OLG Frankfurt am Main, 25.07.2018 – 13 W 35/18

März 17, 2019

OLG Frankfurt am Main, 25.07.2018 – 13 W 35/18
Leitsatz:

1.

Maßgebend für den Rechtsweg ist die sich aus dem tatsächlichen Vorbringen des Klägers ergebende Rechtsnatur des erhobenen Anspruchs. Auf die von dem Kläger vorgetragene rechtliche Bewertung der von ihm behaupteten Tatsachen kommt es hingegen nicht an.
2.

Nimmt ein Bürger Aufgaben wahr, die an sich zum Tätigkeitsbereich der öffentlichen Verwaltung gehören, kann ein Anspruch auf Erstattung seiner Aufwendungen aufgrund entsprechender Anwendung der Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag in Betracht kommen. Ansprüche aus einer derartigen öffentlich-rechtlichen Geschäftsführung ohne Auftrag sind im Verwaltungsrechtsweg geltend zu machen. Dabei spielt es zunächst keine Rolle, ob der behauptete öffentlich-rechtliche Anspruch tatsächlich besteht.

Tenor:

Die sofortige Beschwerde der Klägerin vom 28.04.2018 gegen den Verweisungsbeschluss der 28. Zivilkammer – Einzelrichter – des Landgerichts Darmstadt vom 27.03.2018 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 1.047,00 € festgesetzt.
Gründe

I.

Die Klägerin nimmt die beklagte Gemeinde auf Erstattung der Unterbringungskosten für ihre Eltern in Anspruch.

Sie behauptet, die Beklagte habe ihren Eltern nach einer Zwangsräumung keine zumutbare Unterkunft zur Verfügung gestellt, so dass die Obdachlosigkeit ihrer Eltern gedroht habe. Sie habe deswegen vorübergehend ein Apartment für ihre Eltern in Seligenstadt anmieten müssen, obwohl sie gegenüber ihren Eltern nicht unterhaltspflichtig sei. Sie habe die Kosten der Unterbringung bezahlt, weil ihre Eltern über keinerlei finanzielle Mittel verfügten.

Die Klägerin ist der Ansicht, die Beklagte habe ihre Pflicht zur Unterbringung der wohnungslosen Eltern verletzt und müsse der Klägerin die hierdurch entstandenen Aufwendungen in Höhe von 3.140,00 € erstatten.

Die Beklagte lehnte eine Zahlungspflicht ab. Sie trägt zur Begründung vor, die Eltern der Klägerin hätten ohne weiteres am Tag der Zwangsräumung in einer Obdachlosenunterkunft untergebracht werden können, bis eine geeignete Wohnung gefunden worden wäre. Eine Amtspflicht gegenüber der Klägerin, die die Beklagte hätte verletzen können, bestehe ohnehin nicht. Das Verwaltungsgericht Darmstadt habe mit Beschluss vom 29.08.2016 rechtskräftig den Antrag der Eltern der Klägerin abgelehnt, ihnen eine behinderten- und altengerechte Unterkunft zuzuweisen. Im Übrigen habe eine Obdachlosigkeit der Eltern der Klägerin zu keinem Zeitpunkt vorgelegen.

Das Amtsgericht Seligenstadt hat die zunächst dort rechtshängige Klage mit Beschluss vom 06.12.2017 (Bl. 112 d. A.) auf Antrag der Klägerin und nach Anhörung der Beklagten an das Landgericht Darmstadt verwiesen, da die Klägerin ausschließlich Amtshaftungsansprüche geltend mache.

Mit Beschluss vom 27.03.2018 (Bl. 130 d. d. A.), der Klägerin zugestellt am 14.04.2018 (Bl. 160 d. A.), hat das Landgericht Darmstadt – ebenfalls auf Antrag der Klägerin und nach Anhörung der Beklagten – den Rechtsweg zu den Zivilgerichten gemäß § 17a Abs. 2 GVG für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht Darmstadt verwiesen. Auf die Begründung des Beschlusses wird Bezug genommen.

Mit Verfügung vom 19.04.2018 (Bl. 134 d. A.), auf deren Inhalt ebenfalls Bezug genommen wird, hat das Verwaltungsgericht Darmstadt Zweifel an der Zuständigkeit der Verwaltungsgerichtsbarkeit geäußert. Daraufhin hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 28.04.2018 (Bl. 145 d. A.), eingegangen bei Gericht am selben Tag, sofortige Beschwerde gegen den Verweisungsbeschluss des Landgerichts Darmstadt eingelegt.

Mit Beschluss vom 15.06.2018 (Bl. 149 d. A.), auf dessen Inhalt Bezug genommen wird, hat das Landgericht Darmstadt der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

II.

1. Die sofortige Beschwerde ist zulässig. Gegen einen Verweisungsbeschluss gemäß § 17a Abs. 2 GVG ist nach § 17a Abs. 4 Satz 3 GVG das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben. Die sofortige Beschwerde richtet sich dabei nach den Vorschriften der jeweils anzuwendenden Verfahrensordnung (Zöller/Lückemann, ZPO, 32. A. 2018, § 17 a GVG Rn. 15). Maßgeblich sind damit im Streitfall die §§ 567 ff. ZPO. Hiernach ist die sofortige Beschwerde form- und fristgerecht eingelegt worden (§ 569 ZPO).

2. Die sofortige Beschwerde hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Das Landgericht hat zu Recht den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten für unzulässig gehalten und den Rechtsstreit gemäß § 17a Abs. 2 Satz 1 GVG an das Verwaltungsgericht Darmstadt verwiesen.

Maßgebend für den Rechtsweg ist – wie das Landgericht zutreffend im Nichtabhilfebeschluss vom 15.06.2018 ausgeführt hat – die sich aus dem tatsächlichen Vorbringen des Klägers ergebende Rechtsnatur des erhobenen Anspruchs. Grundlage der Entscheidung über die Zulässigkeit des Rechtswegs ist damit stets der Sachvortrag des Klägers, da er über den Streitgegenstand bestimmt (vgl. BGH, Urt. v. 16.02.1984, IX ZR 45/83, juris Rn. 9; Urteil v. 22.06.1984, III ZR 109/76, juris Rn. 8; OLG Nürnberg, Beschluss v. 13.04.2018, 13 W 452/18, juris Rn. 8; OLG Frankfurt, Beschluss v. 02.11. 2006, 25 W 86/06, juris Rn. 7). Die Einwendungen des Beklagten sind insofern unbeachtlich (Zöller/Lückemann, 32. A. 2018, § 13 Rn. 54 m.w.N.). Auf die vom Kläger vorgetragene rechtliche Bewertung der von ihm behaupteten Tatsachen kommt es hingegen nicht an (BGH, Urt. v. 27.05.1957, III ZR 7/56, juris Rn. 4; BVerwG, Urt. v. 28.01.1965, II C 108.62, juris Rn. 18; VG Berlin, Urt. v. 10.06.2016, 3 K 817.15, juris Rn. 12).

Vorliegend behauptet die Klägerin einen Tatbestand, aus dem sich die öffentlich-rechtliche Natur des ihrem Anspruch zugrunde liegenden Rechtsverhältnisses ergibt, so dass es sich um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit im Sinne des § 40 VwGO handelt. Die Klägerin trägt vor, dass die Beklagte ihrer Verpflichtung, die Obdachlosigkeit ihrer Eltern zu beseitigen nicht nachgekommen sei und sie deswegen selbst die Unterbringung ihrer Eltern veranlasst habe, wodurch ihr Aufwendungen entstanden seien, deren Ersatz sie nun von der Beklagten verlangt. Ob eine Verpflichtung der Beklagten als der für Maßnahmen der Gefahrenabwehr zuständigen allgemeinen Ordnungsbehörde zu einem entsprechenden Tätigwerden bestand, richtet sich nach §§ 2 Satz 2, 3, 82 HSOG (Hessischer Verwaltungsgerichtshof, Urt. v. 25.06.1991, 11 UE 3675/88, juris Rn. 19), mithin nach Normen des öffentlichen Rechts. Nimmt ein Bürger Aufgaben wahr, die an sich zum Tätigkeitsbereich der öffentlichen Verwaltung gehören, kann ein Anspruch auf Erstattung seiner Aufwendungen aufgrund einer entsprechenden Anwendung der Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 677 ff. BGB) in Betracht kommen (BVerwG, Urt. v. 06.09.1988, 4 C 5/86, juris Rn. 13; Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Urt. v. 27.11.2015, 5 BV 14.1846, juris Rn. 17). Ansprüche aus einer derartigen öffentlich-rechtlichen Geschäftsführung ohne Auftrag sind im Verwaltungsrechtsweg geltend zu machen (BVerwG, Urt. v. 06.09.1988, 4 C 5/86, juris Rn. 13; VG Berlin, Urteil v. 10.06.2016, 3 K 817.15, juris Rn. 13). Für die Rechtswegentscheidung spielt dabei keine Rolle, ob der behauptete öffentlich-rechtliche Anspruch tatsächlich besteht, dies ist vielmehr erst bei der Sachprüfung zu entscheiden (VG Berlin, Urt. v. 10.06.2016, 3 K 817.15, juris Rn. 12; Zöller/Lückemann, 32. A. 2018, § 13 GVG Rn. 54).

Dass die Klägerin bei zutreffender rechtlicher Bewertung ihres Tatsachenvortrags keinen Amtshaftungsanspruch geltend macht, für den gemäß § 40 Abs. 2 Satz 1 VwGO der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten zu beschreiten wäre, ergibt sich daraus, dass die von der Klägerin behauptete öffentlich-rechtliche Pflicht der Beklagten zur Beseitigung der Obdachlosigkeit ihrer Eltern nach ihrem eigenen Vortrag nicht ihr selbst, sondern ihren Eltern gegenüber besteht. Folgerichtig stützt die Klägerin ihr Klagebegehren darauf, dass sie selbst Aufgaben (gegenüber ihren Eltern) wahrgenommen hat, die zum öffentlich-rechtlichen Tätigkeitsbereich der Beklagten gehören (vgl. Schriftsatz vom 28.11.2017, S. 2/Bl. 72 d. A.: „Die Klägerin hat hier selbst Verbindlichkeiten übernehmen müssen, weil die Beklagte nicht in der Lage oder nicht willens war, die Eltern der Klägerin zur Abwendung der drohenden Obdachlosigkeit angemessen und kurzfristig mit Wohnraum zu versorgen, obwohl die Beklagte hierzu verpflichtet war.“). Damit wird der Klageanspruch aus öffentlich-rechtlicher Geschäftsführung ohne Auftrag hergeleitet, er wurzelt mithin im öffentlichen Recht.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

4. Der Beschwerdewert wurde gemäß § 3 ZPO nach dem Interesse der Parteien in Höhe von 1/3 des Hauptsachestreitwerts festgesetzt (OLG Nürnberg, Beschluss v. 13.04.2018, 13 W 452/18, juris Rn. 14).

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