OLG Frankfurt am Main, 22.12.2016 – 6 U 172/15

März 20, 2019

OLG Frankfurt am Main, 22.12.2016 – 6 U 172/15
Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das am 6.8.2015 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt a. M. wird zurückgewiesen.

Auf die Anschlussberufung der Klägerin wird das angefochtene Urteil teilweise abgeändert. Die Beklagte wird weiter verurteilt, an die Klägerin 1.209,20 € nebst Zinsen zu einem Zinssatz in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 27.9.2013 zu zahlen.

Von den Kosten des Berufungsverfahrens haben die Klägerin 4/5 und die Beklagte 1/5 zu tragen.

Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 50.000,- € abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe

I.

Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil wird Bezug genommen (§ 540 I, 1 ZPO). Mit der Berufung wendet sich die Beklagte gegen die Verurteilung durch das Landgericht. Mit der Anschlussberufung verfolgt die Klägerin die abgewiesenen Klageansprüche in dem aus den nachfolgend wiedergegebenen Anträgen ersichtlichen Umfang weiter.

Im Berufungsverfahren wiederholen und vertiefen beide Parteien ihr erstinstanzliches Vorbringen; wegen der Einzelheiten wird auf die nachfolgenden Ausführungen unter II. sowie die gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen verwiesen.

Die Beklagte beantragt zu ihrer Berufung,

das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Zu ihrer Anschlussberufung beantragt die Klägerin,

das angefochtene Urteil abzuändern und wie folgt neu zu fassen:

1.

Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu € 200.000,00, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall bis zu zwei Jahren, zu vollstrecken an ihren Geschäftsführern, zu unterlassen, ohne Zustimmung der Klägerin im geschäftlichen Verkehr
a)

Das Zeichen „B“
(1)

Für Dämmschalungselemente mit rechteckiger Flächenausdehnung aufweisend Dämmung aus geschäumtem Wärmedämmstoff (Neopor) und/oder Perlite-Füllung und/oder Mineralwolle,
(2)

Kippsicherungen (Kunststoffanker zum Einbinden in Deckenbewegungen,
b)

das Zeichen „B1“ für Fensterkomplettsysteme
c)

das Zeichen „B2“ mit und ohne Zusätzen wie „a“, „b“, „c“, „d“, „d1“ oder „d2“

für Dämmschalungselemente mit rechteckiger Flächenausdehnung aufweisend Dämmung zu benutzen;
2.

die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin Auskunft über die Menge der hergestellten und ausgelieferten Waren gemäß vorstehend zu Ziffer 1. sowie über die Preise, die für die betreffenden Ware gezahlt wurden zu erteilen;
3.

es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr aus den vorstehend unter Ziffer 1. bezeichneten Handlung entstanden ist und künftig entstehen wird;
4.

die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin € 2.616,90 nebst Zinsen zu einem Zinssatz in Höhe von 5 Prozentpunkten über den jeweiligen Basiszinssatz, und zwar für den Betrag in Höhe von € 1.365,00 seit 27. September 2013 und für den € 1.251,90 seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Anschlussberufung zurückzuweisen.

II.

Berufung und Anschlussberufung sind zulässig; in der Sache hat die Berufung keinen, die Anschlussberufung zu einem geringen Teil Erfolg. Das Landgericht hat die Beklagte mit Recht auf der Grundlage der Abgrenzungsvereinbarung vom 30.3./18.4.2006 – auf die die Klage allein gestützt ist – zur Unterlassung, Auskunft und Schadensersatzfeststellung in dem tenorierten Umfang verurteilt. Die weitergehende Klage hat es – mit Ausnahme eines der Klägerin zustehenden Kostenerstattungsanspruchs für die anwaltliche Abmahnung – ebenfalls mit Recht abgewiesen.

1. Die Beklagte hat in Ziffer 3. der Abgrenzungsvereinbarung zum einen eine Verpflichtung zur Teillöschung ihrer Marke übernommen, zum andern aber auch einen Benutzungsverzicht erklärt, d.h. sie ist eine vertragliche Unterlassungsverpflichtung eingegangen.

a) Für die vorzunehmende Auslegung von Ziffer 3. der Abgrenzungsvereinbarung hat das Landgericht zunächst mit zutreffenden Erwägungen angenommen, dass der Wortlaut dieser Regelung auf Grund eines offensichtlichen Versehens bei der Abfassung wie folgt – nämlich um das Wort „vorgenannte“ – zu ergänzen ist:

„A verpflichtet sich ferner, das Waren- und Dienstleistungsverzeichnis der … „B“ in Bezug auf die Klasse … sowie die Benutzung dieser Marke zu beschränken auf ‚Rolläden und Rollädenkästen für innen und außen, die im wesentlichen nicht aus Metall und/oder Stahl gefertigt sind, insbesondere Rolläden und Rollädenkästen, die im wesentlichen aus Kunststoff gefertigt sind; sämtliche vorgenannte Waren der Klasse …, ausgenommen Formteile aus Mineralwollfasern‘.“

Die Beklagte hat diese Ergänzung selbst gegenüber dem DPMA auf dessen Hinweis hin im Rahmen des gestellten Teillöschungsantrages vorgenommen. Die ergänzte Fassung der Regelung ist daher auch für die Bestimmung des Umfangs des von der Beklagten zugleich übernommenen Benutzungsverzichts maßgeblich.

Für die Beantwortung der weiteren Frage, wie die in der Regelung für den Benutzungsverzicht verwendete Passage („sowie die Benutzung dieser Marke zu beschränken auf …“) inhaltlich zu verstehen ist, ist maßgeblich auf die wechselseitigen Schreiben der Parteien bzw. ihrer Vertreter, die zu der Abgrenzungsvereinbarung geführt haben, abzustellen.

Auf den Widerspruch, den die Klägerin aus ihrer Wortmarke „C“ gegen die in Rede stehende Marke „B“ der Beklagten eingelegt hatte, hat der Patentanwalt der Beklagten mit Schreiben vom 31.1.2006 (Anlage K 14; Bl. 161 d.A.) das Interesse der Beklagten an einer außergerichtlichen Einigung bekundet und dabei darauf hingewiesen, dass die Beklagte nicht beabsichtige, die Marke „B“ für Baumaterialien oder Mineralwollerzeugnisse in Form von Formteilen zu verwenden. Mit Antwortschreiben vom 6.3.2006 (Anlage K 3; Bl. 17 f. d.A.) hat der Patentanwalt der Klägerin diese Bereitschaft der Beklagten zur Kenntnis genommen, jedoch ausgeführt, dass das Warenverzeichnis der Marke der Beklagten beispielsweise auch Rollädenkästen aus Holzfasern umfasse, die eine große Warennähe zu Formteilen aus Mineralwollfasern aufwiesen; eine Einigung sei daher nur dann möglich, wenn die Beklagte auf die Warenklasse … verzichte und sich im Rahmen einer üblichen Vorrechtsvereinbarung verpflichte, die Marke „B“ nicht für Formteile aus Mineralwollfasern zu verwenden, wozu auch Rollädenkästen zu verstehen seien. Hierauf hat der Patentanwalt der Beklagten mit Schreiben vom 7.3.2006 (Anlage K 4; Bl. 19 d.A.) erwidert, ein Verzicht auf die Warenklasse … komme nicht in Frage, weil die Beklagte Rollädenkästen aus Polystrol und Ziegelmaterial bzw. Tonmaterial herstelle; die Beklagte sei jedoch bereit, das Waren- und Dienstleistungsverzeichnis dahingehend einzuschränken, dass die Waren der Klasse … mit dem Zusatz „nicht aus Mineralwolle“ ergänzt werden. Weiter heißt es in dem Schreiben, auch die Unterzeichnung einer entsprechenden Vorrechtsvereinbarung, in der auf Formteile aus Mineralwolle verzichtet wird, sei akzeptabel. Daraufhin hat der Patentanwalt der Klägerin die von ihm entworfene und von der Klägerin bereits unterzeichnete Abgrenzungsvereinbarung dem Patentanwalt der Beklagte mit der Bitte um Gegenzeichnung übersandt; das Begleitschreiben hierzu vom 5.4.2006 (Anlage B 1; Bl. 141) enthält keine weiteren Ausführungen zum Inhalt der Vereinbarung.

Unter diesen Umständen ist Ziffer 3. der Vorrechtsvereinbarung dahin auszulegen, dass der von der Beklagten ausgesprochene Benutzungsverzicht grundsätzlich alle zur Warenklasse … gehörenden Baumaterialien erfasst und die Beklagte ihre Marke lediglich für die in Ziffer 3. ausdrücklich genannten Waren, nämlich für im Wesentlichen nicht aus Metall oder Stahl gefertigte Rolläden und Rollädenkästen und darüber hinaus auch nicht für Formteile aus Mineralwollfasern benutzen wird. Der Patentanwalt der Klägerin hat in seinem Schreiben vom 6.3.2006 zum Ausdruck gebracht, dass die Klägerin zu einer Einigung grundsätzlich nur dann bereit sei, wenn die Beklagte „auf die Warenklasse … verzichtet“. Hiermit waren zwar ersichtlich nicht sämtliche zur Warenklasse … gehörenden Waren (also etwa auch transportable Bauten oder Baudenkmäler) gemeint, wohl aber die in diese Warenklasse … fallenden Baumaterialien (nicht aus Metall); denn der Patentanwalt der Beklagte hatte in seinem vorangegangenen Schreiben vom 31.1.2006 selbst ausgeführt, dass die Beklagte nicht beabsichtige, die Marke „B“ für Baumaterialien oder Mineralwollerzeugnisse in Form von Formteilen zu verwenden. Wenn der Patentanwalt der Beklagten in seinem weiteren Schreiben vom 7.3.2006 erwidert hat, die Beklagte könne auf die Warenklasse … nicht verzichten, weil sie Rollädenkästen aus Polystrol und Ziegelmaterial bzw. Tonmaterial herstelle, war dies nur dahin zu verstehen, dass die Beklagte auf die Warenklasse … nicht vollständig verzichten könne, weil die genannten Waren nun einmal in diese Klasse fielen. Das änderte jedoch aus Sicht der Klägerin nichts daran, dass die Beklagte im Übrigen nach wie vor bereit sei, das Warenverzeichnis auf das für diesen Benutzungsumfang notwendige Maß einzuschränken und die Marke auch tatsächlich nicht für andere nicht aus Metall bestehende Baumaterialien zu verwenden. Soweit die Beklagte tatsächlich beabsichtigt haben sollte, im Gegensatz zur Ankündigung im Schreiben vom 31.1.2006 den Benutzungsverzicht für Baumaterialien der Klasse … noch weiter einzuschränken, kommt dies in ihrem Schreiben vom 7.3.2006 jedenfalls nicht zum Ausdruck.

Damit hat sich die Beklagte im Ergebnis vertraglich verpflichtet, die Benutzung der Marke „B“ für andere in die Warenklasse … fallende Baumaterialien als im Wesentlichen nicht aus Metall oder Stahl gefertigte Rolläden und Rollädenkästen sowie für Formteilen aus Mineralwollfasern zu unterlassen.

b) Wie das Landgericht weiter zutreffend angenommen hat, gilt der vertragliche Benutzungsverzicht allerdings nur für die Verwendung des Zeichens „B“ in Alleinstellung oder in Kombination mit glatt beschreibenden Zusätzen, nicht dagegen für Zeichen, die sich aus dem Bestandteil „B“ und einem weiteren Bestandteil zusammensetzen, dem eine – wenn auch schwache – Unterscheidungskraft nicht von vornherein abgesprochen werden kann.

Den Parteien muss bei Abschluss der Abgrenzungsvereinbarung klar gewesen sein, dass die für den Erfolg des Widerspruchs der Klägerin erforderliche Zeichenähnlichkeit zwischen der älteren Marke „C“ und der jüngeren Marke „B“ zumindest zweifelhaft war. Dies hat zur Folge, dass – selbst wenn die Zeichenähnlichkeit zu bejahen gewesen sein sollte – Zusätze zu der angegriffenen Marke jedenfalls dann zu einer anderen Beurteilung hätten führen können, wenn sie über glatt beschreibende Angaben hinausgehen und daher für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr möglicherweise von Bedeutung sind. Auch die Klägerin konnte daher nicht davon ausgehen, dass die Beklagte eine Verzichtserklärung abgeben wollte, die ihr auch die Benutzung solcher Zeichen vertraglich untersagen würde.

2. Auf der Grundlage dieser Auslegung der Abgrenzungsvereinbarung hat die Beklagte dadurch gegen die vertragliche Unterlassungspflicht verstoßen, dass sie Dämmschalungselemente unter dem Zeichen „B-Dämmschalungs-Systeme““ (Anlagen K 7 und K 9) angeboten und vertrieben hat. Denn bei diesen Waren handelt es sich um zur Warenklasse … gehörende Baumaterialien, bei denen es sich auch nicht um Rolläden oder Rollädenkästen handelt.

Das Landgericht hat die Beklagte deswegen zu Recht zur Unterlassung und Auskunftserteilung verurteilt und die Schadensersatzpflicht der Beklagten festgestellt.

3. Dagegen stehen der Klägerin die mit der Anschlussberufung verfolgten weitergehenden Unterlassungs- und Folgeansprüche nicht zu, da es insoweit an einem Verstoß der Beklagten gegen die vertragliche Unterlassungsverpflichtung fehlt.

Eine Benutzung des Zeichens „B“ für Kippsicherungen (Anschlussberufungsantrag zu 1. a) (2)) hat die Klägerin nicht dargetan. Zwar wird eine Kippsicherung auf Seite 5 der Anlage K 7 erwähnt. Diese Kippsicherungen haben jedoch – wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat – mit Dämmschalungssystemen keinen so engen sachlichen Zusammenhang, dass der angesprochene Verkehr dem im Gesamtzeichen „B-Dämmschalungssysteme“ enthaltenen Bestandteil „B“ einen Herkunftshinweises auch auf diese Kippsicherung beimisst.

Die weiter beanstandeten Zeichen „B1“ (Anschlussberufungsantrag zu 1. b)) und „B2“ (Anschlussberufungsantrag zu 1. c)) fallen aus den oben unter 1. b) genannten Gründen nicht unter die vertragliche Unterlassungsverpflichtung. Die jeweiligen Zusätze „1“ und „-2“ haben zwar einen gewissen beschreibenden Anklang, sind aber nicht glatt beschreibend.

4. Teilweise begründet ist die Anschlussberufung – unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes aus Vertrag – hinsichtlich des Anspruchs auf Erstattung der Anwaltskosten für die Abmahnung (Anschlussberufungsantrag zu 4.). Die Klägerin hat die Höhe der geltend gemachten Forderung im Berufungsverfahren hinreichend konkretisiert. Die Klage ist jedoch nur in Höhe von 1.209,20 € nebst Zinsen in der verlangten Höhe begründet.

Mit der Abmahnung sind neben den vom Senat zuerkannten Ansprüchen auch die nicht bestehenden Ansprüche hinsichtlich der Verwendung des Zeichens „B“ für Kippsicherungen geltend gemacht worden. Der Gegenstandswert für die Abmahnung ist unter Berücksichtigung der vom Senat vorgenommenen Streitwertfestsetzung für das Berufungsverfahren mit 50.000,- € anzusetzen. Damit ist für die Abmahnung eine 1,3-Geschäftsgebühr von 1.511,90 € entstanden, die von der Beklagten in Höhe von 80 %, mithin 1.209,20 €, zu erstatten ist, da die Abmahnung in diesem Umfang berechtigt war.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 I ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision (§ 543 II ZPO) sind nicht erfüllt.

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