OLG Frankfurt am Main, 13.09.2012 – 4 EntV 7/12

Mai 3, 2019

OLG Frankfurt am Main, 13.09.2012 – 4 EntV 7/12
Leitsatz

1. Ein Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine beabsichtigte Entschädigungsklage nach § 198 GVG hat nur dann hinreichende Aussicht auf Erfolg i. S. d. § 114 ZPO, wenn der nicht anwaltlich vertretene Antragsteller substantiiert einen Sachverhalt schildert, aus dem sich – seine Richtigkeit unterstellt – schlüssig die Möglichkeit einer Verletzung des Rechts auf effektiven Rechtsschutz, also die Möglichkeit einer unangemessen langen Verfahrensdauer und damit eines Entschädigungsanspruchs ergibt.

2. Eine solche Feststellung muss dem Senat aufgrund des Vortrages der antragstellenden Partei ohne amtswegige Beiziehung der Akten des Ausgangsverfahren oder sonstiger Dokumente möglich sein.
Tenor:

Der Antrag des Antragstellers vom 02.06.2012 auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die beabsichtigte Klage gemäß §§ 198 ff. GVG wird zurückgewiesen.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
1

I.

Mit seinem am 02.06.2012 beim Oberlandesgericht Frankfurt/Main eingegangenem Antrag vom gleichen Tag begehrt der Antragsteller die Gewährung von Prozesskostenhilfe für eine beabsichtigte Klage gemäß §§ 198 ff. GVG gegen das beklagte Land, mit welcher der Antragsteller die Verurteilung des Antragsgegners zur Zahlung einer angemessenen Entschädigung wegen der von ihm behaupteten unangemessenen Dauer eines Gerichtsverfahrens vor dem Amts- und Landgericht Frankfurt/Main in Höhe von mindestens 1.200,– € pro Jahr für die Jahre 1997 bis 2009 zzgl. 8% Zinsen p.a. über dem Basiszinssatz seit Antragstellung erstrebt.
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Der Antragsteller trägt zur Begründung seines Antrages vor, dass er Partei eines Rechtsstreites gegen die … Bank AG gewesen sei, welcher im Jahr 1997 beim Landgericht Frankfurt unter dem Az. 2-21 O 182/97 mit einem Prozesskostenhilfeantrag begonnen habe. Auf seine Beschwerde sei ihm vom Oberlandesgericht in dem Verfahren 16 W 81/97 teilweise Prozesskostenhilfe gewährt worden. Das Hauptsacheverfahren sei anschließend beim Amtsgericht Frankfurt/Main unter dem Az. 31 C 494/98 – 16 geführt worden, dann lange Zeit unbearbeitet geblieben und später unter dem Az. 32 C 128/04 – 41 weitergeführt worden. Der Rechtsstreit habe am 26.02.2009 durch einen gerichtlich protokollierten Vergleich geendet, welcher am 12.03.2009 nach Ablauf der Widerrufsfrist bestandskräftig geworden sei.
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Mit Datum vom 21.08.2009 habe er Beschwerde gegen die Bundesrepublik Deutschland wegen der unzumutbaren Verfahrensdauer und der Verletzung der Regeln eines fairen und zügigen Verfahrens zum EGMR eingelegt.
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Der Senat hat den Antragsteller mit Verfügung vom 10.07.2012, wegen deren genauen Inhalts ergänzend auf Bl.10 d.A. Bezug genommen wird, darauf hingewiesen, dass der Prozesskostenhilfeantrag aufgrund des bisherigen Vortrages keine Aussicht auf Erfolg verspricht. Daraufhin hat er weiter unter Vorlage des zur Begründung seiner Beschwerde ausgefüllten Vordrucks des EGMR vorgetragen, dass seine Beschwerde das dortige Vorprüfungsverfahren bereits durchlaufen habe und im Jahr 2011 an die Bundesrepublik Deutschland zugestellt worden sei. Zu einer Entscheidung sei es wegen der nunmehr getroffenen nationalstaatlichen Regelung nicht mehr gekommen.
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II.

Der Antrag des Antragstellers auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für die beabsichtigte Klage war zurückzuweisen, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat (§ 114 ZPO).
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Hinreichende Aussicht auf Erfolg hat ein Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine beabsichtigte Entschädigungsklage nach § 198 GVG nur, wenn der nicht anwaltlich vertretene Antragsteller substantiiert einen Sachverhalt schildert, aus dem sich – seine Richtigkeit unterstellt – zumindest plausibel die Möglichkeit einer Verletzung des Rechts auf effektiven Rechtsschutz, also die Möglichkeit einer unangemessen langen Verfahrensdauer und damit eines Entschädigungsanspruchs ergibt. Daran fehlt es im vorliegenden Fall.
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1. Nach § 201 Abs. 2 S. 1 GVG des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren gelten für den Entschädigungsprozess die Vorschriften über den erstinstanzlichen Zivilprozess vor den Landgerichten entsprechend. Aufgrund des im Zivilprozess geltenden Beibringungsgrundsatzes muss der Kläger daher im Entschädigungsprozess die Tatsachen, die eine unangemessene Dauer des Ausgangsverfahrens begründen, vortragen und gegebenenfalls beweisen. Falls es hierbei auf Umstände ankommt, die in den Bereich der Justiz fallen und dem Einblick des Klägers entzogen sind, gelten die allgemeinen Grundsätze zum Umfang der Darlegungslast (BT-Drucks. 17/3802, Seite 25, zu § 201 Abs. 2 S. 1). Die Darlegung einer unangemessen langen Verfahrensdauer setzt daher einen aus sich heraus verständlichen Sachvortrag voraus, der eine unangemessene Verfahrensdauer zumindest als möglich erscheinen lässt. Eine solche Feststellung muss dem Senat aufgrund des Vortrages der antragstellenden Partei ohne amtswegige Beiziehung der Akten des Ausgangsverfahrens oder sonstiger Dokumente möglich sein.
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2. Dieser Darlegungslast hat der Antragsteller nicht entsprochen.
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Nach § 198 Abs. 1 S. 1 GVG wird derjenige angemessen entschädigt, der infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet. Nach S. 2 richtet sich die Angemessenheit der Verfahrensdauer nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter. Eine generelle Festlegung, wann ein Verfahren unverhältnismäßig lange dauert, ist nicht möglich, zumal die Zügigkeit von Verfahren kein absoluter Wert ist, sondern stets im Zusammenspiel mit den übrigen Verfahrensgrundsätzen an dem Interesse einer gründlichen Bearbeitung durch das Gericht zu sehen ist. § 198 Abs. 1 S. 2 benennt nur beispielhaft und ohne abschließenden Charakter Umstände, die für die Beurteilung der Angemessenheit besonders bedeutsam sind. Maßgebend bei der Beurteilung der Verfahrensdauer ist danach nicht nur das Prozessverhalten des Entschädigungsklägers im Ausgangsverfahren, sondern auch Schwierigkeit, Umfang und Komplexität des Falls sowie die Bedeutung des Rechtsstreits (BT-Drucks. 17/3802, Seite 18, zu § 198 Abs. 1 GVG).
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Im vorliegenden Prozesskostenhilfeantrag fehlen jegliche Darlegungen zum Gegenstand des Klageverfahrenes, wegen dessen verzögerter Bearbeitung der Antragsteller eine Entschädigung immateriellen Schadens verlangt, ferner zum zeitlichen Ablauf mit Ausnahme des Datums der Verfahrenseinleitung sowie der Entscheidungen des Landgerichts und des Oberlandesgerichts im Prozesskostenhilfeverfahren und des abschließenden Vergleichs. Den gesamten übrigen Verfahrensablauf und die Handlungen der Prozessbeteiligten oder Dritter, soweit sie sich im eigenen Wahrnehmungsbereich des Antragstellers ereignet haben oder ihm zur Kenntnis gegeben wurden, hat er trotz Hinweises des Senats mit Verfügung vom 10.07.2012 nicht dargelegt.
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Dies hat zur Folge, dass die angemessene Verfahrensdauer angesichts der Schwierigkeit, Umfang und Komplexität des Falles sowie des Verhaltens der Prozessbeteiligten, namentlich von ihnen gestellter Anträge oder eingelegter Rechtsmittel, die Zwischenentscheidungen des Gerichts erforderten, nicht beurteilt werden kann.
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Der Antragsteller kann die ihm obliegende Darlegungslast nicht dadurch umgehen, dass er sich ohne jeden eigenen Vortrag pauschal auf den Akteninhalt beruft. Der Senat ist nicht verpflichtet, sich die anspruchsbegründenden Tatsachen selbst aus beizuziehenden Akten zusammenzusuchen. Zwar können an die Substantiierungslast einer Naturalpartei im Rahmen eines Prozesskostenhilfeverfahrens nicht die gleichen Anforderungen gestellt werden wie an den Vortrag einer bereits anwaltlich vertretenen Partei im Hauptverfahren. Ein Mindestmaß an Tatsachenvortrag ist aber auch in diesem Fall vorauszusetzen.
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3. Dass der Antragsteller mit seiner an den EGMR gerichteten Beschwerde das dortige Vorprüfungsverfahren durchlaufen hat, ist für die Entscheidung des Senats ohne rechtliche Bedeutung. Die ihm obliegende Prüfung erfolgt auf der Grundlage des im Hinblick auf die Rechtsprechung des EGMR zu Art.6 Abs.1 EMRK neu gestalteten nationalen Rechts.
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4. Soweit der Antragsteller durch Bezugnahme auf seine in Kopie beigefügte Eingabe an den EGMR vom 21.08.2009 auch einen unbezifferten Zinsschaden für die Dauer von 12 Jahren anspricht, ist sein Vortrag ebenfalls vollkommen unsubstantiiert. Da schon der Gegenstand des Ausgangsverfahrens, insbesondere ob es überhaupt um eine Geldforderung ging, nicht dargetan ist, darüber hinaus auch nicht die Höhe der angeblichen Ausgangsforderung und des Vergleichsbetrages, ist ein eventueller Zinsschaden nicht berechenbar. Darüber hinaus ist nicht ersichtlich, ob der Antragsteller überhaupt in der Lage gewesen wäre, den Betrag zinsgewinnend anzulegen. Immerhin ist er vermögenslos und hat die eidesstattliche Versicherung abgegeben, so dass es naheliegend ist, dass der Klagebetrag des Ausgangsverfahrens sofort verbraucht worden wäre.

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