OLG Frankfurt am Main, 14.06.2017 – 16 U 58/16

März 20, 2019

OLG Frankfurt am Main, 14.06.2017 – 16 U 58/16
Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das am 2. März 2016 verkündete Urteil des Landgerichts Wiesbaden – 5 O 219/14 – wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte Sicherheit in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren beträgt 236.105,27 €.
Gründe

I.

Die Klägerin verfolgt gegenüber der Beklagten Ansprüche aus einer Bürgschaft.

Die Fa. A mietete von der Klägerin mit Vertrag vom 16./27. September 2011 eine Teilfläche der Halle 5 auf dem Grundstück B-Straße in Stadt1. Nach § 4 des Vertrages betrug die Miete für die gesamte Mietzeit von fünf Jahren 410.000,– € zuzüglich Mehrwertsteuer und war in Teilbeträgen jeweils zum 1. Januar eines Jahres zu zahlen. Nach § 4.4 des Vertrages hatte die Mieterin bis spätestens zum 1. Oktober 2011 eine Mietkaution entsprechend den Bestimmungen in § 17 zu übergeben. Vorgesehen war in § 17.1 eine Mietkaution in Höhe von 428.400,– €. In § 17.2 hieß es u.a., dass bei der durch die Bürgschaft einer großen deutschen Bank zu erbringbaren Mietkaution die Bürgschaft u.a. so zu gestalten sei, dass auf die Einreden der Anfechtbarkeit, Aufrechenbarkeit und Vorausklage gemäß §§ 770, 771 BGB verzichtet werde.

Wegen weiterer Einzelheiten des Mietvertrages wird auf die Anlage K 2 (Bl. 7 ff. d.A,) Bezug genommen.

Die Beklagte übernahm unter dem 20. September 2011 eine Bürgschaft bis zu einem Höchstbetrag von 428.400,– €. (Anlage K 1, Bl. 5 d.A.) Mit dem Nachtrag Nr. 1 vom 22. März 2012 (Bl. 6 d.A.) wurde die Bürgschaftserklärung dahingehend abgeändert, dass diese sich auf den Mietvertrag vom 16./27. September 2011 beziehe. Die Zahlungsweise des Mietzinses wurde mit dem Nachtrag Nr. 1 vom 12./19. September 2012 geändert. Insoweit wird auf Anlage K 3 (Bl. 27 ff. d.A.) Bezug genommen. Die Klägerin kündigte das Mietverhältnis gegenüber der Mieterin mit Schreiben vom 15. Januar 2014 fristlos und forderte die Beklagte mit Schreiben vom 9. September 2014 (Anlage K 4, Bl. 31 f. d.A.) auf, im Hinblick auf Mietrückstände und einen Schadensersatzanspruch 312.194,27 € auf die Bürgschaft zu zahlen.

Mit Urteil vom 6. November 2014 verurteilte das Landgericht Stadt1 im Verfahren …/14 die Mieterin und Hauptschuldnerin zur Räumung und Herausgabe der Mietsache und wies die auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 300.000,– € gerichtete Widerklage der Hauptschuldnerin ab. Für die Zeit vom Mai 2013 bis Dezember 2014 verurteilte das Landgericht Stadt mit Vorbehaltsurteil vom 11. Februar 2015 (Anlage K 7, Bl. 110 ff. d.A.) die Hauptschuldnerin zur Zahlung von 203.677,22 € als Miete bzw. Nutzungsentschädigung. Die in das Mietobjekt eingebrachten Gegenstände der Hauptschuldnerin sind im Auftrag der Klägerin zum Höchstgebot von 200.000,– € versteigert worden. (Versteigerungsprotokoll vom 15. September 2016, Bl. 389 d.A.). Zur Abrechnung und der Übersicht ihrer verbleibenden Forderungen verweist die Klägerin auf die mit Schriftsatz vom 10. Oktober 2016 überreichte Forderungsaufstellung (Anlage BB2, Bl. 390 d.A.).

Die Klägerin hat behauptet, der Geschäftsführer der Hauptschuldnerin habe im Rahmen der Verhandlungen über den Mietvertrag akzeptiert, dass die Klägerin eine Bürgschaft auf erstes Anfordern unter Ausschluss der Einrede der Aufrechenbarkeit, Anfechtbarkeit und Vorausklage wünsche. Aus der Zeit von April 2013 bis Februar 2015 bestehe ein Mietrückstand in Höhe von 192.592,83 €. Die Mietsache sei am 28. September 2011 an die Hauptschuldnerin übergeben worden, die die Mietsache auch noch nach der fristlosen Kündigung weiter genutzt habe.

Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, auch Ansprüche aus § 546a BGB seien von der Bürgschaft erfasst. § 4 des Mietvertrages sei keine vorformulierte Klausel. Insbesondere sei § 4.4 als Individualvereinbarung auszulegen. Bedenken aus dem Gesichtspunkt der Übersicherung seien nicht gerechtfertigt. Die Regelung in § 17.2 des Mietvertrages verstoße nicht gegen AGB-Recht, jedenfalls könne sich die Beklagte – da sie sonst treuwidrig handele – nicht darauf berufen. Im Übrigen könne nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zum sog. Blue-pencil-Test der unwirksame Teil herausgestrichen werden. Überdies sei die Regelung auch Gegenstand der Verhandlungen gewesen, sodass es sich um eine Individualvereinbarung handele.

Die Klägerin hat ursprünglich Klage im Urkundsprozess erhoben, in der mündlichen Verhandlung aber davon Abstand genommen.

Sie hat beantragt,

1.

die Beklagte zu verurteilen, an sie 236.105,27 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus je 10.671,83 € seit dem 05.04.2013, 05.05.2013, 05.06.2013, 05.07.2013, 05.08.2013, 05.09.2013, 05.10.2013, 05.11.2013 und 05.12.2013, aus 63,57 € seit dem 05.01.2014 sowie aus je 10.878,11 € seit dem 05.01.2014, 05.02.2014, 05.03.2014, 05.04.2014, 05.05.2014, 05.06.2014, 05.07.2014, 05.08.2014, 05.09.2014, 05.10.2014, 05.11.2014, 05.12.2014 sowie 05.01.2015 zu zahlen,
2.

die Beklagte zu verurteilen, an sie 2.636,90 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat bestritten, aus dem Bürgschaftsvertrag verpflichtet zu sein. Weder seien die Voraussetzungen für den Beginn des Mietverhältnisses nach § 5.1 des Mietvertrages erfüllt noch sei ein etwaiger Anspruch auf Nutzungsentschädigung aus § 546a BGB von der Bürgschaftserklärung mit umfasst. Der Nachtrag Nr. 1 entfalte wegen § 767 Abs. 2 S. 2 BGB ihr gegenüber keine Wirkung. Überdies sei die Sicherungsabrede unwirksam, da eine Übersicherung vorliege, die Sicherungsabrede wegen der unterschiedlichen Beträge in § 4.3 und § 4.4 unbestimmt sei und der Verzicht auf die Einrede der Aufrechenbarkeit keine Ausnahme für unstreitige und rechtskräftig festgestellte Forderungen vorsehe.

Hinsichtlich weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird gemäß § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (Bl. 277 bis 282 d.A.) Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.

Zur Begründung hat das Landgericht im Wesentlichen ausgeführt, dass die Beklagte der Klägerin gemäß § 768 Abs. 1 S. 1 BGB mit Erfolg die der Nebenintervenientin als Hauptschuldnerin zustehende Einrede der Bereicherung (§§ 821, 812 Abs. 1 BGB) entgegenhalten könne, weil die Klägerin aufgrund einer unwirksamen Sicherungsabrede um die Bürgschaft ungerechtfertigt bereichert sei. Es handele sich bei der in § 17.2 enthaltenen Sicherungsabrede um eine Allgemeine Geschäftsbedingung, die die Nebenintervenientin unangemessen benachteilige i.S.d. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB. So enthalte sie – entgegen der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs – einen Verzicht auf die Einrede der Aufrechenbarkeit ohne Beschränkung auf streitige und nicht rechtskräftig festgestellte Forderungen, ohne dass eine geltungserhaltende Reduktion möglich sei.

Hinsichtlich weiterer Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (B. 281 bis 285 d.A.) Bezug genommen.

Gegen das ihr am 7. März 2016 zugestellte Urteil hat die Klägerin mit einer am 23. März 2016 bei Gericht eingegangenen Schrift Berufung eingelegt, die mit einer am 7. April 2016 eingegangenen Schrift begründet worden ist.

Die Klägerin rügt unzutreffende Tatsachenfeststellungen und Rechtsfehler.

So erhält sie ihre Behauptung aufrecht, dass es sich bei der Sicherungsabrede nicht um eine Allgemeine Geschäftsbedingung handele, da diese ausgehandelt worden sei. Im Rahmen der Prüfung, ob eine Unwirksamkeit nach § 307 Abs. 1 BGB gegeben sei, habe das Landgericht unberücksichtigt gelassen, dass ein Dauerschuldverhältnis mit einer Gewerberaummiete gegeben sei, wo formularmäßige Klauseln über die Beschränkung der Aufrechnungsmöglichkeiten des Mieters auch ohne die zulässige Einschränkung für entscheidungsreife Forderungen zulässig seien. Das Landgericht hätte also auf die Unterschiedlichkeit der Vertragstypen eingehen müssen und auch auf die Risikolage des Vermieters, der u.a. mit einer Fortdauer der Nutzung trotz Kündigung rechnen müsse.

Entgegen der Ansicht des Landgerichts sei auch nicht die Annahme gerechtfertigt, dass die gesamte Regelung in § 17.2 des Mietvertrages unwirksam sei. Nach der Rechtsprechung des BGH (Urt. v. 16.1.2003, IX ZR 171/00) solle die Unwirksamkeit der Teilklausel die Gesamtklausel nur ergreifen, wenn der als unwirksam beanstandete Klauselteil von so einschneidender Bedeutung sei, dass der als wirksam anzusehende Teil nicht mehr sinnvoll sei.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Wiesbaden vom 2. März 2016 – 5 O 219/14 – die Beklagte zu verurteilen, an sie

1)

212.092,86 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus je 8.250,66 € seit dem 05.04.2013, 05.05.2013, 05.06.2013, 05.07.2013, 05.08.2013, 05.09.2013, 05.10.2013, 05.11.2013 und 05.12.2013, aus 63,57 € seit dem 05.01.2014, aus je 8.456,94 € seit dem 05.02.2014, 05.03.2014, 05.04.2014, 05.05.2014, 05.06.2014, 05.07.2014, 05.08.2014, 05.09.2014, 05.10.2014, 05.11.2014 und 05.12.2014 sowie aus 10.878,11 € seit dem 05.01.2015 und 05.02.2015 zu zahlen,
2)

2.636,90 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Im Übrigen hat die Klägerin entsprechend ihrer Berechnung im Schriftsatz vom 7. April 2016 (Bl. 319 f. d.A.) den Rechtsstreit für erledigt erklärt und beantragt insoweit,

der Beklagten die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung (auch in Gestalt des modifizierten Antrags) kostenpflichtig zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil und wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen.

Hinsichtlich weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die in formeller Hinsicht unbedenkliche Berufung der Klägerin hat in der Sache keinen Erfolg.

Zu Recht hat das Landgericht die Klage abgewiesen.

Auch nach Auffassung des Senats steht der Klägerin gegen die Beklagte kein Anspruch aus dem Bürgschaftsvertrag vom 20. September 2011 gegen die Beklagte zu.

Zwar teilt der Senat nicht die Bedenken der Beklagten, dass sich die Bürgschaftserklärung vom 20. September 2011 nicht auf die streitgegenständlichen Forderungen beziehe. Zwar wird in dem Bürgschaftsvertrag auf einen Mietvertrag vom 22. August 2011 Bezug genommen. Mit Nachtrag 1 zu dieser Bürgschaftsurkunde wurde die Bürgschaftserklärung aber dahingehend für abgeändert erklärt, dass sie sich auf den Mietvertrag vom 16./27. September 2011 bezieht. Auch wenn die Formulierung nicht ganz geglückt ist, weil der Satz „Mietvertrag vom: 16.09./27.092011“ für abgeändert erklärt wurde, ist bei verständiger Auslegung als unzweifelhaft anzusehen, dass die Änderung sich auf den alten Mietvertrag beziehen sollte, der durch den neuen abgelöst worden ist. Auch dürfte sich die Bürgschaftserklärung auf die Verpflichtungen aus dem Nachtrag Nr. 1 zum Mietvertrag vom 16./27. September 2011, der am 12./19. September 2012 vereinbart wurde (Anlage K 3, Bl. 27 ff. d.A.) sowie auf die Ansprüche auf Nutzungsentschädigung nach der Kündigung vom 15. Januar 2014 beziehen. Denn entscheidend ist, dass die Bürgschaftserklärung „für alle künftig werdenden oder aus Anlass der Beendigung des benannten Mietverhältnisses entstehenden Ansprüche“ erteilt wurde, wie sich aus der Formulierung auf der Bürgschaftsurkunde ergibt. Aus „Anlass der Beendigung des Mietverhältnisses“ entstehende Ansprüche meint eben auch Ansprüche auf Nutzungsentschädigung. Und da auf das Mietverhältnis abgehoben wird, sind die Gesamtforderungen aus diesem Mietverhältnis erfasst, ohne dass die Beendigung des Mietvertrages zur entscheidenden Zäsur wird.

Letztlich können diese Fragen aber dahingestellt bleiben. Entsprechendes gilt für die Frage, ob die Ansprüche der Klägerin nachgewiesen sind, also z.B. ein Mietrückstand in der geltend gemachten Höhe besteht.

Entscheidend ist, dass sich der Senat der Auffassung des Landgerichts anschließt, dass die Beklagte ihrer Inanspruchnahme gemäß § 768 Abs. 1 Satz 1 BGB mit Erfolg die der Mieterin und Hauptschuldnerin zustehende Einrede der Bereicherung (§§ 812 Abs. 2, 821 BGB) entgegenhalten kann. Denn die in dem Mietvertrag zwischen der Klägerin und der Hauptschuldnerin in § 17.2 enthaltene Mietkautionsregelung ist wegen Verstoßes gegen § 307 Abs. 1 S. 1 BGB unwirksam.

Bei der Reglung handelt es sich entgegen der Auffassung der Klägerin um eine Allgemeine Geschäftsbedingung i.S.d. § 305 Abs. 1 S. 1 BGB. Insoweit kann zunächst auf die zutreffenden Ausführungen in der landgerichtlichen Entscheidung (S. 7 u. 8 des Urteils) Bezug genommen werden, wo auf den Mehrfachverwendungscharakter der Vertragsklauseln des Mietvertrages abgehoben wird. Zutreffend kommt das Landgericht zu dem Ergebnis, dass es der Klägerin obliegt, darzulegen und zu beweisen, dass die streitgegenständlichen Klauseln individuell ausgehandelt worden sind. Zutreffend kommt das Landgericht zu dem weiteren Ergebnis, dass der diesbezügliche Vortrag der Klägerin nicht hinlänglich substantiiert ist. Auch insoweit kann zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Entscheidungsgründe des Landgerichts (S. 8 Mitte bis S. 9 oben) verwiesen werden, das sich sehr sorgfältig mit dem Vortrag der Klägerin zur Frage eines Aushandelns und den Anforderungen der Rechtsprechung auseinandersetzt. Diesen Ausführungen schließt sich der Senat ausdrücklich an. Diesen Erwägungen des Landgerichts tritt die Klägerin in ihrer Berufungsbegründung auch lediglich pauschal entgegen. Dass die Vereinbarung der Bürgschaft auf Wunsch der Mieterin erfolgte, reicht nicht, ein „Aushandeln“ zu begründen, denn zu berücksichtigen ist gerade, dass die Mieterin – auf die Bürgschaft angewiesen – keinen Gestaltungsspielraum hatte. Von einem gleichberechtigten Aushandeln auf Augenhöhe kann daher nicht ausgegangen werden und ist von der Klägerin auch nicht vorgetragen worden.

Entgegen der Ansicht der Klägerin führt der formularmäßige Verzicht auf die Einrede der Aufrechenbarkeit nach § 770 Abs. 2 BGB auch zu einer unangemessenen Benachteiligung i.s.d. § 307 Abs. 1 BGB.

Es entspricht höchstrichterlicher Rechtsprechung, dass eine solche Klausel, die den Verzicht auf die Einrede der Aufrechenbarkeit vorsieht, nur dann nicht gemäß § 307 Abs. 1 BGB unwirksam ist, wenn sie eine Ausnahme für rechtskräftig festgestellte oder anerkannte Forderungen vorsieht (vgl. BGH, Urt. v. 16. Januar 2003, IX ZR 171/00, Rz. 17, zitiert nach juris; vgl. auch BGH WM 1978, 620; OLG Düsseldorf, NJW-RR 1997, 757 [OLG Düsseldorf 25.10.1996 – 22 U 56/96]). Das hat der Bundesgerichtshof unter Aufgabe seiner früheren und anders lautenden Rechtsprechung im Hinblick darauf entschieden, dass der formularmäßige generelle Ausschluss der Einrede der Aufrechenbarkeit eine angemessene Berücksichtigung der Bürgeninteressen vermissen lässt. Das gesetzlich geschützte Interesse des Bürgen, den Gläubiger auf die Aufrechnungsmöglichkeit verweisen zu können, ist als Ausprägung des Subsidiaritätsgedankens ein wichtiger Grundsatz im Rahmen der Bürgenhaftung. Zwar ist in der Bürgschaftserklärung selbst die Ausnahme für unbestrittene oder rechtskräftig festgestellte Gegenforderungen des Mieters enthalten. Darauf wird indes in Ziffer 17.2 des Mietvertrages nicht verwiesen. Damit unterscheidet sich der Fall vom Verfahren 16 U 68/16 OLG Frankfurt am Main, in dem im Mietvertrag selbst unmissverständlich und ausdrücklich auf eine Anlage mit dem „Bürgschaftsmuster Bankbürgschaft“ Bezug genommen wurde, die dem Mietvertrag beigefügt war und in der ausdrücklich klargestellt wurde, dass die Erteilung der Bürgschaft unter Verzicht auf die Einrede der Aufrechenbarkeit zu erfolgen hat, soweit die Gegenforderung des Hauptschuldners nicht unbestritten oder rechtskräftig festgestellt ist.

Dabei spielt es keine Rolle, ob sich die Beklagte selbst auf eine Aufrechenbarkeit berufen könnte, weil dies in der Bürgschaftserklärung so geregelt ist. Auch kommt es nicht darauf an, ob sie das im Hinblick auf die vom Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 16. Januar 2003 (IX ZR 171/00, zitiert nach juris, Rz. 25) geäußerte Auffassung könnte, dass dem Bürgen wegen des Wortlauts in § 770 Abs.2 BGB („solange sich der Gläubiger durch Aufrechnung befriedigen kann“) die Einrede der Aufrechenbarkeit unabhängig davon zusteht, ob der Hauptschuldner aufrechnen kann. Wie der Bundesgerichtshof es formuliert, sei dem Bürgen, der in der Regel seine Verpflichtungen aus altruistischen Gründen übernommen habe, die Einrede der Aufrechenbarkeit auch dann zu gewähren, wenn nur der Gläubiger sich durch Aufrechnung befriedigen kann, nicht aber der Hauptschuldner.

Bei der Bewertung der Frage, ob die Klausel in § 17.2 des Mietvertrages gemäß § 307 Abs.1 BGB als wirksam anzusehen ist oder nicht, kommt es darauf aber nicht an. Denn hierbei macht der Bürge über § 768 Abs.1 Satz 1 BGB die der Nebenintervenientin als Hauptschuldnerin zustehende Einrede der Bereicherung (§ 821 BGB) geltend.

Entgegen der Ansicht der Klägerin handelt die Beklagte auch nicht treuwidrig, wenn sie sich auf die Unwirksamkeit der Klausel in § 17.2 des Mietvertrages beruft. Wegen des akzessorischen Charakters der Bürgenhaftung ist das ihr gutes Recht. Als Bürgin ist sie nicht gehalten, für Ansprüche zu haften, die unter Vereinbarung unwirksamer Allgemeiner Geschäftsbedingungen zustande gekommen sind.

Etwas anderes gilt auch nicht im Hinblick darauf, dass es sich im vorliegenden Fall nicht um eine Gewährleistungsbürgschaft im Bauvertragsrecht handelt, sondern um eine Bürgschaft, die an die Stelle einer Mietkaution tritt und deren Beibringung der Hauptschuldnerin eingeräumt worden ist.

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 16. Januar 2003 (aaO) erging auch nicht zur Bürgenhaftung im Bauvertragsrecht. Darüber hinaus ist der Hauptschuldnerin zwar eingeräumt worden, die Bürgschaft anstelle einer Mietkaution zu erbringen. Zur Stellung einer Mietkaution ist sie allerdings gemäß § 4.4 des Mietvertrages verpflichtet worden, sodass es an einer Freiwilligkeit fehlt.

Ohne Erfolg macht die Klägerin schließlich geltend, das Landgericht habe zu Unrecht eine geltungserhaltende Reduktion verneint.

Die Verzichtsklausel ist unwirksam, wenn sie nicht von vorneherein eine Ausnahme für die unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Gegenforderungen vorsieht. Das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion lässt es nicht zu, die Klausel teilweise aufrechtzuerhalten (vgl. BGH, Urteil v. 16. Januar 2003, aaO, Rz. 20). Ohne Erfolg beruft sich die Klägerin insoweit auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 12. Februar 2009 (VII ZR 39/08,zitiert nach juris). Dort ist von diesem Grundsatz eine Ausnahme gemacht worden für den Fall sprachlich und inhaltlich trennbarer Teile der Sicherungsvereinbarung (aaO, Rz.15 ff.).Es handelte sich um den Fall, dass die Verzichtserklärung bezüglich der Aufrechenbarkeit in einem separaten Muster der Bürgschaftserklärung enthalten war, auf das als das ausschließlich zu benutzende Muster hingewiesen worden ist. Das ist vorliegend anders, die Fälle sind nicht vergleichbar.

Ob eine Bürgenhaftung der Beklagten auch aus anderen Gründen entfallen könnte, kann damit dahinstehen.

Aus den vorgenannten Gründen war die Berufung insgesamt zurückzuweisen.

Das bezieht sich auch auf die einseitige Erledigungserklärung der Klägerin und ihren Antrag auf Kostenerstattung, den sie in der Berufungsinstanz gestellt hat.

Auch dieser Antrag ist unbegründet.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711, 709 ZPO. Die Streitverkündete war in der Berufungsinstanz nicht beteiligt.

Die Revision war nicht gemäß § 543 Abs. 2 ZPO zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordert.

Der Streitwert war gemäß §§ 3 ZPO, 63 GKG festzusetzen.

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