OLG Frankfurt am Main, 20.12.2018 – 6 W 94/18

März 14, 2019

OLG Frankfurt am Main, 20.12.2018 – 6 W 94/18
Leitsatz:

1.

Der erfolgte Beitritt eines Streithelfers nach § 66 ZPO wirkt grundsätzlich auch im Kostenfestsetzungsverfahren.
2.

Ist nach Verfahrensunterbrechung infolge Insolvenz einer Partei (§ 240 ZPO) und vor Aufnahme des Verfahrens ein Kostenfestsetzungsbeschluss ergangen, kann der Streithelfer der insolventen Partei mit der Beschwerde die Aufhebung des Kostenfestsetzungsbeschlusses und die deklaratorische Feststellung der Unterbrechung des Kostenfestsetzungsverfahrens erwirken. In diesem Fall ist die Sache zur erneuten Entscheidung über den Festsetzungsantrag nach Beendigung der Unterbrechung an den Rechtspfleger zurückzuverweisen.

Tenor:

1.)

Auf die sofortige Beschwerde des Streithelfers der Antragstellerin vom 10.10.2018 wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Rechtspflegers der 8. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Frankfurt a.M. vom 05.10.2018 aufgehoben.
2.)

Die Sache wird an den Rechtspfleger des Landgerichts zurückverwiesen.
3.)

Es wird festgestellt, dass das Kostenfestsetzungsverfahren durch die Anordnung des vorläufigen Insolvenzverfahrens durch das Amtsgericht Bielefeld seit dem 01.06.2018 unterbrochen ist.
4.)

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen die Antragsgegnerinnen.
5.)

Der Beschwerdewert beträgt € 5.452,80

Gründe

I.

Die Antragstellerin hat die Antragsgegnerinnen im einstweiligen Verfügungsverfahren auf Unterlassung wegen behauptetem wettbewerbswidrigen Verhaltens in Anspruch genommen. Im Laufe des Berufungsverfahrens hat die Antragstellerin ihrem Prozessbevollmächtigten durch diesen den Streit verkündet, worauf dieser dem Rechtsstreit auf Seiten der Antragstellerin beigetreten ist. Zur Begründung hat der Streithelfer vorgetragen, es bestehe die Gefahr von Regressansprüchen der Partei gegen ihn, wenn das durch seine Beratung veranlasste vorprozessuale Verhalten der Partei jetzt dazu führe, dass das Verhalten der Partei als rechtsmissbräuchlich angesehen werde und ein Rechtsverlust eintrete. Im Termin vor dem Senat am 22.03.2018 hat die Antragstellerin ihren Verfügungsantrag zurückgenommen.

Mit Beschluss vom 01.06.2018 hat das Amtsgericht Bielefeld die vorläufige Insolvenzverwaltung angeordnet und eine „starke“ Insolvenzverwalterin (§§ 21, 22 InsO) bestimmt.

Im anschließenden Kostenfestsetzungsverfahren hat der Rechtspfleger des Landgerichts mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 05.10.2018 die gemäß Beschluss des Senats vom 22.03.2017 von der Antragstellerin an die Antragsgegnerinnen zu zahlenden Kosten auf 5.452,80 € festgesetzt. Hiergegen hat der Streithelfer mit Schriftsatz vom 10.10.2018 im eigenen Namen sofortige Beschwerde eingelegt, der das Landgericht mit Beschluss vom 01.11.2018 unter Hinweis auf eine fehlende Beschwerdeberechtigung des Streithelfers nicht abgeholfen hat und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt hat.

Der Einzelrichter hat die Sache mit Beschluss vom 09.11.2018 auf den Senat übertragen.

II.

Die sofortige Beschwerde führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Rückgabe der Sache an das Landgericht zur ggf. erneuten Entscheidung über den Kostenfestsetzungsantrag der Antragsgegnerinnen nach Ende der durch das Insolvenzverfahren ausgelösten Unterbrechung des Kostenfestsetzungsverfahrens.

1.) Die Übertragung der Sache auf den Senat beruht auf § 568 S 2 Nr. 1 ZPO.

2.) Die sofortige Beschwerde des Streithelfers ist gem. § 11 RPflG, §§ 567, 569 ZPO zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt. Entgegen der Auffassung des Landgerichts fehlt es dem Streithelfer auch nicht an der erforderlichen Beschwerdeberechtigung.

a) Der erfolgte Beitritt des Streithelfers nach § 66 ZPO wirkt grundsätzlich auch im Kostenfestsetzungsverfahren.

Nach § 66 I ZPO kann derjenige, der ein rechtliches Interesse daran hat, dass in einem zwischen anderen Personen anhängigen Rechtsstreit die eine Partei obsiegt, dieser Partei zum Zwecke ihrer Unterstützung beitreten. Dass die Regelungen der §§ 66 ff. ZPO entsprechend auf andere Verfahren Anwendung finden können, ist unstreitig. Da es Zweck der Streitverkündung ist, einem Dritten die Einflussnahme auf einen zwischen anderen Parteien anhängigen Prozess durch Unterstützung einer Partei zu ermöglichen, wenn sich die Entscheidung des Verfahrens auf seine Rechtsstellung auswirken kann, hat deshalb eine entsprechende Anwendung in solchen Verfahren zu erfolgen, wo ein auf Zahlung eines Geldbetrags gerichtliches streitiges Verfahren Einfluss auf die Rechtsstellung eines Dritten (des Streithelfers) haben kann. Nach dem Vortrag des Streithelfers kommen Regressansprüche der Partei gegen ihn in Betracht, wenn der Senat ein rechtsmissbräuchliches (vorgerichtliches) Verhalten der Partei annimmt.

Dies beträfe nicht nur materiell-rechtliche Ansprüche, sondern auch gebührenrechtliche Forderungen, die durch das Führen des Prozesses entstanden sind. Auch insoweit folgt daher das rechtliche Interesse des Streithelfers für die Streithilfe aus der Bindungswirkung der gerichtlichen Entscheidung für den möglichen Regressprozess. Da die Regelungen in den §§ 66 ff. ZPO auch dem Zweck dienen, widersprüchliche Prozessergebnisse zu vermeiden und die Zahl der Prozesse zu verringern (vgl. BGHZ 134, 192 = NJW 1997, 859), besteht sogar ein ausgesprochenes praktisches Bedürfnis dazu, die Streithilfe in den Fällen zuzulassen, in denen bereits im Rechtsstreit ein Beitritt des Streithelfers erfolgt ist und dieser ein Interesse daran hat, im Kostenfestsetzungsverfahren gleichfalls Einwendungen geltend zu machen. Andernfalls müsste nämlich erst in einem zu führenden Regressprozess geklärt werden, ob die Partei alle ihr möglichen Einwendungen im Kostenfestsetzungsverfahren vorgebracht hat. Dies würde zu überflüssigen Prozessen mit gegebenenfalls sogar widersprüchlichen Ergebnissen führen und liegt nicht im Interesse der Parteien.

Das Kostenfestsetzungsverfahren ist – wie die echten Streitverfahren – ein kontradiktorisches und auf Verurteilung zur Zahlung eines Geldbetrags gerichtetes streitiges Verfahren. Gründe, warum deshalb eine Streithilfe im Kostenfestsetzungsverfahren anders zu beurteilen sollte als eine solche in entsprechenden streitigen Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit, sind nicht ersichtlich (OLG Schleswig, NJW-RR 2015, 638 [OLG Schleswig 16.12.2014 – 9 W 182/14]; OLG Celle, NJW-RR 2013, 446 [OLG Celle 30.11.2012 – 2 W 306/12]; Zöller, ZPO, 32. Aufl., § 656, Rnr. 2; MüKo-ZPO/Schulz, 5. Aufl., § 104, Rnr. 81; Musielak/Voit, ZPO, 15. Aufl., § 104, Rnr. 23).

b) Soweit in der Kommentarliteratur zum Zivilprozessrecht teilweise die Auffassung vertreten wird, dass im Kostenfestsetzungsverfahren eine Nebenintervention bzw. eine Streithilfe nicht möglich sei, teilt der Senat diese Auffassung nicht. Eine Begründung wird für diese Ansicht nicht angegeben. Stattdessen wird lediglich auf eine Entscheidung des OLG Karlsruhe vom 17. 7. 1995 (RPfleger 1996, 83) verwiesen (vgl. etwa Zöller/Vollkommer, ZPO, 29. Aufl., § 66 ZPO Rnr. 3) bzw. auf eine Entscheidung des OLG Nürnberg (JurBüro 1963, 233). Das OLG Nürnberg hat in dieser Entscheidung ohne jede Begründung unter Hinweis auf die Literatur lediglich als obiter dictum festgestellt, im Kostenfestsetzungsverfahren sei ein Beitritt nicht möglich, § 66 ZPO sei nicht entsprechend anzuwenden. Die Entscheidung des OLG Karlsruhe betraf bereits kein Kostenfestsetzungsverfahren. Das OLG hat zwar diesen Begriff verwendet, sich in seiner Entscheidung hierbei allerdings missverständlich ausgedrückt. Tatsächlich handelte es sich um ein Vergütungsfestsetzungsverfahren nach § 19 BRAGO, in dem gemäß dem seinerzeit geltenden § 19 II 2 BRAGO die Vorschriften der ZPO über das Kostenfestsetzungsverfahren lediglich sinngemäß anwendbar waren (entsprechend heute § 11 II 3 RVG). Es handelte sich also gerade nicht um ein originäres Kostenfestsetzungsverfahren. Entscheidend für die Ansicht des OLG Karlsruhe, dass in diesem Verfahren eine Nebenintervention nicht zulässig sein sollte, war, dass in diesem Verfahren nur der Prozessbevollmächtigte und die von ihm vertretene Partei beteiligt seien und deshalb für die Zulassung auch kein praktisches Bedürfnis bestehe. Begründet hat das OLG seine Auffassung also mit den Besonderheiten des Vergütungsfestsetzungsverfahrens.

c) Die Beschwerdeberechtigung des Streithelfers wird auch nicht durch die Unterbrechung des Verfahrens nach § 240 ZPO aufgrund der Eröffnung des Insolvenzverfahrens in Frage gestellt. Dies hat zwar den Verlust der Verfügungsbefugnis der Insolvenzschuldnerin zur Folge; diese bleibt jedoch prozessführungsbefugt, soweit sie sich gegen eine Entscheidung wendet, die aufgrund der von Gesetzes wegen eingetretenen Unterbrechung nicht hätte ergehen dürfen (BGH NJW 1995, 2563). Eine trotz Unterbrechung ergangene Entscheidung ist nämlich nicht nichtig, sondern kann mit den allgemeinen Rechtsmitteln angreifbar. Dies hat zur Folge, dass es auch hinsichtlich der Befugnisse des Streithelfers bei einer eigenen Berechtigung zur Einlegung von Rechtsmitteln bleibt.

3.) Die sofortige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens führt zu einer Unterbrechung des Kostenfestsetzungsverfahrens nach § 240 ZPO (BGH NZI 2006, 128 [BGH 29.06.2005 – XII ZB 195/04]).

In § 104 III 2 ZPO ist geregelt, dass ein Beschwerdeverfahren gegen eine Kostenfestsetzungsentscheidung bis zur Rechtskraft der Kostengrundentscheidung ausgesetzt werden kann. Gesetzessystematisch spricht dies dafür, auch bei einer Verfahrensunterbrechung das Kostenfestsetzungsverfahren nicht isoliert zu Ende zu führen. Dies entspricht im Ergebnis auch dem Sinn und Zweck der Unterbrechung: Mit der Unterbrechung nach §§ 240, 249 ZPO wird den Beteiligten des Verfahrens und dem Insolvenzverwalter die Möglichkeit gegeben, sich auf die durch Insolvenz einer Partei eingetretene Veränderung der Sachlage einzustellen. Außerdem soll eine Entlastung der Gerichte herbeigeführt werden. Ein Insolvenzverwalter als Partei kraft Amtes mit zum Teil hoheitlichen Befugnissen kann in besonderem Maße eine außergerichtliche Beilegung von Rechtsstreitigkeiten erreichen. Im Passivprozess muss der Gläubiger durch die Insolvenzsituation seines Schuldners das Prozesskostenrisiko noch stärker fürchten.

Soweit die Antragsgegnerinnen darauf hinweisen, sie hätten den Kostenfestsetzungsantrag erst auf „Aufforderung des Gerichts“ hin gestellt, entspricht dies zum einen nicht dem Aktenstand. Die „Aufforderung“ des Landgerichts vom 12.09.2018 erfolgte vor dem Hintergrund des Antrags der Antragsgegnerinnen vom 16.05.2018. Im Übrigen trägt unabhängig hiervon die Verantwortung für die Stellung eines Antrags der Rechtsanwalt, nicht das Gericht.

Soweit die Antragsgegnerinnen darauf hinweisen, die Antragstellerin bzw. der Streithelfer hätten das Gericht über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens informieren müssen, ist dies hier nicht relevant. Die Unterbrechungswirkung tritt – unabhängig von der Kenntnis durch das Gericht – von Gesetzes wegen mit dem Zeitpunkt der Eröffnung des vorläufigen Insolvenzverfahrens ein, unabhängig davon wer dies wem wann mitteilt.

4.) Der angefochtene Kostenfestsetzungsbeschluss war daher aufzuheben und deklaratorisch die Unterbrechung des Kostenfestsetzungsverfahrens festzustellen. Da eine sofortige Sachentscheidung des Senats durch die Unterbrechung nicht möglich ist, erscheint eine Rückgabe an das Landgericht sachgerecht. Dort wird – sobald die Unterbrechung beendet ist – das Landgericht erneut über den Kostenfestsetzungsantrag zu entscheiden haben.

5.) Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 574 ZPO) sind nicht erfüllt.

Haben Sie Fragen? 

Rufen Sie uns an oder schreiben Sie uns eine E-Mail, damit wir die grundsätzlichen Fragen klären können.

© Rechtsanwalt Krau. All rights reserved.
Powered by wearehype.eu.
© Rechtsanwalt Krau. All rights reserved.
Powered by wearehype.eu.