OLG Frankfurt am Main, 19.02.2014 – 9 U 48/12

April 17, 2019

OLG Frankfurt am Main, 19.02.2014 – 9 U 48/12
Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 23.03.2012, Az. 2 – 10 O 581/10, abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits in erster und zweiter Instanz hat der Kläger zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Dem Kläger bleibt nachgelassen, die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe von 110% des von ihr jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe

I.

Der Kläger macht Schadensersatzansprüche gegen die beklagte Bank im Zusammenhang mit dem am 06.12.1999 erfolgten Erwerb einer Beteiligung an dem Medienfonds A GmbH & Co. … KG über die Rechtsvorgängerin der Beklagten geltend.

Wegen des erstinstanzlichen Sach- und Streitstands wird auf die Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO).

Das Landgericht hat den Zahlungs- und Feststellunganträgen des Klägers ganz überwiegend stattgegeben. Dazu hat es ausgeführt, dem Kläger stünde der geltend gemacht Anspruch auf Schadensersatz wegen Aufklärungspflichtverletzung aus §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2 Nr. 1 BGB zu, weil die Beklagte die ihr obliegenden Aufklärungspflichten hinsichtlich der geflossenen Provisionen verletzt habe. Aufgrund der erfolgten Beweisaufnahme stehe fest, dass ein Mitarbeiter der Rechtsvorgängerin der Beklagten den Kläger hinsichtlich der streitgegenständlichen Fondsbeteiligung durch einen namentlich nicht bekannten Mitarbeiter der X Bank in O1 beraten habe, wobei das Gericht den Angaben der glaubhaft wirkenden und trotz Eigeninteressen glaubwürdigen Zeugin Z1 folge. Der ursprünglich anders lautende Vortrag des Klägers in der Klageschrift stehe dem nicht entgegen. Die Aussage der Zeugin Z2 sei nicht ergiebig, der Zeuge Z3 habe sich zwar an die Eheleute Z1 nicht erinnern können, aber angegeben, dass es nicht ungewöhnlich sei, dass er als der Kreditsachbearbeiter einen Zeichnungsschein gegenzeichne, ohne die Kunden zuvor gesehen zu haben.

Die Beklagte habe die aus dem Beratungsvertrag folgenden Pflichten verletzt, indem sie den Kläger nicht über die ihr zufließende Vertriebsprovision in Höhe eines Anteils des von ihr vermittelten Kommanditkapitals informiert habe, bei der es sich um eine aufklärungspflichtige Rückvergütung im Sinne der höchstrichterlichen Rechtsprechung handele. Die Aufklärungspflichtverletzung sei auch kausal für den entstandenen Schaden. Die Beklagte habe nicht ausreichend dargelegt, dass der Kläger die Zeichnung der Anlage auch bei zutreffender Aufklärung vorgenommen hätte. Weder sei die Vermutung dadurch widerlegt, dass der Kläger in Kenntnis einer Provision zwei Jahre zuvor einen Immobilienfonds gezeichnet habe, noch könne die Beklagte sich darauf berufen, dass bei dem Kläger rein steuerliche Erwägungen relevant gewesen seien. Auch die Anhörung des Klägers habe nicht den von der Beklagten zu führenden Nachweis erbracht.

Die Aufklärungspflicht sei auch schuldhaft erfolgt und der Anspruch sei nicht verjährt, letzteres auch nicht unter Berücksichtigung der Verjährungsregel im Zeichnungsschein. Verjährungsbeginn sei auch nicht mit Überlassung des Prospekts gegeben gewesen.

Entgangener Gewinn in Höhe von 4% Zinsen auf die Anlagesumme zuzüglich Agio sei nicht zuzusprechen.

Steuervorteile seien nicht anzurechnen. Es sei unstreitig, dass der Kläger ein Steuersparmodell habe zeichnen wollen. Darüber hinaus fehle es an den Voraussetzungen für eine Anrechnung, weil vorliegend die Ersatzleistung zu versteuern sei. Es stehe nicht fest, dass dem Kläger außergewöhnlich hohe Steuervorteile verblieben. Die insoweit darlegungs- und beweisbelastete Beklagte habe auch nicht hinreichend dazu vorgetragen. Auch zu einer Anrechnung von Ausschüttungen fehle es an hinreichend konkretem Vortrag.

Der Kläger könne im Rahmen des dem Kläger zu ersetzenden negativen Interesses die Freistellung von etwaigen Verbindlichkeiten aus dem zur Finanzierung aufgenommenen Darlehen verlangen. Begründet sei auch der Antrag hinsichtlich der Verpflichtung zur Freistellung von zukünftigen wirtschaftlichen und steuerlichen Nachteilen, deren zukünftiger Eintritt nicht auszuschließen sei. Der Kläger könne zudem im Hinblick auf eine etwaige Nachschusspflicht Freistellung verlangen, weil unstreitig sei, dass Ausschüttungen erfolgt seien, die auf das Darlehen verrechnet worden seien.

Mit ihrer Berufung hält die Beklagte ihren erstinstanzlichen Klageabweisungsantrag in vollem Umfang aufrecht und erhebt eine Hilfswiderklage.

Zu letzterer führt sie aus, die Finanzverwaltung habe zwischenzeitlich mit Grundlagenbescheid vom 20.03.2012 gegenüber der Fondsgesellschaft die Schuldübernahmeverträge vollständig anerkannt mit der Folge, dass der Kläger nach den aktuellen Prognosen über die gesamte Fondslaufzeit bei seiner Beteiligung in Höhe von 51.129,19 € einen positiven Überschuss nach Vollverzinsung über die gesamte Fondslaufzeit in Höhe von 2.150,92 € erzielen werde. Das führe auch dazu, dass der Kläger die von ihm begehrten und auch erzielten Steuervorteile in Form von Steuerrückerstattungen in Höhe von 32.796,69 € sowie die daraus resultierenden Steuervorteile behalten dürfe. Der Kläger habe aufgrund der Zeichnung der Kapitalanlage nicht nur außergewöhnlich hohe Steuervorteile erlangt, sondern auch Verlustzuweisungen, die weit über seine Einlageleistung hinausgingen. Es sei offenkundig, dass die Steuernachteile, die möglicherweise durch die Besteuerung des dem Kläger eventuell zuzusprechenden Schadensersatzes derart gering seien, dass sie die durch die Beteiligung erzielten ganz erheblichen Steuervorteile bei weitem nicht aufwiegen könnten. Für den Fall, dass das Gericht eine Rückabwicklung der Fondsbeteiligung dem Grund nach ausurteilen und eine Anrechnung im Zusammenhang mit der Zeichnung der streitgegenständlichen Kapitalanlage erzielten Steuervorteile im Wege des Vorteilsausgleichs nicht vornehmen werde, werde der Hilfswiderklageantrag gestellt.

Hinsichtlich der Verurteilung durch das Landgericht dem Grunde nach beanstandet die Beklagte, dass entgegen der Auffassung des Landgerichts kein Beratungsvertrag zwischen den Parteien geschlossen worden sei. Vielmehr stehe auf der Grundlage der am 17.02.2012 durchgeführten Beweisaufnahme und der Anhörung des Klägers fest, dass dieser sich auf Empfehlung seines damaligen Steuerberaters dazu entschieden habe, wie im Jahr 1997 eine weitere steueroptimierte Kapitalanlage zu zeichnen, weswegen er sich über die Mitarbeiterin der Beklagten Z2, einer engen Freundin der Ehefrau des Klägers, an die Beklagte gewandt und um Übersendung der Zeichnungsunterlagen gebeten habe. Daraufhin seien dem Kläger auf Veranlassung von Frau Z2 als Freundin des Hauses der Prospekt und die Zeichnungsunterlagen zugeleitet worden, worauf der Kläger ohne weitere Rücksprache und Empfehlung oder Beratung durch die Beklagte die Zeichnungsunterlagen nach Rücksprache mit seinem Steuerberater unterzeichnet und an die Beklagte zurückgesandt habe. Für die Sichtweise der Beklagten spreche, dass der streitgegenständliche Fonds nicht in das Anlageprogramm der Beklagten aufgenommen gewesen sei, sondern offenkundig für den Vertrieb durch die Y aufgelegt worden sei. Die Beklagte habe nur als Übersendungsbotin fungiert. Dafür spreche die Aussage des Zeugen Z3, dass die maßgeblichen Passagen in den Zeichnungsunterlagen nicht von ihm ausgefüllt worden seien, sondern von einer ihm unbekannten Person, über die er nur habe spekulieren können. Auch habe die Beklagte trotz mehrfacher interner Prüfung nicht feststellen können, dass dem Kläger die Zeichnung empfohlen oder er diesbezüglich beraten worden sei. Ferner habe der Kläger in erster Instanz nicht substantiiert und widerspruchsfrei eine glaubhafte „Empfehlungs- und Beratungssituation“ vortragen können, sondern er und seine Ehefrau hätten ihren eigenen Vortrag stets an der aktuellen Situation und an den aktuellen Einlassungen der Beklagten jeweils orientiert, ohne sich an den konkreten Vorgang zu erinnern. Es vermöge angesichts all dessen nicht zu überzeugen, dass das Landgericht sich für das Zustandekommen eines Beratungsvertrags allein auf die sich auch im Übrigen widersprechenden Aussagen der Eheleute Z1 gestützt habe. Vielmehr hätten die Zeugenaussagen des Herrn Z3 und der Frau Z2 offenkundig werden lassen, dass keiner der Mitarbeiter der Beklagten eine irgendwie geartete Beratung im Zusammenhang mit der Zeichnung der streitgegenständlichen Anlage vorgenommen hätte. Die beiden vernommenen Zeugen seien es jedenfalls nach ihrer Aussage nicht gewesen. Der Zeuge Z3 habe auch ausgeschlossen, dass es ein anderer Mitarbeiter gewesen sein könne. Die Ausführungen der Eheleute seien durch die ständig wechselnde Positionierung wenig glaubwürdig gewesen. Das zeige, dass diese sich entweder gar nicht mehr konkret erinnern könnten oder sie mit dem Ziel handelten, das Gericht zu überzeugen, dass es eine doch nie dagewesene Beratungssituation gegeben habe. Insgesamt handele es sich um eine fehlerhafte Beweiswürdigung des Gerichts, die auch die Beweislastgrundsätze nicht ausreichend beachtet habe. Der Kläger sei seiner Substantiierungslast nicht ausreichend nachgekommen und habe sich immer wieder in Widersprüche verstrickt, die es hätten offenkundig werden lassen, dass der dahingehende Vortrag des Klägers ins Blaue hinein erfolgt sei und jeglicher gesicherter Grundlage entbehrt habe.

Weiterhin sei es entgegen der Behauptung des Gerichts auf S. 9 des Urteils nicht unstreitig, dass der Prospekt erst am Tag der Zeichnung übergeben worden sei. Die Eheleute Z1 hätten sich nicht mehr erinnern können, ob und wann genau dem Kläger der Prospekt übergeben worden sei.

Die Angaben im Prospekt zur Vertriebsprovision seien im Sinne der Rückvergütungsrechtsprechung ausreichend. Es bestehe im Übrigen vorliegend auch keine Aufklärungspflicht im Sinne der Kick-Back-Rechtsprechung. Es handele sich nicht um Rückvergütungen, weil die Vertriebsprovision direkt von der Fondsgesellschaft an die vermittelnde Bank fließe und nicht aus ausgewiesenen Vertriebsprovisionen etwas in irgend einer Art und Weise an die vermittelnde Bank zurückfließe. Ferner fehle es an der Kausalität, weil der Kläger die streitgegenständliche Anlage aus rein steuerlichen Erwägungen gezeichnet habe. Auch habe dieser eine vergleichbare Anlage, nämlich einen Immobilienfonds, in Kenntnis der fließenden Provisionen gezeichnet. Daraus sei zu schließen, dass er den Medienfonds entsprechend seiner Vorgehensweise bei der Immobilienfondsbeteiligung selbst dann gezeichnet hätte, wenn er über Provisionen aufgeklärt worden wäre. Auch ein Verschulden der Beklagten sei nicht gegeben, weil im streitgegenständlichen Beitrittszeitpunkt nicht davon auszugehen gewesen sei, dass die im Prospekt enthalten Hinweise auf Vertriebsprovisionszahlungen nicht ausreichend seien.

Die Beklagte beantragt,

das am 23.03.2012 verkündete Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main, Az. 2-10 O 581/10, abzuändern, soweit die Beklagte verurteilt wurde, und die Klage vollständig abzuweisen.

Hilfswiderklagend beantragt sie:

1.

Es wird festgestellt, dass der Kläger verpflichtet ist, sämtliche Steuervorteile, die er im Zusammenhang mit der am 6.12.1999 in Höhe von 51.129,19 € (DM 100.000,-) gezeichneten Beteiligung an der A GmbH & Co. … KG, Beteiligungsangebot …, erzielt hat, an die Beklagte auszukehren, sobald und soweit über diese Beteiligung und die mit dieser erzielten Steuervorteile bestandskräftige Steuerbescheide vorliegen und soweit dem Kläger die Steuervorteile nach Abzug einer etwaigen Besteuerung von Beträgen, die ihm im Rahmen des vorliegenden Rechtsstreits möglicherweise zugesprochen werden sollen, verbleiben.
2.

Es wird weiter festgestellt, dass der Kläger verpflichtet ist, der Beklagten zwecks Nachweises der erhaltenen Steuervorteile die ergangenen Steuerbescheide unverzüglich nach Erhalt in Kopie vorzulegen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das Urteil des Landgerichts unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vortrags. Insbesondere verweist er darauf, dass vorliegend ein Fall aufklärungspflichtiger Rückvergütungen nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung vorliege, die Nichtaufklärung auch kausal für die Anlageentscheidung sei und Steuervorteile nicht anzurechnen seien.

Im Übrigen wird wegen des Vorbringens der Parteien in zweiter Instanz auf die zwischen diesen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgemäß eingelegt und begründet worden. In der Sache hat sie Erfolg.

1. Die Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruches des Klägers wegen Verletzung der Pflicht zur Aufklärung über Rückvergütungen im Rahmen eines Anlageberatungsvertrags (§§ 280 Abs. 1, 3 i.V.m. 281 BGB) sind nicht ausreichend dargetan.

Dabei ist das Landgericht zwar nach erfolgter Beweisaufnahme in berufungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise zu der Auffassung gelangt, dass zwischen dem Kläger und der Beklagten ein Beratungsvertrag hinsichtlich des Erwerbs des streitgegenständlichen Medienfonds zustande gekommen ist.

Tritt ein Anlageinteressent an eine Bank oder der Anlageberater einer Bank an einen Kunden heran, um über die Anlage eines Geldbetrages beraten zu werden bzw. zu beraten, so wird das darin liegende Angebot zum Abschluss eines Beratungsvertrages stillschweigend durch die Aufnahme des Beratungsgesprächs angenommen (BGHZ 123, 126, 128). Vorliegend ist das Landgericht nach Durchführung der Beweisaufnahme aufgrund der Aussagen der Zeugen und nach Anhörung des Klägers zu der Überzeugung gelangt, dass der Kläger und die Zeugin Z1 von einem ihnen namentlich nicht bekannten Mitarbeiter der X Bank in O1 am 6.12.1999 hinsichtlich der streitgegenständlichen Anlage beraten worden sind.

Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang die durch das Landgericht vorgenommene Beweiswürdigung angreift, ist zunächst darauf hinzuweisen, dass diese nach geltendem Berufungsrecht nur daraufhin überprüft werden kann, ob konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Derartige Anhaltspunkte sind von der Beklagten weder dargetan noch ersichtlich. Das Landgericht hat sich mit den Aussagen aller Zeugen auseinandergesetzt und der Aussage der Zeugin Z1 geglaubt. Es hat sich mit den Widersprüchen in den Aussagen des Klägers und der Zeugin Z1 und auch dem etwaigen Eigeninteresse der Zeugin Z1 sowie dem ursprünglich anderslautendem Vortrag des Klägers in der Klageschrift befasst und dies in die Beweiswürdigung einbezogen. Es hat zutreffend festgestellt, dass die Aussage der Zeugin Z2 letztlich nicht ergiebig war und der Zeuge Z3 sich an die Eheleute Z1 nicht erinnern, es jedoch nicht ausschließen konnte, dass er als Kreditsachbearbeiter einen Zeichnungsschein gegengezeichnet habe, ohne vorher die Kunden gesehen zu haben. Letztlich will die Beklagte lediglich ihre eigene Beweiswürdigung an die Stelle der des Landgerichts setzen, was aber nicht ausreicht, um eine fehlerhafte Tatsachenfeststellung zu begründen. Letzteres gilt auch für den Umstand, dass Herr Z3 auf Nachfrage angegeben hat, dass ihm selbst kein männlicher Mitarbeiter zwischen 20 und 35 Jahren „einfällt“, der die Eheleute Z1 hätte beraten haben können und die Angabe der Beklagten, sie habe trotz mehrfacher interner Prüfung nicht feststellen können, dass dem Kläger die Zeichnung der streitgegenständlichen Anlage empfohlen oder dieser im Zusammenhang damit beraten worden sei.

Die Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs des Klägers wegen Pflichtverletzung des Beratungsvertrags unter dem Gesichtspunkt aufklärungsbedürftiger Rückvergütungen sind jedoch – auf der Grundlage seines eigenen Vortrags – nicht hinreichend dargelegt.

Nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist eine Bank aus dem Anlageberatungsvertrag verpflichtet, über von ihr vereinnahmte Rückvergütungen aus offen ausgewiesenen Vertriebsprovisionen aufzuklären. Aufklärungspflichtige Rückvergütungen sind – regelmäßig umsatzabhängige – Provisionen, die im Gegensatz zu versteckten Innenprovisionen nicht aus dem Anlagevermögen, sondern aus offen ausgewiesenen Provisionen wie zum Beispiel Ausgabeaufschlägen oder Verwaltungsgebühren gezahlt werden, deren Rückfluss an die beratende Bank aber nicht offenbart wird, sondern hinter dem Rücken des Anlegers erfolgt. Hierdurch kann beim Anleger zwar keine Fehlvorstellung über die Werthaltigkeit der Anlage entstehen, er kann jedoch das besondere Interesse der beratenden Bank an der Empfehlung gerade dieses Produkts nicht erkennen (BGH, Urteil vom 11.09.2012, 363/10, Rn. 16, m.w.N., zitiert nach juris).

Vorliegend ist unstreitig, dass die Beklagte Provisionen erhalten hat. Dabei handelt es sich um offen ausgewiesene Vertriebspositionen, weil sie im Prospekt (Bl. 17 ff. d.A.) auf S. 24, 39 und 56 (Bl. 30, 37, 46 d.A.) beschrieben sind. Die dortigen Angaben reichen – wovon auch das Landgericht zutreffend ausgegangen ist – nicht aus, um dem Anleger zu vermitteln, dass und in welcher Höhe die Beklagte Vertriebsprovisionen aus der Vermittlung der streitgegenständlichen Anlage erhält. Auf die diesbezüglichen Ausführungen des Landgerichts im angefochtenen Urteil wird zwecks Meidung von Wiederholungen verwiesen.

Gleichwohl kann der Kläger eine Haftung der Beklagten nicht damit begründen, dass ihn diese nicht über den Zufluss der Provision informiert hat.

Wie der Bundesgerichtshof ausdrücklich im Rahmen seiner Unterscheidung zwischen nicht aufklärungspflichtiger Innenprovision und aufklärungsbedürftiger Rückvergütung ausgeführt hat, fließt zwar der Bank bei beiden Fallgestaltung ein Geldbetrag zu, über den der Anleger nicht informiert ist, der aber ein Provisionsinteresse der Bank an der Vermittlung der Anlage begründet. Dies ist – sofern es sich nicht maßgeblich auf die Werthaltigkeit der Anlage auswirkt – bei der Innenprovision unschädlich, weil der Anleger nicht von einem Aufschlag ausgeht und dementsprechend keine Fehlvorstellung darüber entwickeln kann, dass die Bank an diesem partizipiert. In Abgrenzung hierzu ergibt sich die Aufklärungspflicht bei der Rückvergütung gerade daraus, dass durch den offenen Ausweis eines Aufschlags, bei dem die Bank nicht als Empfängerin ausgewiesen ist, beim Anleger die Fehlvorstellung hervorgerufen werden kann, dass die Bank aus diesen ausgewiesenen Positionen keine Vergütung erlangt. Dies wiederum setzt voraus, dass der Anleger Kenntnis von offen ausgewiesen Aufschlägen hatte, weil nur dann überhaupt die Erregung einer Fehlvorstellung in Betracht kommt.

Hieran fehlt es vorliegend. Dabei ist zu berücksichtigen, dass offen ausgewiesene Vertriebskosten sich lediglich aus dem Prospekt (dort S. 24, 39 und 56) ergeben. Im Zeichnungsschein ist darüber nichts vermerkt. Es ist auch kein Agio gezahlt worden. Nach eigenem Vortrag (Bl. 158/159 d.A.) hat der Kläger den Prospekt erst anlässlich des Beratungsgesprächs erhalten und den Inhalt nicht rechtzeitig zur Kenntnis nehmen können. Vielmehr trägt er vor, sich bei seiner Entscheidung für die streitgegenständliche Anlage vollumfänglich auf die Angaben des Beraters verlassen zu haben (Bl. 159 d.A.). Auch bei seiner Anhörung in der mündlichen Verhandlung vom 17.2.2012 (Bl. 306 ff. d.A., 307 d.A.) hat er angegeben, er denke, dass bei dem Gespräch der Prospekt auf dem Tisch gelegen habe. Inhaltlich sei „das“ seiner Ansicht nach aber nicht besprochen worden. Es sei mehr um die Frage gegangen, wie die ganze Sache steuerlich zu optimieren sei. Er konnte sich nicht mehr erinnern, ob das Gespräch in freier Rede, mit Skizzen oder sonstigen Unterlagen geführt worden ist (Bl. 310 d.A.). Wenn er gefragt werde, wann er den Fondsprospekt erhalten habe, ob vor der Unterzeichnung des Zeichnungsscheins oder danach, könne er nur sagen, dass ihm alles übergeben worden sei, als seine Frau und er gegangen seien. Zwar hat der Kläger im Zeichnungsschein bestätigt, Kenntnis vom Inhalt des Beteiligungsangebots genommen zu haben. Angesichts seines sonstigen Vortrags kann dem jedoch keine Rolle zugemessen werden.

Lediglich ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass vorliegend jedenfalls keine Kausalität zwischen einer unterlassenen Aufklärung über eine Rückvergütung und der Anlageentscheidung des Klägers angenommen werden könnte. Dem Kläger waren, wie bereits ausgeführt, nach seinem eigenen Vortrag keinerlei offen ausgewiesene Vertriebspositionen bekannt, so dass er sich auch keine Gedanken darüber gemacht haben kann, ob die Beklagte an diesen partizipiert. Die Anlageentscheidung des Klägers kann daher von vornherein nicht auf der Annahme beruht haben, der Beklagten würden keine offen ausgewiesenen Vertriebspositionen zufließen.

2. Der Kläger hat auch nicht hinreichend dargetan, dass die Beklagte weitere Aufklärungspflichten aus dem Beratungsvertrag verletzt hat.

Zwar hat er diesbezüglich zunächst schriftsätzlich vorgetragen, dass die steuerlichen Auswirkungen im Gespräch falsch dargestellt worden seien, nämlich dass es sicher sei, dass die Fondskonstruktion dazu führe, dass Verlustzuweisungen die Steuerlast senken würden, und eine Rückzahlung des Zeichnungskapitals am Ende der Laufzeit folgen würde, im Übrigen Prospektfehler vorlägen. Allerdings konnte er bei seiner Anhörung ein Beratungsgespräch mit einem Inhalt, der einen Schluss auf konkrete Beratungsfehler zuließe, nicht einmal im Ansatz schlüssig darstellen. Dabei gab er nämlich an, irgendwelche Besonderheiten aus dem Gespräch oder Ähnliches seien ihm nicht mehr in Erinnerung (Bl. 308 d.A., S. 3 des Protokolls). Er konnte auch keine näheren Angaben zum Aussehen seines Beraters machen. Er „glaubte“, es sei ihm der Eindruck vermittelt worden, dass das hier die optimale Anlage sei. Insbesondere wies er darauf hin (S. 5 des Protokoll, Bl. 310 d.A.), sich an weitere Einzelheiten des Gesprächs, etwa die Erläuterung von Risiken oder die zu erzielende Rendite, heute nicht mehr erinnern zu können. Er wisse auch nicht mehr, ob das Wort Totalverlustrisiko gefallen sei. Er könne sich zudem nicht mehr daran erinnern, ob das Gespräch mit dem Berater in freier Rede, mit Skizzen oder sonstigen Unterlagen geführt worden sei, weil das Gespräch immerhin 12 Jahre her sei. Er wusste letztlich auch nicht mehr, ob er sich selbst wegen eines Steuersparmodells an die Beklagte gewendet habe oder diese an ihn. Substantiierte Angaben zu dem Inhalt des Beratungsgesprächs fehlen mithin völlig, so dass sich der vorherige schriftsätzliche Vortrag als Behauptung ins Blaue hinein ohne jegliche Substanz darstellt.

Abgesehen davon, dass der Kläger selbst zunächst einmal den Inhalt der Beratungsgesprächen hinreichend konkret hätte schildern müssen, um darüber Beweis zu erheben, hilft auch der Beweisantritt hinsichtlich der Ehefrau bzw. deren Vernehmung nicht weiter. Diese ist gemäß Ziffer I. 3. des Beweisbeschlusses vom 02.09.2011 zum Inhalt des Beratungsgespräch befragt worden und hat ihrerseits nur aussagen können, dass sie „denkt“, das Gespräch sei anhand von Unterlagen geführt worden; sie könne sich aber nach so langer Zeit an den Inhalt des Gesprächs nicht mehr erinnern. Von den Besonderheiten, die ihr in Erinnerung geblieben seien, könne sie nur das mit der Finanzierung sagen, weil diese nicht über die X Bank selbst gelaufen sei, sondern über eine andere Bank. Der Berater habe aber dann alle ihre Bedenken zerstreuen können. Sie wusste nicht mehr, ob die Anlageziele der Eheleute abgefragt worden sind, ob die Worte „unternehmerische Beteiligung“ gefallen sind, welche und ob überhaupt Unterlagen Gesprächsgrundlage waren. Sie schließt ihre Vernehmung damit, dass sie „so“ konkrete Erinnerungen an das Gespräch – wie etwa das Durchlesen des Fondsprospekts – nicht mehr habe.

Die Beklagte hat sich von Anfang an auf den Standpunkt gestellt, nicht beraten zu haben. Die Aussagen der Zeugen Z2 und Z3 sind insoweit ebenso unergiebig, als sie gerade angeben, nicht beraten zu haben, was auch der Kläger – jedenfalls im Termin bei seiner Anhörung – nicht mehr in Zweifel zieht.

Da der Kläger im Übrigen vorträgt, den Fondsprospekt nicht rechtzeitig erhalten zu haben und nicht anhand des Prospekts beraten worden zu sein, können etwaige Prospektfehler, wie der behauptete fehlende Hinweis darauf, dass die schuldübernehmende Bank Anteilseigner des Fondsinitiator sei oder auf die Beteiligung der kreditgebenden Bank am Fondsinitiator und die Höhe der Schuldübernahmegebühr, schon nicht kausal für die Anlageentscheidung des Klägers gewesen sein. Abgesehen davon ist nicht schlüssig vorgetragen, warum es sich dabei um Prospektfehler handeln soll.

Der Vortrag des Klägers über die mangelnde Plausibilität des Fondskonzepts ist in seiner Pauschalität unsubstantiiert. Die steuerliche Anerkennung der Verluste durch die Fondsbeteiligung hat jedenfalls stattgefunden, wie die Beklagte in der Berufungsschrift unwidersprochen vorgetragen hat.

3. Nach allem hat die Berufung Erfolg und ist über die Hilfswiderklage nicht mehr zu entscheiden, die für den Fall gestellt ist, dass der Senat eine Rückabwicklung der Fondsbeteiligung ausurteilt und eine Anrechnung der im Zusammenhang mit der Zeichnung der streitgegenständlichen Kapitalanlage erzielten Steuervorteile im Wege des Vorteilsausgleichs derzeit nicht vornimmt.

Der nicht nachgelassene Schriftsatz der Beklagten vom 06.02.2014 enthält keinen entscheidungserheblichen neuen Tatsachenvortrag, so dass kein Anlass für eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung bestand (§ 156 ZPO).

4. Die Kostenentscheidung ergeht nach § 91 Abs. 1 ZPO.

5. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

6. Eine Revisionszulassung ist nicht geboten, da die Voraussetzungen nicht vorliegen (§ 543 Abs. 2 ZPO). Der Senat weicht nicht von höchstrichterlicher Rechtsprechung im Hinblick auf die Annahme von aufklärungspflichtigen Rückvergütungen ab. Die von dem Kläger in der mündlichen Verhandlung zitierte Entscheidung des 23. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main (Beschluss vom 03.01.2014, 23 U 13/13) ist nicht zu entnehmen, dass sie sich mit der hier erheblichen Frage der Abgrenzung von aufklärungspflichtigen Rückvergütungen und Innenprovisionen überhaupt befasst hat; im Übrigen verneint der Senat vorliegend auch die Kausalität der Pflichtverletzung für die Anlageentscheidung, was tatrichterlicher Würdigung obliegt.

Haben Sie Fragen? 

Rufen Sie uns an oder schreiben Sie uns eine E-Mail, damit wir die grundsätzlichen Fragen klären können.

© Rechtsanwalt Krau. All rights reserved.
Powered by wearehype.eu.
© Rechtsanwalt Krau. All rights reserved.
Powered by wearehype.eu.