OLG Frankfurt am Main, 18.01.2017 – 19 U 186/15

März 20, 2019

OLG Frankfurt am Main, 18.01.2017 – 19 U 186/15
Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 3.8.2015 verkündete Urteil der 25. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 9.538,33 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 3.9.2014 zu zahlen. Im Übrigen werden die Klage abgewiesen und die weitergehende Berufung zurückgewiesen.

Von den Kosten der 1. Instanz haben die Klägerin 85 % und die Beklagte 15 % zu tragen. Von den Kosten der 2. Instanz haben die Klägerin 87 % und die Beklagte 13 % zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Jede Partei darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die jeweils andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe

I.

Die Klägerin macht gegen die Beklagte einen Anspruch auf Rückzahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung, einen Schadensersatzanspruch und einen Anspruch auf Verzugszinsen geltend.

Wegen des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen (Bl. 398-402 d.A.).

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen (Bl. 397-411 d.A.).

Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Klägerin keinen Anspruch auf Rückzahlung der von der Beklagten vereinnahmten Vorfälligkeitsentschädigung in Höhe von 9.538,33 € habe, da die Beklagte das Darlehen mit der Endnummer -87 wegen Zahlungsverzuges der Klägerin wirksam außerordentlich gekündigt habe. Daher sei die Beklagte berechtigt gewesen, ihren Nichterfüllungsschaden gegenüber der Klägerin nach den §§ 488, 280, 252 BGB in Ansatz zu bringen.

Weiterhin habe die Klägerin keinen Anspruch auf Verzugszinsen auf den von der Beklagten letztlich hinterlegten Betrag in Höhe von 69.848,86 € für den vom Klageantrag umfassten Zeitraum vom 24.10.2012 bis zum 10.10.2014, da sich die Beklagte nicht in Schuldnerverzug befunden habe.

Schließlich habe die Klägerin auch keinen Anspruch auf Schadensersatz wegen des Zugriffs von Gläubigern auf Teile des von der Beklagten beim Amtsgericht Stadt1 hinterlegten Geldes. Zum einen habe die Beklagte mit der Hinterlegung schon keine Pflichtverletzung gegenüber der Klägerin begangen, und zum anderen habe die Klägerin kein rechtlich anerkennenswertes Interesse daran, ihr Vermögen ihren Gläubigern vorzuenthalten und erst recht keinen Anspruch auf eine dahingehende Mitwirkungshandlung der Beklagten.

Der Sachverhalt ist lediglich dahingehend zu ergänzen, dass die Klägerin behauptet, dass der Abholungsbetrag in der Filiale der Beklagten nicht für die Klägerin tatsächlich zur Abholung bereitgehalten worden sei. Zum Beweis bietet sie die Vernehmung der Filialdirektorin, Frau A, an (Bl. 293 d.A.).

Gegen dieses der Klägerin am 12.08.2015 zugestellte Urteil (Bl. 413 d.A.) hat sie am 03.09.2015 Berufung eingelegt (Bl. 450 d.A.) und dieses Rechtsmittel nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 03.11.2015 (Bl. 460 d.A.) an diesem Tage begründet (Bl. 466 ff. d.A.).

Mit der Berufung verfolgt die Beklagte zunächst ihre erstinstanzlichen Klageanträge weiter.

Hinsichtlich des abgewiesenen Anspruchs auf Rückzahlung der von der Beklagten vereinnahmten Vorfälligkeitsentschädigung in Höhe von 9.538,33 EUR macht die Klägerin weiterhin geltend, dass die Darlehenskündigung vom 07.02.2013 nicht rechtmäßig gewesen sei. Das Landgericht habe rechtsfehlerhaft einen Kündigungsgrund für die Beklagte unterstellt, obgleich die Klägerin bestritten habe, dass überhaupt ein Rückstand vorgelegen habe. Zudem habe die Klägerin die Einzugsermächtigung nur deshalb zurückgezogen, weil die Beklagte seit Juli 2012 die Herausgabe von Geldern verweigert habe. Im Weiteren sei der Beklagten die Fortsetzung des Darlehensvertrages auch nicht unzumutbar gewesen; die Kündigung stelle nichts anderes dar als eine „Abstrafung“. Zudem folge aus der neueren Rechtsprechung des BGH, dass die Beklagte bei ihrerseits gekündigten Darlehensverträgen keine Vorfälligkeitsentschädigung zusätzlich zu dem Verzugszins verlangen könne.

Hinsichtlich des Anspruchs auf Verzugszinsen macht die Berufung geltend, dass die Beklagte spätestens mit dem Schreiben der Klägerin vom 16.10.2012 in Verzug geraten sei. Die Ansicht des Landgerichts, dass das Schreiben vom 16.10.2012 keine hinreichende Mahnung beinhalte, sei rechtsfehlerhaft. Zunächst habe das Landgericht bereits verkannt, dass eine Mahnung gemäß § 286 Abs. 2 Ziff. 4 BGB überhaupt entbehrlich gewesen sei. Dies ergebe sich bereits daraus, dass die Beklagte gewusst habe, dass sie verschärft nach § 819 BGB hafte. Sie habe selbst im Schreiben vom 28.09.2012 die Auszahlung des von ihr vereinnahmten Betrages angekündigt.

Selbst wenn man dies anders sehen wollte, würde das Schreiben der Klägerin vom 16.10.2012 eine Mahnung darstellen. Denn den Anforderungen einer Mahnung genüge es, wenn der Gläubiger zum Ausdruck bringe, dass er die geschuldete Leistung verlange, ohne dass es auf eine Fristsetzung oder die Androhung von Folgen ankomme. Das genannte Schreiben enthalte eine eindeutige Leistungsaufforderung seitens der Klägerin. Rechtsfehlerhaft habe das Landgericht aus der Formulierung „Ich erwarte eine Barauszahlung bis“ abgeleitet, dass die Beklagte daraufhin nur durch Barzahlung hätte erfüllen dürfen. Diese Formulierung enthalte nicht die Weisung, dass die Beklagte nicht auch in anderer Weise erfüllen dürfe. Zudem ist die Berufung der Ansicht, dass keine Unwirksamkeit einer Mahnung eingetreten sei, weil eine Zuvielforderung geltend gemacht worden sei. Schließlich ende der Schuldnerverzug der Beklagten auch nicht dadurch, dass sie das für die Leistungserfüllung Erforderliche getan hätte und die Klägerin in Annahmeverzug geraten sei. Denn die Beklagte habe zu keinem Zeitpunkt von sich aus eine Barauszahlung angeboten, geschweige denn der Klägerin einen Auszahlungstermin genannt. Die Klägerin habe auf ihr Schreiben vom 16.10.2012 keinerlei Reaktion der Beklagte erfahren. Die Beklagte habe weder die Möglichkeit der Abholung des Barbetrages noch einen Termin bestätigt. Ein Versuch, das Geld in Stadt1 abzuholen, wäre deswegen aus der Sicht der Klägerin aussichtlos gewesen, da Banken solch hohe Beträge normalerweise nicht ohne weiteres bar vorrätig hätten. Dazu, dass ein Erscheinen in der Filiale ohne vorherige Terminzusage erfolglos gewesen wäre, habe die Klägerin zudem Beweis angeboten durch Zeugnis der Filialdirektorin der Beklagten, Frau A. Auch dieses Beweisangebot habe das Landgericht fehlerhaft übergangen.Das Landgericht habe zugunsten der Beklagten unterstellt, dass sie zur Überweisung nicht mehr berechtigt gewesen sei, sondern nur noch zur Barauszahlung. Zudem habe die Beklagte ihre Hinterlegung auf einen völlig anderen Hinterlegungsgrund gestützt, nämlich dass die Klägerin ihre Bankverbindung für die von ihr beabsichtigte Überweisung nicht mitgeteilt habe.

Schließlich ist die Berufung der Auffassung, dass die Hinterlegung des Geldes unberechtigt gewesen sei und keine Erfüllungswirkung gehabt habe. Deshalb habe der Schuldnerverzug der Beklagten nicht nur bis zum 13.02.2013, sondern auch noch nach der Hinterlegung fortbestanden. Außerdem ergebe sich aus der unberechtigten Hinterlegung der Anspruch der Klägerin auf Ersatz der ihr entstandenen Schäden. Unstreitig hätten während der Hinterlegung verschiedene Gläubiger auf den hinterlegten Betrag zugegriffen, insgesamt in Höhe von 33.839,12 EUR. Diese Möglichkeit habe einzig und allein aufgrund der unberechtigten Hinterlegung der Beklagten bestanden, sodass ein kausal hervorgerufener Vermögensnachteil eingetreten sei.

Mit Schriftsatz vom 12.12.2016 erhebt die Klägerin in der Berufungsinstanz einen weiteren Zahlungsanspruch gegen die Beklagte in Höhe von 9.082,23 € als Schadensersatz wegen Kosten aus dem mit der Beklagten geführten Rechtsstreit beim Landgericht Stadt4 (Az.: …) sowie einen Freistellungsantrag bezüglich sämtlicher Kosten des Zwangsversteigerungsverfahrens beim Amtsgericht Stadt3 (Az.: …). Die Klägerin hält die Klageerweiterung in der Berufungsinstanz gemäß § 533 ZPO für sachdienlich, da sie auf dem zur Darlehenskündigung in diesem Verfahren bereits unterbreiteten Vortrag beruhe. Wenn die Beklagte die Klägerin nicht mit einer unrechtmäßigen Kreditkündigung überzogen hätte, wären die Kosten aus der Vollstreckungsgegenklage beim Landgericht Stadt4 nicht erwachsen, die sich nach dem Vortrag der Klägerin auf 9.082,23 € belaufen. Aufgrund der unrechtmäßigen Kündigung sei die Beklagte auch nicht zur Einleitung des Zwangsversteigerungsverfahrens berechtigt gewesen, so dass die Klägerin auch von diesen Kosten freizustellen sei.

Die Klägerin beantragt,

1.

das Urteil des Landgerichts Frankfurt/Main vom 03.08.2015 (2-25 O 489/14) abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 63.410,57 € zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 03.09.2014 zu zahlen.
2.

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin weitere 9.082,23 € zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
3.

die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin von sämtlichen Kosten des Zwangsversteigerungsverfahrens beim Amtsgericht Stadt3 zu Aktenzeichen … freizustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil.

Die Beklagte ist der Ansicht, dass das Landgericht zutreffend erkannt habe, dass die Voraussetzungen einer außerordentlichen Kündigung nach Ziffer 12 e) der Darlehensbedingungen erfüllt gewesen seien. Die Klägerin sei im Zeitpunkt der Kündigung am 07.02.2013 mit angemahnten Darlehensraten aus den Monaten Oktober, November und Dezember 2012 im Rückstand und somit länger als einen Monat in Verzug geraten. Zudem habe sie die von ihr geschuldeten Leistungen auch nach Zugang der letzten schriftlichen Mahnung vom 21.12.2012 unstreitig nicht gezahlt. Ebenfalls zutreffend habe das Landgericht entschieden, dass der Beklagten ein Anspruch auf Ersatz des Erfüllungsschadens in Form der Vorfälligkeitsentschädigung nach den §§ 488, 280, 252 BGB neben einem Verzugsschaden zustehe.

Ebenfalls zutreffend habe das Landgericht entschieden, dass der Klägerin kein Anspruch auf Verzugsschadensersatz zustehe. Die Beklagte sei bereits nicht in Verzug gekommen, da es an einer wirksamen Mahnung fehle. Zum einen sei entgegen den klägerischen Ausführungen eine Mahnung nicht gemäß § 286 Abs. 2 Ziff. 4 BGB wegen einer angeblich verschärften Haftung nach § 819 BGB entbehrlich, weil § 819 BGB einen Bereicherungsanspruch voraussetze. Die Klägerin mache aber einen vertraglichen Anspruch gegen die Beklagte auf Auskehrung des Übererlöses geltend. Zudem habe das Landgericht auch zutreffend entschieden, dass die Klägerin die Beklagte mit dem Schreiben vom 16.10.2012 (Anlage K 8) nicht in Verzug gesetzt habe. Das Schreiben der Klägerin sei keine wirksame Mahnung im Sinne des § 286 BGB, da eine erhebliche Zuvielforderung geltend gemacht worden sei.

Schließlich sei die Hinterlegung auch rechtmäßig erfolgt und das Landgericht habe auch zutreffend den Schadensersatzanspruch in Höhe von 33.839,12 € abgewiesen. Zum einen fehle es bereits an einer Pflichtverletzung, weil die Beklagte zur Hinterlegung berechtigt gewesen sei. Zum anderen bestehe auch kein kausaler Schaden und einem Schadensersatzanspruch der Klägerin stünde zudem ein überwiegendes Mitverschulden (§ 254 BGB) entgegen. Denn die erforderliche Sorgfalt in eigenen Sachen habe die Klägerin dadurch in erheblicher Weise verletzt, dass sie der Beklagten auch nach wiederholter Aufforderung das Zielkonto für die Überweisung nicht mitgeteilt habe.

Im Weiteren widerspricht die Beklagte der Klageerweiterung. Sie hält diese für unzulässig, da sie nicht sachdienlich sei und auch nicht auf Tatsachen gestützt werden könne, die das Berufungsgericht nach § 529 ZPO seiner Verhandlung und Entscheidung ohnehin zugrunde zu legen habe. Denn bisher seien nur Ansprüche im Zusammenhang mit der Kündigung des Darlehensvertrages mit der Endziffer- 87 Gegenstand des Verfahrens; die Klageerweiterung betreffe jedoch die Kündigung des Darlehensvertrages mit der Endziffer – 88. Zudem stehe einer Entscheidung über die Klageerweiterung die Rechtskraft des Urteils des Landgerichts Stadt4 (Az.: …) entgegen, in dem dieses die Kündigung für wirksam angesehen hat. Schließlich erklärt die Beklagte hinsichtlich der Vorfälligkeitsentschädigung nebst Zinsen die Aufrechnung mit dem Anspruch der Beklagten auf Rückzahlung der offenen Darlehensvaluta i.H.v. 47.811,26 EUR zum 19.12.2016.

II.

1. Die nach § 511 ZPO statthafte Berufung ist nach den §§ 517, 519, 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und mithin zulässig. Sowohl die in der Berufungsinstanz erfolgte Klageerweiterung der Klägerin als auch die Aufrechnung seitens der Beklagten sind jedoch unzulässig.

a) Die mit Schriftsatz vom 12.12.2016 erfolgte Klageerweiterung um die Berufungsanträge zu 2. und 3. stellt keine nach § 264 Nr. 2 ZPO zulässige Klageerweiterung dar, sondern eine Klageänderung, für die in der Berufungsinstanz die Voraussetzungen des § 533 ZPO vorliegen müssen. Denn der bisherige Streitgegenstand wird nicht quantitativ oder qualitativ modifiziert, sondern den neuen Anträgen liegt ein neuer Streitgegenstand zu Grunde.

Denn mit der Klageerweiterung macht die Klägerin Schadensersatz wegen Kosten aus dem mit der Beklagten geführten Rechtsstreit beim Landgericht Stadt4 (Az.: …) geltend sowie wegen des von der Beklagten eingeleiteten Zwangsversteigerungsverfahren. Dabei handelt es sich um Kosten, die der Klägerin ihrer Meinung nach aufgrund der unberechtigten Kreditkündigung der Beklagten entstanden sind. Beide Verfahren haben jedoch zum Gegenstand die Kündigung des Darlehensvertrages über ursprünglich 115.000,00 DM mit der Nr. …-88, der sich auf das Wohnhaus der Klägerin in Stadt1 bezieht.

Dieser Darlehensvertrag ist jedoch bisher nicht Gegenstand des Verfahrens. Alle Ansprüche, die die Klägerin in dem Verfahren bisher geltend gemacht hat, stehen in Zusammenhang mit der Kündigung des Darlehensvertrages über ursprünglich 160.000 DM mit der Nr. …-87 und der erfolgten Zwangsvollstreckung in die Eigentumswohnung der Klägerin in Stadt2, Straße1.

Mithin ist die zwingende Voraussetzung des § 533 Nr. 2 ZPO nicht gegeben, nämlich dass die Klageänderung auf Tatsachen gestützt werden kann, die das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung ohnehin nach § 529 ZPO zugrunde zu legen hat.

b) Aus demselben Grund ist auch die von der Beklagten erklärte Aufrechnung mit dem – zwischen den Parteien der Höhe nach streitigen – Restsaldo des Darlehensvertrages mit der Endnummer – 88 nach § 533 ZPO unzulässig. Deshalb braucht auch nicht der Frage nachgegangen werden, ob die Beklagte in der Berufungsinstanz noch die Aufrechnung erklären kann, obwohl die Frist für die Einlegung einer Anschlussberufung nach § 524 Abs. 2 S. 2 ZPO verstrichen ist.

2. Die Berufung ist begründet, soweit die Klägerin die Rückzahlung der gezahlten Vorfälligkeitsentschädigung nebst Zinsen begehrt. Im Übrigen ist sie unbegründet.

a) Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Rückzahlung der von ihr gezahlten Vorfälligkeitsentschädigung in Höhe von 9.538,33 EUR aus § 812 Abs. 1 S. 1 Fall BGB.

Denn unabhängig davon, ob die Beklagte den Darlehensvertrag mit der Endnummer – 87 wirksam außerordentlich gekündigt hat oder nicht, steht ihr kein Anspruch auf Ersatz des Nichterfüllungsschadens nach den §§ 488, 280, 252 BGB zu.

Auf das Rechtsverhältnis der Parteien sind die §§ 488 ff. BGB in der bis zum 10.Juni 2010 geltenden Fassung (BGB l 2002 I, S. 2850, 2856 ff.; im Folgenden: a. F.) anwendbar. Dies ergibt sich für den im Jahr 1999 geschlossenen Darlehensvertrag aus der Überleitungsvorschrift des Art. 229 § 5 S. 2 EGBGB, wonach das Bürgerliche Gesetzbuch in der seit dem 1. Januar 2003 geltenden Fassung anzuwenden ist. Bei dem zwischen der Klägerin und der Beklagten vereinbarten Darlehensvertrag handelt es sich auch um ein Dauerschuldverhältnis im Sinne dieser Vorschrift. Die vorgenannten Vorschriften sind erst recht anwendbar, wenn es hierfür auf die im Dezember 2009 geänderten Zinsfestschreibungsperioden des Darlehensvertrages ankommen sollte. Bei dem streitgegenständlichen Darlehensvertrag vom 11.02.1999 mit der Nr. …-87 über einen Nennbetrag von 160.000,00 DM handelt es sich auch um einen in § 492 Abs. 1 a S. 2 BGB a. F. legal definierten Immobiliardarlehensvertrag. Die Zurverfügungstellung des Darlehens war von der Sicherung durch ein Grundpfandrecht abhängig und die Klägerin war auch Verbraucherin (§ 13 BGB). Der Zinssatz von 4,75 % per anno stellt zudem eine Bedingung dar, die für grundpfandrechtlich abgesicherte Darlehen im Jahr 1999 üblich war. Der danach anwendbare § 497 Abs. 1 BGB a. F. enthält jedoch eine spezielle Regelung zur Schadensberechnung bei notleidenden Krediten, die vom Darlehensgeber infolge Zahlungsverzugs des Darlehensnehmers vorzeitig gekündigt worden sind. Sie schließt die Geltendmachung der von der Beklagten als Ersatz ihres Erfüllungsinteresses verlangten Vorfälligkeitsentschädigung aus (vgl. dazu: BGH, Urt. v. 19.01.2016, XI ZR 103/15, zitiert nach juris).

Eine solche Sperrwirkung ergibt sich aus der Gesetzgebungsgeschichte des § 11 VerbrKrG als Vorgängernorm des § 497 Abs. 1 BGB a. F. und dem Sinn und Zweck dieser Vorschrift (BGH, a. a. O.).

Demnach stand der Beklagten lediglich das zum Zeitpunkt der Kündigung offene Restkapital nebst den bis dahin aufgelaufenen Zahlungsrückständen und angefallenen Zinsen zu. Dies ist der geschuldete „Betrag“ im Sinne des § 497 Abs. 1 S. 1 BGB a. F. Mithin sind die von der Klägerin auf die von der Beklagten zu Unrecht geltend gemachte Vorfälligkeitsentschädigung geleisteten Zahlungen ohne rechtlichen Grund erfolgt – selbst wenn die Beklagte den Darlehensvertrag wirksam außerordentlich gekündigt haben sollte.

Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 286, 288 Abs. 1 BGB. Die erforderliche Mahnung liegt in dem Schreiben des Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 13.08.2014 (Anl. K 16 = Bl. 57ff. d.A.).

b) Im Übrigen ist die Berufung unbegründet.

Zur Vermeidung von Wiederholungen wird insoweit zunächst auf die Entscheidungsgründe der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen. Ergänzend bemerkt der Senat:

aa) Zu Recht hat das Landgericht einen Anspruch der Klägerin auf Verzugszinsen auf den von der Beklagten hinterlegten Betrag von 69.846,26 EUR für den Zeitraum vom 24.10.2012 bis 10.10.2014 verneint.

Ein Verzug nach § 286 BGB liegt nur vor, wenn der Schuldner die Leistung aus einem von ihm zu vertretenen Grund pflichtwidrig verzögert. Ist jedoch zur Vornahme der Leistung eine Mitwirkung des Gläubigers erforderlich, kommt der Schuldner nur in Verzug, wenn der Gläubiger die erforderliche Handlung vornimmt (Palandt/Grüneberg, BGB, 76. Aufl., § 286 Rn. 14).

Grundsätzlich sind Geldschulden Schickschulden im Sinne des § 270 BGB.

Zwar ist die Art der Übermittlung vom geschuldeten Geld grundsätzlich dem Gläubiger freigestellt; die Tatsache, dass der Gläubiger ein Girokonto eröffnet hat, reicht dagegen als Einverständnis mit einer Überweisung auf dieses nicht aus (Palandt/Grüneberg, a. a. O., § 362 Rn. 9; BGH, Urt. v. 13.03.1953, V ZR 92/15, zitiert nach juris).

Deshalb war die Beklagte nicht berechtigt ohne Anweisung der Klägerin auf ein ihr aus einem anderen Zusammenhang bekanntes Konto der Klägerin eine Überweisung vorzunehmen.

§ 270 BGB tritt zudem als Auslegungsregel zurück, soweit Gesetz oder Parteiabrede etwas anderes bestimmen (Palandt/Grüneberg, a. a. O., § 270 Rn. 3).

Mit dem Landgericht geht der Senat davon aus, dass dem Schreiben der Klägerin vom 16.10.2012 (Anl. K 8 = Bl. 30f. d.A.) eindeutig die Bestimmung zu entnehmen ist, dass das Geld in bar auszuzahlen ist. Die Formulierung „soweit es den Betrag von 98.035,96 EUR betrifft, erwarte ich die Barauszahlung in der Stadt1 Filiale Mitte der 43. KW“ kann nicht anders verstanden werden.

Ab diesem Moment, in dem die Klägerin ihr Leistungsbestimmungsrecht ausgeübt hatte, schied jedoch eine Überweisung oder sonstige bargeldlose Zahlung als Erfüllung aus (Staudinger/Bittner, BGB, Bearbeitung 2014, § 270 Rn. 16). Da dem Bankkunden das Leistungsbestimmungsrecht zusteht, in welcher Weise die Leistung der Bank an ihn erfolgen soll, war für die wirksame Vereinbarung einer Barauszahlung keine Zustimmung seitens der Beklagten erforderlich. Auch der Umstand, dass die Beklagte dann im Weiteren versuchte, die Klägerin zur Angabe eines Überweisungskontos zu bewegen, ändert an der Ausübung des Leistungsbestimmungsrechts der Klägerin hinsichtlich einer Holschuld nichts. Denn auch wenn eine Holschuld gegeben ist, kann der Schuldner trotzdem einer Schickschuld nachkommen, denn im Zweifel dürfen die Parteien mehr tun, als sie zu tun verpflichtet sind (Palandt/Grüneberg, a.a.O., § 269 Rn. 2).

Entgegen der Annahme der Klägerin war die Beklagte auch leistungsbereit (§ 297 BGB). Denn es kann davon ausgegangen werden, dass die Beklagte, wenn die Klägerin in der 43. Kalenderwoche entweder in der Filiale in Stadt1 erschienen wäre oder vorab ihr Erscheinen telefonisch mitgeteilt hätte, in der Lage gewesen wäre, den Auszahlungsbetrag in bar zu leisten.

Deshalb war auch auf das Beweisangebot der Klägerin, dass die Beklagte einen so hohen Betrag nicht immer vorrätig in einer Filiale habe, nicht nachzugehen. Es kann als wahr unterstellt werden, dass nicht ohne vorherige Ankündigung ein solch hoher 5-stelliger Betrag ausgezahlt werden kann. Aber es sind keine Gründe ersichtlich, warum eine Bank nicht in der Lage sein sollte, nach vorheriger Anfrage einen solchen Betrag für eine Barauszahlung bereit zu stellen. Da die Beklagte nicht in der Filiale in Stadt1 erschienen ist, hat sie die nach der Vereinbarung der Holschuld erforderliche Leistung nicht vorgenommen. Dies hat jedoch zur Folge, dass die Beklagte nicht in Verzug mit ihrer Leistung, der Auszahlung des Geldes, gekommen ist.

Solange die Klägerin ihrer Mitwirkungshandlung nicht nachgekommen ist, sei es durch Abholung des Geldes oder Benennung eines Zielkontos, konnte die Beklagte nicht in Verzug mit ihrer Leistung, der Auszahlung des Geldes, kommen – selbst wenn man in dem Schreiben vom 16.10.2012 eine wirksame Mahnung nach § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB sehen wollte (vgl. zur Mitwirkung des Gläubigers: Palandt/Ellenberger, a.a.O., § 286 Rn. 15).

bb) Zu Recht hat das Landgericht auch den Schadensersatzanspruch der Klägerin abgewiesen. Denn die Klägerin hat keinen Anspruch auf Schadensersatz wegen des Zugriffs von Gläubigern auf Teile des von der Beklagten bei dem Amtsgericht Stadt1 hinterlegten Geldes i.H.v. 33.839,12 EUR aus § 280 BGB. Ein Schadensersatzanspruch der Klägerin scheitert – unabhängig von der Frage, ob die Hinterlegung rechtmäßig gewesen ist oder nicht – daran, dass es bereits an einem Schaden der Klägerin fehlt.

Denn ein Schaden ist nach der Differenzhypothese nur gegeben, wenn der jetzige tatsächliche Wert des Vermögens des Geschädigten geringer ist als der Wert, den das Vermögen ohne das die Ersatzpflicht begründende Ereignis haben würde (Palandt/Grüneberg, a. a. O., Vorbem. vor § 249 Rn. 10). Dies ist jedoch vorliegend nicht der Fall, da die Klägerin in Höhe des von ihr geltend gemachten Betrages von Verbindlichkeiten befreit worden ist. Dabei kann die Klägerin auch nicht mit dem Einwand gehört werden, dass die Pfändungsmaßnahmen rechtswidrig gewesen seien. Denn solange ein fehlerhafter Pfändungsakt nicht aufgehoben worden ist, gilt er als rechtmäßig (Zöller/Stoiber, ZPO, 31. Aufl., Vorbem. vor § 704 Rn. 34). Die Klägerin hat jedoch nichts dazu vorgetragen, gegen welche der Pfändungsmaßnahmen sie sich mit Erfolg gewehrt hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit findet ihre Rechtsgrundlage in §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat, noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert, § 543 Abs. 2 ZPO.

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