OLG Frankfurt am Main, 13.10.2014 – 22 U 123/14 Der Antrag der Beklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der versäumten Berufungsbegründungsfrist wird zurückgewiesen.

April 17, 2019

OLG Frankfurt am Main, 13.10.2014 – 22 U 123/14
Der Antrag der Beklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der versäumten Berufungsbegründungsfrist wird zurückgewiesen.
Die Berufung der Beklagten gegen das Schlussurteil der 20. Zivilkammer – 5. Kammer für Handelssachen – des Landgerichts Darmstadt vom 9. Mai 2014 wird als unzulässig verworfen.
Der Gegenstandswert des Berufungsverfahrens wird auf 15.921,43 € festgesetzt.
Gründe
I.
Mit Schlussurteil vom 9. Mai 2014, auf welches hinsichtlich des Sach- und Streitstandes in erster Instanz sowie der erstinstanzlich gestellten Anträge Bezug genommen wird (Bl. 684-693 der Akten), hat die 20. Zivilkammer – 5. Kammer für Handelssachen – des Landgerichts Darmstadt die Beklagten als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 15.921,43 € nebst fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 31. August 2009 zu zahlen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen.
Das Urteil wurde den Prozessbevollmächtigten der Beklagten am 12. Mai 2014 (Empfangsbekenntnis Bl. 695 der Akten) zugestellt.
Am 11. Juni 2014 legten die Beklagten Berufung ein.
Mit Schriftsatz vom 7. Juli 2014 beantragte der Prozessbevollmächtigte der Beklagten, die Frist zur Berufungsbegründung um einen Monat bis zum 14. August 2014 zu verlängern.
Mit Verfügung vom 8. Juli 2014 verlängerte der stellvertretende Vorsitzende des Senats die Berufungsbegründungsfrist auf insgesamt drei Monate (§ 520 Abs. 2, S. 1, 3 ZPO). Hiervon wurde der Prozessbevollmächtigte der Beklagten schriftlich unterrichtet.
Mit Schreiben vom 19. August 2014 wurden die Prozessbevollmächtigten der Beklagten darüber in Kenntnis gesetzt, dass die Berufungsbegründungsfrist am 12. August 2014 abgelaufen, eine Berufungsbegründungsschrift bisher jedoch nicht eingegangen sei, weshalb beabsichtigt sei, die Berufung als unzulässig zu verwerfen (§ 522 Abs. 1 ZPO).
Mit am gleichen Tage eingegangenem Schriftsatz vom 5. September 2014 begründeten die Beklagten ihr Rechtsmittel und beantragten zugleich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.
Zur Begründung ihres Wiedereinsetzungsantrages, wegen dessen Inhalts im Einzelnen auf Bl. 715 und 716 der Akten verwiesen wird, haben die Beklagten geltend gemacht, sie seien unverschuldet gehindert gewesen, ihr Rechtsmittel fristgerecht zu begründen.
Sämtliche eingegangene Post werde der hierfür zuständigen Büroangestellten, Frau Rechtsfachwirtin A, übergeben, welche angewiesen sei, sämtliche sich aus der Post ergebenden Fristen in einem eigens hierfür vorgesehenen Fristenkalender zu notieren. Dieser Fristenkalender werde sowohl in Papierform als auch auf elektronischem Wege im Rahmen der kanzleieigenen EDV geführt.
Am 14. Juli 2014 sei die Verfügung des Senats vom 8. Juli 2014 zur Fristennotierung vorgelegt worden. Frau A sei bei der Berechnung der Frist davon ausgegangen, dass die Berufungsbegründungsfrist mit dem Ablauf der Berufungseinlegungsfrist, also einen Monat ab Zustellung des Urteils (12. Juni 2014), beginne. Frau A habe in beide Fristenkalender als Fristende „14./15.09.2014“ eingetragen.
Der Prozessbevollmächtigte der Beklagten habe sich als alleiniger Sachbearbeiter des Rechtsstreits innerhalb der Sozietät vom 31. Juli 2014 bis einschließlich 18. August 2014 in seinem Jahresurlaub befunden. Ihm sei daher die Akte erst mit Eingang des gerichtlichen Schreibens vom 19. August 2014 am 25. August 2014 vorgelegt worden.
Bei der Büroangestellten Frau A handele es sich um eine geschulte und zuverlässige Bürokraft, welche – wie regelmäßige Kontrollen ergeben hätten – den Kalender seit Mai 2014 sorgfältig und fehlerlos geführt habe.
Die Beklagten beantragen,
unter Abänderung der Entscheidung des Landgerichts Darmstadt vom 9. Mai 2014 die Klage insgesamt abzuweisen und
ihnen hinsichtlich der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen und
den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurückzuweisen.
Der Kläger vertritt die Auffassung, die Fristversäumnis sei nicht unverschuldet erfolgt.
II.
1.
Die Berufung der Beklagten gegen das Schlussurteil des Landgerichts Darmstadt vom 9. Mai 2014 ist als unzulässig nach § 522 Abs. 1 ZPO zu verwerfen.
Das Urteil wurde den Prozessbevollmächtigten der Beklagten am 12. Mai 2014 zugestellt. Die Berufung wurde fristgerecht am 11. Juni 2014 eingelegt. Die Berufungsbegründungsfrist, welche gemäß § 520 Abs. 2 S. 1 ZPO zwei Monate beträgt und mit der Zustellung des Urteils am 12. Mai 2014 zu laufen begann, endete aufgrund der antragsgemäß erfolgten Verlängerung durch den stellvertretenden Vorsitzenden des Senats am 12. August 2014.
Die Beklagten haben ihr Rechtsmittel jedoch erst mit Schriftsatz vom 5. September 2014 und damit verspätet begründet.
2.
Das gemäß §§ 233 S. 1, 234 Abs. 1 ZPO zulässige Wiedereinsetzungsgesuch der Beklagten ist nicht begründet.
Die Beklagten haben die Berufungsbegründungsfrist nicht unverschuldet versäumt. Das Versäumnis beruht auf dem Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten, welches sie sich nach § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen müssen.
Der Prozessbevollmächtigte der Beklagten hat die Frist zur Berufungsbegründung schuldhaft versäumt, weil er die gebotene Fristenkontrolle nicht ausgeführt hat, als ihm die Akten zum Zwecke der Anfertigung einer Berufungsbegründung beziehungsweise – wie vorliegend geschehen – zur Stellung eines Verlängerungsantrages vorgelegt worden sind.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs obliegt einem Rechtsanwalt die Pflicht zur eigenverantwortlichen Prüfung, ob das Fristende richtig ermittelt und eingetragen worden ist, wenn ihm die Akten zur Bearbeitung vorgelegt werden (vgl. die Nachweise bei BGH Beschluss vom 10. Juni 2008, Az.: VI ZB 2/08, zitiert nach Juris, Rz. 7). Die Prüfungspflicht mit Vorlage der Akten entsteht unabhängig davon, ob sich der Rechtsanwalt daraufhin zur sofortigen Bearbeitung der Sache entschließt (vgl. BGH a. a. O., m.w.N.). Der Rechtsanwalt hat jedenfalls dann Anlass zur eigenverantwortlichen Prüfung, ob das Fristende richtig ermittelt und festgehalten sei, wenn ihm die Sache anlässlich des bevorstehenden Fristablaufs vorgelegt wird; dass diese Verpflichtung auch und gerade dann entsteht, wenn dem Rechtsanwalt die Akten auf Vorfrist zur Anfertigung der Rechtsmittelbegründung vorgelegt werden, ist im Hinblick auf die Warnfunktion der Vorfrist selbstverständlich (vgl. BGH a. a. O.).
Mit Beschluss vom 18. Februar 2014 (Az.: XI ZB 12/13, zitiert nach Juris, Rz. 7) hat der BGH ausgeführt, dass nach seiner ständigen Rechtsprechung ein Rechtsanwalt den Ablauf von Rechtsmittelbegründungsfristen jedenfalls immer dann eigenverantwortlich zu prüfen habe, wenn ihm die Akte im Zusammenhang mit einer fristgebundenen Prozesshandlung, insbesondere zu deren Bearbeitung, vorgelegt werde. In diesem Fall obliege es dem Prozessbevollmächtigten, sich dieser Akte mit besonderer Sorgfalt anzunehmen und sich erforderlichenfalls durch Einsicht in die Akte selbst Gewissheit über den Ablauf der Frist zu verschaffen (vgl. BGH a. a. O. unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts).
Der Prozessbevollmächtigte der Beklagten hätte sich, nachdem die zweimonatige Berufungsbegründungsfrist am 14. Juli 2014 (einem Montag) abzulaufen drohte und ihm die Akte zur Bearbeitung vorgelegt wurde, gerade im Hinblick auf seinen bevorstehenden Urlaub, der am 31. Juli 2014 begann und bis zum 18. August 2014 andauerte, dieser Akte im Hinblick auf die Einhaltung der Berufungsbegründungsfrist mit besonderer Sorgfalt annehmen müssen. Nach dem Inhalt des von ihm unterzeichneten Schriftsatzes vom 7. Juli 2014 fiel nämlich das Ende der Berufungsbegründungsfrist im Falle der Verlängerung auf den 14. August 2014 und damit in die Zeit seines Jahresurlaubs. Er hätte daher in jedem Fall eine Vorfrist notieren müssen um sicherzustellen, dass ihm die Akte noch rechtzeitig vor Antritt seines Jahresurlaubs zur Anfertigung einer Rechtsmittelbegründung vorgelegt werden würde. Wäre dies geschehen, hätte die Berufungsbegründungsfrist ohne weiteres gewahrt werden können.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

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