OLG Frankfurt am Main, 13.03.2017 – 3 U 200/16

März 20, 2019

OLG Frankfurt am Main, 13.03.2017 – 3 U 200/16
Leitsatz:

Vereinbart der Verbraucher nach Auslaufen der Zinsbindungsfrist mit der darlehensgebenden Bank lediglich neue Konditionen für die Zukunft und wird die Konditionenanpassung entsprechend dem ursprünglichen Darlehensvertrag vollzogen, aber kein (neues) Kapitalnutzungsrecht eingeräumt, handelt es sich um eine „unechte Abschnittsfinanzierung“, bei der dem Verbraucher kein Widerrufsrecht nach §§ 495 Abs. 1, 355 BGB zusteht (Anschluss an BGH vom 28.5.2013, XI ZR 6/12).
Tenor:

In dem Rechtsstreit (…)

wird darauf hingewiesen, dass beabsichtigt ist, die Berufung der Kläger durch Beschluss nach § 522 II ZPO zurückzuweisen.

Nach Vornahme der gemäß § 522 I und II ZPO gebotenen Prüfungen ist der Senat einstimmig davon überzeugt, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat und auch eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist. Die Sache hat auch weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung durch Urteil.
Gründe

I.

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit des Widerrufs eines Darlehensvertrages.

Wegen des Sach- und Streitstandes wird auf die Darstellung in dem Urteil des Landgerichts vom 20.9.2016 verwiesen, mit dem es die Klage abgewiesen hat.

Zur Begründung führt das Landgericht aus, den Klägern stehe kein Widerrufsrecht nach §§ 495, 355 BGB a.F. bezogen auf die Vereinbarung vom 14.4.2006 zu. Da es sich insoweit um eine unechte Abschnittsfinanzierung handele, bestehe gemäß BGH, Urteil vom 28.5.2013, XI ZR 6/12 kein selbstständiges Widerrufsrecht.

Hiergegen richtet sich die zulässige Berufung der Kläger, mit der sie ihr erstinstanzliches Begehren weiterverfolgen.

II.

Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Berufungsangriffe können dieses Ergebnis nicht infrage stellen.

Der Widerruf der Kläger vom 11.9.2015 bezieht sich – genauso wie der nachfolgende mit Anwaltsschreiben vom 5.10.2015 – auf den „Darlehensvertrag vom 11.4.2006“, wobei das von den Klägern am 14.4.2006 unterzeichnete Konditionsangebot vom 11.4.2006 (Anlage B 1 = Bl. 51 ff. d.A.) gemeint ist. Bei dieser Vereinbarung handelt es sich aber lediglich um die Fortführung des bereits 1998 aufgenommenen Darlehens.

Wie das Landgericht unter Bezugnahme auf die Entscheidung des BGH vom 28.5.2013, XI ZR 6/12 zutreffend ausführt, handelt es sich bei einer solchen Vereinbarung um eine „unechte Abschnittsfinanzierung“, bei der dem Verbraucher kein Widerrufsrecht gemäß §§ 495 I, 355 BGB zusteht. Ein solcher Fall liegt vor, wenn – wie hier – nach Auslaufen der Zinsbindungsfrist mit der darlehensgebenden Bank lediglich neue Konditionen für die Zukunft vereinbart werden und die Konditionenanpassung entsprechen dem ursprünglichen Darlehensvertrag vollzogen wird, aber kein (neues) Kapitalnutzungsrecht im Sinne von § 491 I BGB (Fassung 2006) eingeräumt wird (BGH vom 28.5.2013, XI ZR 6/12 – mit weiteren Nachweisen).

Bei der Vereinbarung im April 2006 hätte die Beklagte den Klägern deshalb keine (neue) Widerrufsbelehrung erteilen müssen. Soweit die Beklagte die Vereinbarung gleichwohl mit einer Widerrufsfrist versehen hat, handelt es sich um die (freiwillige) Einräumung eines vertraglichen Widerrufsrechts. Dieses Widerrufsrecht haben die Kläger nicht fristgerecht ausgeübt, da die von der Beklagten formulierte Zwei-Wochen-Frist schon im April 2006 abgelaufen war.

Die Widerrufserklärung der Kläger im September 2015 könnte nur noch dann rechtzeitig gewesen sein, wenn die Widerrufsbelehrung nicht ordnungsgemäß gewesen wäre und deshalb den Lauf der Widerrufsfrist nicht in Gang setzen konnte. Dies ist jedoch nicht der Fall, denn für ein vertragliches Widerrufsrecht gelten die strengen Formerfordernisse – wie sie für ein gesetzliches Widerrufsrecht zu beachte sind – grundsätzlich nicht.

Für die Annahme, dass der Fristbeginn auch im Falle eines vertraglichen Widerrufsrechts von einer den Anforderungen für ein gesetzliches Widerrufsrecht genügenden Belehrung abhängig sein soll, reicht es nicht aus, dass sich die Beklagte bei der Formulierung der Widerrufsbelehrung an den Vorgaben des gesetzlichen Widerrufsrechts orientiert hat und im Falle des Eingreifens eines gesetzlichen Widerrufsrechts mit der Belehrung die gesetzlichen Anforderungen erfüllen wollte (in diesem Sinne BGH, Urteil vom 22.5.2012, II ZR 88/11).

Bei dieser Sachlage kann auf sich beruhen, ob die streitbefangene Widerrufsbelehrung aus den von den Klägern aufgeführten Gründen dann nicht ordnungsgemäß wäre, wenn sie über ein gesetzliches Widerrufsrecht hätte belehren sollen.

Den Klägern bleibt nachgelassen, zum beabsichtigten Vorgehen binnen zweier Wochen ab Zugang dieses Beschlusses Stellung zu nehmen.

Es wird darauf hingewiesen, dass bei Rücknahme der Berufung Gerichtsgebühren in nicht unerheblicher Höhe vermieden werden können.

Der Gebührenstreitwert dürfte insoweit in Anlehnung an die Entscheidung des BGH vom 4.3.2016, XI ZR 39/15 auf 57.740,53 € (= 89 x 648,77 €) festzusetzen sein. Maßgeblich sind insoweit die Raten, die die Kläger gemäß der Vereinbarung aus April 2006 (Variante 2) von Mai 2008 bis zum Widerruf im September 2015 (= 89 Monate) gezahlt haben.

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