OLG Frankfurt am Main, 21.10.2013 – 12 U 116/13

April 19, 2019

OLG Frankfurt am Main, 21.10.2013 – 12 U 116/13
Tenor:

Der Antrag des Klägers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist wird zurückgewiesen.

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Darmstadt vom 18. Juni 2013, Az. 13 O 230/11, wird auf Kosten des Klägers verworfen.
Gründe
1

I.

Mit Urteil vom 18.06.2013 hat das Landgericht Darmstadt die Klage abgewiesen. Das Urteil ist dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 9.7.2013 zugestellt worden. Mit Schriftsatz vom 7.8.2013, am 8.8.2013 bei Gericht eingegangen, hat der Kläger durch seinen prozessbevollmächtigten Rechtsanwalt gegen dieses Urteil Berufung einlegen lassen. Mit einem am 10.9.2013 im Original bei Gericht eingegangenem Schriftsatz vom 6.9.2013 hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers die Berufung begründet. Der Schriftsatz trägt im Briefkopf die fettgedruckte Angabe:
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„vorab per Fax: …“.
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Am 10.9.2013 erschien der Prozessbevollmächtigte des Klägers vormittags beim Senat und erkundigte sich beim stellvertretenden Vorsitzenden nach dem Eingang seines Telefax mit der Berufungsbegründung. Der stellvertretende Vorsitzende stellte durch Einsichtnahme in die Akten fest, dass ein solches Telefax nicht eingegangen war. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers kündigte daraufhin einen Wiedereinsetzungsantrag an, der noch am 10.09.2013 bei Gericht einging und mit dem er beantragte, dem Kläger wegen der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.
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Er vertritt die Ansicht, dass der Kläger die Berufungsbegründungsfrist schuldlos versäumt habe und begründet dies wie folgt: Die unterzeichnete Berufungsbegründungsschrift sei am 9.9.2013 rechtzeitig zum Versand bereit gewesen. Die Versendung sei auf das geschulte und zuverlässige Büropersonal übertragen. Mit dem Versand und der Kontrolle sei der seit 1991 dort tätige Rechtsanwaltsfachangestellte A beauftragt. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers habe ausdrücklich auf den Fristablauf hingewiesen. Es habe die klare Anweisung bestanden, die Berufungsbegründungsschrift am 9.9.2013 vorab per Telefax zu übersenden und den erfolgreichen Versand zu kontrollieren. Herr A habe diese Aufgabe auf die seit 2009 im Büro tätige, geschulte und zuverlässige Rechtsfachwirtin B übertragen. Frau B sei ausdrücklich auf den Fristablauf hingewiesen worden. Sie habe jedoch die Kontrolle des Versands vergessen. Am 10.9.2013 sei bei einer Überprüfung und Nachkontrolle der Frist festgestellt worden, dass sich für die Berufungsbegründungsfrist kein Telefaxprotokoll bei der Akte befand.
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Es gebe folgende bürointerne Daueranweisung: Beim Fristenversand besondere Sorgfalt walten zu lassen, ausgehende Telefaxschreiben auf einen erfolgreichen Versand zu prüfen und abendlich die Erledigung und den Ausgang der Fristabläufe anhand des Fristenkalenders zu kontrollieren. Die Bürokräfte seien angewiesen, die Frist erst zu streichen, nachdem sie sich anhand der Akte vergewissert haben, dass zweifelsfrei nichts mehr zu veranlassen sei.
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Zur Glaubhaftmachung hat er dem Wiedereinsetzungsantrag eidesstaatliche Versicherungen seines Prozessbevollmächtigten sowie seiner Kanzleiangestellten A und B beigefügt. Herr A hat in seiner eidesstattlichen Versicherung ergänzend erklärt, es sei die Kontrolle des Versands sowie die Kontrolle der Erledigung der Frist vergessen und bei der abendlichen Fristenkontrolle übersehen worden, dass der Versand nicht erfolgte. Frau B ergänzte in ihrer eidesstattlichen Versicherung, dass bei der abendliche Fristenkontrolle übersehen worden sei, „dass die zwar erledigte Frist noch nicht abgesandt wurde“.
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II.

Die Berufung ist unzulässig, weil sie nicht innerhalb der Berufungsbegründungsfrist begründet wurde. Die Frist lief zwei Monate nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils ab, also am 9.9.2013 (§ 520 Abs. 2 S. 1 ZPO). Die Berufungsbegründung ist am 10.9.2013 und damit nach Fristablauf beim Oberlandesgericht eingegangen.
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Wiedereinsetzung in den vorigen Stand konnte dem Kläger nicht gewährt werden, denn die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist beruht auf einem Verschulden seines Prozessbevollmächtigten. Dieses Verschulden muss sich der Kläger gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen.
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Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gehört es zu den Aufgaben des Prozessbevollmächtigten, dafür zu sorgen, dass ein fristgebundener Schriftsatz rechtzeitig gefertigt wird und innerhalb der Frist bei dem zuständigen Gericht eingeht. Zu diesem Zweck muss der Rechtsanwalt eine zuverlässige Fristenkontrolle organisieren und insbesondere einen Fristenkalender führen. Die Fristenkontrolle muss gewährleisten, dass die fristgebundene Maßnahme rechtzeitig ergriffen wird. Erst wenn dies geschehen ist, darf die fristwahrende Maßnahme im Kalender als erledigt gekennzeichnet werden. Die Erledigung fristgebundener Sachen ist am Abend eines jeden Arbeitstages anhand des Fristenkalenders zu überprüfen (BGH Beschluss vom 23.1.2013 – XII ZB 559/12– NJW-Spezial 2013, 351 Rn. 6; v. 12.4.2011 – VI ZB 6/10 – NJW 2011, 2051Rn. 7). Es muss sichergestellt sein, dass die im Fristenkalender vermerkten Fristen erst gestrichen oder in anderer Weise als erledigt gekennzeichnet werden, wenn die fristgebundene Maßnahme durchgeführt, der fristwahrende Schriftsatz also rechtzeitig vor Ablauf der Notfrist postfertig gemacht und nötigenfalls vorab per Telefax übermittelt worden ist. Dabei muss der Prozessbevollmächtigte auch Vorkehrungen treffen, die geeignet sind, versehentliche Erledigungsvermerke im Fristenkalender zu verhindern (vgl. BGH Beschluss vom 10.7.1997 – IX ZB 57/97 – NJW 1997, 3177, 3178). Nach diesen Maßstäben hat der Kläger die Fristversäumung nicht ausreichend entschuldigt.
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Der Wiedereinsetzungsantrag enthielt darüber, ob die konkrete Frist in einem Kalender eingetragen und wie die Fristenkontrolle am 9.9.2013 durchgeführt wurde, keine konkreten Angaben. Die Angaben in den eidesstattlichen Versicherungen B und A lassen den Rückschluss zu, dass eine abendlichen Fristenkontrolle am 9.9.2013 durchgeführt, dabei der fehlende Versand übersehen wurde. Angaben dazu, wer die Fristenkontrolle durchführte und welche Angaben der Fristenkalender zum streitgegenständlichen Verfahren anlässlich dieser Kontrolle enthielt, macht der Wiedereinsetzungsantrag nicht.
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Die organisatorischen Vorkehrungen, die der Prozessbevollmächtigte des Klägers allgemein zur Einhaltung der Fristen und zur Ausgangskontrolle getroffen hatte, beschränkten sich auf folgende Anweisungen: Eine Prüfung des erfolgreichen Versands eines Telefax, die abendliche Kontrolle der Erledigung und des Ausgangs der Fristabläufe sowie die Vorgabe, die Frist erst zu streichen, nachdem sie sich anhand der Akte zweifelsfrei vergewissert hätten, dass nichts mehr zu veranlassen sei. Daraus folgt allgemein, dass die Kontrolle der Einhaltung von Fristen und die Ausgangskontrolle den Bürokräften übertragen worden war. Als Sicherheitsvorkehrung, wenn wie hier der Versand eines fristgebundenen Schriftsatzes per Telefax vergessen worden war, kam nur die abendliche Ausgangs- und Fristenkontrolle in Betracht. Was mit „zweifelsfrei vergewissert“ gemeint ist, erläutert die Organisationsanweisung nicht. Vorkehrungen, die geeignet sind, versehentliche Erledigungsvermerke im Fristenkalender zu verhindern, wurden nach dem Wiedereinsetzungsgesuch nicht getroffen.
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Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat die Fristwahrung nach seinen Angaben im Wiedereinsetzungsantrag auch nicht selbst kontrolliert. Zu einer wirksamen Ausgangskontrolle gehört in diesem Fall die Anordnung, dass die Erledigung fristgebundener Sachen am Abend eines jeden Arbeitstages anhand des Fristenkalenders von einer dazu beauftragten Bürokraft überprüft wird; erforderlich ist dabei eine nochmalige, selbständige Prüfung (BGH, Beschluss v. 26.4.2012, – V ZB 45/11 – Wohnungseigentümer 2012, 176 Rn. 12, v. 13.9.2007 – III ZB 26/07, FamRZ 2007, 1879, 1880Rn. 15; v. 11.9.2007 – XII ZB 109/04, NJW 2007, 3497, 3498Rn. 13). Aus den eidesstattlichen Versicherungen A und B folgt, dass eine abendliche Ausgangskontrolle von einer nicht benannten Person folgendermaßen vorgenommen wurde:
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„Es wurde….leider bei der abendlichen Fristenkontrolle übersehen, dass der Versand nicht erfolgte“ (A).
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„Leider wurde auch bei der bürointernen Anweisung, abends die Fristen zu kontrollieren, ebenfalls übersehen, dass die zwar erledigte Frist noch nicht abgesandt wurde“ (B).
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Diese Angabe der Mitarbeiterin B zeigt zunächst ein falsches Verständnis davon, wann eine Frist „erledigt“ ist. Wenn, wofür die Angaben B sprechen könnten, die an diesem Tag ablaufende Berufungsbegründungsfrist von einer/m Kanzleiangestellten bereits mit einem Erledigungsvermerk versehen worden wäre, hätte sich der mit der abendlichen Prüfung Beauftragte schon wegen seiner eigenständigen Prüfungspflicht nicht auf diesen Vermerk verlassen dürften. Die gebotene Kontrolle darauf, ob das Sendeprotokoll in der Akte eingeheftet war, wurde am 9.9.2013 aber nicht vorgenommen, obwohl der bereits vom 6.9.2013 datierende Schriftsatz auf seiner ersten Seite fettgedruckt die Angabe „vorab per Fax“ aufweist.
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Hinzu kommt, dass das Wiedereinsetzungsgesuch auch keine Büroorganisation erkennen lässt, die eine wirksame Fristenkontrolle durch einen Kanzleimitarbeiter sicherstellt. Eine solche erfordert grundsätzlich die allgemeine Kanzleianweisung, nach der Übermittlung eines Schriftsatzes per Telefax anhand des Sendeprotokolls zu prüfen, ob die Übermittlung vollständig und an den richtigen Empfänger erfolgt ist, und die Frist im Fristenkalender erst anschließend zu streichen. Fehlt es an einer allgemeinen Anweisung, muss sich die Einzelanweisung, einen bestimmten Schriftsatz sogleich per Telefax abzusenden, zugleich auf die Ausgangskontrolle erstrecken; der/die Kanzleiangestellte sind also zusätzlich anzuweisen, die Frist erst nach einer Kontrolle der vollständigen Übermittlung anhand des Sendeprotokolls zu streichen (BGH, V ZB 45/11, a. a. o, Rn. 13; Beschluss v. 15.6.2011 – XII ZB 572/10, NJW 2011, 2367, 2368Rn. 13). Eine Anweisung, die sich darauf beschränkt, das ausgehende Fax nur auf seinen erfolgreichen Versand zu kontrollieren, gibt den Kanzleimitarbeitern – so auch hier – keine wirksame Ausgangskontrolle auf. Vortrag, aus dem sich ergäbe, dass der Prozessbevollmächtigte des Klägers eine solche einzelfallbezogene Anweisung erteilt hätte, enthält der Wiedereinsetzungsantrag nicht. Die Anweisung, den Schriftsatz am 9.9.2013 als Fax zu übersenden und den erfolgreichen Versand zu kontrollieren, wiederholt lediglich die unzureichende allgemeine Anweisung. Die Übergabe der Akte an eine Kanzleiangestellte mit dem Hinweis, dass der Schriftsatz noch am selben Tag an das Oberlandesgericht gefaxt werden müsse, bedeutete keine Anweisung zur sofortigen Erledigung vor allen anderen Arbeiten, auf deren Befolgung sich der Prozessbevollmächtigte unabhängig von allgemeinen büroorganisatorischen Maßnahmen einer wirksamen Fristen- und Ausgangskontrolle hätte verlassen dürfen. Denn dieser Hinweis wiederholt lediglich die Frist, die im Kalender ohnehin eingetragen war oder hätte eingetragen gewesen sein müssen. Sie macht ausreichende Vorkehrungen zur Ausgangs- und Fristenkontrolle am Tagesende nicht entbehrlich (BGH, XII ZB 559/12, a. a. o., Rn. 8).
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Auch die allgemeine Anweisung, die Frist erst zu streichen, wenn anhand der Akte „nichts mehr zu veranlassen sei“, ist ungenügend, da sie die Ausgestaltung der Ausgangs- und Fristenkontrolle undifferenziert auf die Kanzleiangestellten überlagerte, Sie dazu anzuhalten, ist jedoch Sache des Rechtsanwalts selbst. BGH, Beschluss v. 14.3.1996, III ZB 13/96, BGHR ZPO § 233 – Ausgangskontrolle 5, juris Rn. 4). Dies gilt insbesondere dann wenn, wie hier, die Fristenkontrolle intern unterschiedlichen Kanzleimitarbeitern aufgegeben werden kann. Abgesehen davon ist im vorliegenden Fall das Versehen der Rechtsfachwirtin B nach dem Wiedereinsetzungsantrag allein darin erblickt worden, dass sie die Kontrolle des Versands unterlassen habe. Aus den beschriebenen Abläufen ergibt sich aber, dass der Versand selbst von ihr unterlassen wurde, was zwingend ihr Unterlassen der Kontrolle des Versands zur Folge hat, und zudem bei der abendlichen Fristenkontrolle der fehlende Versand übersehen worden ist. Aus der bürointernen Daueranweisung „anhand der Akte nichts mehr zu veranlassen sei“ folgt nicht konkret, dass der erfolgreiche Versand per Telefax bei einem Schriftsatz mit dem Aufdruck „vorab per Fax“ anhand des in der Akte abzuheftenden Sendeprotokolls bei der abendlichen Fristenkontrolle zu prüfen ist. Ist eine derartige Vorgehensweise nicht allgemein angeordnet, liegt es nahe, dass die Fristenkontrolle unzuverlässig ist, da die Anweisung „in der Akte nichts mehr zu veranlassen“ den Mitarbeitern Auslegungsfragen auferlegt, die insbesondere bei wechselnden Mitarbeitern zu Fehlvorstellungen führen können, wie hier beispielsweise die Angabe der Rechtsfachwirtin B zeigt, „dass die zwar erledigte Frist noch nicht abgesandt wurde“.
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Kann somit nicht von einer wirksamen Kontrolle durch die Kanzleiangestellten ausgegangen werden, musste der Anwalt sie bei der Prüfung der Erledigung der fristgebundenen Sachen am Abend selbst durchführen, mithin auch das Sendeprotokoll überprüfen. Eine wie hier erst am 10.9.2013 vorgenommene „Nachprüfung“ nach Fristablauf, kann offenkundig nicht der wirksamen Frist- und Ausgangskontrolle dienen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

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