OLG Frankfurt am Main, 20.03.2012 – 4 U 154/11

Mai 14, 2019

OLG Frankfurt am Main, 20.03.2012 – 4 U 154/11
Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Gießen – 9. Zivilkammer – vom 1.7.2011 wird zurückgewiesen. Das Urteil des Landgerichts wird ohne Sicherheitsleistung für vorläufig vollstreckbar erklärt.

Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 119.211,- € festgesetzt.
Gründe
1

I.

Die Klägerin nimmt den Beklagten wegen des Vorwurfs der Verletzung von Anwaltspflichten auf Schadensersatz in Höhe von 119.255,- € in Anspruch, weil der Beklagte es versäumt habe, gegen den säumigen Darlehensschuldner der Klägerin, Herrn A (im Folgenden: Darlehensschuldner), rechtzeitig gerichtliche Schritte einzuleiten.
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Wegen des Sach- und Streitstandes in erster Instanz wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils verwiesen.
3

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Es hat offen gelassen, ob dem Beklagten eine anwaltliche Pflichtverletzung vorzuwerfen sei. Die Klägerin habe jedenfalls keinen kausalen Schaden aus einer solchen Pflichtverletzung „schlüssig“ dargelegt. Wegen der Begründung im Einzelnen wird auf die Entscheidungsgründe des Urteils verwiesen.
4

Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin, mit der sie einen Zahlungsantrag in Höhe von 111.000,- € weiterverfolgt und diesen neben dem ausgefallenen Darlehen hilfsweise auf „im Zusammenhang mit dem hiesigen Rechtsstreit entstandene Aufwendungen“ in Höhe von 18.211,60 € stützt (näher Berufungsbegründung S. 8 f., Bl. 396 f. d.A.).
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Sie vertritt die Auffassung, das Landgericht habe bei seiner Beurteilung, dass sie bei einer rechtzeitigen Klageerhebung gegen den Darlehensschuldner nicht habe erfolgreich vollstrecken können, ihren Sachvortrag nicht vollständig ausgewertet. Sie verweist dabei auf folgende Umstände:
6

– Es gebe ein Angebot des Darlehensschuldners über die Bereitschaft zur Zahlung von Raten à 2.500,- am 29.4.2010 (Anlage K 7).
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– Sie habe mittlerweile ermitteln können, dass der Darlehensschuldner Geld aus dem Ausland erhalten habe (Anlage K 100, Bl. 399).
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– Auskünfte Dritter belegten seine Zahlungsfähigkeit (Bestätigung Herr B, Anlage K 18, und Auskunft D, Anlage K 101).
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– Sie verweist weiter auf die Bilanzen der dem Schuldner gehörenden Firma „E GmbH“ (Anlagen K 101, Bl. 346 ff. d.A.).
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– Der Darlehensschuldner habe am 14.2.2010 per Mail mitgeteilt, dass er Geld „im Tresor“ habe.
11

– Ein Ermittler habe mitgeteilt, das der Darlehensschuldner nach Mandatserteilung noch Einkäufe getätigt habe und „im Internet in geschäftliche Aktivitäten involviert“ gewesen sei.
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Als weiteres Indiz sei zu berücksichtigen, dass der Darlehensschuldner bis Juli 2010 unter der Adresse …straße in Stadt1 noch sein Büro der Firma „E GmbH“ betrieben habe (Anlagen K 102, Bl. 403 d.A.). Heute aber sei er unbekannten Aufenthalts (Melderegisterauskunft K 12).
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Das Berufungsgericht hat mit Beschluss vom 18.1.2012 (Bl. 412 ff. d.A.) dargelegt, warum es der Berufung keine Erfolgsaussicht beimisst.
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Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 8.3.2012 (Bl. 429 ff.) weitere Umstände vorgetragen, die sie erst jetzt aus der Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft gegen den Darlehensschuldner, insbesondere dem gegen ihm am 24.10.2011 erlassenen Haftbefehl (Anlage K 103, Bl. 434 ff. d.A.) habe ermitteln können.
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II.

Die Berufung der Klägerin ist zulässig, in der Sache jedoch auf der Grundlage von § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.
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1. Die Berufung bietet nach der einstimmigen Überzeugung des Senats offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg.
17

Zur Begründung wird zunächst auf den Hinweisbeschluss des Senats vom 18.1.2012 verwiesen.
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Die Darlegungen der Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 8.3.2012 rechtfertigen keine abweichende Beurteilung. Auch unter Heranziehung der weiteren von der Klägerin aus der Strafakte gegen den Darlehensschuldner ermittelten Tatsachen lässt sich eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Klägerin bei Beantragung eines Arrestes im März 2010 oder bei Erlangung eines vollstreckbaren Titels im Erkenntnisverfahren im Frühjahr/Sommer 2010 bei dem Darlehensschuldner erfolgreich ihre Darlehensforderung ganz oder teilweise hätte durchsetzen können, nicht begründen.
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a) Zunächst einmal trifft es nach den vorgelegten Anlagen aus dem Strafverfahren (Anlage K 103) nicht zu, dass der Darlehensschuldner „binnen eines Zeitraums von 14 Tagen nach Mandatserteilung Zahlungen in Höhe von 102.000,- €“ (von anderen Darlehensgebern) erhalten habe. Die Zeugin Z1 hat zwar am 15.3.2010 einen Darlehensvertrag über 75.000,- € mit ihm abgeschlossen. Dabei handelte es sich jedoch ganz überwiegend um eine Verlängerung früher schon ausgezahlter Darlehensbeträge. Ausgezahlt hat sie „Anfang 2010“ dem Darlehensschuldner lediglich weitere 5.000,- € (Zeugenaussage Z1 vom 14.9.2011, Bl. 436 ff. d.A.). Ähnliches gilt für den Zeugen Z2. Von dem mit ihm abgeschlossenen Darlehensvertrag über 36.300,- € vom 1.1.2010 bis 1.8.2010 über 36.300,- € betraf lediglich ein Betrag von 2.300,- € eine erstmalige Auszahlung am 25.3.2010 (Darlehensvertrag Bl. 442 d.A.).
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Weitere Geldbeträge erlangte der Darlehensschuldner erst wieder im Juli 2010: Zum einen erhielt er 21.500,- € am 15.6.2010 von Herrn Z3. Dieses Darlehen sollte nach seinen Angaben „zur Überbrückung für seine Firma“ dienen, und er versprach, es bis Ende August in zwei Raten zurückzuzahlen (Haftbefehl, Bl. 454, in Verbindung mit Zeugenaussage Z3, Bl. 443 f.). Zum anderen gewährte dem Darlehensschuldner am 15.7.2010 die Zeugin Z4 noch ein Darlehen über 5.000,- €. Beide Darlehensbeträge wurden, wie auch alle anderen von dem Darlehensschuldner im Jahr 2010 aufgenommenen oder verlängerten Darlehen, nicht mehr zurückbezahlt.
21

b) Im März 2010 ist danach der Darlehensschuldner in die Verfügungsgewalt eines Geldbetrages von 7.300,- € gelangt. Daraus kann indes keine hinreichende Wahrscheinlichkeit abgeleitet werden, dass mit einem Arrest der Klägerin noch Vermögensgegenstände hätten sistiert werden können. Zum einen kann Bargeld leicht vor einem Zugriff der Vollstreckungsorgane verborgen werden. Zum anderen lassen Lebenswandel und Lebenssituation des Darlehensschuldners zu dieser Zeit es als unwahrscheinlich erscheinen, dass er einen solchen Geldbetrag aufbewahrt und damit einem Gläubigerzugriff ausgesetzt hätte. Nach dem Gesamteindruck, wie er sich nach dem Haftbefehl vom 24.10.2011 (Anlage K 103, Bl. 457 d.A.) darstellt, zahlte der Darlehensschuldner seit etwa Mitte 2009 kein Geld mehr an seine Gläubiger zurück. Zu berücksichtigen ist auch, dass der Darlehensschuldner seit Mai 2009 nach Kündigung wegen Zahlungsrückstand über keine eigene Wohnung mehr verfügte, sondern wohl bei seiner Mutter lebte, wo er sich zudem verleugnen ließ (Bericht des Inkasso-Büros vom 1.7.2010, Bl. 103 d.A.).
22

c) Eine andere Prognose kann trotz der vom Darlehensschuldner im Juni/Juli 2010 erlangten Bargeldbeträge von zusammen 26.500,- € auch für einen etwaig von der Klägerin im Sommer 2010 bei pflichtgemäßem Handeln des Beklagten erlangten Zahlungstitel nicht gestellt werden. Das weitere Verhalten des Darlehensschuldners, wie es insbesondere der Zeuge Z4 schildert, zeigt, dass er keineswegs Bargeld aufbewahrte, sondern es höchstwahrscheinlich für bestimmte Altschulden ihn bedrängender Gläubiger verwandt und im Übrigen „seinen Lebensunterhalt offenbar immer mit geliehenen Geld“ finanziert hat (Zeugenaussage Z3 Bl. 448 f.). Anfang September ist er dann untergetaucht (vgl. Zeugenaussage
Z3 Bl. 449).
23

d) Soweit die Klägerin ihren Sachvortrag dahin klarstellt, dass sie entgegen der Annahme des Senats im Hinweisbeschluss nicht zuletzt 2007 sondern noch bis zum 15.2.2009 Zahlungen von dem Darlehensschuldner (auf Zinsen) erhalten habe, ergibt sich angesichts der sich aus dem Haftbefehl gegen den Darlehensschuldner vom 24.10.2010 (Anlage K 103, Bl. 451 ff.) darbietenden Gesamtsituation von dessen Finanzgebaren kein Anhaltspunkt dafür, dass seine finanzielle Lage ein Jahr später, also Anfang 2010, noch eine Rückzahlung zugelassen hätte. Der Darlehensschuldner hat danach zwischen 2007 bis 2010 bei insgesamt elf Personen Darlehen über eine Gesamtsumme von 345.000,- € aufgenommen und nach dem 1.1.2010 darauf keinerlei Zahlungen mehr geleistet. Dabei ist zu berücksichtigen, dass er nach dem Tatverdacht der Staatsanwaltschaft über keine nachweisbaren Einnahmenquellen verfügte und bei der … Sparkasse jedenfalls zum 1.7.2008 weitere Verbindlichkeiten über 65.000,- € hatte.
24

2.

Auch die weiteren Voraussetzungen für eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung nach § 522 Abs. 2 ZPO (i.d.F. ab dem 26.10.2011) sind gegeben.
25

Die Sache hat keine grundsätzliche Bedeutung und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Berufungsgerichts.
26

Eine mündliche Verhandlung ist auch unter Berücksichtigung von Umfang und Schwierigkeitsgrad der Sache sowie ihrer Bedeutung für die Parteien nicht geboten.
27

III.

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils beruht auf § 708 Nr. 10 S. 2 ZPO.
28

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
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Die Höhe des festgesetzten Streitwertes entspricht den mit Haupt- und Hilfsantrag verfolgten Zahlungsbegehren, die nach § 45 Abs. 1 S. 2 GKG zusammenzurechnen sind.

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