OLG Frankfurt am Main, 21.07.2014 – 3 U 24/13

April 17, 2019

OLG Frankfurt am Main, 21.07.2014 – 3 U 24/13
Tenor:

Die Verhandlung wird bis Abschluss des Rechtsmittelverfahrens beim BGH zum Aktenzeichen IV ZR 118/14 gemäß § 148 ZPO analog ausgesetzt.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe

I.

Das vorliegende Verfahren ist eines von derzeit über 60 bei dem erkennenden Senat anhängigen Berufungsverfahren, in denen Anleger die Beklagten als Berufshaftpflichtversicherer des Wirtschaftsprüfers A auf Versicherungsleistungen wegen einer fehlgeschlagenen Beteiligung an der X Zinsfonds GbR in Anspruch nehmen. Sie berufen sich auf eine Pflichtverletzung des Wirtschaftsprüfers in seiner Rolle als Mittelverwendungskontrolleur der Fondsgesellschaft.

Das zuständige Landgericht Wiesbaden hat die Klagen in allen Fällen abgewiesen.

Der erkennende Senat hat in der überwiegenden Zahl der Berufungsverfahren darauf hingewiesen, dass er beabsichtige, die Berufungen im Beschlusswege gemäß § 522 II ZPO zurückzuweisen. Aufgrund der daraufhin eingegangen Stellungnahme des Klägervertreters hat der Senat die Zurückweisung zunächst zurückgestellt, eines der Verfahren – Aktenzeichen 3 U 233/12 – mündlich verhandelt und sodann diese Berufung durch Urteil vom 20.3.2014 (abrufbar unter www.lareda.hessenrecht.de und juris) zurückgewiesen. Die Klägerseite hat hiergegen inzwischen Nichtzulassungsbeschwerde unter dem Aktenzeichen IV ZR 118/14 eingelegt.

In den übrigen Verfahren hat der Senat den Parteivertretern seine Absicht mitgeteilt, diese gemäß § 148 ZPO bis zur Entscheidung im Rechtsmittelverfahren IV ZR 118/14 auszusetzen.

II.

Das vorliegende Verfahren war – wie die übrigen Parallelverfahren – gemäß § 148 ZPO analog bis zur Entscheidung des Rechtsmittelverfahrens IV ZR 118/14 auszusetzen, da das Rechtsmittelverfahren vorgreiflich für die Entscheidung der übrigen Berufungsverfahren ist. Die Entscheidung in den nach Sach- und Streitstand weitestgehend identischen Parallelverfahren hängt in materiell-rechtlicher Hinsicht davon ab, ob der BGH die im Urteil des Senats vom 20.3.2014 vertretene Rechtsansicht zum Vorliegen einer einheitlichen wissentlichen Pflichtverletzung des Versicherten, die zur Leistungsfreiheit der Beklagten führt, bestätigt.

Zwar hat der BGH mit Beschluss vom 30.3.2005, X ZB 26/04 entschieden, dass ein anhängiges Revisionsverfahren, in dem über eine Rechtsfrage zu entscheiden ist, von deren Beantwortung auch die Entscheidung eines zweiten Rechtsstreits ganz oder teilweise abhängt, die Aussetzung der Verhandlung des zweiten Rechtsstreits grundsätzlich nicht rechtfertigt. Dass in einem anderen Verfahren über einen gleich oder ähnlich gelagerten Fall nach Art eines Musterprozesses entschieden werden soll, rechtfertige für sich genommen noch keine Analogie zu der in § 148 ZPO geregelten Fallkonstellation, denn die Vorschrift diene zwar auch der Prozessökonomie, indem sie die Gerichte vor der doppelten Befassung mit zumindest teilweise identischem Streitstoff bewahre. Darin erschöpfte sich der Zweck der Norm jedoch nicht. § 148 ZPO enthalte keine allgemeine Ermächtigung, die Verhandlung eines Rechtsstreits zur Abwendung einer vermeidbaren Mehrbelastung des Gerichts auszusetzen. Vielmehr sei die Aussetzung grundsätzlich nur dann eröffnet, wenn die Entscheidung in dem einen Rechtsstreit die Entscheidung des anderen rechtlich beeinflussen könne.

Ausdrücklich offengelassen hat der BGH aber, ob darüber hinaus Fälle denkbar sind, in denen der rechtlich erhebliche Einfluss des Verfahrens, bis zu dessen Entscheidung ausgesetzt wird, durch einen anderen, über bloße Prozesswirtschaftlichkeit hinausreichenden Wertungsgesichtspunkt ersetzt werden kann. Dahinstehen lassen hat der BGH auch, ob bei „Massenverfahren“ (in dem vom BGH entschiedenen Fall ging es nur um drei Parallelverfahren) die Unmöglichkeit einer angemessenen Bewältigung der Gesamtheit der Verfahren das Gewicht verfahrenswirtschaftlicher Erwägungen gegebenenfalls so zu erhöhen vermag, dass hierin ein nicht nur quantitativ, sondern qualitativ anderer Wertungsgesichtspunkt als die „normale“ Prozessökonomie hervortrete (BGH a.a.O. mit Verweis u.a. auf Stürner JZ 1978, 499; Musielak/Stadler ZPO, § 148 Rn 5, Stein/Jonas/Roth ZPO, § 148 Rn 16).

Nach Auffassung des erkennenden Senats ist vorliegend eine Sachlage gegeben, bei der über die „normale“ Prozessökonomie hinausgehende Wertungsgesichtspunkte die Aussetzung rechtfertigen, wenn nicht sogar notwendig machen.

So ist für eine Entscheidung über die noch anhängigen – derzeit über 60 – Berufungsverfahren bei jeweils mündlicher Verhandlung ein sehr hoher Aufwand erforderlich, der es unmöglich macht, die Verfahren in angemessener Zeit zu erledigen. Dieser Aufwand könnte vermieden werden, wenn nach Bestätigung des „Musterurteils“ vom 20.3.2014 durch Zurückweisungsbeschluss im Wege des § 522 II ZPO entschieden werden kann. Für den Fall der Abänderung des Musterurteils durch den BGH würde ein Abwarten auf die Rechtsmittelentscheidung verhindern, dass die Verfahren, in denen der Senat zwischenzeitlich die Berufung zurückgewiesen hätte, ggf. ein zweites Mal das Berufungsverfahren durchlaufen müssten.

Als weiterer Wertungsgesichtspunkt kommt hinzu, dass – streitwertbedingt – nicht in allen noch anhängigen Berufungsverfahren die Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde nach § 544 ZPO besteht. Da die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß § 543 ZPO fehlen, würde im Fall der Zurückweisung der Berufung in allen Parallelverfahren durch Urteil oder Beschuss nach § 522 II ZPO vor einer Bestätigung des Urteils vom 20.3.2014 durch den BGH die Gefahr bestehen, dass es letztlich zu uneinheitlichen Entscheidungsergebnissen kommt, was den klagenden Anlegern kaum zu vermitteln wäre. § 148 ZPO dient aber gerade auch der Entscheidungsharmonie (Zöller-Greger ZPO, § 148 Rn 1).

Unzumutbare Nachteile durch die Aussetzung für die Beklagten sind nicht ersichtlich. Als Grund für die fehlende Bereitschaft, einem Ruhen der Verfahren zuzustimmen, konnte der Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung in der Sache 3 U 233/12 nur angeben, dass es den Beklagten darauf ankomme, die Angelegenheit „in den Büchern“ alsbald abschließen zu können.

Die Aussetzung hemmt den Eintritt der Verjährung (vgl. Palandt-Ellenberger BGB, § 204, Rn 48), so dass der von dem Klägervertreter verlangte Einredeverzicht irrelevant ist.

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