverfahrens nicht zugestimmt und darüber hinaus die Auffassung vertreten, dass die formulierten Beweisfragen unzulässig seien. Wegen der näheren Einzelheiten wird auf den Anwaltsschriftsatz vom 25. August 2016 (Bl. 61 ff. d. A.) Bezug genommen.

Mit Beschluss des Landgerichts Frankfurt am Main vom 19. Januar 2017 (Bl. 86 ff. d. A.) hat dieses „den Antrag auf Eröffnung eines selbständigen Beweisverfahrens“ zurückgewiesen. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, dass die Anträge unzulässig seien, da die Voraussetzungen des § 485 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3, Satz 2 ZPO nicht vorlägen.

Die Beweisfrage Nr. 1 sei unzulässig. Weder drohe gemäß § 485 Abs. 1 ZPO ein Verlust eines Beweismittels noch seien die Voraussetzungen des § 485 Abs. 2 ZPO erfüllt, denn es fehle an einem rechtlichen Interesse.

§ 485 Abs. 2 ZPO setze voraus, dass die Beantwortung einer fachlichen Frage, hier einer fachmedizinischen Frage, zur Vermeidung eines Rechtsstreits dienen könne. Würde der Sachverständige die rein tatsächliche Feststellung treffen, dass die Sputumprobe nicht von der Antragstellerin stamme, so wäre damit nach Ansicht des Landgerichts noch nicht festgestellt, dass eine Verwechslung der Probe im Verantwortungsbereich der Antragsgegnerin stattgefunden hätte.

Auch die Beweisfrage Nr. 2 sei unzulässig. Die Antragstellerin begehre mit dieser Frage lediglich Erläuterungen, aber keine Klärung des Zustandes einer Sache oder einer Person oder eines Ursachenzusammenhangs, abgesehen davon, dass die Antragsgegnerin auf S. 2 des Anwaltsschriftsatzes vom 25. August 2016 dargelegt habe, dass in der angelegten Kultur das Myobacterium tuberculosis gewachsen sei.

Die Beweisfrage Nr. 3 sei unzulässig. Der Sachverständige solle hier lediglich zu Spekulationen angeregt werden. Eine Beweisfrage müsse aber auf die Feststellung konkreter Tatsachen zielen.

In Bezug auf die Beweisfrage Nr. 4 gelte dasselbe wie zu Beweisfrage Nr. 3.

Die Beweisfrage Nr. 5 sei unzulässig. Es drohe kein Verlust des Beweismittels und es fehle an einem rechtlichen Interesse. Da die Antragsgegnerin auf S. 2 ihres Schriftsatzes vom 25. August 2016 dargelegt habe, dass in der angelegten Kultur das Myobacterium tuberculosis gewachsen sei, handele es sich insoweit um eine hypothetische Frage, welche nicht Gegenstand eines selbständigen Beweisverfahrens sein könne.

Die Beweisfrage Nr. 6 sei ebenfalls unzulässig. Das Gesundheitsamt sei nicht Beteiligter des vorliegenden Verfahrens.

Auch die Beweisfrage Nr. 7 sei unzulässig. Laut Arztbrief vom 30. November 2015 (BI. 27 d. A.) habe die Antragsgegnerin die medikamentöse Behandlung der Antragstellerin nicht vorgenommen, so dass es jedenfalls gegenüber der Antragsgegnerin an einem rechtlichen Interesse im Sinne des § 485 Abs. 2 ZPO fehle.

In Bezug auf die Beweisfrage Nr. 8 gelte dasselbe wie zu Beweisfrage Nr. 7.

Die Beweisfrage Nr. 9 sei unzulässig. Da die medikamentöse Behandlung nicht durch die Antragsgegnerin vorgenommen worden sei, bestehe von vorneherein kein rechtliches Interesse der Antragstellerin an der Beantwortung dieser Frage gegenüber der Antragsgegnerin.

Gegen diesen ihrem Prozessbevollmächtigten am 9. Februar 2017 zugestellten Beschluss wendet sich die Antragstellerin mit ihrer beim Landgericht am 16. Februar 2017 eingegangenen sofortigen Beschwerde vom selben Tage.

Sie macht u. a. geltend, dass die Beweisfragen in ihrer Gesamtheit zu verstehen seien. Ziel der Beweisfragen solle sein festzustellen, ob durch eine fehlerhafte organisatorische Einordnung/Verwechselung oder eine fehlerhafte Untersuchung der Proben letztlich auch eine falsche Diagnose hinsichtlich der Erkrankung der Antragstellerin gestellt worden sei, mit dem Ergebnis, dass diese möglicherweise völlig unnötig medikamentös behandelt und damit im Ergebnis auch letztlich ohne jeglichen nachvollziehbaren Grund in ihrer Gesundheit beschädigt worden sei.

Wegen der näheren Einzelheiten wird auf den Anwaltsschriftsatz der Antragstellerin vom 16. Februar 2017 (Bl. 97 ff. d. A.) Bezug genommen.

Das Landgericht hat der sofortigen Beschwerde mit Beschluss vom 27. März 2017 (Bl. 109 ff. d. A.) nicht abgeholfen und diese dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

II.

1. Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin ist gemäß § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO statthaft, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 569, 568 ZPO).

2. Sie hat in der Sache in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfange Erfolg (a, b, c). Im Übrigen ist die sofortige Beschwerde zurückzuweisen (d).

a. Entgegen der Ansicht des Landgerichts und der Antragsgegnerin liegen im Streitfall in Bezug auf die Fragen 1 bis 5 und 9 die Voraussetzungen des § 485 Abs. 2 ZPO vor.

Ist ein Rechtsstreit noch nicht anhängig, so kann eine Partei gemäß § 485 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Nr. 1 ZPO u. a. dann die schriftliche Begutachtung durch einen Sachverständigen beantragen, wenn sie ein rechtliches Interesse daran hat, dass die Ursache eines Personenschadens festgestellt wird. Ein rechtliches Interesse ist dabei nach § 485 Abs. 2 Satz 2 ZPO anzunehmen, wenn die Feststellung der Vermeidung eines Rechtsstreits dienen kann.

Nach dem Gesetzeswortlaut genügt bereits die abstrakte Möglichkeit der gütlichen Streitbeilegung („dienen kann“); es wird also nicht die positive Feststellung verlangt, dass ein Hauptsacheverfahren vermieden werden wird (vgl. BAG, Beschluss vom 30.09.2008 – 3 AZB 47/08, NJOZ 2009, 281, 285). Daher ist der Begriff des „rechtlichen Interesses“ im Sinne des § 485 Abs. 2 Satz 2 ZPO weit zu fassen (vgl. etwa BAG, Beschluss vom 30.09.2008 – 3 AZB 47/08, NJOZ 2009, 281, 285; OLG Oldenburg, Beschluss vom 14.05.2008 – 5 W 31/08, NJOZ 2008, 3645, 3646). Diese Voraussetzung ist im Bereich von Arzthaftungsfragen oftmals gegeben. Denn kommt der Sachverständige zu dem Ergebnis, dass kein Fehlverhalten des ärztlichen und nichtärztlichen Personals vorliegt, wird der Patient möglicherweise die beabsichtige Klage nicht erheben; anderenfalls besteht die Möglichkeit, dass er vom Haftpflichtversicherer des Arztes oder des Krankenhauses außergerichtlich klaglos gestellt wird (vgl. OLG Oldenburg, Beschluss vom 14.05.2008 – 5 W 31/08, NJOZ 2008, 3645, 3646).

Überdies ist es dem Gericht grundsätzlich verwehrt, bereits im Rahmen des selbstständigen Beweisverfahrens eine Schlüssigkeits- oder Erheblichkeitsprüfung vorzunehmen. Dementsprechend kann ein rechtliches Interesse im Regelfall nur dann verneint werden, wenn ein Rechtsverhältnis, ein möglicher Prozessgegner oder ein Anspruch nicht ersichtlich ist. Dabei kann es sich nur um völlig eindeutige Fälle handeln, in denen evident ist, dass der behauptete Anspruch keinesfalls bestehen kann (vgl. BGH, Beschluss vom 16.09.2004 – III ZB 33/04, NJW 2004, 3488; BAG, Beschluss vom 30.09.2008 – 3 AZB 47/08, NJOZ 2009, 281, 285). Allerdings muss das rechtliche Interesse im Sinne von § 485 Abs. 2 ZPO an der Feststellung des Zustandes einer Person oder der Ursache eines Personenschadens bestehen, für den eine Haftung gerade des Antragsgegners dem Antragsteller gegenüber in Betracht kommt (in diesem Sinne BGH, Beschluss vom 18.11.2015 – VII ZB 2/15, NJW 2016, 1020, 1021; KG, Beschluss vom 15.02.1999 – 25 W 6893/98, NJW-RR 2000, 513, 514; OLG Nürnberg, Beschluss vom 07.03.2011 – 12 W 456/11, NJW-RR 2011, 1216, 1217).

Nach diesen Maßstäben kann der Antragstellerin in Bezug auf die Fragen 1 bis 5 und 9 das nach § 485 Abs. 2 ZPO erforderliche rechtliche Interesse an der Feststellung der Ursache eines Personenschadens nicht abgesprochen werden. Im Einzelnen:

Die mit der Beweisfrage 1 begehrte Feststellung kann ggf. durchaus zur Vermeidung eines Rechtsstreits dienen, wobei der Senat den offensichtlichen Schreibfehler am Schluss dieser Beweisfrage korrigiert hat.

Stellt sich nämlich heraus, dass keine Verwechselung der Sputumproben vorliegt, wird die Antragstellerin voraussichtlich keine auf einen derartigen Vorwurf gestützte Hauptsacheklage gegen die Antragsgegnerin erheben. Sollte sich hingegen herausstellen, dass die auf den 24. November 2015 datierte Sputumprobe nicht von der Antragstellerin stammt, so läge der Schluss nahe, dass die Sputumprobe mit einer anderen Probe verwechselt worden ist. Der in der angefochtenen Entscheidung betonte Umstand, dass damit noch nicht festgestellt wäre, dass eine Verwechslung der Probe im Verantwortungsbereich der Antragsgegnerin stattgefunden hätte, trägt nicht die Annahme, dass deswegen ein rechtliches Interesse an dieser Feststellung von vornherein ausscheidet.

Das erforderliche rechtliche Interesse kann nämlich nicht mit der Erwägung verneint werden, eine abschließende Klärung sei durch das einzuholende Sachverständigengutachten nicht möglich, so dass weitere Aufklärungen erforderlich seien (vgl. BGH, Beschluss vom 24.09.2013 – VI ZB 12/13, NJW 2013, 3654, 3655). Das Herbeiführen einer vollständigen Entscheidungsreife ist ohnehin und naturgemäß dem Hauptsacherechtsstreit vorbehalten (s. OLG Saarbrücken, Beschluss vom 05.01.2015 – 5 W 89/14, MDR 2015, 793).

Entsprechendes gilt für die Frage 2. Es erscheint nicht von vornherein ausgeschlossen, dass die Beantwortung der Beweisfrage 2 durch einen Sachverständigen einen Rückschluss darauf zulassen könnte, ob die Probe vom 24. November 2015 verwechselt oder in unzutreffender Weise untersucht worden ist.

Auch die Beweisfrage 4 ist zulässig, da die Antragstellerin damit direkt die Frage nach einer Verunreinigung oder Verwechselung der Sputumprobe aufwirft. Entsprechendes gilt für die nur im Zusammenhang mit der Beweisfrage 4 verständliche Beweisfrage 3. Es erscheint dem Senat nicht von vornherein ausgeschlossen, dass ein Sachverständiger diese Frage beantworten kann.

Die mit der Beweisfrage 5 aufgeworfene Frage erscheint ebenfalls geeignet, der Vermeidung eines Rechtsstreits zu dienen. Die Frage zielt letztendlich darauf ab, ob der Antragsgegnerin insoweit eine falsche Befundung vorzuwerfen ist (s. auch S. 4 des Anwaltsschriftsatzes der Antragstellerin vom 16. Februar 2017, Bl. 97 d. A.). Vor diesem Hintergrund mag der Rekurs auf die „Wahrscheinlichkeit einer möglichen Infektion“ die eigentliche Fragestellung ein wenig verunklaren, doch ist es dem Senat verwehrt, die Fragestellung klarer und präziser zu formulieren, da er an die Formulierung der Beweisfragen durch die Antragstellerin gebunden ist (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 21.01.2003 – VI ZB 51/02, BGHZ 153, 302, 308).

Auch die Beantwortung der Beweisfrage 9 kann der Vermeidung eines Rechtsstreits dienen. Sollte die oder der Sachverständige insoweit etwa Feststellungen dahin treffen, dass Spätfolgen der medikamentösen Behandlung nicht zu erwarten sind, wird die Antragstellerin voraussichtlich eine etwaige Klage nicht auf die Behauptung derartiger Spätfolgen erstrecken.

Insoweit spielt es auch keine Rolle, dass die medikamentöse Behandlung der Antragstellerin durch Dritte vorgenommen worden ist: Sollte die Antragsgegnerin nämlich ihre vertraglichen Pflichten aus dem Behandlungsvertrag mit der Antragstellerin tatsächlich verletzt haben, steht einer Zurechnung etwaiger Spätfolgen der medikamentösen Behandlung nicht von vornherein im Wege, dass diese durch Dritte vorgenommen worden ist.

b. Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin ist der Antrag auf Anordnung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens in Bezug auf die Beweisfragen 1 bis 5 und 9 auch nicht deswegen unzulässig, weil eine Glaubhaftmachung seitens der Antragstellerin – etwa zu der behaupteten Verwechselung der Proben – fehle.

Da im selbständigen Beweisverfahren auf Begutachtung durch einen Sachverständigen (§ 485 Abs. 2 ZPO) der Sachvortrag der Antragstellerin hinsichtlich des Hauptanspruchs, zu dessen Geltendmachung die Begutachtung dienen soll, grundsätzlich nicht auf seine Schlüssigkeit oder Erheblichkeit zu prüfen ist (s. o.), kann er auch nicht der Glaubhaftmachung nach § 487 Nr. 4 ZPO unterliegen (vgl. OLG Oldenburg, Beschluss vom 14.05.2008 – 5 W 31/08, juris; Herget, in: Zöller, ZPO, 32. Aufl. 2017, § 487 ZPO, Rdnr. 6; Martis/Winkhart, Arzthaftungsrecht, 4. Aufl. 2014, Rdnr. B 526 f.; Huber, in: Musielak/Voit (Hrsg.), ZPO, 14. Aufl. 2017, § 487, Rdnr. 6).

c. Die weiter erforderlichen Anordnungen und Maßnahmen (Auswahl der oder des Sachverständigen etc.) werden dem Landgericht übertragen (§ 572 Abs. 3 ZPO).

d. Keinen Erfolg hat die sofortige Beschwerde hingegen, soweit sie sich gegen die Zurückweisung ihres Antrages in Bezug auf die Beweisfragen zu 6 bis 8 wendet. Diesen Anträgen stehen durchgreifende Bedenken entgegen.

Es unterliegt keinem Zweifel, dass in einem selbständigen Beweisverfahren zwischen der Antragstellerin und der Antragsgegnerin nicht durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens Beweis darüber erhoben werden kann, ob das Vorgehen des Gesundheitsamtes der Stadt2 gegenüber der Antragstellerin „angemessen“ gewesen ist.

Es wurde oben bereits darauf hingewiesen, dass sich das rechtliche Interesse im Sinne von § 485 Abs. 2 ZPO an der Feststellung des Zustandes einer Person oder der Ursache eines Personenschadens gerade auf das Rechtsverhältnis zwischen Antragsteller und Antragsgegner beziehen muss. Die von § 493 ZPO erstrebte Bindungswirkung des selbständigen Beweisverfahrens für ein späteres Prozessverfahren ist wesentlicher Bestandteil der Erwartung, dass schon das selbständige Beweisverfahren einen späteren Prozess vermeiden kann. Scheidet eine solche Bindungswirkung in Ermangelung einer Identität der Parteien des selbständigen Beweisverfahrens einerseits und des Klageverfahrens andererseits von vornherein aus, besteht auch kein hinreichendes rechtliches Interesse im Sinne des § 485 Abs. 2 ZPO an diesen Feststellungen (vgl. KG, Beschluss vom 15.02.1999 – 25 W 6893/98, NJW-RR 2000, 513, 514).

Ob das Verhalten der Stadt2 gegenüber der Antragstellerin „angemessen“ – gemeint ist wohl: rechtmäßig – gewesen ist, betrifft einzig und allein die Rechtsbeziehungen der Antragstellerin zur Stadt2. Die Antragsgegnerin hat damit nichts zu tun. Im Übrigen würde die Beweiserhebung sonst ohne die tatsächlichen Streitgegner geführt, was nach § 494 Abs. 1 ZPO nur bei Unkenntnis der Gegner zulässig wäre (vgl. KG, Beschluss vom 15.02.1999 – 25 W 6893/98, NJW-RR 2000, 513, 514). Ein solcher Fall liegt hier indes nicht vor.

Entsprechendes gilt für die Beweisfragen 7 und 8. Die medikamentöse Behandlung der Antragstellerin wurde nicht von der Antragsgegnerin, sondern von Dritten verantwortet.

e. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Eine Entscheidung über die Kosten eines Beschwerdeverfahrens im selbständigen Beweisverfahren unterbleibt nämlich, wenn die Beschwerde auch nur teilweise Erfolg hat (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 09.04.2015 – 13 W 18/15, MDR 2015, 791; Kratz; in: Vorwerk/Wolf (Hrsg.), BeckOK ZPO, Stand: 15.09.2017, § 490 ZPO, Rdnr. 6; wohl auch Herget, in: Zöller, ZPO, 32. Aufl. 2017, § 490 ZPO, Rdnr. 5). Auch in erster Instanz ist eine Kostenentscheidung nur bei einem den Antrag in vollem Umfang abweisenden Beschluss veranlasst, nicht aber bei einem Teilerfolg (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 09.04.2015 – 13 W 18/15, MDR 2015, 791; Pukall, in: Saenger (Hrsg.), ZPO, 7. Aufl. 2017, § 490, Rdnr. 11).

Die Rechtsbeschwerde ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 und 3 ZPO ersichtlich nicht vorliegen.

Soweit die sofortige Beschwerde der Antragstellerin Erfolg hat, ist eine Rechtsbeschwerde ohnehin unstatthaft. Gemäß § 490 Abs. 2 Satz 2 ZPO ist ein Beschluss, durch den dem Antrag im selbständigen Beweisverfahren stattgegeben wird, nicht anfechtbar. Gibt das Beschwerdegericht – wie hier – dem in erster Instanz zurückgewiesenen Antrag auf Durchführung des selbständigen Beweisverfahrens (teilweise) statt, ist eine dagegen gerichtete Rechtsbeschwerde daher (insoweit) unstatthaft (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 13.09.2011 – VI ZB 67/10, NJW 2011, 3371, 3372; Berger, in: Stein/Jonas, Kommentar zur Zivilprozessordnung, Band 5, 23. Aufl. 2015, § 490, Rdnr. 14).

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