OLG Frankfurt am Main, 22.12.2017 – 3 U 186/16

März 19, 2019

OLG Frankfurt am Main, 22.12.2017 – 3 U 186/16
Leitsatz:

1.

Mit der Übertragung der Räum- und Streupflicht auf ein Unternehmen verkürzt sich die Verkehrssicherungspflicht auf eine Kontroll- und Überwachungspflicht.
2.

Auf die Kausalität einer Verletzung dieser Pflicht kann – anders als bei der Verletzung der primären Räum- und Streupflicht – auch bei einem Sturz innerhalb der zeitlichen Grenzen der Räum- und Streupflicht nicht im Wege des Anscheinsbeweises geschlossen werden.

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das am 30.08.2016 verkündete Urteil des Landgerichts Wiesbaden (Az. 1 O 293/15) wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten der Berufung zu tragen einschließlich der Kosten der Nebenintervention.

Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Der Gebührenstreitwert für die Berufung wird auf bis 110.000,- € festgesetzt.
Gründe

I.

Wegen des Sach- und Streitstands wird auf die Darstellung im Hinweisbeschluss vom 12.10.2017 (Bl. 438 ff. d.A.) sowie den Tatbestand des angefochtenen Urteils (Bl. 305 ff. d.A.) verwiesen.

Auf den Hinweisbeschluss hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 12.12.2017 (Bl. 468 ff. d. A.) Stellung genommen, auf den verwiesen wird.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

das angefochtene Urteil abzuändern und der Klage nach den erstinstanzlichen Anträgen stattzugeben.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

II.

Das Rechtsmittel der Klägerin war gemäß § 522 Abs. 2 S. 1 ZPO durch einstimmigen Beschluss des Senats zurückzuweisen, weil die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat und eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist. Die Rechtssache hat auch weder grundsätzliche Bedeutung noch ist aus Gründen der Rechtsfortbildung oder Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung durch Urteil erforderlich. Zur Begründung wird auf die Ausführungen im Hinweisbeschluss vom 12.10.2017 (Bl. 438 ff. d.A.) verwiesen.

1. Soweit die Klägerin auf die Hinweise des Senats mit Schriftsatz vom 12.12.2017 Stellung genommen hat, gibt das darin Vorgebrachte keine Veranlassung, von der Einschätzung im Hinweisbeschluss abzuweichen:

a) Die Räum- und Streupflicht der Beklagten hat sich nach Übertragung auf den Hausmeisterservice A auf eine Kontroll- und Überwachungspflicht verkürzt. Anders als die Klägerin meint, gab es mit den Hausmeisterverträgen vom 01.10.2000 und 18.06.2009 eine klare und eindeutige Absprache, auch den zum Gelände der Liegenschaften gehörenden Fußweg zu räumen. Denn den Fußweg bzw. Gehweg führen die Leistungsbeschreibungen in beiden Verträgen ausdrücklich auf.

b) Entgegen der durch die Klägerin vertretenen Auffassung haben die Beklagten mit dem Vortrag, sie hätten die ordnungsgemäße Verrichtung des Winterdienstes monatlich durch eine Begehung der Liegenschaft kontrolliert, ausreichend zur Erfüllung dieser Kontroll- und Überwachungspflicht vorgetragen. Ohne Bestreiten der Beklagten war eine Konkretisierung dieses Vortrags nicht erforderlich. Auch in den Wintermonaten genügte dabei eine monatliche Kontrolle, nachdem die Beklagten ihre Räum- und Streupflicht auf eine Fachfirma mit überlegenen Kenntnissen übertragen hatten und es seit Übertragung mehr als zwölf Jahre vor dem Unfall nie zu Beanstandungen gekommen ist. In den Sommermonaten dürfte demgegenüber eine Kontrolle der Räum- und Streupflicht entbehrlich sein.

c) Soweit man eine fortbestehende primäre Räum- und Streupflicht der Beklagten unterstellt, können auch keine ernstlichen Zweifel an der Beweiswürdigung des Landgerichts bestehen, nach der der erste Anschein der Ursächlichkeit der Verkehrssicherungspflichtverletzung für den Sturz der Klägerin mit den Aussagen der Zeugen A und B erschüttert ist und die Klägerin daraufhin die Verletzung der Räum- und Streupflicht mit der Aussage der Zeugin C nicht bewiesen hat:

Insbesondere konnte der Zeuge B detailliert das regelmäßig durchgeführte zweifache Befahren des Fußwegs mit dem Räumfahrzeug beschreiben. Zwar konnte er sich an den Unfalltag konkret nicht erinnern, diese Erinnerungslücke füllt aber die Aussage des Zeugen A. Dieser hat unter Bezugnahme auf den Arbeitsbericht für diesen Tag ausgesagt, dass danach der Zeuge B den Winterdienst am Unfalltag zwischen 3.55 und 5.05 Uhr versehen und dabei 5 x 25 kg Streugut verbraucht hat.

Die Bedenken des Landgerichts an der Glaubhaftigkeit der Aussage der Zeugin C sind berechtigt, da diese ausgesagt hat, der Fußweg sei wochentags um 10.00 Uhr noch vollständig mit Schnee bedeckt gewesen, der zwei Parallelstraßen verbindet und zu einem Parkplatz führt. Dabei macht entgegen der durch die Klägerin vertretenen Ansicht es keinen Unterschied, ob die Zeugin im Anschluss ausgesagt hat, keine Fußspuren gesehen zu haben oder das Vorhandensein von Fußspuren generell verneint hat. Denn Zeugen können grundsätzlich nur subjektiv aussagen, was sie wahrgenommen haben.

d) Die Ausführungen des Gerichts zum Mitverschulden sind lediglich eine weitere Hilfserwägung. Der Klägerin ist zuzugeben, dass, soweit es auf das Mitverschulden ankäme, tatsächlich auf eine Quote zu erkennen wäre. Dies ist für die Entscheidung des konkreten Falls aber unerheblich.

2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 I ZPO. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat seine Grundlage in § 708 Nr. 10 S. 2 ZPO. Die Festsetzung des Gebührenstreitwerts folgt den nicht angegriffenen Vorgaben des Landgerichts.

Vorausgegangen ist unter dem 12.10.2017 folgender Hinweis

In dem Rechtsstreit (…)

wird darauf hingewiesen, dass beabsichtigt ist, die Berufung der Klägerin durch Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.

Nach Vornahme der gemäß § 522 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO gebotenen Prüfungen ist der Senat einstimmig davon überzeugt, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat und eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist. Die Sache hat auch weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung durch Urteil.

I.

Die Klägerin verfolgt mit der Berufung ihre erstinstanzlich geltend gemachten Ansprüche auf Zahlung von Schmerzensgeld und Haushaltsführungsschaden weiter aufgrund eines behaupteten Sturzes am …2013.

Die Klägerin wohnt im Straße1a. Die Beklagte zu 1) ist Eigentümerin des Grundstücks Straße1b, die Beklagte zu 2) ist Eigentümerin des Grundstücks Straße1c. Zwischen den mit Mehrfamilienhäusern bebauten Grundstücken befindet sich ein Parkplatz, neben dem ein Fußweg verläuft, der die Parallelstraßen Straße1 und Straße2 verbindet.

Die nach Übertragung durch die Stadt Stadt1 in der Gemeindesatzung als Anlieger räum- und streupflichtigen Beklagten übertrugen die Räum- und Streupflicht vertraglich weiter auf den Hausmeisterservice A. Die Verträge vom 01.10.2000 bzw. 18.06.2009 enthielten betreffend den Winterdienst folgende Leistungsbeschreibungen:

„13. Winterdienst

13.1 Morgendliche Räumung der Hauszugänge, Tiefgaragenzufahrt und sonstiger Verkehrsflächen nach Erfordernis.

13.2 Räumung der Gehwege nach den Bestimmungen der Gemeindesatzung nach Erfordernis

13.3 Streuen abstumpfender Mittel gegen Schnee- und Eisglätte (…) nach Erfordernis

(…)“

„Anlage 12

Winterdienst

01 Schneebeseitigung nach Schneefall im notwendigen Umfang sowie im Rahmen der von der Gemeinde erlassenen Bestimmungen über Zeit, Umfang und Streugut (…)

02 Abstreuen der unter 05 genannten Flächen mit abstumpfendem Material (…)

04 Bei Auftragserteilung ist durch eine Ortsbegehung die vom Schnee zu räumende Fläche genau festzulegen

05 Geräumt wird: Bürgersteig, Fußweg, Hauseingang (…)“

Wegen der Einzelheiten wird auf die Anlagen BLD 1, Bl. 113 ff. d. A. und B2, Bl. 242 ff. d. A. verwiesen.

Am 16.03.2013 begab sich die Klägerin wegen starker Schmerzen ins Krankenhaus1 in Stadt1. Die Ärzte stellten einen Lendenwirbelbruch fest, nahmen die Klägerin bis 21.03.2013 stationär auf und verordneten der Klägerin ein Dreipunktstützkorsett.

Die Klägerin hat behauptet, sie habe am …2013 gegen 10.00 Uhr morgens gemeinsam mit ihrer Tochter C den neben dem Parkplatz zwischen den Grundstücken der Beklagten befindlichen Fußweg benutzt. Unter einer Schneedecke habe sich auf dem Fußweg eine nicht erkennbare Eisfläche befunden, auf der sie in Schuhen mit Profilsohle und trotz aller Vorsicht ausgerutscht sei. Der Fußweg sei nicht geräumt gewesen.

Seit diesem Unfall leide sie an starken Schmerzen im unteren Rücken, die bis in die Beine ausstrahlen würden.

Die Beklagten haben behauptet, der streitgegenständliche Fußweg sei zwischen 3.00 und 6.00 Uhr morgens geräumt worden. Anschließend sei kein Schnee mehr gefallen.

Auf die Streitverkündungen der Beklagten hin ist der Hausmeisterservice A mit Schriftsatz vom 20.11.2015 dem Streit auf Seiten der Beklagten beigetreten.

Das Landgericht hat nach Beweisaufnahme durch Einholung einer Auskunft des Deutschen Wetterdienstes sowie durch Vernehmung der Zeugen C, A und B die Klage abgewiesen und diese Entscheidung begründet wie folgt:

Der Klägerin stehe gegen die Beklagten kein Anspruch auf Schadensersatz zu.

Zwar sei die Klägerin innerhalb der zeitlichen Grenzen der Räum- und Streupflicht zu Fall gekommen, so dass dem ersten Anschein nach eine Vermutung dafür spreche, dass es bei Beachtung der Vorschriften über die Räum- und Streupflicht nicht zu den Verletzungen gekommen wäre. Nach der Auskunft des Deutschen Wetterdienstes sei es in den frühen Morgenstunden zwischen 0.00 und 5.00 Uhr zu geringfügigen Niederschlägen gekommen, die zu einer allgemeinen Glätte geführt hätten. Der Aussage der Zeugin C nach sei die Klägerin tatsächlich auf dem Fußweg zu Fall gekommen.

Die Beklagten hätten jedoch den zugunsten der Klägerin bestehenden Anscheinsbeweis erschüttert. Aufgrund der Aussagen der Zeugen A und B stünde fest, dass der Winterdienst auf dem streitgegenständlichen Fußweg zwischen 3.55 Uhr und 5.05 Uhr durchgeführt worden sei. Nach der Wetterdienstauskunft habe es danach nicht mehr geschneit.

Die sodann darlegungs- und beweisbelastete Klägerin habe den Beweis nicht geführt, dass die Beklagten ihre Räum- und Streupflicht verletzt hätten. Die dahingehende Aussage der Zeugin C habe nicht zur Überzeugung des Gerichts von einer Verletzung der Räum- und Streupflicht durch die Beklagte geführt. Denn diese habe ausgesagt, der ganze Fußweg sei mit Schnee bedeckt gewesen, Fußspuren habe sie keine gesehen. Nach der Auskunft des Deutschen Wetterdienstes habe es aber bis 5.00 Uhr morgens nur minimal und in der Folgezeit nicht mehr geschneit. Außerdem müsse der Lebenserfahrung nach der an die Parkplätze angrenzende Fußweg, der die Straßen Straße1 und Straße2 verbinde, regelmäßig von Fußgängern begangen werden. Das non-liquet gehe zu Lasten der darlegungs- und beweisbelasteten Klägerin.

Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihr erstinstanzliches Ziel weiter. Die Klägerin rügt Rechtsfehler des Landgerichts (§§ 513 Abs. 1 Alt. 1, 546 ZPO), auf denen das Urteil beruht (§ 545 Abs. 1 ZPO) sowie eine fehlerhafte Beweiswürdigung.

Das Landgericht gehe fehlerhaft davon aus, dass der zugunsten der Klägerin bestehende Anscheinsbeweis durch die Zeugenaussagen des Inhabers des Hausmeisterservice A und dessen Mitarbeiters B erschüttert sei. Das Landgericht habe verkannt, dass die Tatsachen, aus denen die ernsthafte Möglichkeit eines anderen Geschehensablaufs abzuleiten sei, des vollen Beweises bedürften. Die Aussage des Zeugen A sei nicht geeignet gewesen, einen solchen Vollbeweis zu erbringen. Der Zeuge sei nicht vor Ort gewesen und habe sich an den Tag des Sturzes der Klägerin nicht erinnern können. Zwar nehme er regelmäßig Stichproben, habe aber am Unfalltag gerade keine Stichprobe an den streitgegenständlichen Objekten genommen. Unerheblich sei auch der die Objekte betreffende Arbeitsbericht, auch wenn sich daraus ergebe, dass für die gesamten Objekte 5 x 25 Kilo Streugut verwendet worden seien.

Der Zeuge B habe die Aussage des Zeugen A, die Räummaschine würde das Eis wegputzen, gerade nicht bestätigt. Dieser habe vielmehr bekundet, die Maschine könne Eis eventuell nicht ganz beseitigen, so dass Streugut zum Einsatz kommen müsse.

Der Rückschluss des Landgerichts von dem Fehlen weiterer Beschwerden auf die Erfüllung der Räum- und Streupflicht am Unfalltag sei abenteuerlich. Denn die Klägerin mache nicht geltend, dass die gesamten Flächen nicht geräumt seien, sondern allein die fehlende Räumung des streitgegenständlichen Fußwegs. Zudem sei den Anwohnern die Übertragung der Räum- und Streupflicht für den Fußweg durch die Stadt auf die Beklagten wahrscheinlich nicht bekannt.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Landgerichts Wiesbaden vom 30.08.2016 (Az. 1 O 293/15) abzuändern und wie folgt zu erkennen:

1.

Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an die Klägerin ein angemessenes Schmerzensgeld, mindestens jedoch 50.000,- € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.
2.

Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an die Klägerin für den Zeitraum vom …2013 bis 28.02.2015 einen Haushaltsführungsschadensersatz in Höhe von 18.724,50 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.
3.

Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an die Klägerin bis zu ihrem Lebensende, beginnend ab März 2015, als Haushaltsführungsschadensersatz eine Rente in Höhe von monatlich 657,- € jeweils für 3 Monate im Voraus zu zahlen.
4.

Es wird festgestellt, dass die Berufungsbeklagten gesamtschuldnerisch verpflichtet sind, der Klägerin alle weiteren zukünftigen materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen, die durch das Schadensereignis vom …2013 entstehen, soweit diese nicht auf Sozialversicherungsträger übergegangen sind.
5.

Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an die Klägerin 668,16 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagten verteidigen das erstinstanzliche Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens.

Die Beklagte zu 1) macht insbesondere geltend, die Klägerin sei wegen Eigenverschuldens zu Fall gekommen, da es dem ersten Anschein nach für mangelnde Aufmerksamkeit spreche, wenn ein Passant auf einem erkennbar nicht geräumten oder abgestumpften Weg zu Fall komme.

Die Beklagte zu 2) betont, die Ausführungen der Klägerin zur Beweislastverteilung seien unzutreffend. Denn ein Anscheinsbeweis zugunsten des Geschädigten komme nur hinsichtlich der primären Räum- und Streupflicht in Betracht, nicht dagegen hinsichtlich etwaiger Kontroll- und Überwachungspflichten. Nur diese hätten aber die Beklagte zu 2) getroffen. Denn der behauptete Sturz auf dem glatten Fußweg sei keine typische Folge der Kontroll- und Überwachungspflicht, da diese lediglich stichprobenartige Kontrollen in größeren Abständen gebiete. Die Verkehrssicherungspflicht der Beklagten habe sich in eine Kontroll- und Überwachungspflicht gewandelt, nachdem sie diese wirksam auf den Hausmeisterservice A übertragen habe.

II.

Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin hat in der Sache keine Aussicht auf Erfolg, da das Landgericht die Klage zu Recht abgewiesen hat. Weder die vorgebrachten Berufungsgründe noch die gemäß § 529 Abs. 2 S. 2 ZPO von Amts wegen durchzuführende Prüfung lassen erkennen, dass die Klageabweisung auf einer Rechtsverletzung beruht oder dem Berufungsverfahren zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen (§ 513 ZPO).

Zu Recht ist das Landgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass der Klägerin gegen die Beklagte kein Schadensersatzanspruch wegen Verletzung von Verkehrssicherungspflichten zusteht (§ 823 BGB).

1. Dem hat der Senat lediglich noch Folgendes hinzuzufügen: Die Beklagten haften schon aus dem Grund nicht wegen der Verletzung von Verkehrssicherungspflichten, dass sie die Räum- und Streupflicht jeweils wirksam vertraglich auf den Hausmeisterservice A übertragen haben. Damit hat sich die Räum- und Streupflicht der Beklagten jeweils auf eine Kontroll- und Überwachungspflicht verkürzt (so BGH Urteil vom 22.01.2008, Az. VI ZR 126/07, Rn. 9 zitiert nach juris).

a) Eine Übertragung ist dabei nicht nur auf die Mieter möglich. Die Räum- und Streupflicht kann vielmehr auch wie im konkreten Fall einem Hausmeister übertragen werden ( OLG Karlsruhe, Urteil vom 28.03.2012, Az. 7 U 104/11, Rn. 13 ff., zitiert nach juris). Auch für diesen Fall erfordert die wirksame Übertragung zwar eine klare und eindeutige Absprache, die die Sicherung der Gefahrenquelle zuverlässig garantiert (Palandt-Sprau, 76. Auflage 2017, § 823, Rn. 50; MüKo-Wagner, 7. Auflage 2017, § 823 Rn. 583 f.). Eine solche klare und eindeutige Absprache findet sich aber jeweils unter „Winterdienst“ in den den Hausmeisterverträgen anliegenden Leistungsbeschreibungen.

b) Die Beklagte zu 2) hat ihren Kontroll- und Überwachungspflichten angesichts der Umstände des Einzelfalls genügt, indem sie einmal im Monat eine unangekündigte Ortsbegehung durchgeführt hat. Hier genügte eine solche stichprobenartige Kontrolle, da sich die Beklagten zur Erfüllung ihrer selbst nicht wahrzunehmenden Pflichten einer spezialisierten Fachfirma mit überlegenem Kenntnisstand bedient haben. Bei der Übertragung auf eine solche Fachfirma ist anders als bei der Übertragung auf einen Mieter davon auszugehen, dass die Fachfirma ihren Vertragspflichten zur Verrichtung des Winterdienstes auch nachkommt. Dennoch durften die Beklagte zu 2) nicht gänzlich von einer Kontrolle absehen, da bei der Überwachung der Räum- und Streupflicht mit Rücksicht auf die durch Glätte drohenden Gefahren ein strenger Maßstab anzulegen ist (so OLG Karlsruhe, a.a.O., Rn. 14, zitiert nach juris). Zugunsten der Beklagten zu 2) war aber wiederum zu berücksichtigen, dass es seit Beauftragung des Hausmeisterservice A im Jahr 2000 bis zum streitgegenständlichen Unfall im Jahr 2013 nie zu Beanstandungen gekommen ist, so dass nunmehr die stichprobenartige monatliche Kontrolle genügte.

c) Auch hinsichtlich der Beklagten zu 1) ist davon auszugehen, dass diese ihre Pflicht zur Kontrolle und Überwachung des Hausmeisterservice A erfüllt hat. Denn die insoweit darlegungs- und beweisbelastete Klägerin hat eine Verletzung der Kontroll- und Überwachungspflichten durch die Beklagte zu 1) auch pauschal nicht behauptet.

d) Selbst wenn man jeweils eine Verletzung der Kontroll- und Überwachungspflicht durch die Beklagten unterstellte, wäre diese für den Unfall der Klägerin jeweils nicht kausal.

aa) Anders als bei der Verletzung der primären Räum- und Streupflicht spricht auch bei einem Sturz innerhalb der zeitlichen Grenzen der Räum- und Streupflicht nicht schon ein Anscheinsbeweis für die Kausalität von Verletzung der Kontroll- und Überwachungspflicht und Schaden. Denn der auf die allgemeine Lebenserfahrung gestützte Ursächlichkeitszusammenhang zwischen Pflichtverletzung und Schaden betrifft allein die primäre Pflicht gefahrenträchtige Zustände durch geeignete Vorkehrungen zu beherrschen. Soweit hingegen wie hier allein eine sekundäre Pflicht in Rede steht, die Durchführung der zulässigerweise übertragenen primären Pflicht zu überwachen, fehlt es jedoch an der für die Anwendung des Anscheinsbeweises erforderlichen Typizität des Lebenssachverhalts. Denn für einen etwaigen Mangel in der Durchführung der Räum- und Streupflicht kommen eine Vielzahl anderer Ursachen als die Verletzung der Kontroll- und Überwachungspflicht in Betracht (so OLG Brandenburg, Urteil vom 05.08.2008, Az. 2 U 15/07, Rn. 28, zitiert nach juris).

bb) Die damit im vollen Umfang darlegungs- und beweisbelastete Klägerin hat nicht behauptet, dass eine Verletzung der den Beklagten obliegenden Kontroll- und Überwachungspflicht zu dem streitgegenständlichen Unfall geführt hat. Dazu müsste die Klägerin konkret vortragen, welche Kontrollmaßnahmen die Beklagten unterlassen haben, die welchen grundsätzlichen Mangel der Durchführung der Räum- und Streupflicht aufgedeckt hätten. Denn allenfalls ein grundsätzlicher struktureller Mangel der regelmäßigen Durchführung der Räum- und Streupflicht durch den Hausmeisterservice A müsste bei den Kontrollen auffallen (vgl OLG Brandenburg, a.a.O., Rn. 30, zitiert nach juris). Einen solchen strukturellen Mangel hat aber die Klägerin nicht behauptet. Die Beklagten haben vielmehr im Rahmen ihrer sekundären Darlegungslast hinreichend substantiiert zu der regelmäßigen fachgerechten Durchführung des Winterdienstes durch den Hausmeisterservice A vorgetragen und dies durch Vernehmung der Zeugen B und A auch bewiesen.

2. Soweit man eine fortbestehende primäre Verkehrssicherungspflicht der Beklagten unterstellt, hat das Landgericht zu Recht entschieden, dass den Beklagten keine Verletzung der Räum- und Streupflicht vorzuwerfen ist.

a) Zwar ist die Klägerin innerhalb der zeitlichen Grenzen der bestehenden Räum- und Streupflicht zu Fall gekommen ist, die an Wochentagen auf Fußwegen von 7.00 bis 20.00 Uhr besteht (siehe nur MüKo-Wagner, 7. Auflage 2017, § 823, Rn. 587). Insoweit bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Beweiswürdigung des Landgerichts. Nach der protokollierten Aussage der Zeugin C ist die Klägerin am …2013 gegen 10.00 Uhr morgens auf dem durch die Beklagten zu räumenden Fußweg gestürzt, nachdem es nach Auskunft des Deutschen Wetterdienstes bis 5.00 Uhr morgens geringfügig geschneit hatte.

b) Damit spricht dem ersten Anschein nach eine Vermutung dafür, dass für den Sturz eine Verletzung der Räum- und Streupflicht ursächlich war. Diese Vermutung haben jedoch, wie das Landgericht zutreffend erkannt hat, die Beklagten erschüttert durch Darlegung und Nachweis eines abweichenden Geschehensablaufs. Die Beklagten haben Tatumstände dargelegt und nach Vernehmung der Zeugen A und B auch bewiesen, aus denen sich die ernsthafte Möglichkeit eines anderen als des erfahrungsgemäßen Ablaufs ergibt (BGH, Urteil vom 23.05.1952, Az. I ZR 163/51, Leitsatz, zitiert nach juris). Entgegen der durch die Klägerin mit der Berufung vertretenen Auffassung bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Beweiswürdigung des Landgerichts, dass nach der Vernehmung der Zeugen feststeht, dass der Zeuge B den Winterdienst regelmäßig strukturiert und zuverlässig erledigt und am Unfalltag auch zwischen 3.55 und 5.05 Uhr erledigt hat, wobei nach 5.00 Uhr kein Schnee mehr gefallen ist.

Denn die Aussagen der Zeugen A und B ergänzen sich und sind zusammen mit der Auskunft des Deutschen Wetterdienstes geeignet vollen Beweis dieser Tatumstände zu erbringen:

aa) Zwar konnte der an den Räumarbeiten selbst nicht beteiligte Zeuge A lediglich bekunden, dass nach dem ihm vorliegenden Arbeitsbericht vom …2013 der Winterdienst an diesem Morgen zwischen 3.55 Uhr und 5.05. Uhr versehen wurde und dabei 5 x 25 Kilogramm Streugut verbraucht wurden.

bb) Im Zusammenhang mit der Aussage des Zeugen B ist die unter Vorlage des den Unfalltag betreffenden Arbeitsberichts getätigte Aussage aber geeignet, die ernsthafte Möglichkeit eines abweichenden Geschehensablaufs zu beweisen. Denn der Zeuge B hat ausweislich des Protokolls auch auf Nachfrage wiederholt bekundet, nach Schneefall immer den Winterdienst durchzuführen, keine der zu räumenden Flächen wegzulassen und dazu Tagesberichte mit der verbrauchten Menge an Streugut zu führen. Dabei hat er sein Procedere detailliert beschrieben, insbesondere das zweifache Befahren des Fußwegs mit dem Räumfahrzeug über fünf bis sechs Minuten und das automatische Bestreuen des Weges über die ganze Breite des Räumfahrzeugs.

cc) Aufgrund der Auskunft des Deutschen Wetterdienstes steht zudem fest, dass es am Unfalltag nach Erledigung des Winterdienstes um 5.05 Uhr nicht mehr geschneit hat.

c) Die sodann nach Erschütterung des Anscheinsbeweises für den Ursachenzusammenhang darlegungs- und beweisbelastete Klägerin hat nicht bewiesen, dass eine Verletzung der Räum- und Streupflicht für ihren Sturz kausal war. Es bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Beweiswürdigung des Landgerichts, nach der erhebliche Bedenken an der Glaubhaftigkeit der Aussage der Zeugin C bestehen. Denn die Zeugin C hat ausweislich des Protokolls ausgesagt, der Fußweg sei um 10.00 Uhr morgens durchgängig mit Schnee bedeckt gewesen, wobei sie keine Fußspuren gesehen habe. Wie das Landgericht zu Recht zu Bedenken gibt, ist unwahrscheinlich, dass an einem Arbeitstag wie dem …2013 (Mittwoch) um 10.00 Uhr ein zu einem Parkplatz führender und zwei Parallelstraßen verbindender Fußweg noch frei von Fußspuren ist.

d) Auch wendet die Beklagte zu 1) zu Recht ein, dass der Klägerin jedenfalls ein erhebliches Mitverschulden anzurechnen wäre, selbst wenn man der Aussage der Zeugin C Glauben schenkte, zumal diese bekundet hat, sie seien auf dem vollständig mit Schnee bedeckten Fußweg normal – ohne besondere Vorsicht – gelaufen. Denn wenn ein Fußgänger auf einem erkennbar nicht geräumten oder gestreuten Weg zu Fall kommt, so ist dem ersten Anschein nach zu vermuten, dass Ursache für den Sturz mangelnde Aufmerksamkeit des Fußgängers ist (OLG Hamm, Urteil vom 24.11.2014, Az. 6 U 92/12, Rn. 16, zitiert nach juris).

3. Der Klägerin bleibt nachgelassen, zum beabsichtigten Vorgehen binnen zweier Wochen ab Zugang dieses Beschlusses Stellung zu nehmen. Sie wird darauf hingewiesen, dass bei Rücknahme der Berufung Gerichtsgebühren in nicht unerheblicher Höhe vermieden werden können.

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