OLG Frankfurt am Main, 17.02.2012 – 18 W 15/12

Mai 14, 2019

OLG Frankfurt am Main, 17.02.2012 – 18 W 15/12
Tenor:

In der Beschwerdesache … wird der Beschluss des Landgerichts Frankfurt am Main vom 09.01.2012 auf die Beschwerde der Klägerin vom 16.01.2012 abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Auf die Erinnerung der Klägerin vom 29.11.2011 wird der mit Kostenrechnung des Landgerichts Frankfurt am Main vom 18.11.2011 unter dem Kassenzeichen … gegen die Klägerin erfolgte Kostenansatz aufgehoben.

Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei.

Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
1

I.

Am 19.09.2011 reichte die Klägerin beim Landgericht Frankfurt am Main eine Klageschrift vom selben Tage (Bl. 1 bis 9 d. A.) ein, in der sie den Antrag ankündigte, die beiden Beklagten gesamtschuldnerisch, hilfsweise einzeln dazu zu verurteilen, Zug um Zug gegen Übertragung von Anteilen an einem Immobilienfonds € 79.862,88 zu zahlen. Die Klägerin begründete diesen Antrag mit einem Anspruch auf Schadensersatz wegen fehlerhafter Anlageberatung, die zu einem Kundenauftrag vom 22.09.2008 geführt habe. Die Klägerin bezweckte mit der Einreichung dieser Klage vorrangig auch die Wahrung der dreijährigen Verjährungsfrist des vorliegend gemäß § 43 WpHG in der bis zum 04.08.2009 geltenden Fassung anwendbaren § 37a WpHG, die mit der Entstehung des Anspruchs beginnt. Die Klägerin fügte der Klageschrift einen Verrechnungsscheck über den gemäß § 12 Abs. 1 GKG zu zahlenden Gerichtskostenvorschuss von einer 3,0 Verfahrensgebühr gemäß § 3 Abs. 2 GKG in Verbindung mit Nr. 1210 KV GKG in Höhe von € 1.968,- (vgl. § 34 Abs. 1 Satz 2 GKG in Verbindung mit Anlage 2 zum GKG) bei (Kopie auf Vorbl. I d. A.). Dieser Scheck wurde mittels eines SAP-Kontierungsbogens verbucht, wobei ein unrichtiges Aktenzeichen angegeben wurde (Vorbl. II d. A., Bl. 40 d. A.). Infolge dieses Fehlers ging das Landgericht trotz am 29.09.2011 auf den Scheck erfolgter Zahlung irrig davon aus, der Gerichtskostenvorschuss sei noch nicht geleistet, weshalb es die Zustellung der Abschriften der Klageschrift an die Beklagten nicht veranlasste. Daraufhin nahm die Klägerin die Klage mit Schriftsatz vom 10.11.2011 (Bl. 36, 37 d. A.) zurück. Mit Kostenrechnung vom 18.11.2011 (Vorbl. III d. A.) setzte das Landgericht unter dem Kassenzeichen … Kosten in Höhe von € 656,- gegen die Klägerin an und verrechnete diesen mit dem eingezahlten Gerichtskostenvorschuss.
2

Mit Schriftsatz ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 29.11.2011 (Bl. 42, 43 d. A.) erhob die Klägerin Einwendungen gegen diesen Kostenansatz und begehrte die vollständige Rückzahlung des Vorschusses. Sie führte dazu unter anderem aus, das Landgericht habe die Sache fehlerhaft behandelt, der Zweck der Klage – die Wahrung der Verjährungsfrist der §§ 37a, 43 WpHG– habe nicht mehr eintreten können.
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Das Landgericht hat den Schriftsatz vom 29.11.2011 als Erinnerung gegen den Kostenansatz behandelt und diese mit Beschluss vom 09.01.2012 (Bl. 46 bis 48 d. A.) zurückgewiesen. Gegen diesen Beschluss hat die Klägerin mit Schriftsatz ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 16.01.2012 (Bl. 53 bis 55 d. A.) Beschwerde eingelegt, der das Landgericht mit Beschluss vom 18.01.2012 (Bl. 56 d. A.) nicht abgeholfen hat. Der Beschwerdegegner hat mit Verfügung vom 26.01.2012 (Bl. 59 R d. A.) zur Beschwerde Stellung genommen.
4

II.

1. Die gemäß § 66 Abs. 2 GKG statthafte Beschwerde der Klägerin ist zulässig, insbesondere ist die von § 66 Abs. 2 Satz 1 GKG vorausgesetzte Mindestbeschwer erreicht.
5

2. Die Beschwerde hat in der Sache Erfolg.
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Das Landgericht hat das Schreiben des Verfahrensbevollmächtigten der Klägerin vom 29.11.2011 zutreffend als Erinnerung gegen den Kostenansatz vom 18.11.2011 qualifiziert; es hat sie aber zu Unrecht zurückgewiesen. Denn die gemäß § 66 Abs. 1 Satz GKG statthafte Erinnerung der Klägerin war zulässig und begründet.
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Die Klägerin ist zwar als solche Kostenschuldnerin im Sinne von § 22 Abs. 1 Satz 1 GKG und es ist gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 GKG mit Einreichung der Klageschrift eine Verfahrensgebühr nach § 3 Abs. 2 GKG in Verbindung mit Nr. 1210 KV GKG angefallen, die infolge der Klagerücknahme nach § 3 Abs. 2 GKG in Verbindung mit Nr. 1211 KV GKG auf einen Satz von 1,0 ermäßigt ist und bei dem vorliegend zugrunde zu legenden Streitwert von € 79.862,88 € 656,- beträgt (vgl. § 34 Abs. 1 Satz 2 GKG in Verbindung mit Anlage 2 zum GKG).
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Diese Gebühr bleibt jedoch gemäß § 21 Abs. 1 Satz 1 GKG außer Ansatz. Nach dieser Regelung werden Kosten, die bei richtiger Sachbehandlung nicht entstanden wären, nicht erhoben. Ein solcher Fall ist hier gegeben.
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Indem es das Landgericht trotz Eingangs des Gerichtsvorkostenschusses am 29.09.2011 bis zum 10.11.2011 unterließ, die Zustellung der Abschriften der Klageschrift an die Beklagten zu veranlassen, verletzte es seine in § 271 Abs. 1 ZPO normierten Pflicht, die Klageschrift unverzüglich zuzustellen. Diese Pflichtverletzung wiegt hier schwer, weil sie die Wahrung der bis zum 22.09.2011 laufenden Verjährungsfrist und damit die Hemmung der Verjährung gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB in Frage stellte.
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Die vorliegend angefallene, auf einen Satz von 1,0 verminderte Verfahrensgebühr gemäß § 3 Abs. 2 GKG in Verbindung mit Nrn. 1210, 1211 KV GKG wäre bei richtiger Behandlung der Sache nicht entstanden, weil die Klägerin die Klage nicht zurückgenommen hätte, wenn die Klageschrift unverzüglich zugestellt worden wäre.
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Zwar wäre dann infolge der Fortführung des Verfahrens eine volle Verfahrensgebühr zu einem Satz von 3,0 angefallen (vgl. Nr. 1210 KV GKG), für diese hätte die Klägerin indes den in der Durchführung des Verfahrens einschließlich der Möglichkeit der antragsgemäßen Verurteilung der Beklagten liegenden Gegenwert erlangt. Der verminderten Verfahrensgebühr steht indes ein solcher Wert nicht gegenüber.
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Der Anwendung von § 21 Abs. 1 Satz 1 GKG steht es auch nicht entgegen, dass die Kausalität zwischen der unrichtigen Sachbehandlung und der infolge der Klagerücknahme ohne Gegenwert angefallenen verminderten Verfahrensgebühr psychisch vermittelt ist. Die Entscheidung der Klägerin, die Klage zurückzunehmen, durchbricht den Zurechnungszusammenhang nicht, weil diese Entscheidung nicht unvernünftig war. Dies gilt auch in Anbetracht der Regelung des § 167 ZPO. Infolge der unrichtigen Sachbehandlung durch das Landgericht wäre es bei Fortführung des Verfahrens zusätzlich auch auf die Frage angekommen, ob nach Aufklärung des Irrtums des Landgerichts veranlasste Zustellungen von Abschriften der Klageschrift an die Beklagten im Sinne von § 167 ZPO„demnächst“ erfolgt wären. Dieser Umstand erhöhte das Prozessrisiko der Klägerin nicht unerheblich. Es ist durchaus nachvollziehbar, dass die Klägerin nicht bereit war, dieses erhöhte Risiko zu tragen, und sich stattdessen für die Rücknahme der Klage entschied.
13

3. Das Beschwerdeverfahren ist gemäß § 66 Abs. 8 Satz 1 GKG gerichts-gebührenfrei. Kosten werden gemäß § 66 Abs. 8 Satz 2 GKG nicht erstattet.

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