OLG Frankfurt am Main, 14.08.2014 – 6 U 114/08

April 17, 2019

OLG Frankfurt am Main, 14.08.2014 – 6 U 114/08
Tenor:

Auf die Berufungen des Klägers werden das am 07.05.2008 verkündete Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Hanau (Az.: 1 O 912/07) und das am 08.08.2008 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Limburg an der Lahn (Az.: 4 O 277/07) teilweise abgeändert.

Die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner an den Kläger 1.000.000 € nebst Zinsen in Höhe von 5 % – Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 26.1.2007 Zug um Zug gegen Abtretung etwaiger Herausgabeansprüche des Klägers gegen die im Jahr 2002 bestellten Vorstandsmitglieder der A AG wegen der für das Geschäftsjahr 2002 erhaltenen Tantiemen und gegen die nicht gutgläubigen Aktionäre der A AG wegen der für das Geschäftsjahr 2002 erhaltenen Dividenden zu zahlen.

Die weitergehenden Berufungen werden zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 88 % und die Beklagten als Gesamtschuldner 12 % zu tragen.

Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Die Parteien können die Zwangsvollstreckung der Gegenseite durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Gegenseite vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Gründe

I.

Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der A AG. Die Beklagten sind Wirtschaftsprüfer und Partner der Wirtschaftsprüfer-Steuerberater-Sozietät Z1, Z2, Z3 (im Folgenden: Z GbR). Der Kläger verlangt von den Beklagten Schadensersatz wegen Pflichtverletzungen bei der Abschlussprüfung des Jahresabschlusses der A AG für das Geschäftsjahr 2002.

Bei der Firma A AG handelte es sich um ein Unternehmen, das Plüschfiguren, Plüschtiere und Geschenkartikel entwickelte, in Asien herstellen ließ und als eines der auf diesem Markt in Deutschland führenden Unternehmen im In- und Ausland vertrieb. Ehemaliger Vorstandsvorsitzender war Herr B1, dem nach der vorstandsinternen Geschäftsverteilung unter anderem der Aufgabenbereich Finanz- und Rechnungswesen mit Controlling unterstand. Dem Vorstand gehörten im Jahr 2002 außerdem die Ehefrau des Herrn B1, Frau B2 sowie Herr G an, im Jahr 2003 kam der Schwiegersohn der Eheleute B, Herr H1, hinzu.

Die A AG hatte keine börsennotierten Aktien ausgegeben. Die Hauptaktionäre am 31.12.2002 waren die Eheleute B zu je 26%, deren Sohn B3 und deren Tochter H2 zu je 4 %, die Fa. B GmbH zu 20%, die Mitarbeiter zu ca. 10 %. Die restlichen Aktien befanden sich im Streubesitz.

Aufgrund Eigeninsolvenzantrages vom 16. Mai 2006 ist über das Vermögen der A AG am 1. August 2006 durch das Amtsgericht … das Insolvenzverfahren eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter ernannt worden (…/06).

Die Jahresabschlüsse der A AG für die Geschäftsjahre 1999 bis 2001 hatte der Wirtschaftsprüfer J geprüft. Mit Beschluss vom 13. Dezember 2002 bestellte die Hauptversammlung der A AG den Beklagten Z3 zum Abschlussprüfer für das Geschäftsjahr 2002. Mit Schreiben vom 28. Januar 2003 erteilte der Vorsitzende des Aufsichtsrats der A AG dem Beklagten Z3 das Prüfungsmandat für das Geschäftsjahr 2002. Mit einem unter dem Briefkopf der Z GbR verfassten Schreiben vom 25. Februar 2003 bestätigten die Beklagten den erteilten Auftrag (Anlage K 3). Der Vorsitzende des Aufsichtsrats der A AG hat dieses Schreiben am 7. 3. 2009 gegengezeichnet.

Unter dem 28. März 2003 erstellte die Z GbR ihren Bericht über die Prüfung des Jahresabschlusses zum 31. Dezember 2002 und des Lageberichtes für das Geschäftsjahr 2002. Unter demselben Datum unterzeichneten die Beklagten den „uneingeschränkten Bestätigungsvermerk des Abschlussprüfers“ (Anlage K 4).

Für die Geschäftsjahre 2003 und 2004 erstellte die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft K und Partner die Abschlussprüfung.

Der Vorstandsvorsitzende der Fa. A AG, Herr B1, ist durch Urteil der 4. Strafkammer des Landgerichts … wegen Betrugs in 10 Fällen durch Verkauf fingierter Forderungen der A AG im Jahr 2006 an Factoringgesellschaften zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 6 Jahren und 6 Monaten verurteilt worden (Bl. 2052 ff. der Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft …, Az.: …/06).

Der Kläger hat gegen den Beklagten Z3 Klage erhoben vor dem Landgericht Hanau (dortiges Aktenzeichen 1 O 912/07 – hiesiges Aktenzeichen 6 U 114/08) und gegen den Beklagten Z1 vor dem Landgericht Limburg (dortiges Aktenzeichen 4 O 277/07 – hiesiges Aktenzeichen 6 U 202/08). Beide Verfahren sind vom Senat nach Einholung der nachfolgend aufgeführten Sachverständigengutachten zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden worden (Bl. 1350 d. A.).

Der Kläger hat behauptet, der Jahresabschluss der A AG zum 31. Dezember 2002 sei fehlerhaft. Der Fehler der Bilanz beruhe im Wesentlichen auf Scheinumsätzen in Höhe von 8.768.876 €, die der Vorstandsvorsitzende B1 habe verbuchen lassen. Statt eines Jahresergebnisses vor Ertragssteuern von 7.662.287,34 € hätte nur ein solches von 721.561,20 € ausgewiesen werden dürfen. Die Beklagten hätten den Jahresabschluss nicht ordnungsgemäß geprüft und müssten für den hierdurch entstandenen Schaden aufkommen. Dieser Schaden ergebe sich aus den zu Unrecht ausgeschütteten Dividenden und Tantiemen sowie der überhöhten Ertrags- und Umsatzsteuer.

Der Kläger hat zunächst gegen beide Beklagten Mahnbescheide erwirkt, mit denen er Schadensersatzansprüche in Höhe von 8.319.000 € geltend gemacht hat.

Auf den Widerspruch der Beklagten hat der Kläger seine Forderungen ermäßigt und jeweils beantragt,

die Beklagten zu verurteilen, an ihn 7.989.560,17 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20.1.2007 zu zahlen.

Die Beklagten haben jeweils beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagten haben eingewandt, der Kläger habe weder die Unrichtigkeit der Jahresabschlüsse noch die behaupteten Pflichtverletzungen noch den Schaden bzw. die Kausalität zwischen beiden substantiiert dargelegt. Hilfsweise haben sie sich den Vortrag des Klägers zur Verfälschung des Jahresabschlusses durch den Vorstand zu Eigen gemacht und die Ansicht vertreten, dass sich der Kläger dieses Verhalten als eigenes Verschulden zurechnen lassen müsse, weswegen eine Haftung der Beklagten gänzlich zurücktrete. Der Beklagte Z3 hat außerdem abgestritten, passiv legitimiert zu sein. Der Prüfungsauftrag sei nicht ihm sondern der Z GbR erteilt worden.

Das Landgericht Hanau und das Landgericht Limburg haben die gegen die Beklagten gerichteten Klagen abgewiesen. Zur Begründung haben sie ausgeführt, dass den Beklagten im Hinblick auf die vorgeworfenen Pflichtverstöße bestenfalls Fahrlässigkeit zur Last falle. Ihr Einwand des überwiegenden Mitverschuldens des Vorstandes der A AG greife durch. Nach dem Vortrag des Klägers habe sich der Vorstandsvorsitzende der A AG, Herr B1, vorsätzlicher Bilanzmanipulationen schuldig gemacht. Dahinter müsse eine Haftung der Beklagten für etwaige Pflichtverletzungen gänzlich zurücktreten. Das Landgericht Limburg hat ergänzend darauf abgestellt, dass der Kläger den geltend gemachten Schaden nicht hinreichend dargelegt habe. Der Kläger habe versäumt, im Wege der Saldierung die Vorteile einzubeziehen, die der A AG durch die Bilanzfälschungen bei den Verhandlungen mit Kreditgebern etc. zugute gekommen seien.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird gem. § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen in den angefochtenen Urteilen verwiesen.

Der Kläger hat gegen die Urteile des Landgerichts Hanau und des Landgerichts Limburg form- und fristgerecht Berufung eingelegt, mit der er unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vortrages sein bisheriges Klageziel weiterverfolgt.

Der Kläger wirft den Landgerichten Hanau und Limburg Rechtsfehler und unzureichende Tatsachenaufklärung vor. Die Beklagten hätten es versäumt, im Rahmen ihrer Abschlussprüfung in qualitativer wie in quantitativer Hinsicht ausreichende Saldenbestätigungen bei den Debitoren der A AG einzuholen. Wäre dies geschehen bzw. hätten die Beklagten weitere sachgerechte Prüfungen durchgeführt, so wäre offenbart worden, dass die als Anlagen K 5 bis K 11 vorgelegten Rechnungen an Debitoren der A AG sogenannte Scheinrechnungen gewesen seien. Gleiches gelte für die als Anlagen K 12 – 18 vorgelegten Rechnungen, die die A AG an die Unternehmen 4B GmbH, C GmbH und D GmbH gestellt habe, mit denen sie durch betrügerische Kreislaufgeschäfte verbunden gewesen sei.

Die unzureichende Prüfung der Beklagten stelle eine schwerwiegende Pflichtverletzung dar, zumal bei der A AG kein funktionierendes internes Kontrollsystem bestanden habe. Die Beklagten hätten so leichtfertig gehandelt, dass ihre Pflichtverstöße als vorsätzliche Handlung zu bewerten seien. Dies habe zur Folge, dass sie der Insolvenzschuldnerin den hierdurch entstandenen Schaden ersetzen müssten, der sich wie folgt zusammensetze:

Ausgeschüttete Dividenden

4.832.772,12 €

Überhöhte Ertragssteuer

2.219.555,76 €

Überhöhte Umsatzsteuer

670.232,29 €

Tantiemen

246.000,00 €

Summe:

7.968.560,17 €

Der Kläger beantragt,

die angefochtenen Urteile abzuändern und

die Beklagten zu verurteilen, als Gesamtschuldner an ihn 7.968.560,17 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21. Januar 2007 zu zahlen.

Die Beklagten beantragen,

die Berufungen des Klägers zurückzuweisen.

Die Beklagten verteidigen das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens. Hilfsweise berufen sich die Beklagten auf ein Zurückbehaltungsrecht, denn der Kläger könne von ihnen Zahlung nur gegen Abtretung von Schadensersatz- bzw. Herausgabeansprüchen gegen nicht gutgläubige Aktionäre, Vorstandsmitglieder, die zuständigen Finanzbehörden, die Fa. D GmbH und andere im Schriftsatz vom 11.12.2008 genannte Personen verlangen (Bl. 365, 506 d. A.).

Der Senat hat den Parteien in der mündlichen Verhandlung vom 2. Juli 2009 und vom 15. Oktober 2009 rechtliche Hinweise erteilt und durch Beschluss vom 28. Oktober 2010 Beweis erhoben über die Behauptungen des Klägers zu den vermeintlichen Pflichtverletzungen der Beklagten durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens des Wirtschaftsprüfers E. Auf den Inhalt dieser Beschlüsse wird zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen.

Das schriftliche Gutachten von Herrn E vom 28. Oktober 2011 ist am 2. November 2012 sowie durch eine schriftliche Ausarbeitung vom 19. Dezember 2013 zur Vorbereitung seiner mündlichen Anhörung ergänzt worden. Der Senat hat im Hinblick auf den Inhalt der Ausarbeitung von der mündlichen Anhörung des Sachverständigen abgesehen. Die Beklagten haben zu den Gerichtsgutachten ausführlich Stellung genommen und Privatgutachten des Wirtschaftsprüfers F vom 10. Februar 2012 und vom 23. Februar 2013 eingereicht.

Die Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft … im Strafverfahren gegen B (Az.: …/06) ist zu Beweiszwecken beigezogen und den Parteien – soweit sie verwertet worden ist – in Ablichtung übermittelt worden. Die Parteien erhielten Gelegenheit zur Akteneinsicht, wovon der Kläger Gebrauch gemacht hat.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die nachfolgenden Ausführungen unter Ziffer II. sowie auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

II.

Die Berufung des Klägers hat teilweise Erfolg. Ihm stehen gegen die Beklagten Schadensersatzansprüche in dem tenorierten Umfang zu, weil ihnen bei der Abschlussprüfung für das Geschäftsjahr 2002 der A AG schuldhafte Pflichtversäumnisse unterlaufen sind (§§ 675 BGB, 128 HGB analog, 323 Abs. 1 S. 3 HGB, 80 InsO).

A) Die Klage ist zulässig.

Der pauschal erhobene Einwand, es handele sich um eine unabgegrenzte Teilklage, weil es der Kläger versäumt habe, sich auf die Teilschadenspositionen Dividende, Tantieme und Steuern die in den Folgejahren vereinnahmten bzw. von Dritter Seite zugeflossenen Beträge jeweils positionsbezogen anrechnen zu lassen, ist unerheblich. Der Kläger hat als Schaden sämtliche Ausgaben geltend gemacht, mit denen die A AG in Folge der pflichtwidrigen Prüfung des Jahresabschlusses 2002 belastet worden ist. Der Streitgegenstand ist damit hinreichend bestimmt. Die Frage, ob sich der Kläger etwaige Vorteile anrechnen lassen muss, die dem Unternehmen aus den Pflichtverletzungen der Beklagten entstanden sind, ist materiell-rechtlicher Natur, wirkt sich aber auf die Zulässigkeit der Klage nicht aus.

B) Die Klage ist teilweise begründet.

1. Zwischen der A AG und der Z GbR ist ein Geschäftsbesorgungsvertrag zur Prüfung des Jahresabschlusses für das Geschäftsjahr 2002 zu Stande gekommen, für deren ordnungsgemäße Erfüllung die Beklagten einstehen müssen (§§ 675 BGB, 128 HGB analog).

Zwar wurde lediglich der Beklagte Z3 von der Hauptversammlung der A AG zum Abschlussprüfer gewählt und der Aufsichtsrat der Gesellschaft hat ihm mit Schreiben vom 28. Januar 2003 den Prüfungsauftrag erteilt. Die Reaktion auf dieses Schreiben bestand indes in dem unter dem Briefkopf der Z GbR verfassten Schreiben vom 25. Februar 2003 (Anlage K 3).

Da sich die durch den Aufsichtsrat vertretene A AG durch Gegenzeichnung mit dem Schreiben vom 25. Februar 2003 einverstanden erklärt hatte, wurde ein Geschäftsbesorgungsvertrag mit demjenigen geschlossen, der aus diesem Schreiben bei dessen sachgerechter Auslegung als Auftragnehmer hervorging. Für einen Dissens ist hier kein Raum. Bei verständiger Würdigung dieses Schreibens konnte dies nur die in Form einer GbR geführte Sozietät (Z GbR) sein. Dem steht nicht entgegen, dass der Aufsichtsrat der A AG dem Beklagten Z3 persönlich den Auftrag angetragen hatte und dementsprechend eine Annahmeerklärung von ihm erwartete. Der gesamte Inhalt dieses Schreibens und vor allem der im drittletzten Absatz aufgenommene Passus, wonach der „für die Auftragsdurchführung verantwortliche Wirtschaftsprüfer und ihr Ansprechpartner in unserem Haus“ der Beklagte Z1 sein werde, lässt sich nur so verstehen, dass beide Beklagten die Annahmeerklärung in Vertretung der Z GbR unterzeichnet hatten.

Die Beklagten haften – unabhängig von der Auftragserteilung an die GbR – nach Maßgabe des in §§ 323, 317 HGB festgelegten Pflichtenumfangs. Es handelte sich hier nicht um eine freiwillige Abschlussprüfung sondern – für alle Beteiligten erkennbar – um eine Pflichtprüfung. Der beauftragte Abschlussprüfer muss in einem solchen Fall prüfen, ob er ordnungsgemäß bestellt wurde (Ebenroth-Wiedmann, HGB, 2. Aufl. 2008, Rn 12 zu § 318). Nicht nur dies haben die Beklagten unterlassen sondern darüber hinaus durch das von der Beauftragung abweichende Schreiben vom 25. Februar 2003 die von der ursprünglichen Intention der A AG abweichende Entwicklung des Vertragsabschlusses überhaupt erst eingeleitet. Hieraus folgt, dass die A AG von der Auftragnehmerin, der Z GbR, verlangen konnte, so gestellt zu werden, wie sie bei ordnungsgemäßer Bestellung und Beauftragung des Abschlussprüfers stehen würde. Dies bedeutet, dass sich die Z GbR an den in den oben genannten handelsrechtlichen Vorschriften festgelegten Pflichtenumfang orientieren muss, wofür die Beklagten als Gesellschafter einstehen müssen (vgl. Palandt-Sprau, BGB, 73. Aufl., Rn 12 zu § 714 BGB).

2. Die Beklagten haben gemeinsam mit dem Steuerberater Z2 und mit ihren Mitarbeitern, für deren Versäumnisse sie gem. § 278 BGB einstehen müssen, eine nach den maßgeblichen Standards des Instituts der Wirtschaftsprüfer unzureichende und damit pflichtwidrige Abschlussprüfung durchgeführt und auf dieser Grundlage einen fehlerhaften uneingeschränkten Abschlussvermerk erteilt.

a) Der Jahresabschluss der A AG für das Geschäftsjahr 2002 war fehlerhaft, weil er durch die Verbuchung fingierter Absatzgeschäfte ein weit überhöhtes Jahresergebnis ausgewiesen hat. In ihrer Analyse der Ertragslage (Gewinn- und Verlustrechnung – Ziffer 3.1. des Prüfberichts, Anlage K 4, S. 13) gehen die Beklagten davon aus, dass die A AG im Jahr 2002 ein Jahresergebnis vor Steuern in Höhe von 7.533.000,– € erwirtschaftet hat, dem u. a. Umsatzerlöse in Höhe von 80.002.000,– € zugrunde lagen. Der Kläger hat beweisen können, dass im Jahr 2002 fingierte Umsätze im Umfang von insgesamt 8.768.876,– € (netto) verbucht worden sind, was zu einem deutlich verminderten Jahresergebnis führt.

aa) Folgende Rechnungen an „außenstehende“ Debitoren sind im Jahr 2002 von der A AG als Umsatzerlöse verbucht worden:

Nr./Anl.

Kunde

Rechnungsdatum

Betrag (netto)

1

Y1 GmbH & Co. KG

27.11.2002

44.000 €

2 / K5

Y1 GmbH & Co. KG

28.11.2002

566.400 €

3 / K6

Y2 AG

18.12.2002

374.400 €

4 / K7

Y3 GmbH

18.12.2002

312.000 €

5 / K8

Y4 AG

27.11.2002

642.600 €

6 / K9

Y4 AG

28.11.2002

566.400 €

7 / K10

Y5 AG

18.12.2002

280.800 €

8 / K11

Y6

19.12.2002

664.000 €

Zwischensumme:

4.150.600 €

Folgende Rechnungen an Debitoren, die mit der A AG bzw. ihrem Vorstandsvorsitzenden und/oder untereinander gesellschaftsrechtlich verbunden waren (dazu LG München Urteil vom 4.2.2009 – Bl. 387 ff. d. A.), sind im Jahr 2002 von der Gesellschaft als Umsatzerlöse verbucht worden:

Nr./Anl.

Kunde

Rechnungsdatum

Betrag (netto)

9 /K12

4B GmbH

31.10.2002

510.000 €

10/K13

C GmbH

31.10.2002

516.700 €

11/K14

C GmbH

19.12.2002

652.680 €

12/K15

D GmbH

04.03.2002

1.322,896 €

13/K16

D GmbH

03.07.2002

620.000 €

14/K17

D GmbH

03.07.2002

332.000 €

15/K18

D GmbH

23.12.2002

664.000 €

Gesamtsumme der Rechnungsbeträge (netto)

8.768.876 €

Hierauf hat die A AG für das Geschäftsjahr 2002 Umsatzsteuer in Höhe von 1.190.540,86 € gezahlt.

Es ist unstreitig, dass die Rechnungen 3 – 15 (Anlagen K 6 – K 18) bei der A AG als Forderungen aus Lieferungen und Leistungen verbucht worden sind. Der Kläger hat dies durch Vorlage der Offene – Postenliste (OPOS) dieser Debitoren (Anlagen K 79 – K 86) belegt und die Beklagten haben das daraufhin zugestanden.

Die Rechnung Nr. 1 liegt dem Kläger nicht mehr vor. Bei den Rechnungen 1 + 2 (Anlage K 5 – Y1 GmbH & Co. KG) hat der Kläger allerdings durch Vorlage der Summen- und Saldenlisten des jeweiligen Debitorenkontos Buchungen belegen können (Anlagen K 77, 78). Ergänzend hat der Kläger belegt, dass Herr B mit Blick auf diese Rechnung im November 2005 mittels einer handschriftlichen Notiz eine Gutschrift unter dem Auftragstyp „N 33 Wertgutschrift ohne Lagerbewegung“ hat erstellen lassen, was die vom Kläger eingesetzten Wirtschaftsprüfungsgesellschaften L und X zu der nachvollziehbaren Feststellung brachte, dass hier eine verbuchte Scheinrechnung vorlag (Anlagen K 99, K 95, S. 13).

bb) Die o. g. Rechnungen sind Scheinrechnungen, denn ihnen liegen keine realen Geschäfte zu Grunde sondern sie sind von Herrn B1 ausschließlich mit dem Ziel generiert worden, ein größeres Umsatzvolumen der Gesellschaft vorzuspiegeln, um die Kreditgeber zu täuschen und ungerechtfertigte Dividenden und Tantiemen realisieren zu können. Hierfür spricht das Geständnis, dass der Vorstandsvorsitzende B1 bei seiner polizeilichen Vernehmung vom 19. Mai 2006 abgegeben hat (vgl. die oben zitierte Ermittlungsakte der StA …, im Folgenden: EA Bl. 193 = Bl. 1490 d. A.).

Herr B1 hat dort eingeräumt, dass die Umsatzzahlen der A AG schon ab dem Jahr 2000 nicht mit dem Businessplan und den Vorgaben der Investoren übereinstimmten, so dass er schon in diesem Zeitraum die ihm durch den Geschäftsführer der Fa. D GmbH genannte Möglichkeit ergriff, Scheinrechnungen an die vorgenannten Kunden zu erstellen, um diese an Factoring-Gesellschaften weiter zu veräußern. Dies geschah zunächst an die Factoring-Gesellschaft M und ab dem Dezember 2002 an die Fa. N AG.

Der Kläger hat nachgewiesen, dass die o. g. Rechnungen zu diesem Zweck von Herrn B1 bzw. auf dessen Anweisung von der Buchhaltung der A AG erstellt worden sind.

In Bezug auf die an die Y1 GmbH und Co. KG ausgestellten Rechnungen Nr. 1 und Nr. 2 liegen zwei E-Mails einer Mitarbeiterin der Firma Y1, Frau O vor, wonach dort zu den angegebenen Rechnungsnummern der A AG weder Bestellungen noch Lieferungen im System erfasst sind (Anlagen K 89, 90). Entsprechendes gilt für die an die Kunden Y3 und Y5 AG ausgestellten Rechnungen Nr. 4 und 7. Auch insoweit hat der Kläger elektronische Antwortschreiben der dortigen Buchhaltungen vorgelegt, wonach bei diesen Kunden keine Bestellungen, Lieferscheine oder ähnliches für diese Rechnungen vorliegen (Anlagen K 91, K 92). Anhaltspunkte, dass die vorgenannten E-Mails gefälscht worden wären, sind nicht ersichtlich.

Für die Rechnung Nr. 3, die an die Firma Y2 AG adressiert war, ergibt sich deren Scheincharakter aus dem vor der Staatsanwaltschaft … abgegebenen Geständnis des damaligen Vorstandes der A AG, Herrn B1 (vgl. EA, Bl. 277 – Bl. 1507 der Akten). Hier gilt – wie auch bei den anderen Rechnungen an „außenstehende“ Debitoren – ergänzend, dass die Rechnungsbeträge deutlich aus dem Raster der üblichen Rechnungen fallen, was unter Berücksichtigung des Zeitpunkts der Rechnungen kurz vor Ende des Geschäftsjahrs als Hinweis für die betrügerische Absicht von Herrn B1 gewertet werden kann. Auf die Ausführungen im Ausgangsgutachten des Sachverständigen E (im Folgenden: GA Tz. 88), wird verwiesen.

Bei den Rechnungen Nr. 5 und 6, die an die Y4 AG gerichtet sind, kann sich der Kläger ebenfalls auf das Geständnis des Herrn B berufen (EA, Bl. 193/194). Der Kläger hat ferner substantiiert dargelegt, dass diese Rechnungen nicht im Buchhaltungssystem der Kundin erfasst sind, was von den Beklagten lediglich pauschal und damit unzureichend abgestritten worden ist.

Auch der an die Fa. Y6 ausgestellten Rechnung vom 19. 12. 2002 (Rechnung Nr. 8, Anlage K 11) liegt kein reales Warenumsatzgeschäft zugrunde. Erstes Anzeichen dafür ist bereits der Inhalt dieser Rechnung, die – im Gegensatz zu einer weiteren am selben Tag an diese Kundin ausgestellten Rechnung – weder eine Auftragsnummer noch ein Auftragsdatum noch eine Order- oder Lieferscheinnummer oder weitere relevante Daten zur Lieferung und Gefahrentragung enthält (vgl. die Rechnungsablichtungen Anlagen 1 und 2 in der schriftlichen Stellungnahme des Sachverständigen E vom 19.12.2013). Der weitere Inhalt der Rechnung spricht ebenfalls für ihren Scheincharakter. Dort heißt es „… … … mit Namen NUR … zur Umarbeitung“. Es ist nicht erklärlich, warum die Fa. Y6, Vertriebspartnerin der A AG für Polen, verpflichtet sein sollte, nicht vertriebsfertige Artikel von der A AG nur für die Umarbeitung zu erwerben. Die weiteren Ermittlungen des Klägers und die Feststellungen des Sachverständigen haben den Scheincharakter der Rechnung bestätigt: Anhaltspunkte, dass hier ein per Akkreditiv abgewickeltes Geschäft vorliegt, konnte der Gutachter in den Arbeitspapieren der Beklagten nicht vorfinden. Ein Abgleich der in der Rechnung genannten Produkte mit den aus dem Warenwirtschaftssystem der A AG ersichtlichen Warenbewegungen hat keine Übereinstimmung gegeben.

Auch bei den an die Firmen B1 GmbH, C GmbH und D GmbH gestellten Rechnungen Nr. 9 – 15 (Anlagen K 12 – K 18) handelt es sich um Scheinumsätze. Mit den Geschäftsführern dieser Firmen hatte der Vorstandsvorsitzende der A AG bereits seit dem Jahr 2000 ein umsatzsteuerrechtliches Finanzierungskarussell etabliert. Dies ist von Herrn B im Rahmen seines polizeilichen Geständnisses eingeräumt und durch die Ermittlungsergebnisse der Steuerfahndungsbehörde … bestätigt worden (EA Bl. 196 – Bl. 1492 d. A., Anlagen K 27, K 88).

Durch eine Sonderprüfung der Unternehmensberatung L mit Unterstützung damaliger Mitarbeiter der A AG ist nachgewiesen, dass dieses Finanzierungsmodell im streitgegenständlichen Zeitraum praktiziert wurde und dass die in den o. g. Rechnungen aufgeführten Produkte im Warenwirtschaftssystem der A AG entweder gar nicht vorhanden waren oder dass keine Warenbewegungen stattgefunden haben (Anlage K 87). Die Ergebnisse dieser Untersuchungen sind zum Beleg auf diesen Rechnungen vermerkt worden (Anlagen K 14 – K 21).

b) Gegenstand der im Streit stehenden Jahresabschlussprüfung waren die Buchführung, der Jahresabschluss zum 31. Dezember 2002 und der Lagebericht für das Geschäftsjahr 2002. Die Beklagten mussten sich bei ihrer Abschlussprüfung an den Vorgaben des § 317 Absatz 1 S. 2 HGB orientieren, wonach sich die Prüfung darauf zu erstrecken hat, ob die gesetzlichen Vorschriften und sie ergänzende Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages oder der Satzung beachtet worden ist. Die Abschlussprüfung ist dementsprechend so anzulegen, dass Unrichtigkeiten und Verstöße gegen die die in S. 2 aufgeführten Bestimmungen, die sich auf die Darstellung des sich nach § 264 Abs. 2 HGB ergebenden Bildes der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Unternehmens wesentlich auswirken, bei gewissenhafter Berufsausübung erkannt werden (§ 317 Abs. 1 S. 3 HGB). Die Pflichten des Abschlussprüfers werden insoweit konkretisiert durch die vom Institut für Wirtschaftsprüfer (IDW) normierten Prüfungsstandards, Prüfungshinweise und Stellungnahmen (vgl. Münchener Kommentar zum HGB-Ebke, 3. Aufl., Rn 21 zu § 317 HGB).

Gemessen an diesen Vorgaben haben die Beklagten ihre Pflichten zur ordnungsgemäßen Abschlussprüfung nicht erfüllt, weil sie es versäumt haben, eine ordnungsgemäße Prüfung des Jahresabschlusses der A AG im Prüfgebiet „Forderungen aus Lieferungen und Leistungen“ durchzuführen.

Dies ist durch das überzeugende Gutachten des Sachverständigen E erwiesen. E hat nachvollziehbar und widerspruchsfrei erläutert, dass den Beklagten im Rahmen der Prüfung des hier wesentlichen Prüfgebietes „Forderungen aus Lieferungen und Leistungen“ gravierende Versäumnisse unterlaufen sind, weil sie weder eine fachgerechte Saldenbestätigungsaktion in Bezug auf die Debitoren der A AG durchgeführt noch sich in anderer Weise ein verlässliches Bild von der Werthaltigkeit des Forderungsbestandes gebildet haben.

Eine Verringerung der Prüfungsintensität in diesem Prüfgebiet ließ sich auch nicht durch die Prüfungstätigkeit der Beklagten in anderen Bereichen, namentlich bei der Überprüfung des so genannten internen Kontrollsystems (IKS) rechtfertigen, weil auch diese Prüfungstätigkeit den vom Institut der Wirtschaftsprüfer aufgestellten Prüfungsstandards nicht genügte.

Dazu im Einzelnen:

aa) Das Prüfgebiet „Forderungen aus Lieferungen und Leistungen“ ist von den Beklagten zutreffend als wesentlich i. S. von § 317 Abs. 1 S. 3 HGB eingestuft worden. In diesem Prüfgebiet gehört das Einholen von Saldenbestätigungen der Debitoren zu den Grundsätzen einer ordnungsmäßigen Durchführung von Abschlussprüfungen, soweit die Höhe der Forderungen oder Verbindlichkeiten absolut oder relativ für das Unternehmen von Bedeutung ist (Wirtschaftsprüferhandbuch 2000, 12. Aufl., Bd. I (WPH) S. 1794, Tz. 422). Wenn nach einer gewissen Zeit eine Saldenbestätigung nicht eingegangen ist, so hat sich der Prüfer in anderer Weise, nämlich durch Prüfung der zugrunde liegenden Unterlagen sowie vereinnahmter Zahlungen ein Urteil über diesen Posten zu bilden. Dies ergibt sich aus dem damals gültigen Fachgutachten 1/1988 der Wirtschaftsprüfer „Grundsätze ordnungsgemäßer Durchführung von Abschlussprüfungen“ (Abschnitt D. II. 4. c), im folgenden IDW FG 1/1988, vgl. GA Tz. 60).

Nach diesen Bestimmungen (Ziffer D. II. 4. c 2) sind als Kriterien für die sachgerechte Auswahl der Debitoren vor allem die Höhe der einzelnen Forderungen, der Umfang des Geschäftsverkehrs mit diesem Kunden, Zielüberschreitungen, Struktur und Ordnungsmäßigkeit des Kontokorrents zu berücksichtigen (GA Tz. 48).

Der Sachverständige E hat dargelegt, dass angesichts dieser Auswahlkriterien sämtliche Debitoren, die in den oben genannten Rechnungen Nr. 1 – 8 genannt werden, als Empfänger von Saldenanfragen in Betracht kamen. Sie gehörten zu den umsatzstärksten Kunden, denn mit sämtlichen dieser Debitoren erwirtschaftete die A AG Jahresverkehrszahlen von mehr als 1.000.000 €. Die Firma Y4 AG war der Kunde mit der absolut höchsten Jahresverkehrszahl. Auf die Zusammenstellung im Ausgangsgutachten des Sachverständigen E (GA Tz. 56) wird zur Veranschaulichung verwiesen. Die Höhe der einzelnen Forderungen und die Struktur und Ordnungsgemäßheit des Kontokorrents waren ferner eindeutige Hinweise, die Saldenbestätigungsaktion auf diese Kunden zu beziehen (GA Tz. 54 ff.).

Der Gutachter hat dargelegt, dass es im Interesse der Prüfungssicherheit angezeigt gewesen wäre, sämtliche der in den Rechnungen Nr. 1 – 8 aufgeführten Debitoren in die Saldenbestätigungsaktion einzubeziehen, weil damit bezogen auf den Gesamtsaldo lt. Debitorensaldenliste ein Deckungsgrad (sog. „Coverage“) von 63 % erreicht worden wäre. Angesichts der in den oben genannten Prüfungsbestimmungen vorgegebenen Kriterien war es jedenfalls zwingend angezeigt, die Debitoren Y2 KG, Y4 KG und Y3 GmbH um Saldenbestätigungen zu bitten (GA Tz. 52, 54).

Die Beklagten haben jedoch keine dieser „wichtigen Kunden“ der Firma A AG angeschrieben und sich bei ihrer Saldenbestätigungsaktion an insgesamt 35 Debitoren mit erheblich geringeren Jahresverkehrszahlen gewandt, was eine „Coverage“ von lediglich 9,8 % bedeutete (GA Tz. 39, 40, und Ergänzungsgutachten, im Folgenden EGA, Tz. 30). Von diesen Anfragen sind nur 14 beantwortet worden.

Da die Gründe für ihre Auswahlentscheidung von den Beklagten entgegen den eindeutigen Vorgaben in dem bereits seit 28. 6. 2000 geltenden Prüfungsstandard „Arbeitspapiere des Abschlussprüfers“ (IDW PS 460) nicht dokumentiert worden sind, war es für den Sachverständigen nicht möglich, ihre Motivation und ihre Vorgehensweise nachzuvollziehen.

bb) Die Beklagte räumen mittlerweile ein, dass nach den vorgenannten Kriterien die stärkere Berücksichtigung von Debitoren mit einem höheren Saldo zu erwarten gewesen wäre und erkennen die fehlende Dokumentation und die niedrige „Coverage“ ihrer Saldenbestätigungsaktion als „Schwäche“ ihrer Abschlussprüfung an. Dies wird in dem von den Beklagten vorgelegten Privatgutachten von Herrn F (im Folgenden PGA) auf Seite 30 und in dessen privatgutacherlicher Stellungnahme (im Folgenden: PST) auf S. 35 dargelegt, so dass zur Vermeidung von Wiederholungen darauf verwiesen werden kann. Die Beklagten gestehen zu, dass es nicht unzweifelhaft dokumentiert ist, nach welchen Kriterien die angeforderten Salden ausgewählt wurden, und geben zu, dass dies mit den Empfehlungen des IDW nicht zu vereinbaren ist (PST 22).

Die Beklagten verteidigen ihr Vorgehen allerdings mit dem Argument, es sei ohnehin bei den Warenhäusern unüblich, Saldenanfragen zu beantworten; der Abschlussprüfer habe auch keinen Anspruch auf Rücksendung der Saldenanfragen. Man habe daher nach interner Diskussion darauf verzichtet, die Warenhäuser anzuschreiben, obwohl klar gewesen sei, dass es sich um Debitoren mit höheren Salden gehandelt habe. Sie – die Beklagten – hätten die Prüfungsschwerpunkte nach ihrem Anteil an der Bilanzsumme festgelegt und damit sehr wohl Wesentlichkeitsgrade verwendet (PST 20). Es sei weder ein schlechtes Forderungsmanagement noch eine ungünstige Forderungsstruktur der A AG erkennbar gewesen. Durch die Auswahl einer Vielzahl kleinerer Forderungen hätten die internen Funktionsabläufe der A AG einer Funktionsprüfung unterzogen und Rückschlüsse auf die Vorgehensweise im dortigen Haus gewonnen werden können (PGA S. 31). Die Auswahl der von ihrer Saldenbestätigungsaktion umfassten Debitoren sei im Hinblick auf das Ergebnis ihrer Prüfung des internen Kontrollsystems der A AG, der Bilanzstruktur und des unternehmerischen Umfelds (inhabergeführtes Unternehmen) vertretbar gewesen (PGA 33, PST 22, 24).

cc) Der Sachverständige E hat die Einwände der Beklagten mit einer überzeugenden Begründung als unerheblich zurückgewiesen:

Da der Wirtschaftsprüfer im Rahmen der Abschlussprüfung mit hinreichender Sicherheit Aussagen über das Prüfungsergebnis (sog. Prüfungsaussagen) treffen muss, ist er verpflichtet, ausreichende und angemessene Prüfungsunterlagen zu erlangen, um dieser Anforderung genügen zu können (WPH S. 1712 Tz. 70, vgl. EGA, Tz. 51). Es spielt dementsprechend keine Rolle, ob ein im Rahmen der Saldenbestätigungsaktion angeschriebener Debitor nicht antwortet oder ob der Abschlussprüfer in Erwartung einer fehlenden Antwort von vornherein auf die Anfrage verzichtet. In beiden Fällen ist der Prüfer nämlich verpflichtet, sich in anderer Weise durch Prüfung von Nachweisen, die mit mindestens gleicher Zuverlässigkeit erbracht werden, ein verlässliches Urteil über den Posten zu bilden (IDW FG 1/1988 D. II. 4 c2. – vgl. GA Tz. 60, EGA Tz. 51). Dafür kommen beispielsweise die Einsichtnahme in die den Rechnungen zu Grunde liegenden Liefer- und Vertragsunterlagen sowie (ergänzend) die Prüfung der Zahlungseingänge nach dem Abschlussstichtag in Betracht (EGA Tz. 61).

(1) Der Sachverständige hat festgestellt, dass die Prüfungsmaßnahmen der Beklagten diesen Anforderungen nicht genügten und dass ihre Aktivitäten nicht mit hinreichender Sicherheit ihre Prüfungsaussagen belegen konnten.

Soweit der Beklagte Z1 vorbringt, er habe die unbestätigten Salden auf der „Offene Posten“ – Liste vermerkt, ist dies lediglich Bestandteil der Dokumentation, stellt aber keine materielle Prüfungshandlung dar (EGA Tz. 61).

Die von den Beklagten ins Feld geführte Detailüberprüfung von lediglich drei Rechnungen (hier: der beiden oben unter Ziffern 2 und 8 aufgeführten Scheinrechnungen an die Firmen Y1 GmbH & Co KG und Y6 sowie einer Rechnung an die Fa. Y7 bzw. Y8 GmbH & Co KG vom 28.12.2002 über den Betrag von 723,84 €) hat der Sachverständige mit Recht als eine mehr als zweifelhafte Schwerpunktsetzung bewertet. Diese Debitoren hatten nicht an der Saldenbestätigungsaktion teilgenommen, konnten also nicht zu deren Auswertung herangezogen werden. Die Prüfung war schon vom Ansatz her unzureichend, weil lediglich ein Abgleich des gebuchten mit dem auf der Rechnung erwähnten Betrag vorgenommen, zugleich aber versäumt wurde, Verträge, Liefer- und Empfangsdokumente einzusehen (EGA Tz. 61).

Ebenso wenig können sich die Beklagten darauf berufen, die verbuchten Zahlungseingänge geprüft zu haben. Der Sachverständige hat zum einen festgestellt, dass die Beklagten nur vereinzelt, nicht aber durchgängig die offenen Posten im Hinblick auf den Zahlungseingang zum Prüfungszeitpunkt durchgesehen haben. Im Übrigen hat er klargestellt, dass dies allein den o. g. Prüfungsrichtlinien nicht genügt, weil dort eine Untersuchung der zugrundeliegenden (Bestell- und Liefer-) Unterlagen gefordert wird, was von den Beklagten unterlassen wurde. Außerdem hat der Sachverständige die Relevanz der Durchsicht der Zahlungseingänge als fraglich beurteilt, da in vielen der maßgeblichen Fälle aufgrund der vereinbarten Zahlungsziele im Zeitpunkt der Abschlussprüfung noch gar kein Zahlungseingang bestätigt werden kann. Dies ist auch in den Arbeitspapieren der Beklagten so festgehalten (Anlage BE 5, Ziffer 4)

Im Übrigen hat der Sachverständige ausführlich dargelegt, dass ein pflichtgemäß handelnder Abschlussprüfer bei den unter Ziffern 2 (Debitor: Fa. Y1 GmbH & Co KG – Anlage K 5) und 8 (Debitor: Fa. Y6 – Anlage K 11) aufgeführten Rechnungen im Hinblick auf das Rechnungsdatum unmittelbar vor dem Stichtag, im Hinblick auf deren auffallend hohen Betrag sowie auf deren Inhalt Anlass für weitere Untersuchungen gehabt hätte. Beide Rechnungen enthielten weder Angaben zur Auftragsnummer noch zum Auftragsdatum oder zu einer Lieferscheinnummer, was bei allen anderen Rechnungen der A AG üblich war.

Unerheblich bleibt auch der Vortrag der Beklagten, die mit der Kundin Y6 mittels Akkreditiv abgewickelten Geschäfte seien auf dem Debitorenkonto …1 gebucht. Aus den in ihren Arbeitspapieren befindlichen Summen- und Saldenlisten (Stichtag: 24. 2. 2003) sei ersichtlich, dass der Zahlungsausgleich dieses Debitorenkontos anhand der Offene Posten – Liste (OPOS) geprüft worden sei (Vermerk auf Anlage BE 25, Bl. 1440 d. A.). Dies ist schon deshalb unerheblich, weil sich aus den Arbeitspapieren der Beklagten nicht ergibt, dass dieses Geschäft per Akkreditiv abgewickelt worden ist. Ebenso unerheblich bleibt der zum Debitorenkonto …2 der Fa. Y6 angebrachte Vermerk „größtenteils ausgeglichen lt. Liste OP 11.3.“ (Anlage BE 25, Bl. 1441 d. A.) Auch er hat keine Aussagekraft, weil die Beklagten die Offene Posten-Liste dieser Kundin zum Stichtag 11. 3. 2003 nicht vorgelegt haben. Der vom Kläger vorgelegte Ausdruck der Offene Posten-Liste des Debitoren-Kontos …2 belegt dagegen, dass bis zum 19. 3. 2003 kein Zahlungseingang verzeichnet ist (Anlage K 83).

Die vermeintliche Prüfung sieben weiterer Geschäftsvorfälle durch die Beklagten ist nicht dokumentiert und trotz entsprechender Erinnerung des Sachverständigen von ihnen auch nicht konkret dargelegt worden. Entsprechendes gilt für den pauschalen Vortrag der Beklagten, sie hätten eine partielle Prüfung der Warenbegleitpapiere durchgeführt. Nachdem der Sachverständige E ausdrücklich darauf hingewiesen hat, dass ihm dafür weitere Anhaltspunkte fehlen und die Beklagten diesen pauschalen Vortrag danach nicht weiter konkretisiert haben, kann nicht festgestellt werden, welche weiteren Prüfungshandlungen in diesem Prüfgebiet durchgeführt worden sind.

(2) Die Beklagten können sich auch nicht damit verteidigen, dass der erforderliche Prüfungsumfang bei der Durchführung der Saldenbestätigungsaktion durch das Ergebnis ihrer Prüfung des internen Kontrollsystems (IKS) der Firma A AG herabgesetzt worden wäre.

Der Sachverständige E hat nämlich mit Verweis auf den einschlägigen IDW Prüfungsstandard „Das interne Kontrollsystem im Rahmen der Abschlussprüfung“ vom 2. 7. 2001 (IDW PS 260) klargestellt, dass nur ein gut funktionierendes internes Kontrollsystem es rechtfertigt, in geringerem Umfang aussagebezogene Prüfungshandlungen vorzunehmen (IDW PS 260, Tz. 79; GA Tz. 79). Er kommt nach Auswertung der Arbeitspapiere der Beklagten allerdings zu dem Ergebnis, dass keine verlässliche Aussage über die Qualität des internen Kontrollsystems der A AG gemacht werden kann, weil die Beklagten zwar einzelne Prüfungshandlungen vorgenommen haben, die sich mit dem IKS beschäftigen, es aber hinsichtlich dieses Prüffeldes an einer quantitativ und qualitativ adäquaten IKS – Prüfung in systematischer, alle Bereiche abdeckende Weise fehlt (GA Tz. 71, 79; EGA Tz. 73). Da die Beklagten erstmals mit der Abschlussprüfung beauftragt waren, konnten sie sich außerdem nicht auf Vorerfahrungen stützen.

Der Sachverständige E hat in seinem Ausgangsgutachten ausführlich dargelegt, dass sich der Abschlussprüfer bei sachgerechtem Vorgehen zunächst Kenntnisse des internen Kontrollsystems aneignen und dann dessen Aufbau und Funktion überprüfen muss. Dabei hat er festgestellt, dass die Grundstruktur der Aufbauorganisation der A AG und damit auch deren internes Kontrollsystem (IKS) nicht vollständig dokumentiert waren, was Anlass für weitere Prüfungshandlungen gab. Namentlich vermisst der Sachverständige E in den Arbeitspapieren der Beklagten zusammenfassende Ausführungen über die adäquate Funktionsprüfung (GA Tz. 67, 72 ff.).

Der Sachverständige E hat sich außerdem mit den von den Beklagten dargelegten Prüfungshandlungen im Einzelnen beschäftigt, diese aber mit Recht als unsystematisch und unzureichend bewertet:

Der Vermerk der Prüferin P über die Befragung des kaufmännischen Leiters der A AG, Herrn Q, und dessen Stellvertreter, Herrn R, ist zwar ein Arbeitspapier, in dem in Stichpunkten verschiedene Anmerkungen vorhanden sind, aber kein Nachweis einer IKS – Funktionsprüfung (GA Tz. 71; EGA Tz. 79).

Die Eintragungen in den Checklisten von Herrn StB Z2 zu den Prüffeldern „IKS“, „Fertige Erzeugnisse und Waren“ und „Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen“ sind nicht durch Prüfungsnachweise belegt oder erläutert. Für den Prüfungsschwerpunkt „Forderungen aus Lieferungen und Leistungen/Umsatzerlöse“ finden sich in den Arbeitspapieren keine entsprechenden Fragebögen (GA Tz. 73, EGA Tz. 77, 78).

Die Beschäftigung der Beklagten mit Relationszahlen und Mehrjahresvergleichen ist dem Bereich der Plausibilitätsbeurteilung zuzuordnen, kann aber eine Funktionsprüfung nicht ersetzen (EGA Tz. 79).

Der Abgleich der Eingangs- und Ausgangsrechnungen in den im Privatgutachten von F hervorgehobenen und von den Beklagten dokumentierten 3 Geschäftsvorfällen ersetzt ebenfalls für sich genommen keine umfassende Funktionsprüfung im Hinblick auf den Bereich Forderungen aus Lieferungen und Leistungen; dazu wäre ein Abgleich mit den Lieferscheinen notwendig gewesen, zumal nicht alle Geschäfte in den Arbeitspapieren als Akkreditivgeschäfte erkennbar sind. Außerdem hat der Sachverständige es mit Recht als nicht sachgerecht bewertet, dass die Beklagten die Auswahl dieser Geschäftsvorfälle nicht selbst vorgenommen sondern dem Kunden, nämlich dem kaufmännischen Leiter Herrn Q überlassen haben (EGA Tz. 75, 76).

Ferner haben die Beklagten nicht dokumentiert, ob sie Maßnahmen zur Prüfung der Unternehmenskontrolle durchgeführt haben, z. B. eine Prüfung des Abgleichs der Abgangsbelege mit zugrundeliegenden Aufträgen oder eine Prüfung, ob und wenn ja, wann im Unternehmen die Möglichkeit bestand, Versandpapiere (Lieferscheine etc.) zu erzeugen (GA Tz. 76, 77).

Zuletzt lag auch keine adäquate Dokumentation mit Beschreibung tatsächlich durchgeführter Kontrolltests, des Ergebnisses des jeweiligen Kontrolltests sowie der Wirksamkeit der Kontrolle und dem jeweiligen dies dokumentierenden Prüfungsnachweis vor.

Der Gerichtsgutachter E hat somit überzeugend begründet, warum er die einzelnen Prüfungshandlungen in ihrer Gesamtheit nicht als adäquate und strukturierte Funktionsprüfung des internen Kontrollsystems der A AG ansieht. In der Privatgutachterlichen Stellungnahme vom 23.2.2013 widerspricht F zwar dieser Bewertung und vertritt die Ansicht, der Prüfungsgegenstand „Internes Kontrollsystem“ (IKS) sei von den Beklagten aus verschiedenen Blickrichtungen hinreichend geprüft worden, was keinen Anlass für weitergehende Untersuchungen gegeben habe (PSTN 27). Der Privatgutachter setzt sich allerdings mit den ausführlichen Erläuterungen im Ergänzungsgutachten des Sachverständigen E nicht auseinander sondern stellt lediglich seine eigene Wertung der des Gerichtsgutachters entgegen.

dd) Es spielt keine Rolle, dass die in den Rechnungen Nr. 1 – 7 ausgewiesenen vermeintlichen Zahlungsforderungen der A AG durch den am 6.12.2002 abgeschlossenen Factoring – Vertrag an die Fa. N AG abgetreten worden sind. Der Sachverständige hat unter Bezugnahme auf § 6 Nr. 6.2 des Factoring-Vertrages (Anlage K 94) darauf hingewiesen, dass die A AG unabhängig von der Frage, ob es sich bei diesem Vertrag bilanzrechtlich um sog. echtes Factoring handelte, in jedem Fall das sog. „Veritätsrisiko“ trug, d. h. das Risiko, dass die Forderungen überhaupt bestanden. Er hat plausibel erläutert, dass sich die Jahresabschlussprüfung deshalb auch auf diese Forderungen erstrecken musste. Dass die A AG ein Factoring betrieb, führte also nicht dazu, dass die Abschlussprüfer von der Einholung adäquater Prüfungsnachweise entbunden waren. Sie hatten zu gewährleisten, dass sie ausreichende und angemessene Prüfungsnachweise hinsichtlich der geprüften Aussagen in der Rechnungslegung einholten, was hier nicht geschehen ist (GA Tz. 93, 98).

ee) Der Sachverständige E ist von zutreffenden Anknüpfungspunkten ausgegangen, denn er hat sich an den Arbeitspapieren der Beklagten orientiert und diese vollständig ausgewertet. Dies war sachgerecht, denn der Abschlussprüfer ist verpflichtet, die zur Stützung seiner Prüfungsunterlagen dienenden Prüfungsnachweise in den Arbeitspapieren zu dokumentieren (IDW PS 460 „Prüfungsstandard Arbeitspapiere des Abschlussprüfers“, Stand: 28.6.2000, Tz. 6 – Anlage K 103, vgl. EGA Tz. 36 sowie Münchener Kommentar zum HGB-Ebke, 3. Aufl., Rn 84, 88 zu § 317 HGB). Ferner wird verlangt, dass in den Arbeitspapieren auch die Überlegungen des Abschlussprüfers zu allen wichtigen Sachverhalten, denen Ermessensentscheidungen zugrunde liegen, sowie die hierzu vom Abschlussprüfer gezogenen Schlussfolgerungen dokumentiert werden müssen (IDW PS 460 Tz. 13). Dies gilt auch vor dem Hintergrund, dass die Arbeitspapiere insbesondere der Sicherung des Nachweises in Regressfällen dienen sollen (IDW PS 460, Tz. 7).

Die fehlende Dokumentation einer aus fachlicher Sicht zu dokumentierenden Maßnahme gilt zumindest als erhebliches Indiz, dass diese unterblieben ist (vgl. OLG Dresden, Urt. v. 30.06.2011, Az.: 8 U 1603/08 – DStRE 2013, 59, Tz. 58 bei juris). Der an den Sachverständigen gerichtete Vorwurf der Beklagten, er habe ihren Prozessvortrag zum Prüfungsgeschehen teilweise ausgeblendet, ist unberechtigt und vor allem unerheblich, denn die Beklagten haben keine Anhaltspunkte vorgetragen, die eine vom Ergebnis des Gutachtens abweichende Beurteilung rechtfertigen können:

Der Sachverständige hat die als Anlagenkonvolut BE 22 und BE 23 vorgelegten Prüfungsnotizen der Beklagten nicht zu Unrecht „vernachlässigt“. Die Beklagten tragen gar nicht vor, welche entlastende Auswirkung diese Unterlagen haben sollen. Die stichpunktartigen Notizen über „Aufbau und Ablauforganisation des internationalen Leistungsverkehrs“ und zu einer „Lagerbegehung“ des Steuerberaters Z2 haben mit dem hier in Rede stehenden Prüfgebiet „Forderungen aus Lieferungen und Leistungen“ und mit den Scheinrechnungen nichts zu tun.

Die Beklagten können dem Gutachter nicht vorwerfen, weitere Erkenntnisquellen, wie beispielsweise die Befragung der Prüfer zu „Gegenst(ä)nd(en) von nicht ausreichend dokumentierten Prüfungshandlungen“ übergangen zu haben (vgl. Bl. 1030 d. A.). Da die Beklagten nicht dargelegt haben, welche von ihnen nicht dokumentierten Prüfungshandlungen eine vom Gutachtenergebnis abweichende Beurteilung gebieten sollen, kommt auch eine weitere Sachverhaltsaufklärung des Senats zu den unter Zeugenbeweis (des jeweils anderen Beklagten oder ihrer Mitarbeiter) gestellten und im Übrigen lediglich pauschalen Behauptungen der Beklagten über die Ordnungsgemäßheit ihrer Prüfungshandlungen nicht in Betracht.

Eine Trennung der Verfahren, um eine entsprechende Beweisaufnahme zu ermöglichen ist ebenfalls nicht erforderlich, da der Rechtsstreit aus den genannten Gründen entscheidungsreif ist (vgl. dazu Zöller-Greger, ZPO, 30. Aufl., Rn. 8 zu § 147 ZPO).

3. Die Beklagten haben ihre Sorgfaltspflichten schuldhaft verletzt.

a) Der Sachverständige E hat die Pflichtversäumnisse der Beklagten in seinem Ergänzungsgutachten als schwerwiegenden Verstoß gegen die damals geltenden Prüfungsstandards des IDW bewertet (EGA 98). Dies ist in seiner schriftlichen Ausarbeitung zum Verhandlungstermin vom 19. Dezember 2013 nochmals zusammengefasst und vertieft worden. Der Sachverständige hat überzeugend dargelegt, dass die von den Beklagten angefertigten Arbeitspapiere weder eine an den Grundsätzen ordnungsgemäßer Abschlussprüfung orientierte Saldenbestätigungsaktion noch eine adäquate Prüfung der den wesentlichen Forderungen des Unternehmens zugrundeliegenden Sachverhalte noch eine sachgerechte Prüfung des internen Kontrollsystems belegen.

Es oblag den Beklagten, sich in subjektiver Hinsicht entlasten (§ 280 Abs. 1 S. 2 BGB; vgl. Baumbach-Hopt/Merkt, HGB, 34. Aufl., Rn 7 zu § 323 HGB). Dies ist aus den bereits dargestellten Gründen nicht geschehen und lässt sich auch aus der von den Beklagten vorgelegten privatgutachterlichen Stellungnahme von F nicht ableiten, denn dort wird eingeräumt, dass „die Prüfungsdurchführung mit Schwächen behaftet war“ (PST 35).

b) Der Vorwurf des Klägers, die Beklagten hätten so leichtfertig gehandelt, dass ihr Verhalten als vorsätzlich bewertet werden müsse, hat sich nicht bestätigt. Bedingter Vorsatz liegt dann vor, wenn aus dem Vorgehen des Abschlussprüfers geschlossen werden kann, dass er es für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen hat, die Abschlussprüfung pflichtwidrig durchgeführt zu haben (vgl. dazu BGH v. 19.4.2012, Az.: III ZR 224/10, Tz 30 = MDR 2012, 765 [BGH 19.04.2012 – III ZR 224/10]; Quick BB 1992, 1675, 1676). In dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall hatte der Abschlussprüfer kritische Prüfungsfelder „umschifft“ und grundlegende Berufspflichten verletzt.

Es genügt allerdings nicht, wenn die relevanten Tatumstände, die zu einer Unzulänglichkeit der Prüfung führen, lediglich objektiv erkennbar waren und sich dem Abschlussprüfer hätten aufdrängen müssen. In einer solchen Situation ist lediglich ein Fahrlässigkeitsvorwurf gerechtfertigt (BGH vom 15.3.2013, Az.: VI ZR 124/12, Tz. 12 = WM 2013, 2322).

Letztendlich kann diese Frage nur im Rahmen einer Würdigung aller Umstände festgestellt werden. Dass die Beklagten wesentliche Prüfgebiete von vorn herein ausgeblendet und sich einen völlig unzureichenden Zeitrahmen für die Prüfung gesetzt hätten, ist nicht erwiesen. Zu ihren Lasten spricht zwar, dass sie bewusst davon abgesehen haben, Saldenanfragen an wesentliche Kunden der A AG zu senden. Andererseits hat der Sachverständige die Anzahl der von ihnen versandten Saldenanfragen nicht beanstandet und seine Kritik vor allem auf die unter dem Postulat der „Wesentlichkeit“ unzureichende Auswahl der Debitoren gerichtet. Der Sachverständige vermag daher nicht auszuschließen, dass die Beklagten aufgrund einer unzureichenden Bestimmung der Wesentlichkeit (sog. Materiality) ihrer Prüfungshandlungen in qualitativer wie auch in quantitativer Hinsicht falsche Prüfungsschwerpunkte im Bereich der Forderungen aus Lieferungen und Leistungen gesetzt, demzufolge aus Nachlässigkeit die entscheidenden Prüfungsmaßnahmen unterlassen und darauf vertraut haben, dass ihre Prüfung den berufsständigen Anforderungen genügte.

Dieses Beweisergebnis wirkt sich zu Lasten des Klägers aus, denn er musste den Beklagten vorsätzliches Handeln nachweisen (vgl. Münchener Kommentar zum HGB – Ebke, 3. Aufl., Rn 70 zu § 323 HGB m. w. N; Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 6. Aufl., Rn. 104; Beck’scher Bilanz-Kommentar – Winkeljohann/Hellwege, 6. Aufl., Rn 111 zu § 323; Quick BB 1992, 1675, 1677; Wölber, Abschlussprüferhaftung im Europäischen Binnenmarkt, S. 61).

4. Bei ordnungsgemäßer Prüfung der Beklagten wären die unter Ziffer 1 – 8 aufgeführten Rechnungen als Scheinrechnungen aufgedeckt worden. Dies hat der Sachverständige E überzeugend bestätigt. Der Senat ist aufgrund dieser Feststellung zu der Überzeugung gelangt, dass für diesen Fall auch die weiteren Bilanzfälschungen aufgeklärt und damit auch die unter Ziffern 9 – 15 aufgeführten Scheinrechnungen aufgedeckt worden wären:

Der Sachverständige hat nachvollziehbar dargelegt, wie die weiteren Prüfungsschritte der Beklagten bei ordnungsgemäßer Durchführung der Saldenbestätigungsaktion hätten verlaufen müssen:

Wenn einzelne der o. g. Kunden auf die Saldenanfragen der Klägerin den korrekten und damit abweichenden Saldo bestätigt hätten, so hätte dies aus den bereits dargelegten Gründen zwingend weitere Prüfungshandlungen der Beklagten nach sich ziehen müssen, die zu einer Aufdeckung der Scheinrechnungen geführt hätten. Ein Abgleich der bei der A AG gebuchten Rechnungen mit den beim Debitor eingegangenen Rechnungen hätte nämlich ohne Zweifel zur Aufdeckung des Scheincharakters geführt (GA Tz. 84).

Wären die Saldenanfragen dagegen von den o. g. Kunden unbeantwortet geblieben, so hätten die Beklagten alternative Prüfungshandlungen in dem bereits geschilderten Umfang durchführen müssen, d. h. sie hätten Lieferbestätigungen oder ähnlich qualifizierte Dokumente anfordern müssen, um sich auf andere Weise ein zutreffendes Bild vom Bestand der Forderungen verschaffen zu können (GA Tz. 85 ff.). Da den Beklagten zwei der Scheinrechnungen, nämlich die unter Ziffern 2 (Anlage K 5, Debitor: Fa. Y1 GmbH & Co KG) und 8 (Anlage K 11, Debitor: Fa. Y6) aufgeführten Rechnungen tatsächlich vorlagen, und da diese Rechnungen aus den oben bereits dargelegten Gründen schon in ihrer Form und in ihrem Inhalt bestimmte Verdachtsmomente eines Scheincharakters trugen, wäre es für eine pflichtgemäße Prüfung unabdingbar gewesen, weitergehende Prüfungshandlungen vorzunehmen, die diesen Scheincharakter ohne Zweifel bestätigt hätten.

Bereits die Entdeckung nur einiger Scheinrechnungen hätte Einfluss auf die Risikoeinschätzung der Beklagten hinsichtlich des Vorhandenseins von Unrichtigkeiten und Verstößen i. S. v. § 317 HGB haben müssen und eine entsprechende Ausweitung der Prüfungshandlungen im Bereich der Forderungen aus Lieferungen und Leistungen (etwa die gezielte Untersuchung der bisher im Rahmen der Saldenbestätigungsaktion nicht beantworteten Salden) zur Folge haben müssen (GA Tz. 89).

Diese Feststellung des Sachverständigen E leuchtet dem Senat ohne weiteres ein, denn damit wäre der Verdacht der Bilanzfälschung offenbart und damit das Prüfungsrisiko drastisch erhöht worden. Der Sachverständige hat dem Senat deshalb die Überzeugung vermittelt, dass die als Scheinrechnungen aufgeführten Positionen Nr. 1 – 8 bei ordnungsgemäßer Prüfung aufgedeckt worden wären. Deren Aufdeckung hätte aus denselben Gründen weitere Prüfungshandlungen nach sich ziehen müssen und dementsprechend auch die an die Firmen 4B GmbH, C GmbH und D GmbH ausgestellten Scheinrechnungen als solche enttarnt.

Die Beklagten können sich nicht mit dem Einwand entlasten, dass der Vorstand B1 oder der von ihm in die Bilanzfälschung einbezogene kaufmännische Leiter Herr Q die Aufklärung dieses Sachverhalts dadurch vereitelt hätten, dass sie auch Bestellungen, Lieferscheine oder andere Warenbegleitpapiere gefälscht hätten.

Zum einen hätten die Beklagten diesen Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens substantiiert darlegen und unter Beweis hätten stellen müssen, dass der Schaden auch im Fall ihrer ordentlichen Pflichterfüllung eingetreten wäre (BGH NJW-RR 2006, 965 [BGH 14.03.2006 – X ZR 46/04] Tz. 16 bei juris; Staub – Habersack/Schürnbrand, HGB, 5. Aufl., Rn. 34 zu § 323 HGB m. w. N.). Dies ist hier nicht geschehen und lässt sich auch nicht aus dem Inhalt der Strafakten ableiten.

Unabhängig davon ist der Senat aufgrund der überzeugenden Schilderung des Sachverständigen auch zu dem Ergebnis gelangt, dass etwaige Verschleierungshandlungen von Herrn B1 oder seiner Mitarbeiter bei sachgerechtem Vorgehen der Beklagten nicht möglich bzw. nicht erfolgreich gewesen wären. Der Sachverständige hat in seiner schriftlichen Ausarbeitung vom 19. Dezember 2013 ausführlich dargelegt, welche Optionen den Beklagten zur Prüfung der Validität dieser Rechnungen zur Verfügung gestanden hätten. Der Senat folgt dem Sachverständigen auch in der Bewertung, dass es angesichts des hier gebotenen Prüfungsumfangs, der deutlich über die von den Beklagten übernommenen Anstrengungen hätte hinausgehen müssen (Einholen interner und externer Dokumente, Anfordern von Begleitpapieren etc.) weder für Herrn B1 noch für Herrn Q möglich gewesen wäre, ohne zeitliche Vorbereitung (sozusagen „auf Abruf“), für alle zu prüfenden Debitoren gefälschte Dokumente zu generieren, ohne zugleich das Misstrauen der Beklagten zu erregen.

5. Der Fa. A AG ist für das Geschäftsjahr 2002 ein auf die Pflichtverletzungen der Beklagten zurückzuführender Schaden in Höhe von mindestens 5.078.772,12 € entstanden, der sich aus den zu Unrecht ausgezahlten Dividenden und Tantiemen ergibt. Die Ursächlichkeit der Pflichtverletzungen der Beklagten für den hier geltend gemachten Schaden gehört zur haftungsausfüllenden Kausalität, für deren Nachweis die in § 287 ZPO vorgesehenen Beweiserleichterungen gelten (BGH, Urt. v. 23.10.2003 – IX ZR 249/02, NJW 2004, 444 m. w. N.). Dieser Nachweis ist hier geführt:

a) Die A AG hat für das Geschäftsjahr 2002 Dividenden in Höhe von 4.832.772,12 € an ihre Aktionäre und erfolgsabhängige Vergütungen (Tantiemen) in Höhe von 246.000 € an ihre Vorstände ausgezahlt. Dies ergibt sich aus dem Prüfbericht der Beklagten bzw. ist von ihnen nicht bestritten worden (Anlage K 4).

Bemessungsgrundlage für die Dividenden der Aktionäre ist der Bilanzgewinn (§ 170 Abs. 2 AktG). Dieser ist von den Beklagten mit 6.738.477,73 € festgestellt worden (Anlage 2 zum Prüfungsbericht vom 28.3.2003 – Anlage K 4). Die Bilanzmanipulationen haben sich aus den dargelegten Gründen auf den Bilanzgewinn unmittelbar ausgewirkt. Dabei kann offen bleiben, wie der richtige Bilanzgewinn bei Aufdeckung der Scheinumsätze tatsächlich ausgefallen wäre. Ebenso wenig spielt es eine Rolle, ob es den Beklagten auch bei ordnungsgemäßer Prüfung möglich gewesen wäre, die unter Ziffern 8 – 15 (Anlagen K 11 – K 18) aufgeführten Rechnungen als Scheinrechnungen zu enttarnen.

Die Aufdeckung der Bilanzmanipulationen in Bezug auf die unter Ziffern 1 – 7 aufgeführten Rechnungsempfänger – allesamt namhafte und wirtschaftlich bedeutende Abnehmer der A AG – hätte nämlich unmittelbar zu einer erheblichen Krise bei der A AG geführt und eine Ausschüttung der Dividenden und Tantiemen vereitelt, weil das Vertrauen der außerhalb der Familie B stehenden Aktionäre und vor allem das Vertrauen der die A AG finanzierenden Banken mit Sicherheit verloren gewesen wäre.

Der Vorstandsvorsitzende B1 hat bei seinen polizeilichen Vernehmungen vom 19. Mai 2006 und vom 9.10.2006 eingeräumt, dass sich die Umsatzzahlen schon ab dem Jahr 2000 nicht mehr so entwickelt hatten, wie das die Businesspläne und die sonstigen Vorgaben verlangt hatten, und dass das Unternehmen schon 2002/2003 keinen positiven Ertrag mehr erwirtschaftet hatte, was ihn zu den Bilanzmanipulationen verleitet habe (EA Bl. 193, 869).

Es entspricht der allgemeinen Lebenserfahrung, dass durch eine Offenlegung dieser Manipulationen das Vertrauen der Kreditgeber in die Bonität der A AG verloren gegangen wäre, dass dann weitere Untersuchungen der Vorjahre eingeleitet worden wären und dass dies schon im Frühjahr 2003 zu strafrechtlichen Ermittlungen gegen den Vorstand und zu einer schweren Krise des Unternehmens geführt hätte. Es wäre lebensfremd, wenn man annehmen würde, dass die Hauptversammlung der A AG unter diesen Bedingungen überhaupt eine Gewinnausschüttung für das Jahr 2002 beschlossen hätte. Dies gilt auch dann, wenn man berücksichtigt, dass sich der Aktienbesitz ganz überwiegend in Besitz der Familie B befunden hat. Unerheblich ist dementsprechend auch die Behauptung der Beklagten, die Dividende wäre dann aus Rücklagen bzw. aus der noch vorhandenen Liquidität realisiert worden. Die Tragweite der Vorwürfe gegen Herrn B1 steht einer solchen Vorgehensweise entgegen.

Ebenso wenig ist es denkbar, dass angesichts dieser Vorwürfe und – unabhängig davon – im Hinblick auf die drastische Verringerung des Jahresergebnisses noch erfolgsabhängige Tantiemen für den Vorstand hätten bewilligt werden können, ohne zugleich die Kreditgeber des Unternehmens „auf den Plan zu rufen“, die den Vorstand unter Druck gesetzt und damit die Auszahlung der Tantiemen vereitelt hätten.

b) Es kann offen bleiben, ob der A AG ein weitergehender Schaden in Gestalt überzahlter Ertrags- und Umsatzsteuer für das Geschäftsjahr 2002 entstanden ist. Wegen der nachfolgend unter Ziffer 7.) behandelten Haftungsbegrenzung auf 1 Million € kann sich dies nicht mehr zu Lasten der Beklagten auswirken (§ 323 Abs. 2 HGB).

c) Die Einwände der Beklagten im Hinblick auf den gem. § 249 S. 1 BGB erforderlichen Gesamtvermögensvergleich führen nicht zu einem für sie günstigeren Ergebnis:

Es ist aus den unter Ziffer 5 a) dargelegten Gründen nicht angezeigt, eine alternative Bilanzierung durchzuführen.

Ebenso wenig kommt eine Anrechnung der Zahlungen der N AG an die A AG in Betracht. Unabhängig von der Tatsache, dass das sog. „Veritätsrisiko“ für die Forderungen bei der A AG verblieben war und es deshalb an einer endgültigen Vermögenszuordnung zugunsten der A AG fehlt, stehen diese Zahlungen auch nicht in einem adäquaten Zusammenhang mit der Pflichtverletzung der Beklagten, so dass eine Rechnungseinheit nicht gebildet werden kann. Dies bezieht sich dementsprechend auch auf den mit der Fa. N AG geschlossenen Vergleich.

Der mit den Abschlussprüfern K geschlossene Vergleich des Klägers bezieht sich auf deren pflichtwidrige Prüfung des Jahresabschlusses 2003 und hat daher mit dem hier geltend gemachten Schaden nichts zu tun.

Entsprechendes gilt für vereinnahmte Rückzahlungen der Mitarbeiter bzw. Vorstände Q, H1 und B1. Der Kläger hat substantiiert dargelegt, dass sich diese Rückzahlungen auf Dividendenausschüttungen der A AG für die nachfolgenden Geschäftsjahre 2003 und 2004 bezogen haben. Die Beklagten hatten Gelegenheit, hierzu substantiiert Stellung zu nehmen, haben aber nicht dargelegt, dass dem Kläger mit diesen Zahlungen ein auf die streitgegenständliche Forderung anrechenbarer Vorteil zugeflossen wäre. Im Übrigen wird auf die nachfolgenden Ausführungen unter Ziffer 8.) verwiesen.

Das von den Beklagten zitierte Urteil des OLG München vom 25. 5. 2011 (Az.: 15 U 2373/10) bezieht sich auf einen Sachverhalt, der mit dem hiesigen nicht vergleichbar ist. Dort ging es um eine Haftung des Steuerberaters wegen fehlerhafter Gestaltungsberatung bei einer Betriebsaufspaltung. Das OLG München hat einen Schadenersatzanspruch der Klägerin verneint, da sich der durch die Fehlberatung entstandene Gewerbesteuermehraufwand nur durch eine Veränderung der Geschäftspolitik der Klägerin hätte vermeiden lassen, was sich selbst wieder auf ihre Vermögenslage ausgewirkt hätte. Im hiesigen Fall geht es aber nicht um eine Gesamtvermögensbetrachtung unter dem Blickwinkel beratungsgerechten Verhaltens sondern darum, dass die unzureichende Prüfung der Beklagten zu einem unmittelbaren Nachteil der A AG im oben dargestellten Umfang geführt hat.

Zuletzt kann der Senat auch der vom Landgericht Limburg angestellten Erwägung nicht folgen, dem Schaden müssten die Vorteile gegenübergestellt werden, die Herr B bei den Kreditgebern durch seine Bilanzmanipulationen für das Unternehmen erzielt hätte. Für diese nicht näher bestimmten Vorteile fehlt es zum einen an der notwendigen endgültigen Vermögenszuordnung zugunsten der A AG, zum anderen lässt sich der für einen Vorteilsausgleich erforderliche Wertungszusammenhang zwischen den Pflichtverletzungen der Beklagten und Vorteilen nicht herstellen.

6. Das Landgericht Hanau und – ihm offensichtlich folgend – das Landgericht Limburg haben sich auf den Standpunkt gestellt, dass eine Haftung der Beklagten ausgeschlossen ist, weil sich der Kläger die Bilanzmanipulationen des Vorstandsvorsitzenden der A AG zurechnen lassen muss (§§ 31, 254 Abs. 1 BGB).

Auch in einigen obergerichtlichen Entscheidungen wird die Meinung vertreten, die geprüfte Kapitalgesellschaft könne vom nur fahrlässig handelnden Abschlussprüfer keinen Ersatz verlangen, wenn der schadensbegründende Fehler zugleich auf einem vorsätzlichen bzw. täuschenden Verhalten des Vorstands beruhe (vgl. OLG Köln, NJW-RR 1992, 1184 [OLG Köln 14.12.1990 – 19 U 283/89]; OLG Hamburg, Urteil vom 25.09.1996; OLG Bremen, Urteil vom 30.08.2006, Tz. 75 ff. bei juris; OLG Jena, Urteil vom 16.01.2008, WPK Magazin 2008, 58 f.).

Der Bundesgerichtshof hat allerdings schon mehrfach klargestellt, dass bei einer Anwendung des § 254 BGB im Rahmen der Haftung aus § 323 Abs. 1 Satz 3 HGB mehr Zurückhaltung als sonst üblich geboten ist, weil es gerade die Aufgabe des Abschlussprüfers ist, Fehler in der Rechnungslegung der Kapitalgesellschaft aufzudecken und den daraus drohenden Schaden von dieser abzuwenden (BGH vom 10. 12. 2009, Az.: VII ZR 42/08, Tz. 56 = BGHZ 183, 323; BGH vom 23.10.1997, Az.: III ZR 275/06 = BGHR BGB § 254 Abs. 1 Abwägung 14). Deswegen lässt auch eine vorsätzliche Irreführung des Prüfers die Ersatzpflicht nicht ohne weiteres gänzlich entfallen (BGHZ 183, 323, Tz. 56; vgl. auch Baumbach/Hopt, HGB, 29. Aufl. § 323 Rn. 7).

Die Zweckbestimmung des Auftrags lässt es gerechtfertigt erscheinen, die vollständige Haftung der Beklagten für eine fehlerhafte Prüfung gegenüber einem vorsätzlich handelnden Geschäftsführer nur dann zurücktreten zu lassen, wenn dem Wirtschaftsprüfer einfache Fahrlässigkeit vorzuwerfen ist. Demgegenüber ist eine anteilige Haftung des Wirtschaftsprüfers im Regelfall schon dann nicht mehr zu verneinen, wenn der Sorgfaltsverstoß des Wirtschaftsprüfers die Grenze zur groben Fahrlässigkeit erreicht, ohne sie bereits zu überschreiten (BGHZ 183, 323 Tz. 59; OLG Saarbrücken DB 2013, 2324 [OLG Saarbrücken 18.07.2013 – 4 U 278/11-88] Tz. 37 bei juris; OLG Stuttgart vom 15.1.2008 Az.: 12 U 75/07 Tz. 176, 185 bei juris; Baumbach/ Hopt, § 323 Rn 7; Schulze-Osterloh, FS Canaris II (2007), 379, 383 ff.).

Bei der Abwägung gemäß § 254 BGB ist die Beweislastregel des § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht anzuwenden, d. h. der Kläger muss den Beklagten nachweisen, dass ihr Verhalten zumindest die Grenze zur groben Fahrlässigkeit erreicht hat (vgl. BGH vom 19.4.2012, Az.: III ZR 224/10, Tz. 30 = MDR 2012, 711 [BGH 15.02.2012 – IV ZR 194/09]). Dies ist hier geschehen:

Die mehrfachen Pflichtverstöße der Beklagten sind in ihrer Gesamtheit so schwerwiegend, dass der Senat hier die Schwelle der einfachen Fahrlässigkeit als deutlich überschritten und die Grenze zur groben Fahrlässigkeit als erreicht ansieht, allerdings ohne dass diese überschritten wird. Der Sachverständige hat festgestellt, dass die Beklagten sowohl bei der Planung als auch bei der Durchführung und bei der Dokumentation der Abschlussprüfung gravierende Versäumnisse begangen waren. Er ist deswegen auf ausdrückliche Frage des Senats in seinem Ergänzungsgutachten zu dem Ergebnis gekommen, dass die identifizierten Pflichtversäumnisse als schwerwiegender Verstoß gegen die damals geltenden Prüfungsstandards anzusehen sind (EGA Tz. 98). Dies hat der Sachverständige in seiner Stellungnahme vom 19.12.2013 nochmals vertieft. Die Nachlässigkeiten der Beklagten haben in ihrer Gesamtschau bei weitem die Grenze der „Bagatellen“ überschritten und die Grenze leichtfertigen Handelns erreicht.

Bei der Bemessung der Haftungsquote müssen die Verursachungs- und Verschuldensbeiträge der Beteiligten ermittelt und unter Berücksichtigung ihrer Verantwortungsbereiche gegeneinander abgewogen werden (vgl. Staub – Habersack/ Schürnbrand a.a.O., Rn 37 zu § 323 HGB).

Ergänzend zu den bereits geschilderten Verursachungsbeiträgen kommt zu Lasten des Klägers zum Tragen, dass sich die geprüfte Gesellschaft nicht nur Verschleierungshandlungen des Geschäftsführers während der Abschlussprüfung entgegenhalten muss sondern dass eine Gesamtschau notwendig ist, bei der auch Schadensverursachungen vor der Prüfung nicht ausgeblendet werden dürfen (BGHZ 183, 323 = NJW 2010, 1808, Tz. 57 ff.). Es muss deshalb berücksichtigt werden, dass der Vorstandsvorsitzende B1 innerhalb der Gesellschaft eine Organisations- und Personalstruktur geschaffen hatte, die ihm seine Manipulationshandlungen erleichterte und dass der Aufsichtsrat und die Aktionäre ihm umfassend vertrauten und von sich aus adäquate Kontrollmaßnahmen unterlassen haben. Letzteres wird belegt durch den Umstand, dass die Manipulationen von Herrn B1 erst im Jahr 2006 aufgedeckt worden sind.

Im Ergebnis ist es daher sachgerecht, dass sich der Kläger eine Mitverschuldensquote von 2/3 auf den nachgewiesenen Schaden von rund 5 Millionen € anrechnen lassen muss.

7. Die Haftung der Beklagten ist gem. § 323 Abs. 2 HGB auf 1 Million € für die Abschlussprüfung beschränkt. Die Beschränkung gilt ohne Rücksicht darauf, dass hier mehrere Pflichtverstöße bestehen. Die Beklagten haften als Gesamtschuldner für die Verbindlichkeit der Z GbR (§§ 128 HGB analog, 426 BGB).

8. Die Beklagten haften nur Zug um Zug gegen Abtretung etwaiger Herausgabeansprüche des Klägers gegen die im Jahr 2002 bestellten Vorstandsmitglieder der A AG wegen der für das Geschäftsjahr 2002 erhaltenen Tantiemen und gegen die nicht gutgläubigen Aktionäre der A AG wegen der für das Geschäftsjahr 2002 erhaltenen Dividenden (§ 255 BGB). Diese Vorschrift greift ein, wenn der Schädiger Wertersatz, der Dritte Heraus- oder Rückgabe schuldet. Sie ist allerdings nicht bei der Gesamtschuld anwendbar (vgl. Palandt-Grüneberg, BGB, 73. Aufl., Rn. 2 zu § 255 BGB). Deshalb greift das Zurückbehaltungsrecht der Beklagten nur gegenüber den vorgenannten Personen ein, denn sie schulden der A AG aus ungerechtfertigter Bereicherung Rückzahlung der Dividenden und Tantiemen (§§ 812 Abs. 1 S. 1, 62 Abs. 1 S. 2, 253 Abs. 1 S. 1, 256 AktG). Ein weitergehendes Zurückbehaltungsrecht lässt sich auch nicht aus § 273 BGB ableiten, weil diese Norm voraussetzt, dass den Beklagten ein „Gegenanspruch“ gegen den Kläger zusteht, was hier nicht der Fall ist.

9. Der Kläger verlangt mit Recht die Verzinsung des Schadensersatzbetrages ab Zustellung des Mahnbescheides an die Beklagten. Die zeitlich letzte Zustellung ist im Mahnverfahren gegen den Beklagten Z3 am 25.1.2007 dokumentiert (Bl. 7 d. A.). Der Zinsanspruch ab dem 26. 1. 2007 folgt aus §§ 286, 288, 291 BGB, 690 ZPO.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 1, 269 Abs. 3 ZPO.

Die Entscheidungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgen aus § 708 Nr. 10 ZPO, die Schuldnerschutzanordnungen folgen aus § 711 ZPO.

Gründe für eine Zulassung der Revision gem. § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Die Entscheidung des Senats beruht auf einer einzelfallbezogenen Auswertung des Sach- und Streitstoffs und der erhobenen Beweise. Der Rechtssache kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu.

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