OLG Frankfurt am Main, 15.08.2014 – 19 U 192/11

April 17, 2019

OLG Frankfurt am Main, 15.08.2014 – 19 U 192/11
Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 5. August 2011 verkündete Urteil der 12. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens und des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde zu tragen.

Dieses und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
1

I.

2

Der Kläger macht Schadensersatzansprüche wegen fehlerhafter Anlageberatung im Zusammenhang mit dem Erwerb einer Beteiligung an dem X Immobilienfonds im Jahr 1995 in Höhe von 100.000,– DM geltend.
3

Wegen des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird im Übrigen auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen (Bl. 612 – 617 d.A.).
4

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen (Bl. 611 – 625 d.A.).
5

Der Kläger hat gegen das ihm am 11.08.2011 (Bl. 627 d.A.) zugestellte Urteil am 19.08.2011 Berufung eingelegt (Bl. 629 d.A.) und das Rechtsmittel nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 14.11.2011 (Bl. 637 d.A.) am 11.11.2011 begründet (Bl. 639 ff. d.A).
6

Der Kläger verfolgt mit seiner Berufung seine erstinstanzlichen Anträge – aus der am 21. Januar 2010 zugestellten Klage – weiter.
7

Er ist der Ansicht, dass sich die Falschberatung in erster Linie daraus ergebe, dass die Beklagte ihn weder über Rückvergütungen noch über die Möglichkeit des Wegfalls der Anschlussförderung aufgeklärt habe. Auch sei ein Immobilienfonds nicht zur Altersvorsorge geeignet. Insbesondere hebt die Berufung hervor, dass die Kausalität der fehlerhaften Aufklärung für die Zeichnung der Anlage gegeben sei.
8

Der Kläger beantragt,

unter Aufhebung des Urteils des Landgerichts Frankfurt am Main vom 05.08.2011, 2-12 O 423/09, wie folgt zu erkennen:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 51.451,65 € nebst Zinsen in Höhe von 5% Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von sämtlichen Zahlungsverpflichtungen gegenüber der X Immobilienfonds und deren Gläubigern in Höhe von mindestens 77,01% des gezeichneten Kapitals und somit mit 39.374,59 € freizustellen.

Die Verurteilungen zu 1. und 2. erfolgen jeweils Zug-um-Zug gegen Übertragung der von dem Kläger gehaltenen Anteile an der X Immobilienfonds.

3. Es wird festgestellt, dass die Beklagte auch zum Ausgleich des weiteren Vermögensschadens verpflichtet ist, soweit die Beteiligung an der X Immobilienfonds betroffen ist und der Schaden mit dieser Beteiligung zusammenhängt.

4. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger Zinsen in Höhe von

– 4% p.a. aus 5.112,92 € seit dem 16.11.1995
– 4% p.a. aus 5.112,92 € seit dem 10.09.1995
– 4% p.a. aus 5.112,92 € seit dem 10.12.1995
– 4% p.a. aus 10.225,84 € seit dem 10.03.1996
– 4% p.a. aus 7.669,38 € seit dem 10.06.1996
– 4% p.a. aus 7.669,38 € seit dem 10.09.1996
– 4% p.a. aus 2.556,64 € seit dem 10.12.1996
– 4% p.a. aus 10.225,84 € seit dem 10.03.1997

nebst Zinsen hierauf in Höhe von 5% Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

5. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 3.215,02 € nebst Zinsen in Höhe von 5% Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

9

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

10

Die Beklagte ist der Ansicht, dass zwischen den Parteien bereits kein Beratungsvertrag zustande gekommen sei. Zudem habe aber auch eine anleger- und objektgerechte Beratung stattgefunden.
11

Ein nach Form und Inhalt zur Vermittlung der nötigen Information geeigneter Prospekt sei dem Kläger rechtzeitig vor der Zeichnung zugesandt worden. Insbesondere kläre der Prospekt hinreichend deutlich darüber auf, dass die öffentliche Förderung lediglich für 15 Jahre sicher feststehe und nach diesem Zeitraum über die Anschlussförderung erneut zu entscheiden sei.
12

Zudem ist die Beklagte der Ansicht, dass keine aufklärungspflichtigen Rückvergütungen gegeben seien. Im Prospekt seien die Eigenkapitalbeschaffungskosten und der Ausgabeaufschlag ausreichend dargelegt worden und rechtsfehlerfrei habe das Landgericht zudem festgestellt, dass ein etwaiges Fehlverhalten der Beklagten jedenfalls nicht kausal für den entstandenen Schaden geworden sei.
13

Schließlich ist die Beklagte der Ansicht, dass die vom Kläger behaupteten Ansprüche verjährt seien.
14

Maßgeblich für die Verjährung sei die Kenntnis des Anspruchstellers über die den Anspruch begründenden Umstände. Bereits im Jahr 2003 sei der Kläger auf die Ablehnung der Anschlussförderung hingewiesen worden. Mithin hätten dem Kläger spätestens ab dem Jahr 2003 konkrete Zweifel an den von ihm behaupteten Inhalten der angeblichen Beratungsgespräche aufkommen und er hätte eine Überprüfung vornehmen müssen.
15

Daran ändere sich nichts dadurch, dass erst im Jahr 2007 die Rechtmäßigkeit des Einstellungsbeschlusses durch das Bundesverfassungsgericht festgestellt worden sei. Ebenso wenig würden die vom Kläger angeführten Entscheidungen des Bundesgerichtshofs zu einzelnen Formulierungen eines Fondsprospekts Einfluss auf die Verjährung der Ansprüche haben.
16

Zumindest sei jedoch keine Kausalität der fehlerhaften Anlageberatung für die Anlageentscheidung gegeben.
17

Mit Urteil vom 28. September 2012 hat der Senat das Urteil des Landgerichts abgeändert und der Klage teilweise stattgegeben (Bl. 771 – 778 d.A.).
18

Der Bundesgerichtshof hat mit Beschluss vom 17. September 2013 (XI ZR 394/12) der Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision stattgegeben und das Urteil des Senates vom 28. September 2012 aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde, an den Senat zurückverwiesen (Bd. IV Bl. 72 – 77 d.A.).
19

Der Senat hat Beweis erhoben zur Frage der Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens durch Vernehmung des Klägers als Partei. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die gerichtliche Niederschrift vom 6. Juni 2014 verwiesen (Bl. 849 – 853 d.A.).

II.

20

Die Berufung ist unbegründet.
21

Das Landgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass dem Kläger gegen die Beklagte kein Schadensersatzanspruch wegen fehlerhafter Anlageberatung im Zusammenhang mit der Zeichnung des streitgegenständlichen Fonds zusteht (§ 280 BGB).
22

Zwar ist zwischen den Parteien ein Beratungsvertrag zustande gekommen, aber die Beklagte hat keine Pflicht aus dem Beratungsvertrag verletzt. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird zunächst auf die Ausführungen im erstinstanzlichen Urteil Bezug genommen.
23

Ergänzend merkt der Senat:
24

1.

Aufgrund der Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung vom 17.06.2011 (Bl. 567 d.A.) ist nunmehr unstreitig, dass der Kläger den Prospekt vor Zeichnung der Anlage erhalten hat, so dass die erforderliche Aufklärung durch den Emissionsprospekt erfolgen konnte.
25

2.

Die Berufung hat keinen Erfolg, soweit sie die Beweiswürdigung des Landgerichts angreift, dass die fehlende Aufklärung über die Rückvergütung nicht kausal geworden sei für die Anlageentscheidung des Klägers.
26

Denn Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit erstinstanzlicher Feststellungen können nicht allein dadurch begründet werden, dass die Möglichkeit einer abweichenden Beweiswürdigung aufgezeigt wird. Die Bindung des Berufungsgerichts entfällt deshalb erst, wenn es sich von der Richtigkeit der erstinstanzlichen Beweiswürdigung nicht zu überzeugen vermag (Zöller/Heßler, ZPO, 30. Aufl., § 529 Rn. 7).
27

Die Berufung zeigt zwar auf, dass man die Aussage des Klägers auch anders würdigen kann, benennt aber keine Verstöße gegen Denkgesetze, Lücken der Beweisaufnahme oder Widersprüche zum Protokoll. Insbesondere die Würdigung des Landgerichts, dass jemand mit einer Rendite von einem Prozent, also einer unter der Inflationsrate liegenden Rendite, nur im Hinblick auf die mögliche Steuerersparnis einverstanden sein kann und dass daraus folgt, dass die Steuerersparnis das leitende Motiv für die Anlage sein muss, ist nachvollziehbar. Wenn das Landgericht deshalb – im Gegensatz zu anderen Spruchkörpern – zu dem Ergebnis kommt, dass der Kläger im Hinblick auf die Steuerersparnis die Anlage auch bei Kenntnis von der Rückvergütung gezeichnet hätte, ist dies noch von den Grundsätzen der freien Beweiswürdigung (§ 286 ZPO) gedeckt.
28

Die Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens ist auch aus weiteren Gründen widerlegt. Der Bundesgerichtshof hat in seiner Entscheidung vom 8. Mai 2012 (XI ZR 262/10, zit. nach juris) ausgeführt, dass sich relevante Indizien für die fehlende Kausalität sowohl aus dem vorangegangenem als auch aus dem nachfolgenden Anlageverhalten des Anlegers ergeben können. Insbesondere hat der Bundesgerichtshof ausgeführt, dass wenn ein Anleger in Bezug auf eine vergleichbare Kapitalanlage, die er vor oder nach der streitgegenständlichen erworben hat, erst nach dem Erwerb der jeweiligen Beteiligung Kenntnis von Rückvergütungen erhalten, sich ein Indiz für die fehlende Kausalität der unterlassenen Mitteilung über Rückvergütungen auch daraus ergeben könne, dass der Anleger an der vergleichbaren – möglicherweise gewinnbringenden – Kapitalanlage festhält und nicht unverzüglich Rückabwicklung wegen eines Beratungsfehlers begehrt.
29

Hier hat der Kläger zwar unwidersprochen vorgetragen, dass er keine vergleichbaren Anlagen hat, aber in der mündlichen Verhandlung vom 17.06.2011 hat er auf die Frage der Beklagtenvertreterin hin, was er gemacht hätte, wenn der Fonds sich wie entsprochen entwickelt hätte, geantwortet, dass er diese Frage nicht beantworten könne. Daraus wird deutlich, dass die Fehlvorstellung über die Neutralität der Bank nicht das ausschlaggebende Motiv für oder gegen eine Zeichnung war, denn diese Fehlvorstellung und der Vertrauensverlust wären auch gegeben gewesen, wenn sich die Anlage wie versprochen entwickelt hätte.
30

3.

Aber auch hinsichtlich der fehlerhaften Aufklärung über die Anschlussförderung hat die Beklagte die Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens widerlegt.
31

Zwar liegt – entgegen der Ansicht des Landgerichts – ein Beratungsfehler darin, dass der Berater Z über die Gewährung einer Anschlussförderung entsprechend den Angaben im Emissionsprospekt beraten hat. Denn der Prospekt ist insoweit fehlerhaft, als darin der Eindruck erweckt wird, auf die Anschlussförderung bestehe eine weitgehend gesicherte Rechtsposition (vgl. BGH, Beschl. v. 17.09.2013, XI ZR 394/12, Bl. 786 ff. d.A.).
32

Aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme ist der Senat jedoch der Ansicht, dass der Prospektfehler für die Beitrittsentscheidung des Klägers nicht kausal geworden ist.
33

Die fehlende Kausalität des Beratungsfehlers entnimmt der Senat den Aussagen des Klägers, dass die Anschlussförderung für ihn ein wesentlicher Bestandteil der Anlageentscheidung gewesen sei, weil er diese Art der Anlage nicht gekannt habe und er bei Wegfall der Anschlussförderung noch die Anlegerhaftung vor sich gehabt habe. Beide Aussagen stellen keine tragfähigen Begründungen da. Zwar kann das Risiko der Anlegerhaftung durch einen Nichtgewährung der Anschlussförderung vergrößert werden, aber dieses Risiko besteht grundsätzlich auch unabhängig von der Anschlussförderung. Diese mangelnde Stichhaltigkeit der Begründungen lässt bei dem als Wirtschaftsprüfer und Steuerberater in wirtschaftlichen Zusammenhängen erfahrenen Kläger den Rückschluss zu, dass sie nur vorgeschoben sind.
34

Dieser eher prozesstaktische Umgang mit der Wahrheit seitens des Klägers wird auch an den unterschiedlichen Schilderungen dazu deutlich, wann ihm der Prospekt übergeben worden sei und ob er ihn zur Kenntnis genommen habe.
35

Während der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht noch bekundet hat, dass ihm der Prospekt und der Zeichnungsschein von Herrn Z zugeschickt worden sei und er den Prospekt gelesen habe (Bl. 567f. d.A.), hat er in der mündlichen Verhandlung vom 6.6.14 bekundet, dass er den Prospekt erst bekommen habe, nachdem er gezeichnet habe und auf die Nachfrage der Beklagtenvertreterin, ob er den Prospekt vor Zeichnung gelesen habe, nur geantwortet, zumindest nicht komplett.
36

4.

Die Anlageempfehlung war auch anlegergerecht. Der Kläger hat bekundet, dass ihm bewusst war, dass die Steuerersparnis Teil der Fondskonstruktion ist. Eine Steuerersparnis ist aber, was dem Kläger als Steuerberater bewusst gewesen sein dürfte, regelmäßig ohne Verlustrisiko nicht zu erreichen (vgl. dazu BGH, Urt. v. 24.04.2014, III ZR 389/12, zitiert nach juris). In Anbetracht dessen wird deutlich, dass der Kläger nicht an einer „absolut“ sicheren Anlageform interessiert war. Vor diesem Hintergrund war die Anlageempfehlung jedoch anlegerecht, denn bei einem geschlossenen Immobilienfonds handelt es sich um eine Art der Unternehmensbeteiligung, bei der das Risiko eines hohen oder vollständigen Kapitalverlusts gering ist, weil selbst bei unzureichendem Mietertrag jedenfalls der Sachwert des Immobilienvermögens normalerweise erhalten bleibt (BGH, a.a.O.).
37

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit findet ihre Rechtsgrundlage in den §§ 710 Nr. 10, 711 ZPO.
38

Die Zulassung der Revision ist nicht veranlasst. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung; auch zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung ist eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erforderlich (§ 543 Abs. 2 ZPO).

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