OLG Frankfurt am Main, 21.06.2018 – 2 UF 362/15

März 17, 2019

OLG Frankfurt am Main, 21.06.2018 – 2 UF 362/15
Tenor:

I.

Der angefochtene Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Marburg vom 17.11.2015 wird wie folgt geändert:

Die Kürzung der laufenden Versorgung des Antragstellers bei der Deutschen Rentenversicherung Bund (VSRN: …) wird monatlich wie folgt ausgesetzt:

Für den Zeitraum 01.12.2015 bis einschließlich 30.06.2016 in Höhe von 555,52 Euro,

für den Zeitraum 01.07.2016 bis einschließlich 30.06.2017 in Höhe von 579,10 Euro,

für den Zeitraum 01.07.2017 bis einschließlich 30.06.2018 in Höhe von 590,13 Euro,

für den Zeitraum ab 01.07.2018 in Höhe von 609,15 Euro.
II.

Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben, Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Hinsichtlich der Kosten der 1. Instanz bleibt es bei der Entscheidung des Amtsgerichts Marburg vom 17.11.2015.
III.

Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 1.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller begehrt im Hinblick auf Unterhaltszahlungen an seine geschiedene Ehefrau Aussetzung einer durch den Versorgungsausgleich bedingten Kürzung seiner Rente.

Die am XX.07.1979 geschlossene Ehe des Antragstellers und seiner Ehefrau wurde mit Urteil des Amtsgerichts – Familiengericht – Marburg vom XX.08.2006 geschieden. Zugleich wurde der Versorgungsausgleich durchgeführt. Während der Ehezeit (01.07.1979 bis 30.04.2005) haben beide Ehegatten Anrechte in der gesetzlichen Rentenversicherung bei der Deutschen Rentenversicherung Bund erworben, der Ehezeitanteil der Rentenanwartschaften des Ehemannes belief sich auf 1.190,31 Euro, derjenige der Ehefrau auf 168,86 Euro. Zusätzlich hatte der Ehemann Anrechte bei der Zusatzversorgungskasse der Gemeinden und Gemeindeverbände des Regierungsbezirks Stadt1 und Anrechte der betrieblichen Altersversorgung erworben. Das Amtsgericht hat 510,73 Euro ((1.190,31 Euro – 168,86 Euro): 2) im Wege des Splittings nach § 1587 b Abs. 1 BGB vom Versicherungskonto des Ehemannes bei der Deutschen Rentenversicherung Bund auf das dortige Versicherungskonto der Ehefrau übertragen. Daneben hat es zu Lasten der Anrechte des Ehemannes bei der Zusatzversorgungskasse im Wege des analogen Quasisplittings Anwartschaften auf dem Versicherungskonto der Ehefrau in der gesetzlichen Rentenversicherung begründet und bezüglich der Anrechte aus betrieblicher Altersversorgung 19,78 Euro im Wege des erweiterten Splittings auf das Versicherungskonto der Ehefrau in der gesetzlichen Rentenversicherung übertragen.

Seit dem 01.12.2015 bezieht der am XX.XX.195X geborene Antragsteller Altersrente. Er ist aufgrund außergerichtlicher Vereinbarung verpflichtet, an seine geschiedene Ehefrau, die noch keine laufende Altersversorgung beziehen kann, Unterhalt in Höhe von 1.000 Euro als Barunterhalt zu zahlen, zudem überlässt er ihr die in seinem Alleineigentum stehende Immobilie zu Wohnzwecken mietfrei.

Mit am 14.10.2015 beim Amtsgericht eingegangenem Antrag hat der Antragsteller im Hinblick auf die genannte Unterhaltspflicht eine Aussetzung der durch den Versorgungsausgleich bedingten Kürzung seiner laufenden Rente in Höhe von 510,73 Euro begehrt.

Mit Beschluss vom 17.11.2015 hat das Amtsgericht für den Zeitraum ab 01.12.2015 die Kürzung der Versorgung des Antragstellers in Höhe von 559,20 Euro ausgesetzt. Dabei hat es den aufgrund Splitting übertragenen monatlichen Wert in Höhe von 510,73 Euro unter Zugrundelegung eines Rentenwertes zum Zeitpunkt der Ehescheidung in Höhe von 26,13 Euro in Entgeltpunkte von 19,5457 umgewandelt und diese dann mit dem Rentenwert von 28,61 Euro multipliziert, so dass sich ein Aussetzungsbetrag in Höhe von 559,20 Euro ergab. Das Amtsgericht hat dabei den Aussetzungsantrag des Antragstellers dahingehend ausgelegt, dass die Aussetzung der Kürzung für das gesamte übertragene Anrecht aus der gesetzlichen Rentenversicherung angestrebt wird und dieser sich nicht auf den in seinem Antrag genannten Betrag von 510,73 Euro beschränken wollte.

Gegen diesen am 20.11.2015 zugestellten Beschluss richtet sich die am 01.12.2015 beim Amtsgericht eingegangene und sogleich begründete Beschwerde des Antragstellers. Er wendet ein, dass der zum 01.12.2012 (richtig: 01.12.2015) maßgebende aktuelle Rentenwert entgegen der amtsgerichtlichen Entscheidung nicht 28,61 Euro, sondern 29,21 Euro betragen habe, so dass sich der Aussetzungsbetrag auf monatlich 570,93 Euro belaufe.

Der Senat hat mit Schreiben vom 04.12.2015 darauf hingewiesen, dass eine dynamische Tenorierung des Aussetzungsbetrages in Betracht kommt. Der Antragsteller hat dem ausdrücklich zugestimmt.

Die Deutsche Rentenversicherung Bund hat in ihrer darauf folgenden Stellungnahme die Auffassung vertreten, dass, da für die Ermittlung des Monatsbetrags der Rente nicht nur der Rentenwert, sondern auch die persönlichen Entgeltpunkte sowie der Zugangsfaktor maßgeblich seien, die Bestimmung des Kürzungsbetrages mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden sei, insbesondere wenn der Rentenberechnung des ausgleichspflichtigen Versicherten mehrere Zugangsfaktoren zugrunde liegen. Der ausgleichspflichtigen Person sei es dann nicht möglich, die ihr zustehenden Anpassungsbeträge selbst zu ermitteln, sie sei insoweit auf den Rentenversicherungsträger angewiesen.

Zugleich hat die Deutsche Rentenversicherung Bund darauf hingewiesen, dass der Antragsteller seine Altersrente um 9 Monate vorzeitig in Anspruch genommen hat. Aus diesem Grund sei ein sogenannter „Rentenabschlag“ zu berücksichtigen mit der Folge der Reduzierung des Zugangsfaktors von 1,0 auf 0,973. Eine Anpassung wegen Unterhalt sei dafür für die Zeit ab 01.12.2015 maximal in Höhe von monatlich 555,51 Euro zulässig.

Der Senat hat sodann mit Beschluss vom 2. März 2016 den Aussetzungsbetrag mit aktuell 555,52 € festgesetzt und für den Fall künftiger Rentensteigerung eine dynamische Fassung des Aussetzungstenors gewählt, die unter Zugrundelegung von Zugangsfaktor, Rentenwertfaktor und Rentenwert (EP) eine Angleichung des Anpassungsbetrages ermöglichte. Dabei ist der Senat davon ausgegangen, dass – wie von allen Beteiligten angenommen – der vom Antragsteller aufgebrachte Unterhalt jedenfalls dem gesetzlichen Unterhalt entspricht, dies auch im Hinblick darauf, dass sich aus den beigezogenen Unterhaltsakten ergab, dass der Antragsteller über erheblichen Immobilienbesitz in Stadt2 mit entsprechenden Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung verfügt und zum Zeitpunkt der Unterhaltsvereinbarung Unterhaltspflichten des Antragstellers für drei Kinder bestanden, die zwischenzeitlich teilweise in Wegfall geraten sind.

Auf die wegen der dynamischen Fassung des Beschlusstenors für die Zukunft nach Erlass des Beschlusses zugelassene Rechtsbeschwerde hin hat der Bundesgerichtshof am 02.08.2017 diese Entscheidung vollständig aufgehoben und die Sache auch im Hinblick auf die Vergangenheit an den Senat zurückverwiesen, weil der gesetzliche Unterhaltsanspruch nicht ermittelt worden ist. In der Entscheidung ist die geschiedene Ehefrau des Antragstellers als weitere Beteiligte aufgeführt worden, weil der Bundesgerichtshof die Auffassung vertritt, dass in dem kontradiktorischen Verfahren die Deutsche Rentenversicherung Bund Antragsgegner ist, während die geschiedene Ehefrau lediglich als weitere Beteiligte am Verfahren teilhat.

Das Familiengericht Marburg hat während des Verfahrens vor dem BGH auf Antrag des Antragstellers eine einstweilige Anordnung getroffen, nach der die Deutsche Rentenversicherung angewiesen wurde, die bezifferte Aussetzung der Kürzung um 555,52 € umzusetzen, weil der BGH eine Erteilung des Rechtskraftvermerks für die Vergangenheit für unmöglich hielt. Im Verfahren vor dem Senat gaben die Beteiligten an, die Ehefrau werde im September 2018 das gesetzliche Rentenalter erreichen und selbst Rente beziehen. Sie haben Einverständnis damit erklärt, dass der Senat mit einer Entscheidung in der Hauptsache bis zur Bekanntgabe der ab September 2018 maßgeblichen Rentenwerte abwartet.

Der Senat im Folgenden die Einkommensverhältnisse der Beteiligten aufgeklärt.

Der Antragsteller hat mitgeteilt, er habe im Jahr 2015 folgende Einkünfte gehabt:

Bruttolohn

51.504,00 Euro

Rente

1.406,00 Euro

Vermietung

8.419,00 Euro

abzüglich Krankenversicherung

3.605,00 Euro

abzüglich Pflegeversicherung

553,00 Euro

zu versteuern

57.171,00 Euro

Einkommensteuer

14.303,00 Euro

Solidaritätszuschlag

786,66 Euro

Kirchensteuer

1.287,27 Euro

verbleiben

40.794,07 Euro

monatlich

3.399,51 Euro.

Für das Jahr 2016 gibt der Antragsteller folgende Einkünfte an:

Bruttolohn

1.656,00 Euro

Rente

20.563,00 Euro

Pensionskassen

8.021,00 Euro

Miete

35.362,00 Euro

abzüglich Krankenversicherung

3.404,00 Euro

abzüglich Pflegeversicherung

726,00 Euro

zu versteuern

61.502,00 Euro

Einkommensteuer

16.122,00 Euro

Solidaritätszuschlag

886,71 Euro

Kirchensteuer

1.450,98 Euro

verbleiben

43.042,31 Euro

monatlich

3.586,00 Euro.

Der Antragsteller zahlt bis heute an den jüngsten studierenden Sohn 500 € Ausbildungsunterhalt.

Die Ehefrau hatte in beiden Jahren Einkünfte lediglich aus Übungsleiterentschädigungen (1.527 Euro jährlich) sowie Mieteinnahmen in Höhe von 26 Euro.

Vorstehende Angaben hat der Antragsteller durch Rentenbescheide und Einkommensteuerbescheide, ihn und seine geschiedene Ehefrau betreffend, belegt.

Für den Zeitraum ab dem Jahr 2017 rechnen die geschiedenen Eheleute weiterhin mit Einkünften in dieser Größenordnung.

Die geschiedene Ehefrau hat im Rahmen ihrer persönlichen Anhörung am 29.11.17 erklärt, sie sei krankheitsbedingt außerstande, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Im Termin erschien die geschiedene Ehefrau unter Vorlage eines Attestes. Hier heißt es:

(Von der Darstellung des nachfolgenden Textes wurde aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes abgesehen – die Red.).

Die Ehefrau gab an, im vergangenen Jahr außerdem einen Schlaganfall gehabt zu haben. Sie war sichtbar gehbehindert, konnte den Sitzungssaal erst nach persönlicher Ansprache unter Überwindung offensichtlich erheblicher Ängste betreten.

Der Antragsteller hat klargestellt, dass er den ausbedungenen Ehegattenunterhalt nach wie vor sicherstellen wird.

Die Ehefrau und der Ehemann haben übereinstimmend angegeben, dass die Ehefrau nach wie vor in der Immobilie lebt, die im Alleineigentum des Antragstellers steht und die während der gemeinsamen Ehe von den Eheleuten und den vier gemeinsamen Kindern bewohnt worden ist. Der Antragsteller stellt der Ehefrau den Wohnraum unentgeltlich als Unterhaltsleistung zur Verfügung. Die Eheleute haben übereinstimmend angegeben, dass die Immobilie über zwei Vollgeschosse und ein Dachgeschoss verfügt. Die Wohnfläche beträgt ca. 200 m².

Der Senat hat im Nachgang zu dem Anhörungstermin bei der Antragsgegnerin weitere Auskünfte zu der Höhe der an den Antragsteller auszukehrenden Renten bzw. der Aussetzungsbeträge eingeholt, die sämtliche Rentenerhöhungen seit dem 01.12.2015, auch die Rentenerhöhung ab dem 01.07.2018 wiedergeben. Danach belaufen sich die Beträge, um die die Rente des Antragstellers infolge des Versorgungsausgleiches gekürzt wird, ohne dass dabei die über das erweiterte Splitting von der Deutschen Rentenversicherung auszuzahlenden Beträge mit umfasst werden, auf 555,52 Euro für den Zeitraum 01.12.2015 bis 30.06.2016, auf 579,10 Euro für den Zeitraum 01.07.2016 bis 30.06.2017, auf 590,13 Euro für den Zeitraum 01.07.2017 bis 30.06.2018 (vgl. Auskunft vom 23.04.2018) und auf 609,15 Euro für den Zeitraum ab 01.07.2018 (vgl. Auskunft vom 18.06.2018).

II.

Die gemäß § 58 ff. FamFG zulässige, insbesondere fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zum Teil begründet und führt auch unter Beachtung der durch die Zurückverweisung durch den Bundesgerichtshof in der Entscheidung zur Rechtsbeschwerde erfolgten Bindung (§ 74 Abs. 6 S. 4 FamFG) zu den im Beschlusseingang ausgewiesenen Aussetzungen der Kürzung der Rente des Antragstellers.

Der Senat hat die Umstellung der Verfahrensstellungen der Beteiligten durch den Bundesgerichtshof umgesetzt und führt nunmehr die Deutsche Rentenversicherung als Antragsgegnerin sowie die geschiedene Ehefrau als weitere Beteiligte. Nach der vom Senat bislang in ständiger Rechtsprechung vertretenen Auffassung (OLG Frankfurt, FamRZ 2014, 1116, zust. Thiel, NZFam 2017, 732) war als Antragsgegner der andere Ehegatte – hier die geschiedene Ehefrau – zu führen, weil sonst bei Anwendung von § 218 Nr. 3 FamFG Zuständigkeiten begründet sein können, die die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen bergen. Vor allem dann, wenn beide Ehegatten nach der Scheidung umziehen, führt die Auffassung des Bundesgerichtshofs zur Zuständigkeit des am Sitz des Versorgungsträgers zuständigen Familiengerichts, was angesichts der möglicherweise im Nachgang zu führenden Unterhaltsverfahren am Wohnort des Unterhaltsberechtigten vermeidbare Nachteile mit sich bringen kann. Vorliegend ändert die Umsetzung der – nunmehr gefestigten – Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu der Beteiligtenstellung indes nichts an den begründeten Zuständigkeiten, weil beide Ehegatten ihren Wohnort in Stadt2 beibehalten haben. Der Senat wird künftig nicht mehr entgegen der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes an der Auffassung festhalten, dass Antragsgegner der geschiedene Ehegatte ist.

Nach Zurückverweisung durch den Senat war der gesetzliche, fiktive Unterhaltsanspruch, den die weitere Beteiligte gegen den Antragsteller hat, durch den Senat zu klären. Dem Grunde nach ist die Kürzung der Versorgung des Antragstellers in Höhe des Kürzungsbetrages auszusetzen, weil der Antragsteller zu Unterhaltszahlungen an die Ehefrau verpflichtet ist, die den Kürzungsbetrag bei weitem übersteigen, § 33 Abs. 1, 3 VersAusglG.

Maßgeblich für diese Bewertung ist der fiktive Unterhaltsanspruch, der sich aus einer Gegenüberstellung der nach Rentenbezug erwirtschafteten Einkünfte des Antragstellers auf der einen und den aktuellen Einkünften der geschiedenen Ehefrau auf der anderen Seite ergeben. Hier haben die Ermittlungen des Senats ergeben, dass der Unterhaltsanspruch, den der Antragsteller aktuell tatsächlich durch Barzahlungen und durch die Überlassung der in seinem Alleineigentum stehenden einstigen Ehewohnung bedient, 1.500 € übersteigt.

Die Einkünfte des Antragstellers sind durch die Pensionierung nur maßvoll abgesunken. Dies ergibt sich aus der belegten Auflistung von Einkünften. Dabei ist zur berücksichtigen, dass die Grundlage für die Berechnung des sog. fiktiven Unterhaltsanspruchs im Rahmen des Anpassungsrechts nach § 33 VersAusglG nicht die Nettorente des Antragstellers ist, sondern die Bruttorente, die nicht um Sozialabgaben und Steuerabgaben bereinigt ist (Borth, Versorgungsausgleich, 8. Aufl., S. 576 ff.; Wick, Versorgungsausgleich, 4. Aufl. 2017, Rdnr. 872; Thiel, NZFam 2017, 690 ff.; OLG Koblenz, Beschluss vom 14.11.2016 zu 13 UF 530/16; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 28.06.2016, FamRZ 2017, 105 ff.; OLG Nürnberg, Beschluss vom 21.08.2016, FamRZ 2016, 559 ff.). Insoweit verfügt der Antragsteller sogar über höhere Einkünfte als von ihm dargestellt. Angesichts der unterschiedlichen Einkommensarten des Antragstellers wäre es an sich erforderlich, im Hinblick auf Renten aus den gemäß § 32 VersAusglG anpassungsfähigen Anrechten die darauf entfallende Steuerlast nicht zu berücksichtigen.

Selbst diese an sich zu hohe Ermittlung der Steuerlast führt allerdings dazu, dass dem Antragsteller noch Einkünfte verbleiben, aus denen er in jedem Fall gesetzlich dazu verpflichtet ist, den an die geschiedene Ehefrau seit Jahren aufgebrachten Unterhalt weiter zu zahlen. Dies zeigt die folgende Berechnung mit der – geringeren – Nettorente:

2015

2016

Nettoeinkünfte Ehemann

3.399,51 Euro.

3.586,00 Euro

Abzgl. Unterhaltszahlungen Sohn

– 500 Euro

– 500 Euro

Bleiben

2.899,51 Euro

3.086 Euro

Nettoeinkünfte Ehefrau

1527 Euro : 12 zzgl. 26 Euro

153,25 Euro

153,25 Euro

Unterhaltsanspruch

2899,51 Euro – 153,25 Euro = 2746,26 Euro : 2 = 1.373,13 Euro

3.086 Euro – 153,25 Euro = 2932,75 Euro : 2 =

1.466,37 Euro

Im Jahr 2017 sind die Einkünfte der Beteiligten im Wesentlichen unverändert, die des Antragstellers fallen etwas höher aus, da die Renten erhöht worden sind. Sollte der Unterhaltsanspruch des jüngsten Sohnes infolge der Beendigung des Studiums entfallen, führt dies ebenfalls zu einer Erhöhung des nach § 1578 BGB geschuldeten nachehelichen Ehegattenunterhalts nach den ehelichen Lebensverhältnissen.

Der fiktive Unterhaltsanspruch anhand der Bruttorente des Antragstellers kann nur noch höher ausfallen.

Der vertraglich und gesetzlich weit über den Aussetzungsbeträgen liegende geschuldete Unterhalt wird auch tatsächlich geleistet. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die geschiedene Ehefrau nicht nur Barunterhalt vom Antragsteller bekommt, sondern nach der bereits im Scheidungsverfahren geschlossenen Vereinbarung ein Teil des Unterhaltsanspruchs durch die Zurverfügungstellung von Wohnraum bedient wird. Die geschiedene Ehefrau bewohnt nach wie vor die Immobilie des Antragstellers, die mit etwa 200 m² Wohngröße angegeben wird. Im Jahr 2009 sind die geschiedenen Eheleute übereingekommen, dass das Haus Straße1 einen Mietwert in Höhe von über 1.000 Euro ausweisen dürfte. Die Bewertung mit einem objektiven Mietwert von 1.000 Euro dürfte für eine Wohnlage mitten in Stadt2, einer …stadt mit einem verhältnismäßig hohen Mietniveau, noch an der unteren Grenze des Erzielbaren liegen. Ausweislich des von der Interplattform Immowelt zur Verfügung gestellten Mietspiegels für die Stadt2 belaufen sich die Quadratmeterpreise für Wohnungen und Häuser ab 120 m² auf 8,91 Euro, im Schnitt sind in Stadt2 Mieten über 9,41 Euro zu erreichen (https:/www.immowelt.de/Immobilienpreise/Stadt2/Mietspiegel).

Unterhalt ist regelmäßig durch eine Geldrente zu zahlen, es bleibt Eheleuten jedoch vorbehalten, diese Geldrente durch eine – bewertete – Sachleistung zu ersetzen (vgl. Maurer, in: Münchener Kommentar zum BGB, 7. Auflage 2017, Rn. 2 zu § 1585 BGB). Üblicherweise geschieht dies, indem auf der Seite des Berechtigten ein Wohnvorteil berücksichtigt wird, der die Pflicht zur Barzahlung schmälert. Das darf allerdings nicht den Blick darauf verstellen, dass es sich um eine Unterhaltsleistung handelt, die aus dem gleichen Grund auch steuerlich wie Unterhalt zu behandeln ist (BFH, Urteil vom 12.04.2000 zu Az.: XI R 127/96, Rn. 13).

Der Senat hat keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass der gem. § 1578 BGB ermittelte Unterhaltsanspruch der Ehefrau gem. § 1578 b BGB herabzusetzen oder zu befristen sein könnte. Die Ehe ist am 29. August 2006 geschieden worden. Die Eheleute haben gemeinsam vier Kinder aufgezogen, bis zur Trennung im Jahr 2004 waren sie 25 Jahre lang verheiratet. Die geschiedene Ehefrau, die sich seit dem Jahr 2006 auf Unterhaltszahlungen ihres Ehemanns verlassen konnte, weil sie – jedenfalls aktuell offensichtlich krankheitsbedingt – einer Erwerbstätigkeit nicht nachgehen konnte, kann nicht im Alter von nunmehr 64 Jahren (zu Beginn des Anpassungsverfahrens 62 Jahren) darauf verwiesen werden, ihren Lebensunterhalt durch Erwerbstätigkeit sicherzustellen. Angesichts der Höhe der Einkünfte des geschiedenen Ehemannes, der erneut verheiratet ist und über erheblichen Immobilienbesitz in Stadt2 verfügt, ist nicht erkennbar, wie die Fortführung der Unterhaltszahlung aktuell zu einer unbilligen Belastung beitragen könnte. Die Eheleute sind offensichtlich richtigerweise beiderseits der Meinung, dass eine fortlaufende Unterhaltsverpflichtung des Ehemannes seiner rechtlichen und sittlichen Verpflichtung gegenüber der Mutter der gemeinsamen vier Kinder entspricht.

Da der Unterhaltsbetrag, der tatsächlich aufgebracht wird und gesetzlich geschuldet ist, nicht unterhalb des Aussetzungsbetrages liegt und auch künftig nicht liegen wird, besteht keine Veranlassung, eine Begrenzung des Anpassungsbetrages auf die Höhe des tatsächlich zur Verfügung gestellten Betrages vorzunehmen (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 07.11.2012 zu XII ZB 271/12; BGH v. 15.06.2016, XII ZB 89/16). Nur der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass der Senat diese Begrenzung jedenfalls dann als verfehlt ansieht, wenn Ehegatten den tatsächlich aufgebrachten Unterhalt unter Berücksichtigung einer teils durch Anpassung nach § 33 VersAusglG ungekürzt ausgezahlten Rente ermittelt haben. Insoweit teilt der Senat die von dem OLG Nürnberg, dem OLG Koblenz und dem OLG Düsseldorf vertretene Auffassung, weil sonst der Verfassungsauftrag, den § 33 VersAusglG zur Meidung von Härten im Versorgungsausgleich verfolgt, verfehlt wäre (vgl. OLG Nürnberg, Beschluss vom 21.08.2015 zu 11 UF 887/15, FamRZ 2016, 559-561; OLG Düsseldorf, FamRZ 2017, 105ff.; OLG Koblenz, Beschluss vom 08.04.2015 zu 13 UF 191/15; BVerfG, Beschluss vom 28.02.1980 zu Aktenzeichen: 1 BvL 17/77, 1 BvL 7/78, 1 BvL 9/78, 1 BvL 14/78, 1 BvL 15/78, Rn. 173 , zitiert nach juris).

Vorliegend rechtfertigen die Höhe des gesetzlichen Unterhaltsanspruchs wie auch die tatsächlichen Unterhaltsleistungen es in jedem Fall, die Kürzung der Rente des Antragstellers durch den Versorgungsausgleich, den das Familiengericht mit Urteil vom 29.08.2006 durchgeführt hat, vollständig auszusetzen.

Nachdem nunmehr die Rentenwerte auch für die Zeit ab dem 01.07.2018 vorliegen und sicher davon auszugehen ist, dass die Ehefrau das gesetzliche Rentenalter im September 2018 erreichen wird, sieht der Senat davon ab, eine dynamische Titulierung des Aussetzungsbetrages vorzunehmen. Zur Zulässigkeit einer solchen dynamischen Titulierung, die Anlass für die Zulassung und Einlegung der Rechtsbeschwerde war, enthält die Entscheidung des Bundesgerichtshofs, mit der der Beschluss des Senates vom 02.03.2016 aufgehoben worden ist, keinerlei Hinweise.

Eine gestaffelte Aussetzung ist für die Zeit nach Eintritt des Antragstellers in die Altersrente geboten und möglich. Die Deutsche Rentenversicherung Bund hat im Beschwerdeverfahren nunmehr den Kürzungsbetrag für die Zeit bis zum 30.06.2016 mit 552,52 € angegeben; damit muss der Senat auch nicht im Hinblick auf die im Rechtsbeschwerdeverfahren aufgewogene Frage, ob nur in Höhe von 552,51 € die Kürzung der Rentenzahlung auszusetzen ist, entscheiden.

Der Endzeitpunkt für die Aussetzung der Versorgungskürzung infolge des zukünftigen Rentenbezugs der geschiedenen Ehefrau ist durch den Senat nicht zu bestimmen. Hierüber entscheidet nach § 34 Abs. 6 VersAusglG der Versorgungsträger.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 FamFG. Den Gegenstandswert hat der Senat gemäß § 50 Abs. 1 S. 3 festgesetzt.

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