OLG Frankfurt am Main, 25.06.2018 – 8 W 28/18

März 17, 2019

OLG Frankfurt am Main, 25.06.2018 – 8 W 28/18
Leitsatz:

1.

Dritter im Sinne des § 142 ZPO und damit Adressat einer Vorlageanordnung kann auch eine juristische Person sein.
2.

Normadressat ist in solchen Fällen nicht der organschaftliche Vertreter, sondern vielmehr die von dem Gericht zur Herausgabe von Unterlagen verpflichtete juristische Person.
3.

Ein Ordnungsgeld nach den §§ 142 Abs. 2 Satz 2, 390 ZPO ist ggf. gegen die von dem Gericht zur Herausgabe von Unterlagen verpflichtete juristische Person festzusetzen.

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde des Beklagten zu 2 und Beschwerdeführers wird der Beschluss der 4. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 24. April 2018 in der Form des Nichtabhilfebeschlusses vom 6. Juni 2018 aufgehoben, soweit er den Beschwerdeführer betrifft.
Gründe

I.

Der Kläger nimmt die Beklagten mit der Behauptung ärztlicher Behandlungs- und Aufklärungsfehler auf Zahlung eines Schmerzensgeldes und auf Feststellung ihrer Ersatzpflicht für weitere Schäden in Anspruch.

Der Beklagte zu 2 und Beschwerdeführer (im Folgenden: der Beschwerdeführer) ist der Geschäftsführer der X-klinik Stadt1 GmbH.

Der Kläger hat die Beiziehung der ihn betreffenden Behandlungsunterlagen der X-klinik Stadt1 GmbH beantragt.

Mit Verfügung vom 19. Februar 2018 setzte das Landgericht der X-klinik Stadt1 GmbH eine Frist von drei Wochen, alle Behandlungsunterlagen des Klägers zu übersenden (Bl. 579 d. A.).

Da weder die X-klinik Stadt1 GmbH noch der Beschwerdeführer auf dieses Schreiben reagierten, gab das Landgericht mit Beschluss vom 20. März 2018 (Bl. 585 f. d. A.) dem Beschwerdeführer auf, die Behandlungsunterlagen binnen einer Frist von drei Wochen ab Zugang des Beschlusses an das Landgericht zu übersenden. Zugleich drohte es ihm die Verhängung eines Ordnungsgeldes in Höhe von bis zu € 1.000,00, ersatzweise Ordnungshaft von bis zu sechs Wochen, an.

Dieser Beschluss wurde der X-klinik Stadt1 GmbH („vertr. d. d. GF“) am 28. März 2018 (Bl. 588 d. A.) zugestellt.

Auch diese Frist ließen der Beschwerdeführer und die X-klinik Stadt1 GmbH verstreichen.

Daraufhin verhängte das Landgericht gegen den Beschwerdeführer mit dem angegriffenen Beschluss vom 24. April 2018 (Bl. 590 ff. d. A.) ein Ordnungsgeld in Höhe von € 500,00, ersatzweise zehn Tage Ordnungshaft. Für den Fall, dass auch künftig die Behandlungsunterlagen nicht herausgegeben würden, drohte ihm das Landgericht unter der Bedingung eines entsprechenden Antrags einer Partei die Verhängung von Ordnungshaft bis zu sechs Monaten an.

Dieser Beschluss wurde dem Beschwerdeführer am 28. April 2018 zugestellt (Bl. 593 d. A.).

Der Beschwerdeführer legte mit Anwaltsschriftsatz vom 2. Mai 2018 (Bl. 595 d. A.) sofortige Beschwerde gegen die Verhängung des Ordnungsgeldes ein. Zur Begründung hat der Beschwerdeführer ausgeführt, die Unterlagen seien zwischenzeitlich dem Landgericht übergeben worden; überdies sei die Androhung des Ordnungsgeldes nicht ordnungsgemäß zugestellt worden.

Wegen der näheren Einzelheiten der Begründung der sofortigen Beschwerde wird auf den Anwaltsschriftsatz vom 2. Mai 2018 (Bl. 595 d. A.) Bezug genommen.

Mit Anwaltsschriftsatz ebenfalls vom 2. Mai 2018 (Bl. 596 d. A.) übersandte die X-klinik Stadt1 GmbH die Behandlungsunterlagen.

Das Landgericht hat der sofortigen Beschwerde mit Beschluss vom 6. Juni 2018 (Bl. 601 ff. d. A.) nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

II.

1. Die sofortige Beschwerde des Beschwerdeführers ist nach den §§ 567 Abs. 1 Nr. 1, 142 Abs. 2 Satz 2, 390 Abs. 3 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere binnen der Notfrist von zwei Wochen nach § 569 Abs. 1 ZPO eingelegt worden.

2. Sie ist auch begründet.

a. Der Festsetzung eines Ordnungsgeldes gegen den Beschwerdeführer fehlt die rechtliche Grundlage.

Das Gericht kann gemäß § 142 Abs. 1 ZPO anordnen, dass eine Partei oder ein Dritter die in ihrem oder seinem Besitz befindlichen Urkunden und sonstigen Unterlagen, auf die sich eine Partei bezogen hat, vorlegt. Die Anordnung nach § 142 Abs. 1 ZPO kann in Grenzen auch der Bereitstellung von Beweismitteln dienen (vgl. BGH, Beschluss vom 26.10.2006 – III ZB 2/06, NJW 2007, 155). Nach § 142 Abs. 2 Satz 2 ZPO gelten die §§ 386 bis 390 ZPO insoweit entsprechend.

Dritter im Sinne des § 142 ZPO und damit Adressat einer Vorlageanordnung kann nach dem insoweit offenen Wortlaut sowie Sinn und Zweck der Bestimmung auch eine juristische Person sein (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 26.10.2006 – III ZB 2/06, NJW 2007, 155; Nielen, in: Cepl/Voß (Hrsg.), Prozesskommentar zum Gewerblichen Rechtsschutz, 2015, § 142, Rdnr. 24; Schlosser, in: Coester u. a. (Hrsg.), Vielfalt, Kollision, Kooperation. Festschrift für Hans Jürgen Sonnenberger zum 70. Geburtstag, 2004, S. 135, 143; Smid, in: Wiecozrek/Schütze, ZPO, Dritter Band, 4. Aufl. 2013, § 142, Rdnr. 26a). Ungeachtet dessen, dass auch die Vorlage von Urkunden nach § 142 ZPO bei juristischen Personen durch deren Organe erfolgen muss, weil die juristische Person als solche nicht handlungsfähig ist, ist Normadressat in solchen Fällen nicht der organschaftliche Vertreter, sondern vielmehr die von dem Gericht auf Herausgabe ihrer Unterlagen in Anspruch genommene juristische Person (s. BGH, Beschluss vom 26.10.2006 – III ZB 2/06, NJW 2007, 155, 155 f.).

Dies bedeutet, dass ein Ordnungsgeld nach den §§ 142 Abs. 2 Satz 2, 390 ZPO gegen die von dem Gericht zur Herausgabe von Unterlagen verpflichtete juristische Person festzusetzen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 26.10.2006 – III ZB 2/06, NJW 2007, 155, 155 f.; Schlosser, in: Coester u. a. (Hrsg.), Vielfalt, Kollision, Kooperation. Festschrift für Hans Jürgen Sonnenberger zum 70. Geburtstag, 2004, S. 135, 143).

Insofern gilt nichts anderes als im Falle der Vollstreckung eines Unterlassungsgebots: Ist Vollstreckungsschuldner eines Unterlassungsgebots nämlich ausschließlich eine juristische Person, ist bei einer schuldhaften Zuwiderhandlung das Ordnungsgeld gegen die juristische Person festzusetzen (vgl. etwa BVerfG, Beschluss vom 09.05.2017 – 2 BvR 335/17, NJW-RR 2017, 957, 958; BGH, Beschluss vom 12.01.2012 – I ZB 43/11, NZG 2012, 320; Seibel, in: Zöller, ZPO, 32. Aufl. 2018, § 890, Rdnr. 7).

Vor diesem Hintergrund war die Festsetzung des Ordnungsgeldes unmittelbar gegen den Beschwerdeführer als Geschäftsführer der X-klinik Stadt1 GmbH rechtsfehlerhaft.

Der Vollständigkeit halber sei hinzugefügt, dass lediglich in Bezug auf das Festsetzen von Ordnungshaft das vertretungsberechtigte Organ als Festsetzungsadressat in Betracht kommt (vgl. für § 890 ZPO einerseits BGH, Urteil vom 16.05.1991 – I ZR 218/89, GRUR 1991, 929: Festsetzung von Ordnungshaft gegen die juristische Person, allerdings mit der Maßgabe, dass die Haft an dem Geschäftsführer zu vollziehen ist, und andererseits BVerfG, Beschluss vom 09.05.2017 – 2 BvR 335/17, NJW-RR 2017, 957, 958; BGH, Beschluss vom 12.01.2012 – I ZB 43/11, NZG 2012, 320: Festsetzung der ersatzweise bestimmten Ordnungshaft gegen das Organmitglied, das schuldhaft gegen das Verbot verstoßen hat).

b. Die danach unumgängliche Aufhebung des Beschlusses vom 24. April 2018 erstreckt sich auch auf die isoliert nicht mögliche Festsetzung von Ordnungshaft von zehn Tagen für den Fall, dass das Ordnungsgeld nicht beigetrieben werden kann.

c. Auch soweit das Landgericht mit dem angegriffenen Beschluss vom 24. April 2018 dem Beschwerdeführer für den Fall, dass auch künftig die Behandlungsunterlagen nicht herausgegeben werden, und unter der Bedingung eines entsprechenden Antrags einer Partei die Verhängung von Ordnungshaft bis zu sechs Monaten angedroht hat, ist der Beschluss aufzuheben.

Nach der textlichen Abfolge des Beschlusses richtet sich diese Anordnung nämlich ebenfalls an den Beschwerdeführer. Richtiger Adressat einer solchen Anordnung kann jedoch hier – wie gezeigt – nur die X-klinik Stadt1 GmbH sein.

d. Soweit mit dem Beschluss des Landgerichts vom 24. April 2018 hingegen der „X-klinik GmbH“ [gemeint ist wohl die X-klinik Stadt1 GmbH) erneut aufgegeben worden war, binnen einer Frist von drei Wochen ab Zugang jenes Beschlusses dem Gericht die Behandlungsunterlagen des Klägers vorzulegen, ist diese den Beschwerdeführer nicht betreffende Anordnung nicht Gegenstand des Beschwerdeverfahrens. Schon aus diesem Grunde kommt eine diesbezügliche Aufhebung des Beschlusses des Landgerichts vom 24. April 2018 nicht in Betracht.

3. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Die Auseinandersetzung über die Verhängung eines Ordnungsgeldes ist nicht kontradiktorisch ausgestaltet. Die Kosten der erfolgreichen Beschwerde eines Dritten im Sinne des § 142 Abs. 1 ZPO gegen ein Ordnungsgeld sind nicht in entsprechender Anwendung des § 46 OWiG der Staatskasse aufzuerlegen, denn diese ist nicht am Rechtsstreit beteiligt. Derartige Auslagen gehen vielmehr gemäß den §§ 23 Abs. 2, 7 Abs. 1 JVEG zu Lasten der nach dem Schlussurteil kostenpflichtigen Partei; einer Kostenentscheidung bedarf es daher nicht (vgl. BGH, Beschluss vom 12.06.2007 – VI ZB 4/07, NJW-RR 2007, 1364, 1365 f., Senat, Beschluss vom 11.05.2016 – 8 W 69/15, juris; Greger, in: Zöller, ZPO, 32. Aufl. 2018, § 380, Rdnr. 10; Berger, in: Stein/Jonas, ZPO, Kommentar zur Zivilprozessordnung, Band 5, 23. Aufl. 2015, § 380, Rdnr. 16). Gerichtskosten entstehen nicht (vgl. Senat, Beschluss vom 11.05.2016 – 8 W 69/15, juris; Greger, in: Zöller, ZPO, 32. Aufl. 2018, § 380, Rdnr. 10).

4. Es besteht keine Veranlassung, die Rechtsbeschwerde zuzulassen, weil die hierfür in § 574 ZPO aufgestellten Voraussetzungen ersichtlich nicht gegeben sind.

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