OLG Frankfurt am Main, 21.12.2012 – 16 U 128/12

Mai 2, 2019

OLG Frankfurt am Main, 21.12.2012 – 16 U 128/12
Leitsatz

Auch wenn die 5-jährige Verjährungsfrist für einen Anspruch auf Kostenvorschuss bis zum Zeitpunkt der Unterbrechung der Frist durch Einleitung eines selbstständigen Beweisverfahrens fast abgelaufen war, beginnt die ab 1.1.2002 sodann gehemmte Verjährungsfrist in vollständiger Länge neu zu laufen. (in Übereinstimmung mit OLG Oldenburg, Urt. v. 28.2.2006, 12 U 85/05; OLG Düsseldorf, Urt. v. 23.12.2005, 22 U 32/04; beide zitiert nach juris)
Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das am 21. Mai 2012 verkündete Urteil des Landgerichts Wiesbaden – 9 O 206/10 – wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin Sicherheit in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe
1

I.

Die Klägerin verlangt von der Beklagten die Zahlung eines Kostenvorschusses für die Beseitigung von Mängeln im Wege der Ersatzvornahme an einer von der Beklagten errichteten Wohnungseigentumsanlage.
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Hinsichtlich näherer Einzelheiten des Sachverhalts wird gemäß § 540 Abs. 1 S. 1, Nr. 1 ZPO auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (Bl. 236-240 d. A.) Bezug genommen.
3

Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß zur Zahlung eines Kostenvorschusses in Höhe von 80.590,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 3. September 2010 verurteilt, und zwar zur Händen der früheren Hausverwaltung der Klägerin, der Firma A GmbH, …straße, Stadt1, vertreten durch den Geschäftsführer B.
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Zur Begründung hat das Landgericht im Wesentlichen ausgeführt, dass der Klägerin aus § 633 Abs. 3 BGB a. F. gegen die Beklagte ein Anspruch auf Zahlung eines Kostenvorschusses zustehe, weil das Gewerk der Beklagten in dem geltend gemachten Umfang mit Mängeln behaftet sei und die Beklagte sich mit deren Beseitigung in Verzug befinde. Dabei hat das Landgericht die Auffassung vertreten, dass keine Verjährung des Anspruchs eingetreten sei, weil das selbstständige Beweisverfahren 5 OH 5/01 LG Wiesbaden noch nicht beendet und die Verjährung daher nach wie vor gehemmt sei. Hinsichtlich weiterer Einzelheiten der landgerichtlichen Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (Bl. 240-244 d. A.) Bezug genommen.
5

Die Beklagte hat gegen das ihr am 14. Juni 2012 zugestellte Urteil mit einer am 9. Juli 2012 bei Gericht eingegangenen Schrift Berufung eingelegt, die nach Verlängerung der Begründungsfrist bis zum 14. September 2012 mit einer am 4. September 2012 bei Gericht eingegangenen Schrift begründet worden ist.
6

Die Beklagte rügt Rechtsfehler und ist der Ansicht, das Landgericht habe zu Unrecht eine Verjährung des klägerischen Anspruchs verneint. Hierzu macht die Beklagte geltend, dass Art. 229 § 6 Abs. 2 EGBGB entgegen der Auffassung einiger Obergerichte nicht so auszulegen sei, dass am 1.1.2002 die neue Verjährungsfrist vollständig neu zu laufen beginne. Im Übrigen ist die Beklagte der Auffassung, dass hinsichtlich der von der Beklagten nicht angegriffenen Mängel entsprechend der Aufstellung auf Seite 7 der Berufungsbegründungsschrift in Höhe eines Betrages von 6.440,00 € die Hemmung der Verjährung mit Zustellung des Gutachtens vom 9. Februar 2003 geendet habe, sodass auf jeden Fall Verjährung eingetreten sei.
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Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Landgerichts Wiesbaden vom 21. Mai 2012 -9 O 206/10- abzuändern und die Klage abzuweisen.

8

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

9

Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil und schließt sich der Auffassung des Landgerichts an, dass ihr Anspruch auf Kostenvorschuss noch nicht verjährt sei.
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Hinsichtlich weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
11

II.

Die in formeller Hinsicht unbedenkliche Berufung der Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg.
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Zu Recht hat das Landgericht der Kostenvorschussklage der Klägerin in Höhe des geltend gemachten Betrages stattgegeben.
13

Auch nach Auffassung des Senats ist der klägerische Anspruch nicht verjährt.
14

Zunächst macht die Beklagte ohne Erfolg geltend, es dürfe nicht unberücksichtigt bleiben, dass bereits am 19. September 1996 die Abnahme erfolgt sei, während erst am 30. Juni 2010 die Klageschrift bei Gericht eingegangen sei. Entgegen der Ansicht der Beklagten kann es keine Rolle spielen, dass vor dem 1.1.2002 bis auf eine Restlaufzeit von etwas weniger als 5 Monaten die 5- jährige Verjährungsfrist bereits fast vollständig abgelaufen war.
15

Wegen Art. 229 § 6 Abs. 2 EGBGB beginnt am 1. Januar 2002 die nunmehr nach dem neuen Verjährungsrecht an die Stelle der Unterbrechung getretene Hemmung der Verjährung. Das selbstständige Beweisverfahren hatte zu einer Unterbrechung der Verjährung geführt. Am 1.1.2002 wurde aus der Unterbrechung eine Hemmung der Verjährung. Wie das Oberlandesgericht Oldenburg (vgl. Urteil vom 28.02.2006, 12 U 85/05, zitiert nach juris) und das Oberlandesgericht Düsseldorf (vgl. Urteil vom 23.12.2005, I – 22 U 32/04, zitiert nach juris) zutreffend entschieden haben, gilt, falls die Unterbrechungswirkung durch Einleitung des selbstständigen Beweisverfahrens vor dem 1. Januar 2002 eingetreten und mit Ablauf des 31. Dezember 2001 noch nicht beendet war, die Unterbrechung mit Ablauf des 31. Dezember 2001 als beendigt. Die neue Verjährung ist dann mit Beginn des 1. Januar 2002 gehemmt. Dies führt aber nicht dazu, dass ab dem 1. Januar 2002 nur die restliche Verjährungsfrist gehemmt ist. Vielmehr beginnt am 1. Januar 2002 eine neue, auch nach neuem Recht 5-jährige Verjährungsfrist, die ihrerseits sogleich bis zum Ablauf von 6 Monaten nach Abschluss des selbstständigen Beweisverfahrens gemäß § 204 Abs. 2 BGB n. F. gehemmt ist. Dieser Rechtsprechung schließt sich der Senat an. Einer abweichenden Beurteilung steht der eindeutige Wortlaut der Regelung entgegen. In Art. 229 § 6 Abs. 2 a. E. EGBGB heißt es ausdrücklich, dass die „neue“ Verjährung mit Beginn des 1. Januar 2002 gehemmt ist. „Neue“ Verjährung besagt eindeutig, dass die Verjährungsfrist neu zu laufen beginnt und dann eben, solange ein Hemmungsgrund vorliegt, gehemmt ist, der Wortlaut lässt nicht die Interpretation zu, dass nur noch die Restlaufzeit einer bereits unterbrochenen Verjährungsfrist nach dem 1.1.2002 gehemmt sein könnte.
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Also begann am 1.1.2002 eine vollständige neue Verjährungsfrist, nämlich diejenige nach § 634 a BGB in der nach dem 1.1.2002 geltenden Fassung zu laufen. Wegen des selbstständigen Beweisverfahrens ist diese neue 5-jährige Verjährungsfrist jedoch wiederum bis zum Ablauf von 6 Monaten nach Abschluss des selbstständigen Beweisverfahrens gemäß § 204 Abs. 2 BGB n. F. gehemmt, beginnt also erst 6 Monate nach Beendigung des Beweissicherungsverfahrens zu laufen.
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Entgegen der Ansicht der Beklagten führt dies auch nicht zu einer unangemessenen Benachteiligung des Bauunternehmers, da in allen Fällen, in denen selbstständige Beweisverfahren durchgeführt werden, zwischen der Abnahme der Werkleistung und dem tatsächlichen Ablauf der Gewährleistungsfrist je nach Dauer des selbstständigen Beweisverfahrens im Ergebnis nicht zu vermeidende und zum Teil äußerst lange Zeitläufe zu verzeichnen sind.
18

Entgegen der Ansicht der Beklagten ist auch nicht wenigstens bezüglich einiger Mängel, die Gegenstand der vorliegenden Vorschussklage sind, Verjährung eingetreten.
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Dabei kann dahingestellt bleiben, ob jeder Mangel verjährungsrechtlich einem eigenen Schicksal unterliegt, wenn mehrere Mängel Gegenstand eines selbstständigen Beweisverfahrens sind und innerhalb diesen selbstständigen Beweisverfahrens mehrere Gutachten eingeholt wurden, die sich unzweifelhaft nur jeweils auf einen Teil der behaupteten Mängel beziehen, sodass diese deutlich voneinander getrennt werden können.
20

Im vorliegenden Verfahren ist jedoch im Wesentlichen nur ein Gutachter mit der Mängelfeststellung insgesamt beauftragt worden, sodass ein separates verjährungsrechtliches Schicksal der Gewährleistungsansprüche aufgrund der Mängel problematisch ist.
21

Letztendlich kann diese Frage jedoch dahingestellt bleiben, da die Beklagte zu allen Positionen, die Gegenstand der Vorschussklage sind, Einwände im selbstständigen Beweisverfahren erhoben hat, ein Obergutachten, ein Ergänzungsgutachten des Sachverständigen und eine mündliche Erläuterung und eine mögliche Anhörung des Sachverständigen beantragt hat. Die unter Ziff. 2.2. auf Seite 7 der Berufungsbegründungschrift aufgeführten Positionen sind Gegenstand des Gutachtens des Sachverständigen … vom 9.2.2003. Mit seinem Schriftsatz vom 8. April 2003 (Anlage B 4 Bl. 108 ff. d. A.) hat der Beklagtenvertreter umfangreich zu dem Gutachten des Sachverständigen … vom 9. Februar 2003, Teil 1 und Teil 2, Stellung genommen und sowohl die Beauftragung eines Obergutachters als auch hilfsweise die Ergänzung des Sachverständigengutachtens … beantragt. Teil des daraufhin ergangenen Beweisbeschlusses vom 22.05.2003 war die beantragte Fragestellung, welche Verursachungsquote bei den festgestellten Mängeln auf Planung, Überwachung und Ausführung entfällt. Ein weiteres Gutachten des Sachverständigen … ist sodann am 9. Februar 2009 zugegangen, allerdings nicht bezüglich der Frage nach einer konkreten Aufschlüsselung der Verursacherquote aller Mängel hinsichtlich Planung, Ausführung und Überwachung. Diesbezüglich ist eine Begutachtung durch den Sachverständigen unterblieben und angekündigt worden, dass weitergehende Ausführungen hierzu erfolgen würden, wenn der Kostenvorschuss von der Beklagten eingezahlt würde.
22

Entgegen der Ansicht der Beklagten genügen auch die Ausführungen der Klägerin bezüglich der Ermittlungen der Kosten zur Begründung des Kostenvorschussanspruches. Hier sind, wie auch das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, keine zu hohen Anforderungen zu stellen, sofern Ausführungen in einem Sachverständigengutachten vorliegen. Denn es bedarf ja in jedem Fall noch einer endgültigen Abrechnung der tatsächlich angefallenen Kosten, wie es bei jedem Kostenvorschussanspruch im Wege einer Ersatzvornahme der Fall ist.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711, 709 ZPO.
24

Die Revision war nicht gemäß § 543 Abs. 2 ZPO zuzulassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts und die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordert.
25

Die Rechtsfrage der Verjährung wird nicht in Abweichung von höchstrichterlicher Rechtsprechung oder anderen obergerichtlichen Entscheidungen beurteilt; der Senat orientiert sich ausschließlich am Wortlaut des Art. 229 § 6 Abs. 2 EGBGB.

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