OLG Frankfurt am Main, 12.09.2018 – 6 W 81/18

März 15, 2019

OLG Frankfurt am Main, 12.09.2018 – 6 W 81/18
Leitsatz:

1.

In Unionsmarkensachen ist die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte für den Erlass einstweiliger Verfügungen gemäß Art. 131 UMV unabhängig vom Verletzungsort im Sinne von Art. 125 V UMV gegeben.
2.

Die für Parfümeriewaren eingetragene Wortmarke „Bella Vida“ hat durchschnittliche Unterscheidungskraft. Zwischen der Marke und dem für identische Waren benutzten Zeichen „Bella la Vita“ besteht ein für die Bejahung der Verwechslungsgefahr ausreichender Grad an Zeichenähnlichkeit.
3.

Eine offensichtliche Rechtsverletzung als Voraussetzung für den Erlass einer Auskunftsverfügung ist nur gegeben, wenn eine andere rechtliche Beurteilung kaum möglich ist; als Indiz gegen eine offensichtliche Rechtsverletzung in diesem Sinn kann es angesehen werden, wenn im Laufe des Verfahrens ein Gericht eine Verletzung aus Rechtsgründen verneint hat.

Tenor:

Der Beschluss der 6. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 03.08.2018 wird auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin teilweise abgeändert.

Der Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Verfügung wegen Dringlichkeit ohne mündliche Verhandlung bei Meidung eines vom Gericht für jeden Einzelfall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu € 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, untersagt,

in der Bundesrepublik Deutschland ein Eau de Toilette unter der Bezeichnung „Bella la Vita“ ohne ausdrückliche Genehmigung der Antragstellerin anzubieten, einzuführen, zu vertreiben, zu bewerben, vertreiben oder bewerben zu lassen und/oder in sonstiger Form in den Verkehr zu bringen, wenn dies geschieht, wie nachstehend wiedergegeben:

(Von der Darstellung des nachfolgenden Textes wurde aus technischen Gründen abgesehen – die Red.)

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Die Kosten des Eilverfahrens beider Instanzen haben die Antragsgegnerin zu 80% und die Antragstellerin zu 20% zu tragen.

Der Streitwert des Eilverfahrens wird auf € 70.000,00 festgesetzt.
Gründe

I.

Die Antragstellerin nimmt die Antragsgegnerin wegen Markenverletzung in Anspruch.

Die Antragstellerin, die ihren Sitz in den Niederlanden hat, ist Inhaberin der Unionsmarke „Bella Vida“, die unter anderem für Parfumeriewaren eingetragen ist. Die Antragsgegnerin, die ihren Sitz in Italien hat, bietet auf der Handelsplattform Amazon einen Damenduft unter der Bezeichnung „Bella la Vita“ an (Anlage AS3).

Die Antragstellerin hat beantragt, der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Verfügung die Verwendung der Bezeichnung „Bella la Vita“ zu untersagen. Das Landgericht hat den Eilantrag mit Beschluss vom 03.08.2018 zurückgewiesen. Zwar seien die deutschen Gerichte international zuständig. Es fehle jedoch an der Verwechslungsgefahr. Der sofortigen Beschwerde der Antragstellerin hat es mit Beschluss vom 27.08.2018 nicht abgeholfen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist überwiegend begründet.

1. Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte ist gegeben. Es kann dahinstehen, ob – wie vom Landgericht angenommen – der Gerichtsstand des Verletzungsorts nach Art. 125 Abs. 5 der VO 2017/1001 (= UMV) eröffnet ist. Dem könnte die aktuelle Rechtsprechung des BGH entgegenstehen (vgl. BGH GRUR 2018, 84 [BGH 09.11.2017 – I ZR 164/16] Rn. 31 – Parfummarken). Für das vorliegende Eilverfahren ergibt sich die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte jedenfalls aus Art. 131 I UMV. Danach können bei den Gerichten eines Mitgliedstaats in Bezug auf eine Unionsmarke alle einstweiligen Maßnahmen beantragt werden, die in dem Recht dieses Staates für eine nationale Marke vorgesehen sind, auch wenn für die Entscheidung in der Hauptsache ein Unionsmarkengericht eines anderen Mitgliedstaats zuständig ist. Die Zuständigkeit wird damit u.a. für einstweilige Unterlassungsverfügungen am Ort der konkret angegriffenen Verletzungshandlung erweitert (vgl. Müller in Beck OK UMV, Büscher/Kochendörfer, 9. Ed., Art. 131 Rn. 8, 12). Im Streitfall geht es um ein deutschsprachiges Angebot auf der Handelsplattform Amazon. Es enthält eine direkte Bestellmöglichkeit und wendet sich gezielt an Parfumkäufer in Deutschland. Dass der Prozess der Veröffentlichung des Angebots am Sitz der Antragsgegnerin in Italien in Gang gesetzt worden sein dürfte, ist für den Eilgerichtsstand unerheblich.

2. Die Antragstellerin hat gegen die Antragsgegnerin gemäß Art. 9 II lit. b), 130 UMV einen Anspruch auf Unterlassung der Verwendung der Bezeichnung „Bella la Vita“ wie aus der Anlage AS 3 ersichtlich.

a) Die Verfügungsmarke, eine Wortmarke, steht in Kraft und befindet sich noch in der Benutzungsschonfrist. Die Antragsgegnerin hat das angegriffene Zeichen im geschäftlichen Verkehr markenmäßig benutzt.

b) Es besteht Verwechslungsgefahr. Die Verwechslungsgefahr ist unter Heranziehung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen. Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen der Identität oder der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen, dem Grad der Ähnlichkeit der Marken und der Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke. Das angegriffene Zeichen ist auf Waren angebracht, die mit jenen identisch sind, für die die Verfügungsmarke eingetragen ist. Mangels abweichender Anhaltspunkte ist von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Verfügungsmarke auszugehen. Entgegen der Ansicht des Landgerichts kann auch die Zeichenähnlichkeit nicht als derart gering angesehen werden, dass bei der vorzunehmenden Gesamtbewertung eine Verwechslungsgefahr ausscheidet. Für die Beurteilung der Zeichenähnlichkeit ist auf den jeweiligen Gesamteindruck der einander gegenüberstehenden Zeichen abzustellen. Das Landgericht hat auf schriftbildliche und begriffliche Unterschiede der Zeichen hingewiesen. Für die Bejahung der Zeichenähnlichkeit reicht jedoch regelmäßig bereits die Ähnlichkeit in einem Wahrnehmungsbereich aus (BGH GRUR 2011, 824 [BGH 20.01.2011 – I ZR 31/09] Rn. 26 – Kappa m.w.N.). Es besteht aus Sicht der maßgeblichen deutschen Verbraucher zumindest eine phonetische Ähnlichkeit der gegenüberstehenden Zeichen „Bella Vida“ und „Bella la Vita“. Eine Neutralisierung der klanglichen Ähnlichkeit käme nur in Frage, wenn der Verkehr einer der beiden Bezeichnungen einen klar erkennbaren Bedeutungsgehalt zumessen würde (BGH GRUR 2010, 235 [BGH 29.07.2009 – I ZR 102/07] Rn. 19 – AIDA/AIDU). Davon kann nicht ausgegangen werden. Der Senat teilt nicht die Annahme des Landgerichts, der Verkehr werde bei „Bella Vida“ an einen spanischen und bei „Bella la Vita“ an einen italienischen Duft denken. Der Durchschnittsverbraucher versteht weder Spanisch noch Italienisch. Außerdem kommt es nicht darauf an, welchen Duft der Verbraucher mit der Marke verbindet, sondern darauf, ob er davon ausgeht, dass beide Bezeichnungen demselben Hersteller zuzurechnen sind. Das hängt nicht von der zu erwartenden Duftnote ab.

3. Den Verfügungsantrag zu 3. hat das Landgericht zu Recht zurückgewiesen. Die Verpflichtung zur Erteilung von Auskünften kann nur in Fällen offensichtlicher Rechtsverletzung im Wege der einstweiligen Verfügung angeordnet werden (Art. 129 UMV i.V.m. § 19 VII MarkenG). Gemeint sind Fälle, in denen eine andere Beurteilung der Rechtsverletzung im Rahmen des richterlichen Ermessens kaum möglich ist (OLG Hamburg GRUR-RR 2003, 101). Die Markenverletzung ist im Streitfall – wie schon die Entscheidung des Landgerichts zeigt – nicht offensichtlich.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 I ZPO. Der Streitwert entspricht dem Interesse der Antragstellerin an der Eilentscheidung. In der Abmahnung hat die Antragstellerin einen Hauptsachestreitwert von € 100.000,00 angegeben. Er war für das Eilverfahren zu reduzieren (§ 51 IV GKG).

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