OLG Frankfurt am Main, 22.08.2017 – 16 U 253/16

März 20, 2019

OLG Frankfurt am Main, 22.08.2017 – 16 U 253/16
Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Limburg vom 11. November 2016, Az. 4 O 110/16, wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten der Berufung.

Dieses Urteil und das Urteil des Landgerichts sind vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert für die Berufung wird auf 20.000,- € festgesetzt.
Gründe

I.

Die Parteien schlossen im Mai 2014 eine mit „Dienstleistungsvertrag“ bezeichnete Vereinbarung. Darin verpflichtet sich die Klägerin unter Ziff. I, im eigenen Namen Ärzte und Rechtsanwälte zur Prüfung von Ansprüchen des Beklagten – einen professionellen Handballspieler – gegenüber der zuständigen Berufsgenossenschaft und privaten Versicherung sowie zu ihrer Durchsetzung nach Unfällen oder Krankheiten zu beauftragen. Dabei übernimmt die Klägerin sowohl die Kosten dieser Beauftragungen als auch die Koordination der Zusammenarbeit. Unter Ziff. IV ist vorgesehen, dass die Klägerin für ihre Tätigkeit ein Erfolgshonorar durch den Spieler i.H.v. 15 % der Kapitalbeträge der durchgesetzten Leistungen zzgl. MWSt. erhält. Nach Ziff. VI des Vertrags dauert das Vertragsverhältnis „bis zur endgültigen Entscheidung über die Durchsetzung der Ansprüche sowie deren Auszahlung an“. Eine ordentliche Kündigung des Vertrags durch den Beklagten ist ausgeschlossen.

Nachdem der Beklagte den Vertrag fristlos, hilfsweise ordentlich gekündigt hat, begehrt die Klägerin die Feststellung, dass der zwischen den Parteien geschlossene Vertrag fortbesteht.

Wegen der Einzelheiten wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (Bl. 75 bis 77 d.A.) Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, das Vertragsverhältnis sei durch die hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung des Beklagten beendet worden.

Der streitgegenständliche Vertrag sei auf unbestimmte Zeit geschlossen worden und habe deshalb jederzeit beendet werden können.

Durch den Vertrag sei kein Gesellschaftsverhältnis im Sinne des § 705 BGB begründet worden. Die Parteien hätten sich nicht einem gemeinsamen Zweck untergeordnet, sondern letztlich unterschiedliche Interessen verfolgt. Der Vertrag sei allein darauf gerichtet gewesen, dem Beklagten sein Kostenrisiko abzunehmen.

Die Befristungsabrede ergebe sich nicht in hinreichend eindeutiger Form aus dem Vertragsinhalt. Es sei nicht klar geregelt, um welche Ansprüche es gehe. Es ergebe sich aus dem Vertrag gerade nicht, dass davon nur Ansprüche des Beklagten aus den zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses bereits vorliegenden Verletzungen erfasst würden. Die Laufzeit verlängere sich somit um jeden weiteren Unfall des Beklagten. Dies ergebe sich auch daraus, dass die Klägerin auch im Fall der weiteren Knieverletzung des Beklagten aus dem Jahre 2015 tätig geworden sei.

Der Ausschluss des ordentlichen Kündigungsrechts verstoße darüber hinaus gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB, da sich die Vertragslaufzeit nicht aus dem Inhalt des Vertrags ermitteln lasse.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (Bl. 77 bis 80 d.A.) verwiesen.

Gegen dieses ihr am 15. November 2016 zugestellte Urteil hat die Klägerin mit einem am 15. Dezember 2016 eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt, die sie nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 16. Februar 2017 mit einem an diesem Tag eingegangenem Schriftsatz begründet hat.

Die Klägerin rügt die rechtliche Würdigung des Landgerichts. Der streitgegenständliche Vertrag sei vergleichbar mit einem Prozessfinanzierungsvertrag, der ebenfalls nicht gekündigt werden könne.

Die vereinbarte Befristung ergebe sich eindeutig aus dem Vertrag. Der Vertrag könne sich von vornherein nur auf diejenigen Unfälle und Verletzungen beziehen, die bei Abschluss des Vertrags vorhanden waren. Die Parteien hätten keine Veranlassung gehabt, für vollkommen ungewisse zukünftige weitere Verletzungen eine Regelung zu treffen.

Im Fall der nachträglich eingetretenen Knieverletzung sei der Vertrag erweitert worden.

Der Ausschluss des ordentlichen Kündigungsrechts verstoße deshalb auch nicht gegen das Transparenzgebot.

Der Vertrag unterliege keiner Inhaltskontrolle. Die §§ 305 ff. BGB seien nach § 310 Abs. 4 BGB nicht anwendbar, da es sich um einen Vertrag auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts handele. Die Auffassung des Landgerichts stehe der Annahme eines zumindest gesellschaftsähnlichen Verhältnisses nicht entgegen und widerspreche der Entscheidung des OLG Stadt1, ohne sich mit dieser auseinanderzusetzen. Die Parteien hätten einen gemeinsamen Zweck verfolgt, nämlich die Durchsetzung von Ansprüchen gegen die Berufsgenossenschaft. Es liege damit ein gemeinsamer Zweck vor, wenn auch die Parteien unterschiedliche Beiträge leisteten.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Landgerichts Limburg vom 11. November 2016 abzuändern und festzustellen, dass der zwischen ihr und dem Beklagten am 6. Mai 2014 geschlossene Dienstleistungsvertrag nicht durch die von dem Beklagten mit Schreiben vom 11. November 2015 ausgesprochene Kündigung beendet wurde, sondern mit sämtlichen Rechten und Pflichten fortbesteht.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens das angefochtene Urteil.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung ist nicht begründet.

Das Landgericht hat im Ergebnis zu Recht angenommen, dass das Vertragsverhältnis zwischen den Parteien durch die hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung des Beklagten beendet worden ist.

1. Der Senat geht mit dem Landgericht davon aus, dass es sich bei dem Vertrag um einen Dienst(leistungs)vertrag nach § 611 BGB und nicht um eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts im Sinne des § 705 BGB bzw. um einen Vertrag auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts handelt.

Der zwischen den Parteien geschlossene Vertrag ist bereits nicht mit einem Prozessfinanzierungsvertrag vergleichbar, bei dem umstritten ist, ob es sich um einen partiarischen Darlehensvertrag, einen Versicherungsvertrag, einen Forderungskauf oder um eine Gesellschaft – wenn ja in welcher Ausprägung – handelt (vgl. dazu beispielsweise Frechen/Kochheim, NJW 2004, 1213; Grunewald, BB 2000, 729; ausführlich LG Bonn, Urteil vom 25. August 2006, 15 O 198/06, zitiert nach juris). Bei einem Prozessfinanzierungsvertrag führt der Mandant selbst den Prozess, wobei er sich die Kosten der Rechtsverfolgung finanzieren lässt, zur Sicherheit seine Ansprüche an den Finanzierer abtritt und ihn am Erlös beteiligt (Dethloff, NJW 2000, 2225). Vorliegend sollte nicht der Beklagte selbst seine Ansprüche geltend machen; vielmehr sollte dies von der Klägerin übernommen werden, indem sie – so Ziff. III des Vertrags – für den Beklagten finanzielle Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung, der privaten Unfallversicherung und der privaten Berufungsunfähigkeitsversicherung prüfen und durchsetzen lässt. Dabei sollte die Klägerin nach Ziff. I im eigenen Namen (und auf eigene Kosten) Ärzte und Rechtsanwälte zur Prüfung und Durchsetzung der Ansprüche beauftragen und vergüten. Demgegenüber beschränkt sich der Beitrag des Beklagten (vgl. Ziff. II) auf eine Entbindung seiner Ärzte von der Schweigepflicht, auf die Zustimmung zur Weitergabe der medizinischen Unterlagen und Ergebnisse, auf die Teilnahme an Untersuchungen durch Ärzte sowie (Ziff. IV) im Erfolgsfall auf einen Verzicht von 15 % der Kapitalerträge der durchgesetzten Leistungen zugunsten der Klägerin. Damit ging es aber den Parteien nicht um die Verfolgung eines gemeinsamen Zwecks, den die Klägerin – wie bei der Prozessfinanzierung – durch die Übernahme der Prozesskosten und des Prozesskostenrisikos gefördert hätte. Vielmehr stellt sich der Vertrag – wie bereits seine Überschrift zeigt – als reiner Dienstleistungsvertrag dar, bei dem die Klägerin eigenverantwortlich und auf eigene Rechnung Geschäfte des Beklagten – die Durchsetzung von Ansprüchen – besorgt sowie dessen Vermögensinteressen wahrnimmt.

2. Als Dienstleistungsvertrag mit unstreitig von der Klägerin für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten Bedingungen unterfällt der Vertrag den Vorschriften über die Inhaltskontrolle allgemeiner Geschäftsbedingungen nach §§ 305 ff. BGB. Dier Ausschluss der ordentlichen Kündigung ist unwirksam, da die Befristungsklausel der Ziff. VI nicht klar und verständlich ist und damit gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB verstößt. Dabei kann offen bleiben, ob mit dem Landgericht die Befristungsabrede deshalb zu beanstanden ist, weil sich aus ihr nicht hinreichend ergibt, welche Ansprüche in zeitlicher Hinsicht – nur Unfälle / Krankheiten aus der Vergangenheit oder auch während der Laufzeit des Vertrags eintretende Ereignisse – von ihr erfasst sind. Sie ist nämlich – was der Beklagte zu Recht rügt – deshalb unklar, weil sie auch für einen aufmerksamen und sorgfältigen Teilnehmer nicht eindeutig erkennen lässt, was damit gemeint ist, dass das Vertragsverhältnis „bis zur endgültigen Entscheidung über die Durchsetzung der Ansprüche sowie deren Auszahlung andauert“. Es ist bereits nicht eindeutig ersichtlich, ob bei der Befristung an eine Entscheidung (z.B. einen Bescheid) einer gesetzlichen/privaten Versicherung angeknüpft wird oder ob von dem Vertrag auch die gerichtliche Durchsetzung von Ansprüchen erfasst ist und es insoweit auf eine gerichtliche Entscheidung ankommen kann. Der Vertrag sieht zwar vor, dass die Klägerin im eigenen Namen Ärzte und Rechtsanwälte zur Prüfung von Ansprüchen des Beklagten und zu ihrer Durchsetzung beauftragt; er enthält jedoch keine Aussage darüber, ob damit auch eine gerichtliche Durchsetzung gemeint ist, wie die Klägerin anführt. Zwar könnte der Begriff der „Entscheidung“ für letzteres sprechen; allerdings gibt es keine endgültigen gerichtlichen Entscheidungen, sondern nur rechtskräftige. Auch streitet die in dem Vertrag geregelte Kostentragung eher gegen die Annahme, dass auch eine Durchsetzung von Ansprüchen vor Gericht umfasst ist. Denn unter Ziff. IV heißt es ausdrücklich, dass dem Spieler (= Beklagten) für den Fall, dass Ansprüche nicht durchgesetzt werden können, keine Kosten entstehen. Da die Klägerin aber nur die Kosten der Beauftragungen der Ärzte und Rechtsanwälte trägt (vgl. Ziff. I), bei Gerichtsprozessen aber ggfls. weitere Kosten anfallen können (bei einem sozialgerichtlichen Verfahren zumindest eventuelle Gutachterkosten, bei einem Zivilrechtsstreit gegen eine private Versicherung auch Gerichts- und Anwaltskosten), bleibt es unklar, ob die Klägerin auch eine gerichtliche Durchsetzung schuldet und die Dauer des Vertrags damit ein Gerichtsverfahren beinhaltet.

Auch hat der Beklagte in der Berufungserwiderung zu Recht die Frage aufgeworfen, ob unter „endgültiger Entscheidung“ möglicherweise jene der Klägerin über ein „ob“ einer (weiteren) Verfolgung von Ansprüchen gemeint ist. Da nach der Konstruktion des Dienstleistungsvertrags die Klägerin die Rechtsanwälte im eigenen Namen beauftragt, ein Mandatsverhältnis zwischen Rechtsanwälten und dem Beklagten also nicht besteht, ist unklar, wer letztlich die Entscheidung darüber trifft, ob ein Verfahren, bei dem beispielsweise der Versicherer eine geringere Rente zubilligt als beantragt, weitergeführt wird. Die Klägerin kann insoweit nicht damit gehört werden, dass sie sich möglicherweise schadensersatzpflichtig mache, wenn sie ein erfolgversprechendes Rechtsmittel nicht einlege, dies aber mit der Beendigung des Vertragsverhältnisses nichts zu tun habe. Denn dies ändert nichts daran, dass unklar bleibt, wie lange das Vertragsverhältnis andauern soll. Letztlich muss aber der Kunde bereits bei Vertragsschluss erkennen können, wie lange er mangels der Möglichkeit einer ordentlichen Kündigung an den Vertrag gebunden ist. Dies ist jedoch nicht der Fall.

Da die unklare Befristungsregelung untrennbar mit dem Ausschluss der ordentlichen Kündigung verbunden ist, liegt ein Verstoß gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB vor mit der Folge der Unwirksamkeit des Ausschlusses der ordentlichen Kündigung.

Der Vertrag ist deshalb durch die hilfsweise ordentliche Kündigung des Beklagten beendet worden, so dass es nicht darauf ankommt, ob auch ein wirksamer Widerruf des Vertrags vorliegt.

Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.

III.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97 Abs. 1, 708 Ziff. 10, 713 ZPO, § 26 Ziff. 8 EGZPO.

Die Revision war nicht gemäß § 543 Abs. 2 S. 1 ZPO zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordert.

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