OLG Frankfurt am Main, 16.05.2013 – 5 U 196/12

April 20, 2019

OLG Frankfurt am Main, 16.05.2013 – 5 U 196/12
Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels das Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 13. August 2012 teilweise abgeändert und zur Klarstellung insgesamt wie folgt neu gefasst.

Unter Aufrechterhaltung des Versäumnisurteils vom 8. Oktober 2010 im Übrigen wird unter teilweiser Aufhebung jenes Versäumnisurteils die Beklagte verurteilt, an den Kläger 63.569,63 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 1.02.2007 sowie weitere 2.028,36 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 12.02.2010 zu zahlen.

Die erstinstanzlichen Kosten des Rechtsstreits mit Ausnahme der durch die Säumnis des Klägers im Termin vom 8. Oktober 2010 veranlassten, die der Kläger vorab zu tragen hat, haben der Kläger zu 38 % und die Beklagte zu 62% zu tragen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens haben Kläger zu 32 % und die Beklagte zu 68 % zu tragen.

Das Urteil und das angefochtene Urteil im Umfang seiner Aufrechterhaltung sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Die Parteien können die Zwangsvollstreckung der gegnerischen Partei jeweils durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, soweit nicht die gegnerische Partei jeweils vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe

I.

Der Kläger als Insolvenzverwalter der A GmbH (im Folgenden: Schuldnerin) – das Insolvenzverfahren wurde am 01.01.2007 eröffnet, nachdem der Kläger mit Beschluss vom 09.10.2006 zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt worden war – nimmt die zum Konzern der X gehörende Beklagte, die der Klage entgegen getreten ist, auf Bezahlung von nach seinem Vortrag offenen Forderungen aus von der Beklagten beauftragten Leistungen in Anspruch.

Die Schuldnerin erbrachte Leistungen in Form von Baustellenabsicherungen durch Sicherungsposten oder -aufsichten, mittels Gestellung automatischer Signalanlagen und von Lotsen, Bahnübergangsposten und Schwerkleinwagenfahrern sowie sonstiger sogenannte „bauaffiner Nebenleistungen“.

Zwischen dem X und der aus unterschiedlichen Gesellschaften bestehenden A-Gruppe, zu der die Insolvenzschuldnerin zählt, gab es langjährige Geschäftsbeziehungen.

Die Schuldnerin war Teil der verzweigten A-Gruppe, mit der die Beklagte bis 2006 in reger Geschäftsbeziehung stand. Staatsanwaltliche Ermittlungsverfahren haben gezeigt, dass Unternehmen dieser Gruppe, darunter auch die Schuldnerin, Beschäftigte der Beklagten bestochen haben, um Aufträge zu erhalten. Die Bestechungsgelder wurden sodann in überhöhten Abrechnungen bei der Beklagten geltend gemacht, wobei wiederum bestochene Beschäftigte diese überhöhten Rechnungen als sachlich zutreffend bezeichnet haben.

Nach der Bestellung des Klägers zum vorläufigen Insolvenzverwalter verhandelte die Beklagte mit ihm über die Fortführung der von der Schuldnerin erbrachten Sicherungsdienste an Gleisbaustellen. Die Schuldnerin bzw. der Kläger wurden entsprechend von der Beklagten beauftragt.

Gegenstand der Klage, soweit im Berufungsverfahren noch von Interesse, sind die Forderungen zu Position 2 bis 6, 8, 9 und 11, letztere betrifft einen Auftrag, der an eine ARGE unter Beteiligung der Schuldnerin erteilt worden ist.

In der mündlichen Verhandlung am 8.10.2010 war der Kläger säumig, so dass die Klage durch Versäumnisurteil abgewiesen wurde. Für die Darstellung des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil (Bl. 517 – 529 d. A.) Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

Nach zulässigem Einspruch des Klägers und Rücknahme der Klage betreffend die Forderungen zu Positionen 7 und 10 hat das Landgericht Beweis erhoben und sodann im angefochtenen Urteil, auf dessen Entscheidungsgründe verwiesen wird, die Klageforderungen betreffend Position 2 bis 5, 8, 9 und 11 in vollem Umfang, zu Position 6 in Höhe von 13.948,12 € für berechtigt gehalten, die von der Beklagten erklärte Hilfsaufrechnung gegenüber der Position 2 in vollem Umfang, zur Position 4 teilweise durchgreifen lassen, mithin der Klage unter diesbezüglicher Aufhebung des Versäumnisurteils in Höhe von 94.062,50 € stattgegeben und das Versäumnisurteil im Übrigen aufrechterhalten.

Mit der Berufung bekämpft die Beklagte unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens ihre Verurteilung mit dem Ziel vollständiger Aufrechterhaltung des klagabweisenden Versäumnisurteils und rügt die Verletzung materiellen Rechts, unzutreffende Tatsachenfeststellungen zur vermeintlichen Leistungserbringung der Schuldnerin sowie zu deren Aktivlegitimation betreffend die Forderung gemäß Position 11, die Annahme des Aufrechnungsverbots als unberechtigt und erhebt umfassend die Einrede der Verjährung, weil die Klage der Beklagten erst am 11.02.2010 und damit nicht mehr „demnächst“ im Anschluss an die Anbringung bei Gericht zugestellt worden sei.

Die Beklagte beantragt,

in Abänderung des Urteils des Landgerichts Frankfurt am Main, Az. 2-02 O 124/12, vom 13. August 2012 das Versäumnisurteil vom 8. Oktober 2010 umfassend aufrecht zu erhalten und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt die angefochtene Entscheidung und verweist zur Aktivlegitimation bezüglich der Position 11 auf die Erklärung der weiteren ARGE-Beteiligten … vom 23.03.2006 (Bl. 252 d. A.) und den Standpunkt des Klägers stützende Entscheidungen der Landgerichte Frankfurt am Main und Karlsruhe.

Wegen weiterer Einzelheiten des zweitinstanzlichen Vorbringens der Parteien wird auf die in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und gerechtfertigt worden.

In der Sache ist das Rechtsmittel begründet, soweit das Landgericht dem Kläger die Forderung zu Position 11 in Höhe von 30.492,86 € zuerkannt hat, weil insoweit die Entscheidung des Landgerichts aus Sicht des Berufungsgerichts auf einem Rechtsfehler zum Nachteil der Beklagten beruht und die zugrunde zu legenden Tatsachen (§ 529 Abs. 1 ZPO) die angefochtene Entscheidung nicht rechtfertigen (§§ 513 Abs. 1, 546 ZPO), während die angefochtene Entscheidung im Übrigen nicht zu beanstanden, die Berufung mithin insoweit unbegründet und zurückzuweisen ist.

Der Kläger hat aus den für die Insolvenzschuldnerin mit der Beklagten geschlossenen Verträgen, die als Werkverträge (§ 631 BGB) zu qualifizieren sind, Anspruch auf Werklohn in zu Positionen 2 bis 5, 8 und 9 in geltend gemachtem und zu Position 6 in zuerkanntem Umfang.

Dies ist zu Position 4 und zu Position 6 in zuerkanntem Umfang, wie das angefochtene Urteil mit Bindungswirkung ausweist (§ 314 ZPO), bereits unstreitig.

Zu Position 2, 3, 5 ,8 und 9 hat das Landgericht nach Beweisaufnahme zu Recht festgestellt, dass die Anzahl der auf den zugehörigen Rechnungen angegebenen Stunden vertragsgemäß erbracht worden ist. Die Berufungsangriffe rechtfertigen keine Zweifel an der Richtigkeit der diesbezüglichen entscheidungserheblichen Feststellungen (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

Mit Ausnahme der Forderung zu Position 2 geht es bei den vorbezeichneten anderen Forderungen um Leistungen, die die Insolvenzschuldnerin nach dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens erbracht hat. Diesbezüglich hat das Landgericht u. a. in nicht zu beanstandender Würdigung des Beweisergebnisses, der Bekundungen des erstinstanzlich vernommenen Zeugen Z, zutreffend festgestellt, dass entsprechend dem generelle Prozedere im Verhältnis zwischen Schuldnerin und Beklagter von Mitarbeitern der Schuldnerin Stundenzettel erstellt und von im Auftrage der Beklagten tätigen Bauüberwachungsunternehmen abgezeichnet wurden.

Der auch in vorliegendem Rechtsstreit erhobene Einwand, die Unterschriften der Personen, die die Stundenzettel richtig gezeichnet haben, seien den von der Beklagten hierzu beauftragten im Fall der Position 3 nicht zuzuschreiben, greift nicht durch. Dass die Unterschriften unleserlich sein mögen oder bei ein und derselben Person divergieren, legt eine Unterschriftsfälschung bereits nicht nahe. Die Beklagte hätte sich zur Echtheit der Unterschriften nach Maßgabe des § 138 ZPO eindeutig erklären müssen (§ 439 Abs. 1, 2 ZPO), die Erklärung mit Nichtwissen (§ 138 Abs. 4 ZPO), darauf läuft ihr Vortrag hinaus, ist unzulässig, weil die Beklagte die Pflicht hat, sich das Wissen über Geschehnisse im Bereich ihrer eigenen Wahrnehmungsmöglichkeit zu verschaffen und sich bei den unter ihrer Verantwortung tätig gewordenen Personen zu erkundigen (vgl. BGH, Urteil vom 19.04.2001 – I ZR 238/98, NJW-RR 2002, 612, Juris-Rz. 30).

Soweit die Beklagte die Berechtigung der Forderungen des Klägers pauschal mit Nichtwissen bestritten hat, ist das aus den zutreffenden Gründen des landgerichtlichen Urteils unerheblich, weil die Beklagte damit ihrer sekundären Darlegungslast nicht genügt hat. Das Bestreiten mit Nichtwissen ist unzulässig (§ 138 Abs. 4 ZPO), denn die Beklagte muss wissen, welche Leistungen sie nach Insolvenzantragstellung und Bestellung des Klägers zum vorläufigen Insolvenzverwalter beauftragt hat, außerdem kennt sie jede einzelne Baustelle und muss daher wissen oder ermitteln, wer der zuständige Bauüberwacher, sei es in ihrem eigenem Haus, sei es bei externen Dienstleistern jeweils war.

Dass auch Bauüberwacher von der Schuldnerin in früherer Zeit bestochen worden sein mögen, damit sie überhöhte Stundenzettel richtig zeichnen, wie auch der grundsätzlich zutreffende Hinweis auf die Manipulierbarkeit von Stundenzetteln ändert an der sekundären Darlegungslast der Beklagten schon deshalb nichts, weil die Bauüberwacher, wie das Landgericht zu Recht ausgeführt hat, als ihre Beauftragte dem eigenen Verantwortungsbereich der Beklagten zuzurechnen sind.

Im Übrigen stellt die Beklagte lediglich Vermutungen an, wenn sie betrügerische Handlungen der Schuldnerin nach Insolvenzantragstellung für möglich hält. Dass dem so gewesen sein könnte, ist bereits nicht nachvollziehbar dargelegt. Manipulationen lagen nun überhaupt nicht mehr nahe, weil die zuvor hierfür Verantwortlichen davon nicht mehr hätten profitieren können. Außerdem war die Beklagte gewarnt und konnte Vorkehrungen treffen, weshalb sie sich nicht auf pauschales Bestreiten mit Nichtwissen zurückziehen kann.

Der Senat folgt auch der Würdigung des Landgerichts zu Position 2, die vollständig Leistungen aus der Zeit vor Insolvenzantragstellung betrifft, und macht sich die zutreffenden Ausführungen des angefochtenen Urteils (LGU 8, 9), mit denen sich die Berufungsbegründung nicht auseinander setzt, vollständig zu eigen.

Die Einrede der Verjährung greift nicht durch.

Zugunsten der Beklagten kann unterstellt werden, dass bezüglich sämtlicher vorbeschriebener berechtigter Forderungen des Klägers die regelmäßige dreijährige Verjährungsfrist am 31.12.2009 abgelaufen wäre (§§ 195, 199 Abs. 1 BGB). Durch die Einreichung der vorliegenden Klage vor Ablauf des Jahres 2009 bei Gericht ist die Verjährung indes gehemmt worden (§ 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB), obwohl die Klageschrift erst nach Fristablauf am 11.02.2010 der Beklagten zugestellt und somit erhoben worden ist (§ 253 Abs. 1 ZPO).

Denn die Zustellung wirkt auf den Tag der Einreichung zurück, weil die Zustellung demnächst erfolgt ist (§167 ZPO).

Die Zustellung ist noch „demnächst“, wenn sie innerhalb eines den Umständen nach angemessenen Zeitraums zwischen dem Ablauf der versäumten Frist und der (verspäteten) Zustellung erfolgt (vgl. Thomas/Putzo/Hüßtege, ZPO 28. Aufl., § 167 Rz. 10). Hierbei sind geringfügige Verzögerungen der Zustellung der Klageschrift im Regelfall von 1-2 Wochen noch als geringfügig und daher unschädlich anzusehen (vgl. BGH, Urteil vom 1. Dezember 2005 – III ZR 43/05, NJW-RR 2006, 789, Juris Rz. 7).

Die Zustellung der Klageschrift ist zwar sechs Wochen nach Fristablauf erfolgt, das hindert die Annahme der Rückwirkung aber nicht, weil bei der Berechnung der Zeitdauer der Verzögerung auf die Zeitspanne abzustellen ist, um die sich die ohnehin erforderliche Zustellung der Klage in Folge einer Nachlässigkeit des Klägers verzögert, während der auf vermeidbare Verzögerungen im Geschäftsablauf des Gerichts zurückzuführende Zeitraum nicht anzurechnen ist (vgl. BGH, Urteil vom 20. April 2000, VII ZR 116/99, NJW 2000, 2282, Juris Rz. 8).

Eine dem Kläger anzulastende Verzögerung ist vorliegend nicht festzustellen.

Die Klage ist zweimal bei Gericht eingegangen, als Telefax am 23.11.2009 und -nunmehr zustellfähig mit den erforderlichen Abschriften – am 30.11.2009. Nachdem der Vorschuss auf gerichtliche Anforderung vom Klägers bereits am 9.12.2009 eingezahlt worden war (Vorbl. II d. A), stand der Zustellung der Klage nichts mehr im Wege.

Aus nicht dem Kläger anzulastenden Gründen ist die Sache anfänglich fehlerhaft beim Landgericht unter zwei Aktenzeichen erfasst, dies ausweislich eines richterlichen Vermerks vom 30.12.2009 (Bl. 40R d. A.) erst zu diesem Zeitpunkt erkannt und eine verfahrenseinleitende richterliche Verfügung (§ 276 ZPO) sogar erst am 5.01.2010 erlassen worden (Bl.43 d. A.).

Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle (§§ 271 Abs. 1, 168 ZPO) hat sodann am Folgetag, 6.01.2010, die Zustellung der Klageschrift verfügt (Bl. 43R d. A.), und zwar an die Beklagte selbst mit Zustellungsurkunde, also nicht an den in der Klageschrift als Prozessbevollmächtigten der Beklagten benannten Rechtsanwalt. Der Erledigungsvermerk der Kanzlei datiert vom 14.01.2010. Offensichtlich ist die Zustellung aber nicht wie verfügt ausgeführt, sondern davon abweichend durch Zustellung an den angegebenen Prozessbevollmächtigten, was diesen veranlasste, mit am 18.01.2010 eingegangenem Schriftsatz vom 15.01.2010 (Bl. 50 d. A.) mitzuteilen, dass er die Beklagte nicht mehr vertrete und er um Zustellung unmittelbar an die Beklagte bitte. Anlagen – die übermittelten Abschriften der Klageschrift – zu diesem Schriftsatz sind – soweit ersichtlich – nicht beigefügt gewesen, weshalb die richterliche Verfügung vom 19.01.2010, die Geschäftsstelle möge das Weitere veranlassen, bei dieser zu dem vom 21.01.2010 datierenden Vermerk führte, „Bl. 43 R ging an Bekl. ZU am 14.1.“ (Bl. 50 d. A.), ohne dass neuerlich die Zustellung unmittelbar an die Beklagte bewirkt wurde.

Hiernach ist zunächst festzustellen, dass die vom Kläger gewünschte Zustellung an den (angeblichen) Prozessbevollmächtigten der Beklagten (§ 172 ZPO) vom Urkundsbeamten nicht angeordnet wurde. Die gleichwohl erfolgte Übermittlung der Klageschrift an diesen war nicht von einer Zustellungsabsicht, die Wirksamkeitsvoraussetzung der Zustellung ist (vgl. Zöller/Stöber, ZPO, 29. Aufl. 2012, § 166, Rz. 2), des Urkundsbeamten getragen und daher unwirksam.

Der Umstand, was zu Lasten des Klägers unterstellt werden kann, dass dem vom Kläger benannten Prozessbevollmächtigten nicht wirksam Prozessvollmacht erteilt war, er die Beklagte tatsächlich nicht vertrat und weder er noch die Beklagte einen zurechenbaren Anlass für die gegnerische Bestellungsanzeige gesetzt haben, diese also vermeidbar unrichtig war, ist aber nicht ursächlich dafür, dass die Klageschrift erst nach Ablauf des 31.12.2009 und weiter mit derartiger Verzögerung der Beklagten tatsächlich zugegangen ist (§ 189 ZPO).

Denn die vom Kläger gewünschte Zustellung an den Prozessbevollmächtigten, die das Gericht zu beachten gehabt hätte (vgl. Zöller/Stöber, a.a.O., § 172, Rz. 7), ist nicht nur nicht verfügt worden, während die verfügte Zustellung, wenn gelungen, jedenfalls nicht nachweisbar ist, sondern im Übrigen ist nach den Umständen und der nach Einzahlung des Vorschusses zur Verfügung stehenden Zeit davon auszugehen, dass selbst im Fall sofortigen Bewirkung der gewünschten Zustellung nach Eingang des Vorschusses der Mangel der Vollmacht zeitlich deutlich vor dem 31.12.2009 bemerkt worden wäre und dann die Zustellung unmittelbar an die Beklagte hätte bewirkt werden können.

Dass all dies nicht geschehen ist, lag nicht nur nicht im Verantwortungsbereich des Klägers, sondern es ist nicht einmal ersichtlich, dass der Kläger von diesen Fehlern auch nur Kenntnis erlangte, weshalb er auch nicht auf eine Beschleunigung der Zustellbemühungen hätte dringen können. Denn noch am 9.02.2010 wird eine lediglich landgerichtsintern aufgeworfene Frage vom Vortag nach dem Zustellungsnachweis schlicht mit „nein“ beantwortet (Bl. 50 R d. A.), dann auf die am 08.02.2010 eingegangene Bestellungsanzeige der jetzigen Prozessbevollmächtigten der Beklagten (Bl. 53 d. A.) die Zustellung an diese am 9.02.2010 verfügt und am Folgetag ausgeführt. Noch am 25.02.2010 hat der zuständige Richter am Landgericht den Prozessbevollmächtigten der Beklagten eine unmittelbar an diese mit Zustellungsurkunde bewirkte Zustellung mitgeteilt (Bl. 56, 58 d. A.).

Bei – wie hier – nicht vom Zustellungsbetreiber verursachten Verzögerungen im Geschäftsbetrieb hindern aber selbst Verzögerungen von weniger als zwei Monaten noch nicht die Annahme der demnächst erfolgten Zustellung. Ob die Zustellung demnächst erfolgt ist, kann nämlich nicht aus einer rein zeitlichen Betrachtungsweise geschlossen werden, weil § 167 ZPO die Parteien gerade vor Nachteilen durch eine verzögerte Zustellung von Amts wegen bewahren will, die innerhalb des gerichtlichen Geschäftsbetriebs liegt und von den Parteien nicht beeinflusst werden kann. Der Zeitraum, dessen ungenutztes Verstreichen einer Partei nicht angelastet werden kann, hat deshalb bei der Beurteilung der Frage, ob eine Zustellung demnächst erfolgt ist, jedenfalls dann außer Betracht zu bleiben, wenn – hier nicht ersichtliche – schutzwürdige Belange der Gegenpartei nicht entgegenstehen und wenn der Antragsteller alles ihm für eine alsbaldige Zustellung Zumutbare getan hat (vgl. BGH, Beschluss vom 9.02.2005 – XII ZB 118/04, NJW 2005, 1194, Juris-Rz. 11 m. w. N.), was hier der Fall war.

Dass das Landgericht gegenüber der Forderung zu Positionen 2 und 4 (teilweise) ein Aufrechnungsverbot verneint und die hilfsweise Aufrechnung (teilweise) hat durchgreifen lassen, ist auf die Berufung der hierdurch nicht beschwerten Beklagten nicht zu prüfen.

Die Verneinung der Zulässigkeit der Aufrechnung im Übrigen durch das Landgericht ist nicht zu beanstanden, weshalb gegenüber der verbleibenden Restforderung zu Position 4, der Forderung zu Position 6 in zuerkanntem Umfang, und den Forderungen zu Position 3, 5 ,8 und 9 die hilfsweise erklärte Aufrechnung nicht durchgreift und nicht zum Erlöschen der Klageforderungen geführt hat.

Die Begründung des Landgerichts, das ein insolvenzrechtliches Aufrechnungsverbot nach § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO angenommen, weil die Beklagte die Möglichkeit zur Aufrechnung in anfechtbarer Weise erlangt hat, entspricht der Ansicht des erkennenden

Senats (vgl. Urteil vom 8. Mai 2013 (5 U 47/12)).

Die Berufungsangriffe geben zu abweichender Beurteilung keine Veranlassung.

Die von der Beklagten zur Aufrechnung gestellten Schadenersatzansprüche aufgrund der Manipulationen und Betrügereien aus der Zeit vor der Bestellung des Klägers zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestanden bereits, bevor sie ab 9.10.2006, dem Tag der Insolvenzantragstellung, dem Kläger die streitgegenständlichen Aufträge erteilte bzw. die Insolvenzschuldnerin die Leistungen auf vorher erteilte Aufträge erbrachte.

Infolgedessen erlangte die Beklagte bezogen auf die sich aus den nach Antragstellung erbrachten Leistungen ergebenden Entgeltforderungen der Schuldnerin peu á peu die Möglichkeit, gegen diese aufzurechnen. Das bedeutete, dass die Schadensersatzforderung der Beklagten gegen die Schuldnerin, weil sie mit dem Mittel der Aufrechnung gegenüber der zahlungsunfähigen Schuldnerin nun Befriedigung für ihre Schadensersatzforderung suchen konnte, werthaltig geworden ist, und zwar durch die reale Leistungsbewirkung – Erbringung von Baustellensicherungsleistungen – der Schuldnerin im Rahmen des Vertragsverhältnisses, für die sie Honorar zu beanspruchen hat.

Die Beklagte hat also die Aufrechnungslage in anfechtbarer Weise erlangt, gleichgültig, ob man ihre Forderung durch die Aufrechnung kongruent gedeckt ansieht oder insoweit eine inkongruente Deckung annimmt, was insbesondere dann der Fall ist, wenn – wie hier – der spätere Insolvenzgläubiger – die Beklagte – dem Schuldner – hier der Schuldnerin respektive dem für diese handelnden Kläger- einen (Werk-)Leistungsauftrag in den Fristen des § 131 InsO erteilt und damit für seine Insolvenzforderung eine Aufrechnungslage geschaffen hat (vgl. MünchKomInsO/Kirchhof, 2. Aufl. 2008, § 131, Rz. 17; BGH, Urteil vom 29.06.2004 – IX ZR 195/03, NJW 2004, 3118, Juris-Rz. 17, 19).

Die anzufechtende Rechtshandlung ist im Streitfall eine solche der Beklagten, nämlich die Entgegennahme von Leistungen der Schuldnerin nach Gesprächen mit dem Kläger in seiner Eigenschaft als vorläufiger Insolvenzverwalter und in Kenntnis des Eröffnungsantrags (§§ 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO). Maßgeblicher Zeitpunkt ist gemäß § 140 Abs. 1 InsO der Zeitpunkt der Bewirkung der Werthaltigkeit (vgl. OLG München, ZIP 2008, 638, Juris-Rz. 8).

In der Verknüpfung der eigenen Gläubigerstellung mit einer schuldrechtlichen Verpflichtung gegenüber dem Gemeinschuldner, die eine Aufrechnungslage begründete, liegt eine Rechtshandlung, die im Falle der Gläubigerbenachteiligung unter den in §§ 96 Abs. 1, 130 ff InsO normierten Voraussetzungen angefochten werden kann, der Verwalter ist in diesen Fällen berechtigt, sich – wie vorliegend – unmittelbar auf die Unwirksamkeit der Aufrechnung berufen (BGH, ebenda, Juris-Rz. 17).

Dabei ist anerkannt, dass die Voraussetzungen der Anfechtbarkeit auch dadurch geschaffen werden, dass der Gläubiger – die Beklagte – als ihm fällige Forderungen zustanden – hier auf Schadensersatz wegen Betrugs – die Werkleistung der Gemeinschuldnerin in Anspruch genommen hat (vgl. BGH, Urteil vom 4.10.2001 – IX ZR 207/00, NJW-RR 2002, 262, Juris-Rz. 12).

Die insolvenzrechtliche Anfechtung erfolgt dann in der Weise, dass die Forderung des Schuldners durchsetzbar ist, indem der Aufrechnung keine Wirkung zukommt.

Der Einwand der Beklagten, der insolvenzrechtlichen Anfechtung sei der Erfolg zu versagen, weil sie auf die Gültigkeit der mit dem Kläger unstrittig getroffenen Fortführungsvereinbarungen vertraut habe, greift demgegenüber nicht durch. Es geht nicht um eine insolvenzrechtliche Anfechtung der hinsichtlich der Baustellenabsicherungen geschlossenen Einzelverträge, sondern darum, dass die Beklagte nicht die Masse um Leistungen bitten darf, der Masse aber die geschuldete Gegenleistung vorenthalten und sich zum Nachteil anderer Gläubiger Befriedigung für schon vorher bestehende Gegenforderungen verschaffen will.

Der Hinweis auf das Urteil des BGH vom 15.12.2005 (IX ZR 156/04, BGHZ 165, 283) verfängt nicht. Der BGH hat in jener Entscheidung ausgeführt, dass der mit Zustimmungsvorbehalt ausgestattete vorläufige Insolvenzverwalter für den Gläubiger grundsätzlich einen anfechtungsfesten Vertrauenstatbestand schafft, wenn er der Erfüllung einer Altverbindlichkeit zustimmt, die auf einer vertraglichen Vereinbarung beruht, welche den Gläubiger zugleich verpflichtet, neue Leistungen an das Schuldnerunternehmen zu erbringen.

Der Streitfall liegt aber im entscheidenden Punkt anders. Nicht der Kläger hat als vorläufiger Insolvenzverwalter der Bezahlung der Schadensersatzforderung der Beklagten unter dem Druck der Einstellung der Geschäftsverbindung zugestimmt, um weitere Leistungen der Beklagten zu erhalten, sondern umgekehrt hat die Beklagte Leistungen der Schuldnerin erbeten.

Der Hinweis auf die Kommentierung bei MünchKomInsO/Kirchhof (a.a.O., § 129, Rz. 46) gibt zu abweichender Beurteilung keine Veranlassung. Es geht schon nicht um die Anfechtung von Rechtshandlungen des Klägers als vorläufigem schwachen Insolvenzverwalter, zumal (aaO) gerade die Schutzwürdigkeit des Gläubigers verneint wird, soweit insbesondere durch werkvertragliche Leistungen aus der künftigen Insolvenzmasse an einen Vertragspartner für diesen – die Beklagte – eine Aufrechnungslage geschaffen wird.

Die Zinsnebenforderung aus dem Verurteilungsbetrag ist von der Berufung unangegriffen ebenso unter Verzugsgesichtspunkten gerechtfertigt wie die geltend gemachten Kostennebenforderung nebst Zinsen auf Ersatz einer anwaltlichen Geschäftsgebühr, die – im Übrigen von der Vorinstanz zutreffend beschieden – allerdings lediglich auf Basis des geringeren Gegenstandswerts in Höhe des dem Kläger zugesprochenen Betrages berechtigt ist.

Begründet ist die Berufung hingegen in Bezug auf die zu Position 11 vom Kläger geltend gemachte Forderung, weshalb die Klage insoweit abzuweisen, das Versäumnisurteil vom 8. Oktober 2010 also aufrecht zu erhalten ist.

Insoweit hat Landgericht zu Unrecht angenommen, der Kläger sei aktiv legitimiert oder jedenfalls zur Einziehung berechtigt.

Das vom Landgericht herangezogene Vertragsangebot der ARGE (Bl. 252 f d.A.) trägt die Entscheidung nicht.

Infolge der Insolvenzeröffnung über das Vermögen der Schuldnerin sind die ihr im Rahmen der ARGEN dort erteilten Vollmachten und Ermächtigungen erloschen, weshalb sich auch der Kläger auf sie nicht stützen kann.

Denn aus Anlass der gemeinschaftlichen Angebotsabgabe und nachfolgenden vertraglichen Verpflichtung (§ 427 BGB) in Bietergemeinschaft gegenüber der B AG bzw. der Beklagten ist eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, GbR, (§ 705 BGB), wenn nicht sogar eine OHG (§ 105 HGB) begründet worden, und zwar durch konkludenten Abschluss eines Gesellschaftsvertrages, in dem sich die Mitglieder der Bietergemeinschaft untereinander die Erreichung des gemeinsamen Zwecks zu fördern versprechen.

Die Gesellschaft – sollten die ARGEN als GbR zu qualifizieren sein – wird durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Gesellschafters, also der Schuldnerin, aufgelöst (§ 728 Abs. 2 Satz 1 BGB). Das Erlöschen der Vollmacht bestimmt sich nach dem ihrer Erteilung zugrunde liegenden Rechtsverhältnis (§ 168 Satz 1 BGB). Zwar ist Insolvenz des Bevollmächtigten an sich kein Erlöschensgrund, dies ist aber anders und aus Sicht des Vollmachtgebers interessengerecht, wenn die Vollmacht auf einem Gesellschaftsvertrag beruht (vgl. Palandt/Ellenberger, aaO, § 168, Rz. 3), die Gesellschaft also durch die Insolvenz des Bevollmächtigten ex nunc aufgelöst wird.

Entsprechendes gilt, sollten die ARGEN als OHG zu qualifizieren sein, weil dann die Schuldnerin aus der Gesellschaft ausgeschieden ist (§ 131 Abs. 3 Nr. 2 HGB), das der Vollmacht zugrundeliegende Rechtsverhältnis – Zugehörigkeit zur werbenden Gesellschaft – mit Rücksicht hierauf in Bezug auf die Schuldnerin ebenfalls nicht mehr fortbesteht.

Bei Annahme (auch) einer Ermächtigung gilt aus den genannten Gründen das Gleiche, denn es ist anerkannt, dass die Rechtsinstitute der Bevollmächtigung nach § 164 BGB und der Ermächtigung nach § 185 BGB sich insoweit überschneiden, als sie es Dritten ermöglichen, durch rechtsgeschäftliches Handeln auf den Rechtskreis eines anderen einzuwirken (vgl. BGH, Urteil vom 07.06.2001 – I ZR 49/99, Juris-Rz. 27), was es rechtfertigt, für den hier maßgeblichen Aspekt – Auflösung der Gesellschaft oder Ausscheiden der Schuldnerin – die gleichen Rechtsfolgen eintreten zu lassen.

Die vom Kläger herangezogenen Entscheidungen des Landgerichts Frankfurt (Bl. 417 d. A.) und Karlsruhe (Bl. 473 d. A.) gehen insoweit jeweils von anderen Voraussetzungen aus, denn beiden Erkenntnissen lagen gesonderte Erklärungen der weiteren ARGE-Beteiligten gegenüber dem Kläger nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens zugrunde, die hier weder behauptet noch vorgelegt sind.

Infolgedessen ist die Klage diesbezüglich aus vermeintlich eigenem Recht der Schuldnerin unbegründet, weil ein Rechtsübergang auf die Schuldnerin bereits nicht behauptet, sondern vielmehr der Entscheidung zugrunde zu legen ist, dass insoweit die Werklohnforderung noch immer der ARGE selbst als Außengesellschaft zusteht.

Denn die B AG hat, was dem Senat aus verschiedenen Rechtsstreiten der Parteien bekannt ist (§ 291 ZPO) und sich auch vorliegend insbesondere aus dem Formular Bl. 252 d. A. ergibt, auf der Ausführung in Arbeitsgemeinschaft bestanden. Deshalb war die Gesellschaft jeweils, weil als solche zwingend nach außen in Erscheinung tretend, Außengesellschaft, als solche rechtsfähig und selbständiger Träger von Pflichten, namentlich werkvertragliche Leistungen zu erbringen, und Rechten, u. a. der jeweiligen Vergütungsforderung, gegenüber dem Auftraggeber, die also ohne weiteres Gegenstand des Gesellschaftsvermögens wurde (§ 718 BGB).

Soweit die Klage insoweit auf ein vermeintliches Einziehungsrecht gestützt, also in gewillkürter Prozessstandschaft erhoben ist, liegen deren Voraussetzungen nach dem Vorgesagten gerade nicht vor, so dass die Klage insoweit unzulässig ist.

Der Ausspruch über die Kosten des Rechtsstreits ergibt sich aus §§ 91 Abs. 1 Satz 1, 92 Abs. 1, 344 ZPO weil die Parteien teils obsiegt haben, teils unterlegen sind und demgemäß die Kosten zu der im Kostenausspruch jeweils für beide Instanzen getrennt angegebenen Quote anteilig zu tragen haben, wobei der Kläger die durch seine Säumnis in erster Instanz entstandenen Kosten allein zu tragen hat.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des §§ 543 Abs. 2 ZPO nicht erfüllt sind.

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