OLG Frankfurt am Main, 12.05.2017 – 24 U 171/15

März 20, 2019

OLG Frankfurt am Main, 12.05.2017 – 24 U 171/15
Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Darmstadt vom 01. Oktober 2015 abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 25.779,53 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 20.04.2015 zu zahlen.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin weitere 1.267,77 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 20.04.2015 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die Hilfswiderklage wird abgewiesen

Von den Kosten des Rechtsstreits in erster Instanz tragen die Klägerin 76 % und die Beklagte 24 %. Von den Kosten des Rechtsstreits in zweiter Instanz tragen die Klägerin 60 % und die Beklagte 40 %.

Dieses Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Beide Parteien können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des gegen sie jeweils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die jeweils andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des Betrages leistet, dessen Vollstreckung sie betreibt.
Gründe

I.

Die Klägerin begehrt Rückabwicklung zweier Darlehensverträge, die sie zur Immobilienfinanzierung aufgenommen hat.

Am 04.12.2009 hat die Klägerin ein Darlehen über 119.000,00 €, Nr. 1 (Bl. 13) aufgenommen. Ihr wurde dazu am 04.12.2009 eine Widerrufsbelehrung ausgehändigt (Anlage K1/15, Bl. 27 d. A.).

Ferner wurden der Klägerin die allgemeinen „Informationen für den Verbraucher“ (Anlage K1/10, Bl. 22 ff d. A.) übergeben.

Am 06.05.2011 nahm die Klägerin ein weiteres Darlehen über 270.000,00 € auf, Nr. 2 (Anlage K1/18, Bl. 30). Unter Ziffer 14 des Darlehensvertrags befindet sich eine Widerrufsbelehrung, in der u.a. als Pflichtangaben die Angabe der Aufsichtsbehörde der Beklagten genannt ist (Bl. 34 d. A.). Die Klägerin hat vor Abschluss des Darlehensvertrags vom 06.05.2011 und unmittelbar mit diesem verbunden das Europäische Standardisierte Merkblatt (Anlage K1/33, Bl. 45 d. A.) erhalten.

Im Juni 2012 nahm die Klägerin ein weiteres Darlehen über 25.000 € bei der Beklagten auf (Anlage B1, Bl. 92 d. A.).

Mit Schreiben vom 24.06.2014 (Anlage K2, Bl. 50 d. A.) widerrief die Klägerin die Darlehen vom 04.12.2009 und 06.05.2011.

Die Klägerin meint, hinsichtlich des Darlehens vom 04.12.2009 sei die Widerrufsbelehrung nicht eindeutig, weil sie zwei verschiedene Belehrungen hinsichtlich der Widerrufsfrist erhalten habe. Hinsichtlich des Darlehens vom 06.05.2011 sei die Belehrung nicht ausreichend hervorgehoben, undeutlich und nicht klar verständlich. Wegen der weiteren Feststellungen und der erstinstanzlich gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (Bl. 159 ff d. A.) Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Hinsichtlich des Darlehens vom 04.12.2009 sei allein die von der Klägerin unterzeichnete Widerrufsbelehrung (Anlage K 1/15, Bl. 27) maßgeblich. Diese Belehrung nehme unter Angabe der Vertragsnummer ausdrücklich auf den Darlehensvertrag Bezug. Dass den „Informationen für Verbraucher“ auch eine Belehrung für Fernabsatzgeschäfte beigefügt gewesen sei, sei egal, weil vorliegend eindeutig und unstreitig kein Fernabsatzgeschäft vorgelegen habe. Außerdem sei in der von der Klägerin unterzeichneten Belehrung die Fußnote „Nicht für Fernabsatzgeschäfte“ enthalten, so dass Klägerin gewusst habe, dass die „Informationen über die Besonderheiten des Fernabsatzvertrags“ nicht einschlägig sind.

Hinsichtlich des Darlehens vom 06.05.2011 sei die Widerrufsbelehrung ausreichend hervorgehoben und übersichtlich genug. Wegen der weiteren Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Die Klägerin verfolgt mit der Berufung ihr erstinstanzliches Ziel weiter, hat aber nach Hinweis durch den Senat ihren ursprünglich auf die Feststellung, dass die Darlehensverträge wirksam widerrufen worden seien, gerichteten Klageantrag geändert und um einen hilfsweisen Leistungsantrag ergänzt. Sie hält die Widerrufsbelehrungen für fehlerhaft. Insbesondere sei die Erteilung zweier unterschiedlicher Belehrungen für das Darlehen vom 04.12.2009 verwirrend gewesen. Wegen der Einzelheiten ihres Vortrages wird insbesondere auf die Berufungsbegründung vom 15.01.2016 (Bl. 226 ff d. A.), die weiteren zweitinstanzlichen Schriftsätze einschließlich des in Bezug genommenen erstinstanzlichen Vorbringens und die Ausführungen in der mündlichen Verhandlung vom 28.03.2017 (Sitzungsniederschrift Bl. 303 ff d. A.) verwiesen.

Die Klägerin beantragt,

1.

das Urteil des Landgerichts Darmstadt vom 01.10.2015 aufzuheben,
2.

festzustellen, dass die Klägerin aus dem widerrufenen Darlehensvertrag vom 04.12.2009 mit der Nr. 1 am 24.07.2014 noch 114.332,23 € schuldete,
3.

festzustellen, dass die Klägerin aus dem widerrufenen Darlehensvertrag vom 06.05.2011 mit der Nr. 2 am 24.07.2014 noch 222.314,41 € schuldete.

Hilfsweise zu den Anträgen zu 2) und 3) beantragt die Klägerin,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 108.372,59 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 24.07.2014 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Hilfsweise für den Fall, dass der Klage ganz oder zum Teil stattgegeben wird, beantragt die Beklagte,

festzustellen, dass die Klägerin der Beklagten Wertersatz für die Gebrauchsvorteile am jeweils tatsächlich noch überlassenen Teil der Darlehensvaluta in Höhe des Vertragszinses bis zu vollständigen Rückzahlung schuldet.

Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil und wiederholt und vertieft ihren erstinstanzlichen Vortrag. Sie hält die Widerrufsbelehrungen für ordnungsgemäß und den Widerruf für rechtsmissbräuchlich nach jahrelanger Vertragsdurchführung.

Wegen der Einzelheiten wird insbesondere auf die Berufungserwiderung vom 18.04.2016 (Bl. 248 ff d. A.) und das weitere zweitinstanzliche Vorbringen einschließlich der Bezugnahmen auf den erstinstanzlichen Vortrag und die Ausführungen in der mündlichen Verhandlung vom 28.03.2017 verwiesen.

II.

Die Berufung ist zulässig, aber nur zum Teil begründet.

1. Die von der Klägerin zweitinstanzlich geänderten Hauptanträge, die auf die Feststellung gerichtet sind, dass die Klägerin der Beklagten nur die klägerseits errechneten Beträge schuldet, sind unzulässig, da die Klägerin kein Feststellungsinteresse im Sinne von § 256 Abs. 1 ZPO hat.

Die Klägerin kann und muss vielmehr vorrangig insgesamt mit der Leistungsklage gegen die Beklagte vorgehen (BGH, Urteil vom 14. März 2017 – XI ZR 442/16 -, juris, Rz. 19; BGH, Urteil vom 21. Februar 2017 – XI ZR 467/15, Rz. 13 ff.). Dem steht nicht entgegen, dass – die Umwandlung der Darlehensverträge in Rückgewährschuldverhältnisse unterstellt – eine „Saldierung“ der aus § 357 Abs. 1 Satz 1 BGB a.F. in Verbindung mit §§ 346 ff. BGB resultierenden wechselseitigen Ansprüche nicht zu einem Überschuss zu Gunsten der Klägerin führte (BGH, Urteil vom 21. Februar 2017 – XI ZR 467/15, Rz. 18). Da vorliegend ebenso wie in dem vom BGH am 14.03.2017 entschiedenen Fall nicht feststeht, dass die Parteien sich – die Wirksamkeit des Widerrufs unterstellt – über die aus dem Rückgewährschuldverhältnis resultierenden Ansprüche einig sind, sondern vielmehr streitig ist, ob und in welcher Höhe die Klägerin der Beklagten noch Wertersatz für die Gebrauchsvorteile am jeweils noch überlassenen Teil der Darlehensvaluta bis zur vollständigen Rückabwicklung schuldet, liegt eine Ausnahme vom Vorrang der Leistungsklage, wie sie Gegenstand des Urteils des BGH vom 24. Januar 2017 (XI ZR 183/15, Rz. 16: „Die Beklagte hat mit ihrer Hilfswiderklage eine Abrechnung vorgenommen, gegen die die Kläger vor dem Landgericht sachlich nichts erinnert haben. Damit ist zu erwarten, dass ein dem Feststellungsantrag rechtskräftig stattgebendes Erkenntnis zu einer endgültigen Klärung sämtlicher Streitpunkte führen wird“) war, nicht vor.

2. Der von der Klägerin hilfsweise gestellte Klageantrag auf Zahlung von 108.372,59 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 24.07.2014 ist hingegen teilweise begründet.

2.1. Darlehen vom 04.12.2009:

a) Die Belehrung (Anlage K1/15, Bl. 27 d. A.) stimmt mit der Musterbelehrung nach Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 in der vom 04.08.2009 bis 10.06.2010 geltenden Fassung überein und unterfällt daher der Gesetzlichkeitsfiktion.

b) Allerdings steht die vorgenannte Belehrung im Widerspruch zu der in den „Informationen für den Verbraucher“ enthaltenen Belehrung (Anlage K 1/10, Bl. 24 d. A.), so dass es insgesamt an einer unmissverständlichen Belehrung fehlt. Denn die Beklagte hat der Klägerin zwei sich widersprechende und damit unklare Widerrufsbelehrungen erteilt, nach denen die Widerrufsfrist entweder am 20.12.2009 (Bl. 24 d. A.) oder am 18.12.2009 (zwei Wochen ab dem 04.12.2009, Bl. 27 d. A.) endete.

Gegen die vom Landgericht vertretene Auffassung, für die Klägerin sei klar erkennbar gewesen, dass nur die Belehrung K 1/15 für sie einschlägig sei, sprechen folgende Umstände: Die Bank selbst hatte in die weitere Belehrung K 1/10 das Datum des Fristablaufs mit 20.12.2009 eingefügt, so dass durchaus der Eindruck erweckt wird, die Belehrung bezöge sich auf diesen Vertrag und nicht auf einen – unstreitig nicht vorliegenden – Fernabsatzvertrag.

Außerdem gehört die Widerrufsbelehrung optisch nicht zu dem Abschnitt „C. Informationen über die Besonderheiten des Fernabsatzes“. Während nämlich auf der vorhergehenden Seite „B“ die sich auf diesen Abschnitt beziehenden Informationen innerhalb eines Rahmens befinden, so dass sie sich insgesamt der Überschrift zuordnen lassen, ist die Widerrufsbelehrung gesondert eingerahmt und wird somit nicht der Überschrift „C. Informationen über die Besonderheiten des Fernabsatzes“ zugeordnet.

Daneben enthielten die sich allgemein auf Darlehen mit anfänglichem Festzins mit dinglicher Sicherheit beziehenden „Informationen für den Verbraucher“ – wenn die hier vorliegende Belehrung nur für Fernabsatzverträge gedacht gewesen wäre – überhaupt keine Widerrufsbelehrung. Wenn Kunden der Beklagten das Formular in dem vom Landgericht angenommenen Sinne – die Belehrung beziehe sich nur auf ein vorliegend nicht einschlägiges Fernabsatzgeschäft – verstanden hätten, hätten sie davon ausgehen müssen, dass ihnen – mangels Fernabsatzgeschäfts – gar kein Widerrufsrecht zusteht. Dann aber wäre die Klägerin von der Beklagten falsch über ihr gleichwohl bestehendes Widerrufsrecht informiert worden.

2.3. Darlehen vom 06.05.2011:

Die Widerrufsbelehrung der Beklagten zu diesem Darlehen hat die Klägerin hingegen ausreichend belehrt. Der Bundesgerichtshof hat zu der gleichlautenden Belehrung im Urteil vom 22. November 2016 – XI ZR 434/15 -, juris, Rz. 10 ff, ausgeführt:

„Zu Recht ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass den Klägern bei Abschluss des Darlehensvertrags im August 2010 gemäß § 495 Abs. 1 BGB in Verbindung mit § 355 BGB in der zwischen dem 11. Juni 2010 und dem 12. Juni 2014 geltenden Fassung ein Widerrufsrecht zustand und die Widerrufsfrist nach § 495 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b BGB in der hier nach Art. 229 § 32 Abs. 1, § 38 EGBGB weiter maßgeblichen, zwischen dem 30. Juli 2010 und dem 12. Juni 2014 geltenden Fassung (künftig: aF) nicht begann, bevor die Kläger die Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB in der seit dem 30. Juli 2010 geltenden Fassung erhalten hatten. Zu diesen Pflichtangaben gehörte nach § 492 Abs. 2 BGB in Verbindung mit Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 1 und 2 EGBGB – hier: in der zwischen dem 11. Juni 2010 und dem 3. August 2011 geltenden Fassung – und Art. 247 § 9 Abs. 1 Satz 1 und 3 EGBGB in der zwischen dem 11. Juni 2010 und dem 20. März 2016 geltenden Fassung (künftig: aF) die Erteilung einer wirksamen Widerrufsinformation.

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2. Im Ergebnis richtig ist weiter die Annahme des Berufungsgerichts, die Beklagte habe die Kläger wirksam über das ihnen zustehende Widerrufsrecht informiert.

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a) In Übereinstimmung mit dem Senatsurteil vom 23. Februar 2016 (XI ZR 101/15, WM 2016, 706 Rn. 24 ff., zur Veröffentlichung bestimmt in BGHZ), das dasselbe Formular des A-Verlags betraf, hat das Berufungsgericht geurteilt, die äußere Gestaltung der Widerrufsinformation habe den gesetzlichen Anforderungen genügt.

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b) Die Widerrufsinformation unterrichtete die Kläger auch zureichend über den Beginn der Widerrufsfrist.

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aa) Sinn und Zweck des Widerrufsrechts ist es, den Verbraucher vor einer übereilten Bindung an seine auf Abschluss des Darlehensvertrags gerichtete Willenserklärung zu schützen. Ihm soll deshalb bei Entscheidungen mit erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung und Tragweite wie dem Abschluss eines Verbraucherdarlehensvertrags Gelegenheit gegeben werden, den Vertragsabschluss noch einmal zu überdenken. Widerrufsangaben müssen deshalb umfassend, unmissverständlich und für den Verbraucher eindeutig sein. Der Verbraucher soll durch sie nicht nur von seinem Widerrufsrecht Kenntnis erlangen, sondern auch in die Lage versetzt werden, dieses auszuüben. Leitbild ist für das hier maßgebliche Recht, das vollharmonisiertes Unionsrecht umsetzt, der normal informierte, angemessen aufmerksame und verständige Verbraucher (Senatsurteil vom 23. Februar 2016 – XI ZR 101/15, WM 2016, 706 Rn. 32 ff.).

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bb) Ein normal informierter, angemessen aufmerksamer und verständiger Verbraucher konnte die Bedingungen, unter denen die Widerrufsfrist anlaufen sollte, aus der von der Beklagten erteilten Widerrufsinformation erschließen.

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(1) Auch für sich klar und verständlich ist die Wendung, die Widerrufsfrist beginne „nach Abschluss des Vertrags, aber erst, nachdem der Darlehensnehmer alle Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB […] erhalten hat“ (so auch OLG Düsseldorf, Beschluss vom 9. Juni 2015 – I-16 U 151/14, juris Rn. 11 a.E.; OLG Hamm, Beschluss vom 2. März 2016 – 31 U 7/16, juris Rn. 13; Beschluss vom 7. März 2016 – 31 U 15/16, juris Rn. 15; OLG Stuttgart, Beschluss vom 16. November 2015 – 6 U 171/15, juris Rn. 35 ff. mit Beschluss vom 21. Dezember 2015 – 6 U 171/15, juris Rn. 10; Urteil vom 17. Mai 2016 – 6 U 163/15, juris Rn. 41; Urteil vom 24. Mai 2016 – 6 U 222/15, juris Rn. 44 ff.; Urteil vom 11. Oktober 2016 – 6 U 78/16, juris Rn. 30 ff.; dagegen OLG Koblenz, Beschluss vom 15. Oktober 2015 – 8 U 241/15, juris Rn. 27; OLG München, Urteil vom 21. Mai 2015 – 17 U 334/15, juris Rn. 33 f.; OLG Nürnberg, Urteil vom 1. August 2016 – 14 U 1780/15, juris Rn. 96 ff.; offen OLG Düsseldorf, Urteil vom 22. Januar 2016 – I-17 U 83/15, juris Rn. 21).

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(a) Mit der Passage „nach Abschluss des Vertrags“ übernahm die Beklagte den Gesetzestext aus § 495 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a BGB aF. Eine weitere Präzisierung oder Paraphrasierung des dort gemeinten Zeitpunkts konnte von ihr nicht verlangt werden (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 7. März 2016 – 31 U 15/16, juris Rn. 14; a.A. OLG Koblenz, Beschluss vom 15. Oktober 2015 – 8 U 241/15, juris Rn. 28). Der Unternehmer muss nicht genauer formulieren als der Gesetzgeber selbst (Senatsbeschluss vom 27. September 2016 – XI ZR 309/15, juris Rn. 8). Insoweit liegt der Fall anders als der, der Gegenstand des Senatsurteils vom 24. März 2009 (XI ZR 456/07, WM 2009, 1028 Rn. 14) war.

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(b) Ebenso klar und verständlich ist die Bezugnahme der Beklagten auf § 492 Abs. 2 BGB.

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Eine Verweisung auf eine konkret bezeichnete gesetzliche Vorschrift stellt, wie der Senat für den vergleichbaren Fall einer Verweisung auf § 31d WpHG in Allgemeinen Geschäftsbedingungen einer Bank entschieden hat, keinen Verstoß gegen das Transparenzgebot dar (Senatsurteil vom 14. Januar 2014 – XI ZR 355/12, BGHZ 199, 355 Rn. 26 ff.). Das gilt insbesondere dann, wenn der Gesetzestext – wie in dem vom Senat entschiedenen Fall das Wertpapierhandelsgesetz und hier das Bürgerliche Gesetzbuch und Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuche – für jedermann ohne weiteres zugänglich ist. Ohne solche Verweisungen könnten allzu detaillierte, unübersichtliche, nur schwer durchschaubare oder auch unvollständige Klauselwerke entstehen. Es überspannte die Anforderungen des Verständlichkeitsgebots, verlangte man den gesonderten Abdruck oder die Aushändigung einer für den Geschäftszweig geltenden Vorschrift, die der Kunde unschwer einsehen kann.

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Diese im Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen geltenden Grundsätze sind auf vorformulierte Widerrufsbelehrungen und Widerrufsinformationen der hier in Rede stehenden Art, die nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. Senatsurteil vom 6. Dezember 2011 – XI ZR 401/10, WM 2012, 262 [BGH 06.12.2011 – XI ZR 401/10] Rn. 22 f. mwN) Allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne des § 305 BGB sind, übertragbar.

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(2) Die Information zum Beginn der Widerrufsfrist leidet in ihrer Klarheit und Verständlichkeit auch nicht aufgrund des Umstands, dass die Beklagte den Regelungsgehalt des § 492 Abs. 2 BGB anhand von Beispielen erläuterte (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 9. Juni 2015 – I-16 U 151/14, juris Rn. 11 a.E.; OLG Hamm, Beschluss vom 2. März 2016 – 31 U 7/16, juris Rn. 13; Beschluss vom 7. März 2016 – 31 U 15/16, juris Rn. 15 ff.; OLG Stuttgart, Beschluss vom 16. November 2015 – 6 U 171/15, juris Rn. 35 ff.; Urteil vom 17. Mai 2016 – 6 U 163/15, juris Rn. 41; Urteil vom 24. Mai 2016 – 6 U 222/15, juris Rn. 46 ff.; Urteil vom 11. Oktober 2016 – 6 U 78/16, juris Rn. 30 ff.; a.A. OLG Koblenz, Beschluss vom 15. Oktober 2015 – 8 U 241/15, juris Rn. 27; OLG München, Urteil vom 21. Mai 2015 – 17 U 334/15, juris Rn. 33 f.; OLG Nürnberg, Urteil vom 1. August 2016 – 14 U 1780/15, juris Rn. 97).

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Aus der Gesetzgebungsgeschichte und den Materialien der zum 30. Juli 2010 in Kraft getretenen Änderungen des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche ergibt sich, dass der Gesetzgeber selbst eine Erläuterung des Gehalts des § 492 Abs. 2 BGB anhand von Beispielen für sinnvoll erachtete (BT-Drucks. 17/1394, S. 25 f. und BT-Drucks. 17/2095, S. 17). Das entspricht dem im Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen geltenden Grundsatz, dass Beispiele den Regelungsgehalt einer Klausel erläutern und verständlich machen können (vgl. BGH, Urteil vom 22. November 2000 – IV ZR 235/99, NJW 2001, 1132, 1134 [BGH 22.11.2000 – IV ZR 235/99]). Eine nicht nur beispielhafte, sondern auf Vollständigkeit bedachte Auflistung der Pflichtangaben führte dagegen dazu, dass dem Verbraucher anstelle der von der Richtlinie 2008/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2008 über Verbraucherverträge und zur Aufhebung der Richtlinie 87/102/EWG des Rates (ABl. L Nr. 133 vom 22. Mai 2008, S. 66) geforderten knappen und prägnanten eine redundante und kaum mehr lesbare „Information“ erteilt werden müsste (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 2. März 2016 – 31 U 7/16, juris Rn. 15; Beschluss vom 7. März 2016 – 31 U 15/16, juris Rn. 17; OLG Stuttgart, Beschluss vom 16. November 2015 – 6 U 171/15, juris Rn. 37; Urteil vom 24. Mai 2016 – 6 U 222/15, juris Rn. 47, 53; Urteil vom 11. Oktober 2016 – 6 U 78/16, juris Rn. 32; Hölldampf, CRP 2016, 227, 228 f.).

23

(3) Die von der Beklagten konkret ausgewählten Beispiele gingen zwar über die Pflichtangaben bei Abschluss eines Immobiliardarlehensvertrags hinaus. Die Widerrufsinformation ist deshalb aber nicht unwirksam. Vielmehr haben die Parteien das Anlaufen der Widerrufsfrist gültig von zusätzlichen Voraussetzungen abhängig gemacht.

24

(a) Im Revisionsverfahren ist davon auszugehen, dass die Parteien einen Immobiliardarlehensvertrag im Sinne des § 503 Abs. 1 BGB in der hier maßgeblichen, zwischen dem 11. Juni 2010 und dem 20. März 2016 geltenden Fassung (künftig: aF) geschlossen haben. Nicht nur hat das Berufungsgericht – ohne allerdings die Voraussetzungen des § 503 Abs. 1 BGB aF ausdrücklich zum Gegenstand seiner Prüfung zu machen – das Zustandekommen eines „Immobiliardarlehens“ bzw. eines „endfälligen Immobiliarkredit[s]“ als unstreitig festgestellt. Die Voraussetzungen des § 503 Abs. 1 BGB aF sind auch, was der Senat selbst feststellen kann (Senatsurteil vom 19. Januar 2016 – XI ZR 103/15, BGHZ 208, 278 Rn. 17), unzweifelhaft erfüllt. Aus dem zu den Akten gegebenen Vertragsformular – dort unter 4. – ergibt sich, dass „die Zurverfügungstellung des Darlehens von der Sicherung durch ein Grundpfandrecht abhängig“ war. Laut MFI-Zinsstatistik für das Neugeschäft der deutschen Banken – Wohnungsbaukredite an private Haushalte (Quelle: www.bundesbank.de) betrug der durchschnittliche effektive Jahreszins für festverzinsliche Hypothekarkredite bei Vertragsschluss auf Wohngrundstücke mit einer Laufzeit von über fünf bis zehn Jahren 3,72% p.a. und mit einer Laufzeit von über zehn Jahren 3,75% p.a. Der zwischen den Parteien vereinbarte Zins lag nur geringfügig über dem Vergleichswert der MFI-Zinsstatistik. Damit hat die Beklagte den Klägern das Darlehen zu Bedingungen gewährt, die für grundpfandrechtlich abgesicherte Verträge üblich waren.

25

(b) Bei den von der Beklagten im Anschluss an das Zitat des § 492 Abs. 2 BGB aufgeführten Beispielen handelte es sich nicht sämtlich um Pflichtangaben bei Immobiliardarlehensverträgen, so dass die Beklagte bei ihrer Auflistung die Gesetzeslage nicht richtig wiedergegeben hat.

26

Ein Verbraucherdarlehensvertrag muss nach § 492 Abs. 2 BGB die für ihn vorgeschriebenen Angaben nach Art. 247 § 6 bis 13 EGBGB enthalten. Dies umfasst nach Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 3 EGBGB Angaben zum effektiven Jahreszins, nach Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 5 EGBGB in der zwischen dem 11. Juni 2010 und dem 20. März 2016 geltenden Fassung (künftig: aF) Angaben zum einzuhaltenden Verfahren bei der Kündigung des Vertrags und nach Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 3 EGBGB aF Angaben zu der für den Darlehensgeber zuständigen Aufsichtsbehörde.

27

Nach Art. 247 § 9 Abs. 1 Satz 1 und 3 EGBGB aF galten bei Immobiliardarlehensverträgen gemäß § 503 BGB aF über § 492 Abs. 2 BGB indessen reduzierte Mitteilungspflichten. Abweichend von Art. 247 §§ 3 bis 8, 12 und 13 EGBGB in der hier maßgeblichen Fassung waren nur die Angaben nach Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 1 bis 7, 10 und 13 EGBGB sowie nach Art. 247 § 3 Abs. 4 EGBGB und nach Art. 247 § 8 EGBGB in der zwischen dem 11. Juni 2010 und dem 20. März 2016 geltenden Fassung zwingend. Der Immobiliardarlehensvertrag musste ferner wie oben ausgeführt die Angaben zum Widerrufsrecht nach Art. 247 § 6 Abs. 2 EGBGB – hier wiederum: in der zwischen dem 11. Juni 2010 und dem 3. August 2011 geltenden Fassung – enthalten. Die für die Beklagte als Darlehensgeber zuständige Aufsichtsbehörde und das einzuhaltende Verfahren bei der Kündigung des Vertrags gehörten folglich nicht zu den Pflichtangaben bei Immobiliardarlehensverträgen im Sinne des § 492 Abs. 2 BGB. Denn der Gesetzgeber wollte mit § 492 Abs. 2 BGB – wie den Gesetzesmaterialien zu entnehmen (BT-Drucks. 17/1394, S. 14) – die Pflichtangaben in Abhängigkeit „von dem jeweiligen Verbraucherdarlehensvertrag“ definieren.

28

Dieses gesetzgeberische Konzept hat die Beklagte nicht mitvollzogen. Sie hat – ersichtlich in dem Bestreben, dem gesetzgeberischen Willen zu entsprechen – die Beispielsangaben aus dem Regierungsentwurf (BT-Drucks. 17/1394, S. 8) übernommen und dabei ebenso wenig wie der Regierungsentwurf reflektiert, dass die dortige Auflistung von für bestimmte Vertragstypen irrelevanten „Pflichtangaben“ mit § 492 Abs. 2 BGB nicht in Übereinstimmung stand. Die Korrektur der Pflichtangaben durch den Rechtsausschuss des Bundestages (BT-Drucks. 17/2095, S. 17) entsprechend der ursprünglichen Intention des Regierungsentwurfs, „stets relevant[e]“ Beispiele aufzulisten (BT-Drucks. 17/1394, S. 26), hat die Beklagte nicht mehr mitvollzogen. Sie hat damit den Inhalt des § 492 Abs. 2 BGB nicht korrekt abgebildet.

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(c) Durch die beispielhafte Auflistung von „Pflichtangaben“, bei denen es sich tatsächlich nicht um Pflichtangaben im technischen Sinne handelte, haben die Parteien indessen einverständlich und wirksam die bei Immobiliardarlehensverträgen entbehrlichen Angaben nach Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 3 und 5 EGBGB aF zu zusätzlichen Voraussetzungen für das Anlaufen der Widerrufsfrist gemacht.

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Der Klammerzusatz nach der Angabe „§ 492 Abs. 2 BGB“ ist Teil der vorformulierten Widerrufsinformation, den der Senat selbst daraufhin untersuchen kann, welche Bedeutung ihm aus der Sicht des üblicherweise angesprochenen Kundenkreises unter Abwägung der beiderseitigen Interessen zukommt (vgl. Senatsurteil vom 13. Januar 2009 – XI ZR 118/08, WM 2009, 350 [BGH 13.01.2009 – XI ZR 118/08] Rn. 16). Er enthält den Antrag, die Voraussetzungen für das Anlaufen der Widerrufsfrist auf vertraglicher Grundlage zu erweitern. Ohne den Klammerzusatz wäre gemäß den gesetzlichen Vorgaben Bedingung für das Anlaufen der Widerrufsfrist (nur) die Erteilung der für Immobiliardarlehensverträge relevanten Pflichtangaben gewesen. Mit dem Klammerzusatz bot die Beklagte ihren Vertragspartnern an, den Beginn der Widerrufsfrist nicht lediglich vom Erhalt der für Immobiliardarlehensverträge gesetzlich vorgeschriebenen Pflichtangaben, sondern außerdem von der Angabe des einzuhaltenden Verfahrens bei der Kündigung des Vertrags und von der Angabe der für sie zuständigen Aufsichtsbehörde abhängig zu machen. Zugleich trug die Beklagte ihren Vertragspartnern an, das Anlaufen der Widerrufsfrist von der Erteilung dieser Angaben in der für gesetzliche Pflichtangaben vorgeschriebenen Form bei Vertragsschluss (vgl. MünchKommBGB/Schürnbrand, 7. Aufl., § 492 Rn. 24; PWW/Nobbe, BGB, 11. Aufl., § 492 Rn. 9) und nicht lediglich im Zuge der Erfüllung vorvertraglicher Informationspflichten nach § 491a BGB – hier: in der vom 10. Juni 2010 bis zum 20. März 2016 geltenden Fassung – abhängig zu machen.

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Dieses – weil ihnen günstig unbedenkliche – Angebot haben die Kläger durch Unterzeichnung des Darlehensvertrags angenommen. Dass die Verlängerung der Widerrufsfrist und die Information über die Voraussetzungen ihres Anlaufens in einem Akt zusammenfallen, berührt die Ordnungsmäßigkeit der Widerrufsinformation nicht (vgl. Senatsurteil vom 13. Januar 2009 – XI ZR 118/08, WM 2009, 350 Rn. 17).

32

c) Im Übrigen unterrichtete die von der Beklagten verwandte Widerrufsinformation, ohne dass die Revision dies in Frage stellt, den normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Verbraucher gemäß den gesetzlichen Vorgaben inhaltlich klar und verständlich über die Bedingungen seines Widerrufsrechts.“

Dem schließt sich der Senat an.

Vorliegend hat die Beklagte die Klägerin – insoweit abweichend von dem oben zitierten, vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall – auch über die von ihr vertraglich übernommene weitere Voraussetzung für das Anlaufen der Widerrufsfrist im Darlehensvertrag über die für sie zuständige Aufsichtsbehörde unterrichtet.

Denn die Beklagte hat der Klägerin mit Übersendungsschreiben vom 06.05.2011 (Anlage B5 zum Schriftsatz vom 17.02.2017, Bl. 238 d. A.) auch das Europäische Standardisierte Merkblatt (Anlage K1/33, Bl. 45 ff d. A.) unter Hinweis darauf, dass dieses vor Annahme des Angebots durchzulesen sei, übersandt. In dem Merkblatt war die Aufsichtsbehörde genannt (Bl. 48 d. A.). Die Klägerin hat den Empfang des Merkblatts am 20.05.2011 bestätigt (Anlage B8, Bl. 253 d. A.).

Nach dem unbestrittenen Vortrag der Beklagten im Schriftsatz vom 17.02.2017 (Bl. 235, 238 d. A.), hat die Klägerin das Merkblatt vor Abschluss des Darlehensvertrags und unmittelbar mit diesem verbunden erhalten. Dem ist die Klägerin ist nicht entgegen getreten. Dann aber war das Merkblatt Teil des Darlehensvertrags, so dass dieser auch die Information über die zuständige Aufsichtsbehörde enthielt und somit die Widerrufsbelehrung ordnungsgemäß und der Widerruf der Klägerin hinsichtlich dieses Darlehens verfristet war.

3. Entgegen der Auffassung der Beklagten steht dem Widerruf nicht der Einwand der Verwirkung oder der unzulässigen Rechtsausübung entgegen. Wird beim Abschluss des Verbraucherdarlehensvertrages die Widerrufsfrist mangels ordnungsgemäßer Belehrung entsprechend § 355 Abs. 3 BGB nicht wirksam in Gang gesetzt, so wird dem Verbraucher grundsätzlich ein unbefristetes Widerrufsrecht eingeräumt.

a) Die Verwirkung als Unterfall der unzulässigen Rechtsausübung wegen der illoyal verspäteten Geltendmachung von Rechten setzt, wie der Bundesgerichtshof in seiner jüngsten Rechtsprechung für die Verwirkung des Verbraucherwiderrufsrechts verdeutlicht und präzisiert hat (BGH, Urteile vom 12. Juli 2016 – XI ZR 501/15, WM 2016, 1835 [BGH 12.07.2016 – XI ZR 501/15] Rn. 40 und – XI ZR 564/15, WM 2016, 1930 [BGH 12.07.2016 – XI ZR 564/15][BGH 12.07.2016 – XI ZR 564/15] Rn. 37, und Urteil vom 11. Oktober 2016 – XI ZR 482/15 -, juris, jeweils mwN), neben einem Zeitmoment, für das die maßgebliche Frist mit dem Zustandekommen des Verbrauchervertrags zu laufen beginnt, ein Umstandsmoment voraus. Ein Recht ist verwirkt, wenn sich der Schuldner wegen der Untätigkeit seines Gläubigers über einen gewissen Zeitraum hin bei objektiver Beurteilung darauf einrichten darf und eingerichtet hat, dieser werde sein Recht nicht mehr geltend machen, so dass die verspätete Geltendmachung gegen Treu und Glauben verstößt. Zu dem Zeitablauf müssen besondere, auf dem Verhalten des Berechtigten beruhende Umstände hinzutreten, die das Vertrauen des Verpflichteten rechtfertigen, der Berechtigte werde sein Recht nicht mehr geltend machen. Ob eine Verwirkung vorliegt, richtet sich letztlich nach den vom Tatrichter festzustellenden und zu würdigenden Umständen des Einzelfalls (BGH, Urteile vom 12. Juli 2016 aaO), ohne dass insofern auf Vermutungen zurückgegriffen werden kann. Gerade bei beendeten Verbraucherdarlehensverträgen kann das Vertrauen des Unternehmers auf ein Unterbleiben des Widerrufs nach diesen Maßgaben schutzwürdig sein, auch wenn die von ihm erteilte Widerrufsbelehrung ursprünglich den gesetzlichen Vorschriften nicht entsprach und er es in der Folgezeit versäumt hat, den Verbraucher nachzubelehren. Das gilt in besonderem Maße, wenn die Beendigung des Darlehensvertrags auf einen Wunsch des Verbrauchers zurückgeht (BGH, Urteil vom 12. Juli 2016 – XI ZR 501/15 – Rn. 41; BGH, Urteil vom 11. Oktober 2016 – XI ZR 482/15 -, juris, Rn. 30 mwN).

b) Nach diesen Maßgaben ist das Widerrufsrecht der Klägerin nicht verwirkt:

Vorliegend ist der Darlehensvertrag nicht beendet, so dass es an einem darauf gestützten schutzwürdigen Vertrauen der Beklagten fehlt.

Die weiteren von der Beklagten angeführten Umstände – Ziel besserer Zinskonditionen, jahrelange Bedienung der Darlehen – führen nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der sich der Senat anschließt, nicht dazu, dass der Widerruf als rechtsmissbräuchlich anzusehen wäre.

4. Nach Widerruf einer auf Abschluss eines Darlehensvertrages gerichteten Willenserklärung in Altfällen, in denen § 357a BGB noch keine Anwendung findet, schuldet der Darlehensnehmer dem Darlehensgeber gemäß § 346 Abs.1 Halbsatz 1 BGB Herausgabe der gesamten Darlehensvaluta ohne Rücksicht auf eine (Teil-)Tilgung und gemäß § 346 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 BGB Herausgabe von Wertersatz für Gebrauchsvorteile am jeweils tatsächlich noch überlassenen Teil der Darlehensvaluta. Der Darlehensgeber schuldet dem Darlehensnehmer gemäß § 346 Abs.1 Halbsatz 1 BGB die Herausgabe bereits erbrachter Zins- und Tilgungsleistungen und gemäß § 346 Abs.1 Halbsatz 2 BGB die Herausgabe von Nutzungsersatz wegen der (widerleglich) vermuteten Nutzung der bis zum Wirksamwerden des Widerrufs erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen (BGH, Beschluss vom 22. September 2015 – XI ZR 116/15 -, unter Verweis auf BGH, 10. März 2009, XI ZR 33/08, BGHZ 180, 123).

Daher schuldet die Beklagte der Klägerin die Herausgabe der von ihr erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen und Nutzungswertersatz nach § 348 BGB Zug- um Zug gegen Herausgabe der Darlehensvaluta und Wertersatz für die Gebrauchsvorteile der ihnen überlassenen Darlehensvaluta.

Daraus folgt hier:

a) Die Klägerin hat Anspruch auf ihre auf das Darlehen vom 04.12.2009 nach ihrem unstreitigen Vortrag gezahlten Zins- und Tilgungsleistungen in Höhe von 25.779,53 € (Schriftsatz vom 14.03.2017, Bl. 273 d. A.).

b) Daneben schuldet die Beklagte der Klägerin gemäß § 346 Abs. 1 Halbsatz 2 BGB die Herausgabe von Nutzungsersatz wegen der (widerleglich) vermuteten Nutzung der bis zum Wirksamwerden des Widerrufs erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen. Es wird (widerleglich) vermutet, dass die Beklagte aus den erhaltenen Zins- und Tilgungsleistungen Nutzungen in Form einer Verzinsung in Höhe von 2,5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz gezogen hat. Bei Zahlungen an eine Bank besteht eine tatsächliche Vermutung dafür, dass die Bank Nutzungen im Wert des üblichen Verzugszinses gezogen hat, die sie als Nutzungsersatz herausgeben muss (BGH, Urteil vom 12.07.2016 – XI ZR 564/15 – juris Rz. 58; BGH, Beschluss vom 22.09.2015 – XI ZR 116/15, juris Rz. 7; BGH, Urteil vom 10.03.2009 – XI ZR 33/08, juris Rz. 29).

Der gesetzliche Verzugszins beträgt im vorliegenden Fall nach § 497 Abs. 1 S. 2 BGB in der bis zum 10.06.2010 gültigen Fassung bzw. nach § 503 Abs. 2 BGB in der ab 11.06.2010 gültigen Fassung 2,5 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz. Denn der Kredit war durch die Bestellung von Grundpfandrechten gesichert. Es ist daher von einem Immobiliardarlehen im Sinne des § 492 Abs. 1a S. 2 BGB aF bzw. § 503 Abs. 1 BGB nF auszugehen. Von der für Schadenersatzansprüche einer Bank entwickelten Rechtsprechung, nach der die Bank im Rahmen der abstrakten Schadensberechnung als Verzögerungsschaden Verzugszinsen in gesetzlicher Höhe geltend machen kann, ohne Angaben zur Schadenshöhe machen zu müssen, sind Realkredite ausgenommen (BGH, Urteil vom 18.02.1992 – XI ZR 134/91, juris, Rz. 14; BGH, Urteil vom 12.05.1998 – XI ZR 79/97, juris, Rz. 23). Da die zugunsten einer Bank bei der Berechnung ihres Verzugsschadens geltenden Grundsätze auch im Rahmen der Schätzung der von ihr gezogenen Nutzungszinsen Beachtung finden (BGH, Urteil vom 12.05.1998 – XI ZR 79/97, juris Rz. 24), geht es in Fällen des Realkredits nicht an, zum Nachteil der Bank eine Nutzungsziehung in Höhe des allgemeinen gesetzlichen Verzugszinses von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz (§ 288 Abs. 1 S. 2 BGB) widerleglich zu vermuten, wenn die Bank ihrerseits in einem solchen Fall bei Kündigung des Kredits wegen Zahlungsverzugs vom Kunden nur einen Verzugszins nach § 503 Abs. 2 BGB nF – als abstrakt berechneten Verzugsschaden – verlangen dürfte (OLG Nürnberg, Urteil vom 11. November 2015 – 14 U 2439/14 -, juris, Rz. 47 ff, bestätigt BGH, Urteil vom 12. Juli 2016 – XI ZR 564/15-, juris, Rz. 53 ff).

Daher ist mit dem Vortrag der Klägerin (Schriftsatz vom 14.03.2017, Bl. 267 ff d. A.) davon auszugehen, dass die Beklagte Nutzungen in Höhe von 2,5 % über dem jeweiligen Basiszinssatz gezogen hat. Daraus errechnen sich nach dem unbestritten gebliebenen Vortrag der Klägerin in dem genannten Schriftsatz insgesamt 1.267,77 €.

c) Soweit die Klägerin ihrerseits der Beklagten Herausgabe der Darlehensvaluta und Wertersatz für die Gebrauchsvorteile der ihr überlassenen Darlehensvaluta schuldet, findet keine automatische Saldierung statt. Wechselseitige Ansprüche nach § 357 Abs. 1 Satz 1 BGB a.F. in Verbindung mit §§ 346 ff. BGB unterliegen keiner automatischen Verrechnung (BGH, Versäumnisurteil vom 21. Februar 2017 – XI ZR 467/15 -, juris unter Verweis auf Urteil vom 10. März 2009 – XI ZR 33/08, BGHZ 180, 123 Rn. 19 f., Senatsbeschlüsse vom 22. September 2015 – XI ZR 116/15, ZIP 2016, 109 Rn. 7 und vom 12. Januar 2016 – XI ZR 366/15, WM 2016, 454 Rn. 16). Bis zur Aufrechnung hat die Klägerin einen Zahlungsanspruch auf Rückgewähr der von ihr auf die Darlehensverträge erbrachten Leistungen, den sie im Wege der Leistungsklage geltend machen kann.

Da die Beklagte vorliegend weder die Aufrechnung erklärt noch ein Zurückbehaltungsrecht nach §§ 348, 320 BGB geltend gemacht hat, waren ihre Gegenansprüche nicht zu berücksichtigen. Notwendig ist nach § 348 S. 2 BGB, dass der Rückgewährschuldner dies durch Erhebung der entsprechenden Einrede geltend macht. Hierfür genügt, dass der Wille, die eigene Leistung im Hinblick auf das Ausbleiben der Gegenleistung zurückzubehalten, eindeutig erkennbar ist, was vorliegend in der von der Beklagten erhobenen Hilfswiderklage gesehen werden könnte. Den Ansprüchen der Klägerin kann die Beklagte ihre Gegenansprüche mit der Folge der Zug-um-Zug-Verurteilung nach §§ 348, 320, 322 BGB aber nur entgegenhalten, wenn sie die Gegenansprüche hinreichend bestimmt angibt. Denn nicht nur der Umfang der Verurteilung, sondern auch die Zug-um-Zug-Einschränkung muss im Titel hinreichend bestimmt sein, so dass sie ihrerseits zum Gegenstand einer Leistungsklage gemacht werden könnte (BGH, Urteil vom 21. Dezember 2010 – X ZR 122/07 -, juris). Die insoweit darlegungspflichtige (die Darlegungs- und Beweislast für den Wertersatzanspruch der Beklagten nach § 357 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 346 Abs. 2 BGB trifft denjenigen, der den Wertersatz verlangt, hier also die Beklagte, BGH, Urteil vom 15. April 2010 – III ZR 218/09 -, BGHZ 185, 192-205) Beklagte hat hingegen ihre Gegenansprüche nicht beziffert, obwohl sie dazu in der Lage gewesen wäre, worauf der Senat in der Ladungsverfügung vom 23.02.2017 (Bl. 254 d. A.) hingewiesen hat.

5. Die von der Beklagten mit Schriftsatz vom 17.02.2017 (Bl. 226 d. A.) erhobene Hilfswiderklage ist aus den unter Ziffer 1 genannten Gründen ebenfalls wegen fehlenden Feststellungsinteresses unzulässig, worauf das Berufungsgericht die Beklagte in der Ladungsverfügung vom 23.02.2017 hingewiesen hat. Die Beklagte hätte die von ihr begehrten Gebrauchsvorteile im Wege einer vorrangigen Leistungsklage verfolgen können.

6. Der Zinsanspruch ist erst ab Rechtshängigkeit der Klage am 20.04.2015 begründet, §§ 291, 288 Abs. 1 BGB.

Ein vorhergehender Schuldnerverzug der Beklagten lag nicht vor. Der Schuldnerverzug setzt einen vollwirksamen und fälligen Anspruch des Gläubigers gegen den Schuldner voraus, auf den sich die – zumindest mit der die Fälligkeit des Anspruchs begründenden Handlung zu verbindende Mahnung beziehen muss. Gleiches gilt für die ernsthafte und endgültige Erfüllungsverweigerung. Die von der Klägerin beanspruchte Leistung hat sie selbst erst mit Schriftsatz vom 14.03.2017 klar bezeichnet.

Die Klägerin benötigte auch keine Auskünfte von der Beklagten, um eine Ungewissheit hinsichtlich der Höhe ihrer Ansprüche aus § 357 Abs. 1 Satz 1 BGB a.F. in Verbindung mit §§ 346 ff. BGB zu beseitigen. Deshalb greift zu ihren Gunsten nicht der allgemeine Grundsatz, dass der auskunftspflichtige Schuldner durch eine unbezifferte, einem zulässigen Antrag in einer Stufenklage entsprechende Mahnung in Verzug kommt (BGH, Versäumnisurteil vom 21. Februar 2017 – XI ZR 467/15 -, juris, Rz. 24).

Auch nach Maßgabe der § 357 Abs. 1 Satz 2 und 3 BGB a.F. in Verbindung mit § 286 Abs. 3 BGB war nicht davon auszugehen, die Beklagte habe sich wenigstens 30 Tage nach Zugang des Widerrufs in Schuldnerverzug mit der Rückgewähr von Leistungen nach § 357 Abs. 1 Satz 1 BGB a.F. in Verbindung mit §§ 346 ff. BGB befunden.

Zwar wollte der Gesetzgeber mittels des Zusatzes in § 357 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 BGB a. F., die Frist des § 286 Abs. 3 BGB beginne „mit der Widerrufs- oder Rückgabeerklärung des Verbrauchers“, sowohl den Verbraucher als auch den Unternehmer abweichend von den sonst geltenden Grundsätzen von der Bezifferung des Rückgewähranspruchs als fingierter Entgeltforderung mittels einer Zahlungsaufstellung als Voraussetzung des Schuldnerverzugs freistellen. Da der Gesetzgeber allerdings nur § 286 Abs. 3 BGB an die besondere Situation des Verbraucherwiderrufs angepasst hat, unterliegt der Eintritt des Schuldnerverzugs im Übrigen den allgemeinen Voraussetzungen (BGH aaO, Rz. 25 ffmwN). Folglich konnte die Beklagte wegen §§ 348, 320 BGB nur dann in Schuldnerverzug geraten, wenn ihr die Klägerin die von ihr selbst nach § 357 Abs. 1 Satz 1 BGB a.F. in Verbindung mit §§ 346 ff. BGB geschuldete Leistung in einer den Annahmeverzug begründenden Weise anbot. Dies war hier nicht der Fall.

7. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 92 Abs. 1, 97 ZPO.

Neben den Kosten für die unzulässige Hilfswiderklage waren der Beklagten auch die Kosten aufzuerlegen, soweit die Klägerin mit ihrem zweitinstanzlich gestellten Hilfsantrag Erfolg hatte.

Obsiegt der Kläger nicht mit dem Hauptantrag, sondern (nur) mit einem Hilfsantrag, ist kostenrechtlich regelmäßig von einem Teilunterliegen auszugehen, das zur Anwendbarkeit des § 92 führt. Eine Kostenentscheidung nach § 91 Abs. 1 S. 1 zugunsten des Klägers kommt nur dann in Betracht, wenn sich Haupt- und Hilfsantrag als wirtschaftlich identisch erweisen (Schulz in: Münchener Kommentar zur ZPO, 5. Auflage 2016. ZPO § 92, Rz. 8 mwN). Letzteres ist hier der Fall.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen dafür nicht vorliegen.

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