OLG Frankfurt am Main, 20.12.2017 – 6 W 106/17

März 19, 2019

OLG Frankfurt am Main, 20.12.2017 – 6 W 106/17
Leitsatz:

1.

Die unionsweite Zuständigkeit des Unionsmarkengerichts eines Mitgliedsstaats gemäß Art. 125 II UMV wird auch dadurch begründet, dass der Kläger in diesem Mitgliedsstaat eine Tochtergesellschaft unterhält, von der aus er seine geschäftliche Tätigkeit ausübt.
2.

Ein auf die Verletzung einer Unionsmarke gestützter Unterlassungsantrag, der keine ausdrückliche territoriale Bestimmung enthält, ist jedenfalls dann auf den Erlass eines unionsweiten Verbots gerichtet, wenn zu seiner Begründung zur Bekanntheit der Marke in mehreren Mitgliedsstaaten der Union vorgetragen wird. Ein abweichendes Verständnis der territorialen Reichweite des Unterlassungsbegehrens ist in diesem Fall auch dann nicht gerechtfertigt, wenn der Unterlassungsantrag hilfsweise auf eine nationale Marke gestützt wird (Abgrenzung zu Senat GRUR 2015, 903).
3.

Zwischen der Klagemarke „TUPPER“ und dem angegriffenen Zeichen „TUPPERCABI-NET“ besteht jedenfalls gegenüber englischsprachigen Verkehrskreisen, die in dem Bestandteil „CABINET“ einen beschreibenden Hinweis („Schrank“) sehen, eine hohe Ähnlichkeit, die – bei durchschnittlicher Kennzeichnungskraft und durchschnittlicher Warenähnlichkeit – eine Verwechslungsgefahr begründet.

Tenor:

1.)

Der angefochtene Beschluss wird teilweise abgeändert.

Der Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Verfügung wegen Dringlichkeit ohne mündliche Verhandlung bei Meidung von Ordnungsgeld bis 250.000,- € – ersatzweise Ordnungshaft – oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollstrecken an den jeweiligen gesetzlichen Vertretern, für jeden Fall der Zuwiderhandlung – über den Beschluss des Landgerichts Frankfurt a.M. vom 02.11.2017 hinaus – untersagt,

im geschäftlichen Verkehr in Irland, Malta und dem Vereinigten Königreich unter dem Kennzeichen

„TUPPERCABINET“

Möbel und/oder Einrichtungsgegenstände und/oder Aufbewahrungsbehälter und/oder Displays und/oder Dekorationsartikel und/oder Küchen- und Haushaltswaren, wie insbesondere Küchengeräte, Reinigungsgeräte, Badezimmerwäsche, anzubieten und/oder zu bewerben und/oder einzuführen und/oder auszuführen und/oder solche Handlungen durch Dritte begehen zu lassen.
2.)

Von den erstinstanzlichen Kosten des einstweiligen Verfügungsverfahrens tragen die Antragstellerin 40 % und die Antragsgegnerin 60 %. Von den Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen die Antragstellerin und die Antragsgegnerin je 50 %.
3.)

Beschwerdewert: 150.000 €

Gründe

Die zulässige Beschwerde hat – soweit der Antrag nicht in der Beschwerdeinstanz zurückgenommen worden ist – Erfolg und führt zum Erlass der einstweiligen Verfügung für weitere Gebiete der EU. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist in diesem Umfang zulässig und auch begründet. Der Antragstellerin steht aus ihrer Gemeinschaftsmarke Nr. 345876 „TUPPER“ ein Unterlassungsanspruch aus Art. 9 II b, 130 I, 129 I UMV zu, da durch die Anmeldung der Marke „Tuppercabinet“ eine Erstbegehungsgefahr für eine Verwendung in verwechselungsfähiger Weise besteht, die sich jedenfalls auch auf die in der Beschwerde nur noch anhängigen Gebiete Irland und Malta sowie das Vereinigte Königreich erstreckt.

1.) Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere ist die Antragstellerin durch den Beschluss des Landgerichts, die einstweilige Verfügung nur für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland zu erlassen, auch gem. § 567 ZPO beschwert.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist dahingehend auszulegen, dass Unterlassung für das Gebiet der gesamten Europäischen Union begehrt wurde. Im Unterschied zur Senatsentscheidung vom 12.05.2015 (GRUR 2015, 903 – Tuppex) ergibt sich hier aus der Antragsschrift hinreichend ein entsprechende Auslegung des ohne geographische Parameter gestellten Unterlassungsantrages. Bereits auf Seite 1 weist die Antragstellerin darauf hin, dass sie ihre Produkte unionsweit vertreibt. Auf Seite 6 führt für die Antragstellerin weiter aus, dass die Marken aufgrund ihrer langjährigen umfangreichen Benutzung einen hohen Bekanntheitsgrad und eine erhöhte Kennzeichnungskraft in ganz Europa aufwiesen. Sie führt weiter aus, dass sie innerhalb der Europäischen Union über die jeweils zuständige Landestochtergesellschaft in fast allen Mitgliedstaaten ihre Produkte in einem entsprechenden Hauptkatalog in jeweiliger Landessprache bewerbe. Diese Kataloge seien ebenfalls als Onlinekatalog auf den entsprechenden nationalen Websites abrufbar. Weiterhin legt die Antragstellerin auf Bl. 7 Studien zur Bekanntheit in Deutschland und Frankreich vor und führt auf Bl. 8 weiter aus, dass die Marken neben Deutschland auch in den weiteren Mitgliedstaaten der EU einen überdurchschnittlichen Bekanntheitsgrad genössen. Weiterhin legt sie mit Anlage AS 14 Nachweise zu den Umsätzen in den einzelnen Mitgliedstaaten vor. Auf Bl. 9 wird weiter vorgetragen, dass von einer gesteigerten Bekanntheit in allen Mitgliedstaaten auszugehen sei; die Klägerin legt in Anlage AS 15 Nachweise für die enorme Beliebtheit der Marken vor. Weiterhin führt die Antragstellerin konkret aus, dass eine große Bekanntheit in Frankreich, Italien, Österreich Skandinavien und Benelux bestehe. Dies wird weiter aufgeschlüsselt unter Hinweis auf eine österreichische Studie zur Bekanntheit und zu der Situation in Frankreich, wo die Klägerin über mehrere 10.000 Vertreterinnen verfüge und Marktführerin für Haushaltsware aus Plastik sei. In Skandinavien würden schließlich Produkte der Marke TUPPERWARE bereits seit 1962 verkauft; im Baltikum sei dies seit 1996 der Fall. Weiterhin werde in der gesamten Union im Rahmen der Werbung einheitlich die Farbe pink bzw. Magenta im Zusammenhang mit dem Zeichen Tupper verwendet.

Unter diesen Umständen kann ein ausreichendes Indiz dafür, dass die Antragstellerin mit dem Eilantrag gleichwohl nur ein Verbot für Deutschland angestrebt habe, auch nicht darin gesehen werden, dass sie den einheitlichen Unterlassungsantrag auch auf eine nationale Marke gestützt hat. Anders als in dem der Senatsentscheidung „Tuppex“ (a.a.O.) zugrunde liegenden Fall ist der Anspruch aus der deutschen Marke nicht kumulativ, sondern lediglich hilfsweise zu dem Anspruch aus der Unionsmarke geltend gemacht worden. Dies lässt die Deutung zu, dass die Antragstellerin für den Fall der Entscheidung über den Hilfsanspruch eine zwingende Teilzurückweisung des Eilantrages für das über Deutschland hinausreichende Territorium der Europäischen Union bewusst in Kauf genommen hat.

2.) Eine internationale Zuständigkeit für ein unionsweites Verbot ergibt sich aus Art. 125 Abs. 2 UMV, da die Antragstellerin vorgetragen hat, dass sie mit der A GmbH über eine rechtlich selbständige Gesellschaft als Tochtergesellschaft verfüge, die ihren Sitz in Deutschland habe und die den Mittelpunkt der geschäftlichen Tätigkeit in Deutschland bilde.

Nach dem Regelungskonzept des Art. 125 UMV sind für Verletzungsklagen vorrangig die Gerichte in dem Mitgliedstaat zuständig, in dem der Beklagte seinen Wohnsitz bzw. eine Niederlassung hat. Wenn dies – wie hier – nicht der Fall ist, sind nach Art. 125 Abs. 2 UMV subsidiär die Gerichte des Mitgliedstaates zuständig, in dem der Kläger seinen Sitz oder – in Ermangelung eines Sitzes in einem Mitgliedstaat – eine Niederlassung hat. Der Begriff der Niederlassung ist autonom auszulegen. Der europäische Gerichtshof hat in der Entscheidung Hummels/Nike (GRUR 2017, 728 [BGH 16.03.2017 – I ZR 42/15], Rn. 34 ff.) zum Begriff der Niederlassung – allerdings im Rahmen der Niederlassung des Beklagten nach Art. 125 Abs. 1 UMV – ausgeführt, dass eine solche auch dann vorliegt, wenn eine bestimmte reale und konstante Präsenz existiert, von der aus eine geschäftliche Tätigkeit ausgeübt wird und die sich in einer persönlichen und materiellen Ausstattung vor Ort manifestiert. Des Weiteren muss diese Niederlassung auf Dauer als Außenstelle eines Stammhauses hervortreten, wobei es nicht darauf ankommt, ob die Niederlassung einer Gesellschaft mit Sitz außerhalb der Union im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats Rechtspersönlichkeit besitzt oder nicht oder ob es sich um eine Tochter- oder Enkelgesellschaft handelt.

Diese auch für die Niederlassung des Klägers in Art. 125 Abs. 2 UMV zu übernehmende Begriffsdefinition des EuGH ist hier erfüllt. Die Antragstellerin hat hierzu ausgeführt, dass sie ihre Produkte unionsweit über entsprechende Tochtergesellschaften vertreibt, in Deutschland über die A GmbH. Aus dem vorgelegten Ausdruck der Internetseite (AS 3) ergibt sich, dass auch die Internetseite, über die die Produkte beworben und angeboten werden, von der A GmbH betrieben wird. Auf Seite 5 der Anlage AS 3 wird die A GmbH ausführlich vorgestellt und als zentrale Verantwortliche für den Vertrieb der Tupperware-Produkte in Deutschland dargestellt. Insoweit sind nach dem Vortrag der Antragstellerin die Anforderungen des EuGH an das Vorliegen einer Niederlassung erfüllt.

Da sich insoweit um einen „ordentlichen“ Gerichtsstand handelt, ist die Reichweite der Zuständigkeit auch nicht begrenzt. Nach Art. 126 I a UMV besteht insoweit eine unionsweite Reichweite der Zuständigkeit.

3.) Die durch die Markenanmeldung begründete Erstbegehungsgefahr erstreckt sich auf sämtliche angemeldeten Waren und grundsätzlich auf die gesamte Gemeinschaft. Soweit es nämlich um die drohende Verletzung einer älteren Gemeinschaftsmarke durch eine Gemeinschaftsmarkenanmeldung geht, kann eine Begehungsgefahr für die Gemeinschaft insgesamt bejaht werden, ohne dass es einer genaueren Lokalisierung bedarf (vgl. BGH GRUR 2008, 254 – THE HOME STORE, Tz. 39 mwN; Ingerl/Rohnke, MarkenG, Vorbemerkungen zu §§ 14-19d, Rn. 119).

4.) Hinsichtlich der nach der Antragsrücknahme noch verbleibenden englischsprachigen Länder der Gemeinschaft steht der Klägerin ein Unterlassungsanspruch aus Art. 9 II b, 129 I, 130 I UMV zu, da zwischen den Zeichen „TUPPER“ und „TUPPERCABINET“ Verwechselungsgefahr besteht.

Die Kennzeichnungskraft der Verfügungsmarke ist als durchschnittlich anzusehen. Zu einer erhöhten Kennzeichnungskraft wegen Verkehrsbekanntheit hat die Antragstellerin jedenfalls nicht für die gesamte EU vorgetragen, sondern nur für einzelne Staaten und nicht für die noch streitgegenständlichen Länder.

Zwischen den Zeichen TUPPER und TUPPERCABINET ist eine hohe Zeichenähnlichkeit vorhanden. Das Zeichen „TUPPER“ behält in der komplexen Kennzeichnung „TUPPERCABINET“ eine selbständig kennzeichnende Stellung und ruft dadurch bei den angesprochenen Verkehrskreisen den Eindruck hervorrufen kann, dass die fraglichen Waren oder Dienstleistungen zumindest aus wirtschaftlich miteinander verbundenen Unternehmen stammen“ (st. Rspr. seit BGH GRUR 2006, 859 – Malteserkreuz, Tz. 18). Die Integration in den Gesamtbegriff „TUPPERCABINET“ schließt eine selbständig kennzeichnende Stellung des Bestandteils nicht aus, da die hier entscheidenden englischsprachigen Verkehrskreise dem Begriff „CABINET“ den Inhalt „Schrank“ zuordnen werden, so den Begriff beschreibend wahrnehmen werden und grundsätzlich vernachlässigen werden (Ingerl/Rohnke, MarkenG, § 14, Rnr. 1138).

Zwischen den Waren, für die die Verfügungsmarke eingetragen ist (u.a. Möbel und Einrichtungsgegenstände, Haushalt- und Küchengeräte) und den im Tenor genannten Waren besteht jedenfalls durchschnittliche Ähnlichkeit.

Unter diesen Umständen ist in der Gesamtschau eine Verwechselungsgefahr zu bejahen.

5.) Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 II, 269 III 2 ZPO.

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