OLG Frankfurt am Main, 21.04.2017 – 24 U 26/15

März 20, 2019

OLG Frankfurt am Main, 21.04.2017 – 24 U 26/15
Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 27. Zivilkammer des Landgerichts Darmstadt vom 30.01.2015 wird zurückgewiesen.

Die Kosten der zweiten Instanz hat der Kläger zu tragen.

Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Der Wert zweiter Instanz beträgt 29.591,11.
Gründe

I.

Der Kläger begehrt Rückabwicklung eines Kaufvertrages über einen PKW. Er begründet dies mit Geräuschen des Motors. Diese stellten einen erheblichen konstruktiven Mangel dar, der die Gefahr eines Motorschadens in sich berge.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen,

an den Kläger 9.336,11 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 19.02.2013 Zug um Zug gegen Herausgabe und Übertragung des Anwartschaftsrechts auf Rückübereignung des Kraftfahrzeuges Marke1, … zu zahlen,

den Kläger gegenüber der A Bank GmbH, B-Str. … in Stadt1 von der noch offenen Verbindlichkeit aus dem Darlehensvertrag Nr. … in Höhe von 20.255.- Euro freizustellen,

an den Kläger weitere 1.827,84 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit Zustellung der Klage als Kosten der aussergerichtlichen Rechtsverfolgung zu zahlen,

festzustellen,

dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des im Klageantrag zu 1) genannten Fahrzeugs im Verzug befindet.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte meint, es handele sich um einen geringfügige Beeinträchtigung, die hinzunehmen sei.

Das Landgericht hat nach Einholung eines Gutachtens des Sachverständigen SV1 die Klage abgewiesen.

Wegen der hierzu angestellten Überlegungen wird auf die dortigen Entscheidungsgründe und im übrigen auf das Gutachten vom 18.04.2014 nebst mündlicher Erläuterung vom 21.11.2014 (GA 224) verwiesen.

Mit der Berufung verfolgt der Kläger seinen erstinstanzlichen Antrag weiter und beantragt das landgerichtliche Urteil entsprechend abzuändern.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung und die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung bleibt in der Sache ohne Erfolg.

Zur Vermeidung von Wiederholungen wird zunächst auf den Hinweisbeschluss des Senats vom 17. Mai 2016 hingewiesen. Das Berufungsgericht macht sich im übrigen die zutreffenden Erwägungen des Landgerichts in den Entscheidungsgründen der angefochtenen Entscheidung zu eigen und verweist auf diese.

Die hiergegen vorgebrachten Einwände des Klägers greifen im Ergebnis nicht durch.

Der vom Landgericht bestellte Sachverständige hat erklärt, es sei „noch nicht erforscht, ob Geräusche und Kettenriss in Ursachenzusammenhang stehen.“.

Seine Bewertung, es handele sich um einen „konstruktiven, bzw. Fabrikationsmangel“ mag in technischer Hinsicht insofern zutreffend sein, als infolge der Konstruktionsweise des Motors die beanstandeten Geräusche bei dem Klägerfahrzeug auftreten.

Das bedeutet jedoch nicht, dass es sich dabei um einen Mangel im Rechtssinne handelt und dieser darüberhinaus derart gravierend ist, dass er zu einer Wandelung des Kaufvertrages berechtigen würde.

Zu unterscheiden ist zwischen dem Geräusch und daraus – möglicherweise – entstehenden Folgeschäden.

Das Berufungsgericht verkennt nicht, dass ein Geräusch vernehmbar ist, das als störend empfunden werden kann. Gleiches gilt für die aus allgemein zugänglichen Informationsquellen zu gewinnende Erkenntnis, dass der beim Kläger verbaute Motor eine nicht nur beim klägerischen Fahrzeug auftretende Anfälligkeit für derartige Geräusche aufweist. Diese sind indes als blosse nicht erhebliche Unannehmlichkeit hinzunehmen und rechtfertigen deshalb nicht eine Komplettrückabwicklung des gesamten Kaufvertrages. Die Geräusche sind laut Sachverständigen zwar nicht nur geringfügig, treten jedoch nur „im unteren Drehzahlbereich“ auf.

Soweit der Kläger hierzu meint, die Motorkonstruktion der Beklagten entspreche nicht dem Stand der Technik, trifft dies deshalb nicht zu, weil bei dem hierbei anzusetzenden Massstab festzustellen ist, dass keineswegs alle oder auch nur die Mehrzahl der identisch konstruierten Fahrzeuge desselben Typs diese Geräuscherscheinung aufweisen. Das zeigt, dass die verwendete Konstruktion allenfalls geräuschanfällig ist, keineswegs jedoch derartige Geräusche stets bedingt.

Somit beruht die Geräuschentwicklung auf indiviuellen Faktoren, wie dem konkret verbauten Aggregat, der Fahrweise des Halters und dessen Wartungsverhalten.

Wie das Berufungsgericht bereits in der mündlichen Verhandlung dargelegt hat, kursieren im Internet vielfältige Vermutungen für die Ursachen derartiger Geräusche. Genannt werden eine Längung der oberen Kette durch häufigen Kurzstreckenbetrieb, verminderten Öldruck im derart kalten Motorzustand, vom Halter verlängerte Wartungs- und damit Ölwechselintervalle, sowie suboptimale/variable Ölqualitäten.

Dies deckt sich mit den Aussagen des gerichtlichen Sachverständigen, wonach das Geräusch „an der Wartung, am Öl, aber auch am Kettenspanner liegen“ kann. Im weiteren Verlauf seiner Vernehmung hat der Sachverständige indes erklärt: „der Kettenspanner spielt schon eine wichtige Rolle, hat allerdings mit dem Problem, das wir bei diesem Auto haben, nichts zu tun.“.

Auch der vormalige Privatgutachter des Klägers hat die Geräusche nur „wahrscheinlich auf Dämpfungselemente und den Bereich des Steuerkettenantriebs zurückführen“ können.

Schliesslich führt auch die „A1 Information 15.0.2015“ zum hier einschlägigen Motortyp … aus: „Exceeding the maintenance intervals and the presence of deviations in oil quality lead to an increased extension of the timing chain“. Das heisst: „Eine Überschreitung der Wartungsintervalle und Abweichungen der Ölqualität führen zu einer verstärkten Längung der Steuerkette“. Dies sind Faktoren, mit denen die Beklagte als Hersteller nichts zu tun hat.

Soweit der Kläger meint, bei dem Fahrzeug handele es sich um ein derart hochwertiges, dass derartige Geräusche nicht hinnehmbar seien, ist auch dies unzutreffend. Zweifellos handelt es sich um ein qualitativ hochwertiges Fahrzeug – ausschlaggebend für den Stand der Technik kann jedoch nicht das zum Zeitpunkt der Fertigstellung technisch Machbare sein, sondern allenfalls dasjenige, was der Kunde relativ für sein Geld erwarten darf. Hierfür bietet sich kein besserer Fahrzeugvergleich an, als die hier betroffene Baureihe selbst (s.o.)

Es ist überdies allgemein bekannt, dass jeder Fahrzeugtyp im Vergleich zu anderen Schwächen und Vorzüge aufweist. Ein Vergleich mit anderen Fahrzeugen, insbesondere anderer Hersteller ist daher nur äusserst eingeschränkt möglich. Anderenfalls müsste man bei jeder nicht nur marginalen Abweichung nach unten im Vergleich zu anderen Fahrzeugen einen Mangel bejahen.

Hinzu kommt die subjektive Komponente: Ein Geräusch wird von jedem Menschen unterschiedlich empfunden und dazu unterschiedlich – etwa störend – bewertet. Auch dies stellt an die Feststellung eines im Rechtsinne erheblichen Mangels hohe Anforderungen.

Hierzu hat der vom Landgericht vernommene Sachverständige erklärt, dass man allein für das Vernehmen des Geräusches „schon ein geschultes Ohr“ brauche, der Motor „betriebsbereit“ sei und der Sachverständige „Defekte (…) nicht feststellen“ konnte. Auch die Frage nach Vibrationen wurde vom Sachverständigen ebenso verneint, wie die nach Leistungsbeeinträchtigungen.

Was einen – vom Kläger befürchteten – sich aus den Geräuschen entwickelnden Motorschaden angeht, konnte selbst der Sachverständige hierfür nicht einmal eine Prognose abgeben. Selbst die Gefahr von Schäden hielt der Sachverständige nur für „denkbar“; zu einer Erhöhung einer diesbezüglichen Wahrscheinlichkeit könne er nichts sagen.

Im Ergebnis handelt es sich deshalb bei den vom Kläger beanstandeten Geräuschen um ein rein akustisches bzw. Komfortproblem, das einen erheblichen Mangel im Rechtssinne nicht darstellt.

Ein daraus im Sinne einer Kausalität folgender Motorschaden ist in keiner Weise absehbar und sogar die Ursache der Geräusche selbst ist unklar und kann auch auf Wartungsgewohnheiten des Klägers beruhen.

Bei dieser Sachlage ist kein Raum für eine Verurteilung der Beklagten aufgrund von dieser zu vertretender erheblicher Sachmängel, weshalb die Berufung zurückzuweisen war.

Nebenentscheidungen: §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Vorausgegangen ist unter dem 10.07.2016 folgender Hinweis (die Red.)

in dem Rechtsstreit (…)

Der Kläger wird auf die Absicht des Senats hingewiesen, seine Berufung gegen das Urteil der 27. Zivilkammer des Landgerichts Darmstadt vom 30. Januar 2015 durch einstimmigen Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen. Die Berufung lässt offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg erkennen und die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern keine Entscheidung des Berufungsgerichts.

Nachdem die Angelegenheit für den Kläger nicht von existentieller Bedeutung ist und sich das Vorbringen in der Berufungsinstanz in einer Wiederholung und Vertiefung des erstinstanzlichen Vorbringens erschöpft, bedarf es auch von daher keiner erneuten mündlichen Verhandlung.

Gründe

Die zulässige Berufung wird gemäß § 522 Abs. 2 ZPO als unbegründet zurückzuweisen sein. Der Senat verweist wegen der mangelnden Erfolgsaussicht zunächst auf die zutreffenden Gründe des landgerichtlichen Urteils und fügt im Hinblick auf die Berufungsbegründung lediglich kurz das Folgende hinzu:

Der Kläger rügt im wesentlichen ungewöhnliche Geräusche der Steuerkette mit der Gefahr eines Überspringens der Kette und daraus folgendem Motorschaden. Dies beruhe auf einem konstruktiven Serienmangel und habe nicht dem Stand der Technik entsprochen.

Das Landgericht habe das Sachverständigengutachten SV1 nicht angemessen gewürdigt, insbesondere dortige Widersprüchlichkeiten.

Die Rüge des Klägers ist unbegründet.

Nach Aussage des Sachverständigen ist eine mögliche Geräuschentwicklung bei dem streitgegenständlichen Motor … zwar bekannt, es sei „jedoch noch nicht erforscht, ob Geräusche und Kettenriss in Ursachenzusammenhang stehen“.

Dabei handele es sich „um einen konstruktiven bzw. Fabrikationsmangel, bei dem unter anderem die Baureihe … betroffen ist“.

Dieses Ergebnis der vom Landgericht durchgeführten Beweisaufnahme bestätigt nicht einen vom Kläger angenommenen Mangel, der zum Rücktritt vom KFZ-Kaufvertrag berechtigen würde.

Soweit der Kläger die Befürchtung hegt, aus dem Steuerkettengeräusch bzw. deren Ursache könne sich ein Motorschaden ergeben, hat der Sachverständige bereits in seinem Gutachten ausgeführt, dass nach derzeitigem Kenntnisstand nichts für einen Ursachenzusammenhang zwischen den Geräuschen und einem möglichen Kettenriss spricht.

Auch ein Überspringen der Kette über die Ritzel der Antriebsräder bewegt sich allein im Bereich des Möglichen.

Die blosse Möglichkeit eines Motorschadens ist jedoch (noch) kein Mangel, da stets die Möglichkeit von Schäden besteht.

Zu einer signifikant höheren Schadenswahrscheinlichkeit hat der Kläger nichts vorgetragen. In dem von ihm selbst vorgelegten Ausdruck des „X“ vom 21.01.2013 (GA 108) heisst es denn auch: „Einen präventiven Tausch der Steuerketten wird man nicht durchbekommen und ist zu Recht auch unnötig. Die Häufigkeit der Beanstandung im Vergleich zu den verkauften Motoren ist relativ gering“.

Bei dieser Sachlage kann auch von einem Serienmangel des Fahrzeugs keine Rede sein, weshalb die diesbezüglich ergangene Rechtsprechung (etwa OLG Düsseldorf I-1 U 141/07) nicht einschlägig ist.

Ist demnach die Fehleranfälligkeit des Motors für Steuerkettengeräusche – wie beim Kläger – zwar bekannt, hat sich ein aus dieser konstruktiven Schwäche resultierender Schaden jedoch nicht verwirklicht.

Im übrigen weisen neu entwickelte Fahrzeuge der sog. ersten Baureihe regelmässig Schwachpunkte auf; der Sachverständige verweist selbst auf andere Modelle und auch von anderen Fahrzeugherstellern ist derartiges bekannt.

Dies beruht auch auf immer kürzeren Entwicklungszyklen, bei denen die immer schneller neu entwickelten Modelle zunehmend beim Kunden erprobt werden.

Die dann erkannten Serienmängel (vgl. die Pannenstatistik etwa des Y) werden dann jedoch folgerichtig in den Folgebaureihen verbessert/behoben (hier durch Veränderung der Laufschienen/Materialzusammensetzung).

Diese normale Modellentwicklung lässt jedoch nicht den Umkehrschluss auf das vorherige Vorliegen eines Mangels im Rechtssinne zu. Natürlich werden erkannte Schwächen der ersten Serie in der zweiten nach Möglichkeit abgestellt.

Insbesondere ergibt sich aus einer derartigen Optimierung i.S.d. technischen Fortschritts kein erheblicher Mangel, der zu einem Rücktritt vom Kaufvertrag berechtigen würde.

Schliesslich ist auch allgemeinbekannt, dass es z.T. erhebliche Qualitätsunterschiede zwischen verschiedenen Automarken gibt, die jeweils zeigen, was „der Stand der Technik“ hergibt, indes aus Kostengründen nicht bei allen Marken verwirklicht wird.

Eine allein suboptimale Konstruktion mag fahrzeug-, typ-, modell- oder baujahrspezifisch sein; ein Mangel im Rechtssinne ergibt sich daraus allein noch nicht.

Die Erheblichkeit eines Mangels kann auch nicht aus den für die Behebung erforderlichen Reparaturkosten abgeleitet werden. Eine kleine Unzulänglichkeit bleibt eine kleine Unzulänglichkeit, auch wenn für ihre Beseitigung ein (unverhältnismässig) grosser Betrag aufgewendet werden muss.

In diesem Sinne hilft dem Kläger auch nicht das „Z“-Programm der Beklagten, da dieses nur eine interne Herangehensweise der Werkstätten vorgibt, nicht aber das Vorliegen eines (wesentlichen) Mangels bestätigt.

Aus diesem Grunde sind entsprechende Kulanzreparaturen der Beklagten auch nur solche und kein rechtlich verwertbares Eingeständnis eines ersatzpflichtigen Sachmangels. Welche Folgen ein – aus Sicht betroffener Kunden – unkulantes Verhalten der Beklagten für diese selbst hat, ist hier nicht entscheidungserheblich.

Der Kläger verlangt jedoch von der Beklagten eine Rücknahme des Fahrzeugs mit vierstelligem Wert bzw. verzichtet auf eine Fahrzeugnutzung, obwohl der Eintritt eines Schadens selbst völlig ungewiss ist.

Auch die anderen vom Kläger gerügten Mängel rechtfertigen keine Rückabwicklung des Kaufvertrages.

Der Kläger kann zu diesem Hinweisbeschlussbis zum 10. Juni 2016 (Eingang bei der Geschäftsstelle des 24. Zivilsenats in Darmstadt) Stellung nehmen.

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