OLG Frankfurt am Main, 26.05.2017 – 13 U 21/14

März 20, 2019

OLG Frankfurt am Main, 26.05.2017 – 13 U 21/14
Leitsatz:

1.

Zu den Anforderungen an die Verkehrssicherung einer Kabelbrücke, die quer über einen von Fahrradfahrern genutzten Land- und Forstwirtschaftsweg verlegt ist.
2.

Eine quer über einen von Fahrradfahrern genutzten Land- und Forstwirtschaftsweg verlegte Kabelbrücke kann durch das Aufstellen des Verkehrszeichens Nr. 112 (unebene Fahrbahn) in einem Abstand von 10 m vor der Kabelbrücke ausreichend abgesichert sein.
3.

Das durch das Verkehrszeichen Nr. 112 gebotene vorsichtige und langsame Fahren liegt bei einer festgestellten Annäherungsgeschwindigkeit eines Fahrradfahrers von mindestens 33 km/h nicht mehr vor.

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 30.01.2014 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer – Einzelrichterin – des Landgerichts Darmstadt in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 02.04.2014 wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das angefochtene Urteil und dieses Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des auf Grund des jeweiligen Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten zu 1) und 3) vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 115 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Gebührenstreitwert für das Berufungsverfahren wird auf 32.348,14 € festgesetzt.
Gründe

I.

Das klagende Land macht als Dienstherr Schadensersatzansprüche aus übergegangenem Recht gegen die Beklagten zu 1) und 3) als Gesamtschuldner wegen eines tödlichen Fahrradunfalls des … A vom …2011 geltend.

Der Verstorbene befuhr am …2011 gegen 20 Uhr in der Gemarkung Stadt1 mit seinem Rennrad der Marke B den parallel zur X … verlaufenden, abschüssigen Land- und Forstwirtschaftsweg. Der Weg war mit den Verkehrszeichen Nr. 260 (Verbot für Kraftfahrzeuge) und Nr. 1026-38 (land- und forstwirtschaftlicher Verkehr frei) beschildert. Kurz vor der Einmündung des Wegs auf die Kreuzung Straße1 war in einer Kurve eine Kabelbrücke quer zur Fahrbahn verlegt. Das in ihr befindliche Kabel diente zur Stromversorgung eines vom Beklagten zu 1) angelegten Maislabyrinths sowie von verschiedenen Kulturveranstaltungen der Beklagten zu 3). Eine Genehmigung der Beklagten zu 3) für die Verlegung der Kabelbrücke lag nicht vor. Vor der Kabelbrücke war in beiden Fahrtrichtungen das Verkehrszeichen Nr. 112 (unebene Fahrbahn) aufgestellt. In Fahrtrichtung des Verstorbenen stand das Verkehrszeichen in einem Abstand von 10 m vor der Kabelbrücke am rechten Fahrbahnrand.

Der Verstorbene prallte 8,50 m hinter der Kabelbrücke auf den Boden. Er trug keinen Fahrradhelm. Bei dem Aufprall zog er sich eine schwere Kopfverletzung zu, an deren Folgen er am …2011 in der Klinik1 Stadt2 verstarb.

In einem Schreiben an das Polizeipräsidium Z vom 04.09.2011 (Anlage K 9, Bl. 48 f. d. A.) teilte die Beklagte zu 3) unter anderem Folgendes mit:

„Auf Grund der Örtlichkeit (Gefällstrecke, Kurvenbereich) und der Kenntnis, dass Radfahrer den parallelen landwirtschaftlichen Weg entlang der X … nutzen und die Kabelbrücke für die Dauer der Veranstaltung auf dem Maisfeldlabyrinth einige Wochen über Nacht montiert worden wäre, wäre diese Kabelbrücke in der Form, wie sie war (leicht schräg in der Kurve) nicht genehmigt worden, wenn eine Genehmigung beantragt worden wäre. In einer Genehmigung wäre deshalb ein um einige Meter versetzter Standort auf gerader Strecke und eine Verlegung im rechten Winkel zur Straße (siehe Plan) gefordert worden.“

Gemäß Beihilfebescheid vom 20.09.2011 (Anlage K 3, Bl. 9 d. A.) leistete der Kläger im Zusammenhang mit dem Unfall Zahlungen in Höhe von 27.620,64 €. Aufgrund eines Beihilfebescheids vom 31.10.2011 (Anlage K 4, Bl. 10 d. A.) leistete er weitere 1.727,50 €. Der Kläger forderte daraufhin insgesamt einen Betrag in Höhe von 29.348,14 € von den Beklagten zu 1) und 3), die eine entsprechende Zahlung jedoch ablehnten.

Gegen den Beklagten zu 1) wurde zu Az. … ein staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung eingeleitet, das mit Bescheid der Staatsanwaltschaft Stadt3 vom 08.12.2011 (Bl. 80 f. d. Akte …) eingestellt wurde. Die hiergegen von der Ehefrau des Verstorbenen erhobene Beschwerde wurde mit Bescheid der Generalsstaatsanwaltschaft Stadt2 vom 30.01.2012 (Bl. 95 ff. d. Akte …) verworfen.

Der Kläger ist der Ansicht, der tödliche Fahrradunfall sei auf eine Verletzung der Verkehrssicherungspflichten der Beklagten zu 1) und 3) zurückzuführen.

Er hat behauptet, die unfallkausale Kabelbrücke sei für den Verstorbenen nicht vorhersehbar und damit überraschend gewesen. Sie sei in der Abenddämmerung nicht gut zu erkennen gewesen, insbesondere sei sie nicht mit ausreichenden Warnlichtern versehen gewesen. Es handele sich auch um ein atypisches Hindernis auf einem Forstweg. Die Auffahrtsschrägen seien steiler als 15 ° gewesen und die Kabelbrücke höher als 92,5 mm. Sie sei auch nicht fest verschraubt gewesen. Darüber hinaus sei sie leicht schräg in der Kurve verlegt worden anstatt, wie erforderlich, im rechten Winkel zur Fahrbahn. Das Verkehrsschild habe sich nicht in einem ausreichenden Abstand zur Kabelbrücke befunden, um vor dieser rechtzeitig zu warnen. Eine weitere Person, die Zeugin C, sei bei dem Überfahren der Kabelbrücke beinahe gestürzt und habe sich dabei leicht verletzt.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagten zu 1) und 3) als Gesamtschuldner zu verurteilen, an das klagende Land 29.348,14 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

festzustellen, dass die Beklagten verpflichtet sind, dem klagenden Land Ersatz zu leisten, soweit Schadensersatzansprüche wegen der tödlichen Verletzung des Herrn A aus dem Verkehrsunfall am …2011 auf das klagende Land übergegangen sind.

Die Beklagten zu 1) und 3) haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie haben behauptet, die Kabelbrücke sei ordnungsgemäß verlegt und deutlich sichtbar gewesen. Die Verkehrsschilder seien in ausreichendem Abstand aufgestellt worden. Der Verstorbene sei entweder zu schnell gefahren oder habe zu stark gebremst, denn bei normaler Fahrweise habe sich die Kabelbrücke gefahrlos passieren lassen. Die Kabelbrücke sei nicht ursächlich für den Sturz des Verstorbenen gewesen. Der von dem Verstorbenen befahrene Land- und Forstwirtschaftsweg sei nicht für den Fahrradverkehr freigegeben gewesen. Im Übrigen sei auf einem derartigen Weg mit Bodenunebenheiten zu rechnen. Darüber hinaus bestreiten sie die Ansprüche des Klägers der Höhe nach.

Mit Urteil vom 30.01.2014 (Bl. 101 ff. d. A.), berichtigt durch Beschluss vom 02.04.2014 (Bl. 101a d. A.), hat das Landgericht die Klage vollumfänglich abgewiesen. Zur Begründung führt das Landgericht aus, es fehle an einer Verkehrssicherungspflichtverletzung, die für den Sturz des Verstorbenen ursächlich geworden sei. Nach den im Ermittlungsverfahren getroffenen Feststellungen sei die Kabelbrücke ordnungsgemäß verlegt worden. Wegen der aufgebrachten Reflektoren sie sie auch bei Dunkelheit gut sichtbar gewesen. Warum der Verstorbene zu Fall gekommen sei, lasse sich nicht mehr nachvollziehen. Auf die Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft vom 31.10.2011 werde insofern verwiesen. Der Kläger habe keine Tatsachen substantiiert dargelegt und ordnungsgemäß unter Beweis gestellt, die zu einer anderen Beurteilung der Sach- und Rechtslage führten.

Gegen das ihm am 18.03.2014 zugestellte Urteil hat der Kläger mit Schriftsatz vom 14.04.2014 (Bl. 128 f. d. A.), eingegangen bei Gericht am 15.04.2014, Berufung eingelegt, die er mit Schriftsatz vom 15.05.2014 (Bl. 142 ff. d. A.), eingegangen bei Gericht am gleichen Tag, begründet hat.

Der Kläger hält an seinem erstinstanzlichen Vortrag fest. Das Landgericht stütze sich zu Unrecht ausschließlich auf die Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft Stadt3 vom 31.10.2011, wonach die Kabelbrücke ordnungsgemäß verlegt und beschildert gewesen sei. Die von dem Kläger vorgetragenen Tatsachen und Beweisangebote habe das Landgericht schlichtweg übergangen. Unzutreffend gehe das Landgericht davon aus, dass der Unfallhergang nicht mehr aufklärbar sei. Dem Verstorbenen sei kein Mitverschulden anzulasten. Er sei ein geübter Fahrradfahrer gewesen, der sich verkehrsgerecht und umsichtig verhalten habe.

Der Kläger beantragt,

auf die Berufung des klagenden Landes das Urteil der Einzelrichterin der 3. Zivilkammer des Landgerichts Darmstadt abzuändern,

die Beklagten zu verurteilen, als Gesamtschuldner an das klagende Land 29.348,14 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

festzustellen, dass die Beklagten verpflichtet sind, als Gesamtschuldner dem klagenden Land Ersatz zu leisten, soweit Schadensersatzansprüche wegen der tödlichen Verletzung des Herrn A aus dem Verkehrsunfall am …2011 auf das klagende Land übergegangen sind.

Die Beklagten zu 1) und 3) beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung wiederholen und vertiefen sie ihr erstinstanzliches Vorbringen.

Wegen weiterer Einzelheiten des Vortrags der Parteien im Berufungsverfahren wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Der Senat hat gemäß Beweisbeschluss vom 04.03.2016 (Bl. 283 ff. d. A.) Beweis erhoben durch Einholung eines Unfallrekonstruktionsgutachtens. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten des Sachverständigen D vom 05.08.2016 (Bl. 318 ff. d. A.), das Ergänzungsgutachten vom 12.10.2016 (Bl. 385 ff. d. A.) sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 31.03.2017 (Bl. 447 ff. d. A.) Bezug genommen.

Die Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft Stadt3 Az. … war beigezogen und war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte und auch im Übrigen zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg.

Dem Kläger steht gegenüber den Beklagten zu 1) und 3) unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ein Schadensersatzanspruch zu, so dass das Landgericht – allerdings ohne die gebotene Beweisaufnahme – jedenfalls im Ergebnis zu Recht die Klage abgewiesen hat.

1. Insbesondere scheidet ein Anspruch gemäß § 823 Abs. 1 BGB aus, denn aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme steht fest, dass die Beklagten zu 1) und 3) keine Verkehrssicherungspflichten verletzt haben.

a) Die Beklagten zu 1) und 3) traf vorliegend allerdings eine Verkehrssicherungspflicht hinsichtlich der streitgegenständlichen Kabelbrücke. Derjenige der in seinem Verantwortungsbereich eine Gefahrenlage gleich welcher Art für Dritte schafft, etwa durch Eröffnung eines Verkehrs oder Errichtung einer Anlage, hat grundsätzlich dafür Sorge zu tragen, dass die Schädigung Dritter möglichst verhindert wird (Palandt/Sprau, 76. A. 2017, § 823 Rn. 46; MüKoBGB/Wagner, 7. A. 2017, § 823 Rn. 405).

Der Beklagte zu 1) hat veranlasst, dass das Kabel zur Stromversorgung des von ihm angelegten Maislabyrinths verlegt wurde. Damit ist die Kabelverlegung unmittelbar seinem Verantwortungsbereich zuzuordnen. Die Beklagte zu 3) traf demgegenüber die – privatrechtliche (vgl. OLG Frankfurt, Urt. v. 22.02.1993, 14 U 7/92, juris Rn. 2; MüKoBGB/Papier/Shirvani, 7. A. 2017, § 839 Rn. 177; MüKoBGB/Wagner, 7. A. 2017, § 823 Rn. 549 f.) – Straßenverkehrssicherungspflicht für den Landwirtschafts- und Forstweg, auf dem das Kabel verlegt war. Ob der Weg für den Fahrradverkehr freigegeben war, spielt dabei entgegen der Ansicht der Beklagten keine Rolle, denn ausreichend ist insofern, dass der Weg jedenfalls mit Duldung der Beklagten zu 3) für den Fahrradverkehr tatsächlich eröffnet war (MüKOBGB/Wagner, 7. A. 2017, § 823 Rn. 439). Die Beklagte zu 3) räumt insofern in ihrem Schreiben vom 04.09.2011 selbst ein, dass ihr bekannt war, dass der Weg tatsächlich von Radfahrern genutzt wird. Darüber hinaus ist davon auszugehen, dass ihr die Kabelführung bekannt war, auch wenn das Ordnungsamt der Beklagten zu 3) eine Genehmigung gemäß § 46 Abs. 1 Nr. 6 StVO bzw. § 16 HStrG hierfür nicht erteilt hatte. Die Verkehrssicherungspflicht der Beklagten zu 3) tritt damit neben diejenige des Beklagten zu 1) (OLG Köln, Urt. v. 20.05.1994, 19 U 225/93, juris Rn. 3; MüKOBGB/Wagner, 7. A. 2017, § 823 Rn. 557, 462).

b) Aufgrund der Beweisaufnahme steht für den Senat jedoch fest, dass die Beklagten zu 1) und 3) ihren Verkehrssicherungspflichten vollumfänglich nachgekommen sind.

Der Verkehrssicherungspflichtige muss die Sicherheitsvorkehrungen treffen, die ein verständiger, umsichtiger, vorsichtiger und gewissenhafter Angehöriger der betroffenen Verkehrskreise für ausreichend hält, um andere Personen vor Schäden zu bewahren, und die ihm den Umständen nach zuzumuten sind (BGH, Urt. v. 08.11.2005, VersR 2006, 233, 234 [BGH 08.11.2005 – VI ZR 332/04]; Urt. v. 16.05.2006, VersR 2006, 1083 [BGH 16.05.2006 – VI ZR 189/05]; jeweils m.w.N.). Der Verkehr ist in der Regel nur vor den Gefahren zu schützen, die er selbst in der sich ihm konkret darbietenden Situation bei Anwendung der von ihm in dieser Situation zu erwartenden Sorgfalt erfahrungsgemäß nicht oder nicht rechtzeitig erkennen und vermeiden kann (vgl. BGH, Urt. v. 05.07. 2012, III ZR 240/11, juris Rn. 11; OLG München, Urt. v. 16.02.2012, 1 U 3409/11, juris Rn. 35, KG Berlin, Urt. v. 05.10.2009, 12 U 195/08, juris Rn. 8). Hingegen scheidet eine Pflichtverletzung des in Anspruch Genommenen und damit seine Schadenersatzverpflichtung dann aus, wenn der Verletzte also bei von ihm zu erwartender vernünftiger Bewertung all dessen, was er – rechtzeitig – wahrnehmen konnte, die Verwirklichung der Gefahr vorauszusehen und zu vermeiden vermochte (Brandenburgisches Oberlandesgericht, Urt. v. 13.09.2005, 11 U 20/05, juris Rn. 60). Eine Verkehrsfläche muss mithin nicht schlechthin gefahrlos und frei von allen Mängeln sein. Verkehrsteilnehmer haben vielmehr die gegebenen Verhältnisse grundsätzlich so hinzunehmen und sich ihnen anzupassen, wie sie sich ihnen erkennbar darbieten (BGH, Urt. v. 13.07.1989, III ZR 122/88, juris Rn. 11; KG Berlin, Urt. v. 08.11. 2013, 9 U 24/12, juris Rn. 11). Die Verkehrssicherungspflicht dient insbesondere nicht dazu, das allgemeine Lebensrisiko auf den Verkehrssicherungspflichtigen abzuwälzen (OLG Saarbrücken, Urt. v. 16.10.2014, 4 U 168/13, juris Rn. 44).

Im Streitfall war die Kabelbrücke durch die Aufstellung des Verkehrszeichens Nr. 112 (unebene Fahrbahn) in einem Abstand von 10 m vor der Kabelbrücke ausreichend abgesichert. Die Beweisaufnahme hat ergeben, dass der Schadensfall bei Einhaltung der durch das Verkehrsschild gebotenen Fahrweise vermieden worden wäre.

Der Sachverständige hat in seiner mündlichen Gutachtenerläuterung detailliert und nachvollziehbar ausgeführt, dass ein Rennradfahrer – unabhängig von der eingenommenen Sitzposition (Unterlenker- bzw. Oberlenkerhaltung) – das Verkehrszeichen mindestens aus einer Entfernung von 50 m wahrnehmen konnte („eher mehr“, vgl. Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 31.07.2017, S. 2/Bl. 454 d. A.). Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang pauschal eine Einschränkung der Sicht wegen der einsetzenden Abenddämmerung behauptet hat, ergibt sich aus den von der Polizei am Unfallort kurz nach dem Unfall angefertigten Lichtbildern, dass die zum Unfallzeitpunkt vorherrschenden Lichtverhältnisse die Wahrnehmbarkeit des Verkehrszeichens nicht nennenswert erschwert haben. Der Kläger hat insofern auch nicht die Unzulänglichkeit der Lichtbilder konkret gerügt, sondern sich sogar an anderer Stelle (z. B. Klageschrift vom 07.08.2013, S. 4/Bl. 4 d. A.) ausdrücklich auf diese als Beweismittel berufen. Dass das Verkehrszeichen durch am Wegrand befindliche Vegetation verdeckt war, hat der Kläger weder im erstinstanzlichen noch im zweitinstanzlichen Verfahren behauptet. Im Schriftsatz vom 07.11.2016 hat er lediglich (pauschal) vorgetragen, die Sicht auf die – ungleich niedrigere – Kabelbrücke sei durch rechts der Fahrbahn vorhandene Vegetation erschwert worden. Soweit der Sachverständige im Berufungsverfahren darauf hingewiesen hat, dass zu der Vegetation am Unfallort, soweit diese nicht auf den polizeilichen Lichtbildern erkennbar ist, nichts bekannt ist (vgl. Ergänzungsgutachten vom 12.10.2016, S. 3/Bl. 387 d. A., Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 31.07.2017, S. 3/Bl. 455 d. A.), hat der Kläger dies nicht zum Anlass für ergänzenden Sachvortrag genommen, wobei Zulassungsgründe im Sinne des § 531 Abs. 2 ZPO hierfür ohnehin nicht ersichtlich gewesen wären.

Das Verkehrszeichen Nr. 112 weist auf Unebenheiten der Fahrbahn hin und soll den Verkehr dazu veranlassen, vorsichtig und langsam zu fahren (OLG Saarbrücken, Urt. v. 05.06.2014, 4 U 118/13, juris Rn. 24). Nach den aufgrund mehrerer Versuchsfahrten mit einem Vergleichsrad getroffenen Feststellungen des Sachverständigen war die streitgegenständliche Kabelbrücke nach dem Ort ihrer Verlegung und ihrer konkreten Gestalt so beschaffen, dass sie – in Kenntnis des Hindernisses – mit einer Geschwindigkeit bis zu 40 km/h gefahrlos überwunden werden konnte. Ausgehend hiervon hat der Sachverständige in nicht zu beanstandender Weise angenommen, dass es bei unvorbereitetem Überfahren bei Geschwindigkeiten ab 30 km/h zu instabilen Fahrsituationen kommen könne (Gutachten vom 05.08.2016, S. 20 ff./Bl. 337 ff. d. A.). Im Umkehrschluss, so der Sachverständige, sei ein gefahrloses Überfahren der Kabelbrücke mit Geschwindigkeiten bis 30 km/h möglich gewesen.

Damit steht für den Senat fest, dass der Verstorbene die von der Kabelbrücke ausgehende Gefahr durch eine dem Verkehrszeichen Nr. 112 angepasste Fahrweise hätte vermeiden können. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob eine angepasste Fahrweise eine Reduzierung der Geschwindigkeit auf Schritttempo erfordert hätte (s. hierzu OLG Saarbrücken, Urt. v. 05.06.2014, 4 U 118/13 juris Rn. 24; OLG Hamm, Urt.v. 29.10.2013, 9 U 135/13, juris Rn. 4). Das durch das Verkehrszeichen Nr. 112 gebotene vorsichtige und langsame Fahren liegt jedenfalls bei mit dem Fahrrad gefahrenen Geschwindigkeiten ab 30 km/h zweifellos nicht mehr vor. Der Sachverständige hat im Streitfall eine Annäherungsgeschwindigkeit des Verstorbenen von mindestens 33 km/h angenommen (Gutachten vom 0508.2016, S. 2/Bl. 319 d. A.).

Der Verstorbene war schließlich nach den Feststellungen des Sachverständigen auch in der Lage, ab dem Zeitpunkt, in dem er das Verkehrszeichen wahrnehmen konnte, seine Geschwindigkeit auf unter 30 km/h zu reduzieren. Entgegen der Ansicht des Klägers spielt dabei keine Rolle, ab wann die Kabelbrücke selbst für den Verkehr sichtbar war, denn besondere Aufmerksamkeit und eine angepasste Fahrweise war bereits aufgrund des Verkehrszeichens geboten. Der Sachverständige hat hierzu ausgeführt, dass man zwar in der Anfahrt auf die Kabelbrücke, die ein erhebliches Gefälle im oberen Bereich aufweise, mit einem Rennrad auf Geschwindigkeiten bis zu 60 km/h kommen könne. Selbst bei einer derartig hohen Geschwindigkeit sei es aber möglich gewesen, das Fahrrad ab dem Zeitpunkt, in dem das Verkehrszeichen wahrzunehmen gewesen sei, bis zur Kabelbrücke auf eine Geschwindigkeit unter 30 km/h abzubremsen (Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 31.03.2017, S. 2/Bl. 454 d. A.). Bereits aufgrund des Sichtfahrgebots des § 3 Abs. 1 Satz 4 StVO und des Gebots des § 3 Abs. 1 Satz 2 StVO die Geschwindigkeit den Straßenverhältnissen anzupassen darf ein Fahrradfahrer ohnehin nur mit einer Geschwindigkeit fahren, die es ihm erlaubt, notfalls vor einem Fahrbahnhindernis, mit dem stets zu rechnen ist, anzuhalten (OLG Jena, Urt. v. 24.06.2009, 4 U 67/09, juris Rn. 25).

Eine andere Beurteilung ist auch wegen des Vortrags des Klägers geboten, die Zeugin C sei ebenfalls am Unfalltag an der Unfallstelle „beinahe zu Fall gekommen“ und habe sich dabei leicht am Bein verletzt, weil ihr das rechte Pedal beim Überfahren der Kabelbrücke gegen das Schienbein geschlagen sei. Denn die Zeugin ist hiernach jedenfalls gerade nicht durch die Kabelbrücke zu Fall gekommen, sondern hat sich die leichte Verletzung lediglich durch einen Schlag des rechten Pedals gegen ihr Schienbein beim Überfahren der Kabelbrücke zugezogen, der nicht ohne Weiteres gegen eine ordnungsgemäße Errichtung und Beschilderung der Kabelbrücke spricht. Überdies fehlt Vortrag zu der von der Zeugin gefahrenen Geschwindigkeit gänzlich. Die pauschale Behauptung des Klägers, die Zeugin habe sich verkehrsgerecht verhalten, reicht insofern nicht aus. Selbst bei Zugrundelegung des vorstehenden – streitigen – Vortrags des Klägers vermag dieser daher nicht die Feststellungen des Sachverständigen in Zweifel zu ziehen.

2. Vor dem Hintergrund der vorstehenden Ausführungen kommt ein Schadensersatzanspruch gemäß bzw. § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 32 Abs. 1 StVO ebenfalls nicht in Betracht. Nach § 32 Abs. 1 StVO ist es unter anderem verboten, Gegenstände auf die Straße zu bringen oder dort liegen zu lassen, wenn dadurch der Verkehr gefährdet oder erschwert wird (Burmann/Heß/Jahnke/Janker, Straßenverkehrsrecht, 23. A. 2014, § 32 Rn. 3). Eine derartige Verkehrsgefährdung oder Verkehrserschwerung ist indes bei einer ordnungsgemäß abgesicherten Gefahrenstelle nicht anzunehmen (vgl. OLG Düsseldorf, Urt. v. 21.06.1996, 22 U 252/95, juris).

III.

1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

2. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711, 709 ZPO.

3. Eine Zulassung der Revision ist nicht geboten, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und eine Entscheidung des Revisionsgerichts weder zur Fortbildung des Rechts noch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist (§ 543 Abs. 2 ZPO).

4. Die Streitwertfestsetzung richtet sich nach §§ 47 GKG, 3 ZPO.

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