OLG Frankfurt am Main, 26.09.2013 – 3 U 270/12

April 19, 2019

OLG Frankfurt am Main, 26.09.2013 – 3 U 270/12
Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das am 26. Oktober 2012 verkündete Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Das angefochtene und das vorliegende Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung aus dem vorliegenden Urteil abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des nach dem Urteil vollstreckbaren Betrags, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
1

I.

Die Klägerin begehrt Schadensersatz aus fehlerhafter Anlageberatung.
2

Die A (A), eine 100%-ige Tochter der Beklagten, legte geschlossene Immobilienfonds auf, die von der Beklagten vermittelt wurden. Die Klägerin und ihr Ehemann beteiligten sich vor dem Jahr 2005 an mindestens fünf dieser Fonds. Anfang 2002 bot der Mitarbeiter der Beklagten Herr Z1 der Klägerin die Beteiligung am Fonds A 1… an. Der Ehemann der Klägerin führte diesbezüglich mit Herrn Z1 ein Beratungsgespräch auf der Grundlage des Kurzprospekts dieses Fonds (Anlage K 5) und zeichnete für seine Ehefrau am 15.02.2002 eine Beteiligung in Höhe von 50.000,- € zuzüglich eines Agios, das nach Verhandlungen von 5% auf 2,5% reduziert wurde.
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Die Klägerin hat behauptet, die Beklagte habe gewusst, dass sie lediglich sichere Anlagen für ihre Altersabsicherung habe erwerben wollen. Über Risiken der Anlage in A-Fonds sei sie genauso wenig aufgeklärt worden wie über Rückvergütungen, die an die A bzw. die Beklagte geflossen seien.
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Mit Urteil vom 26.10.2012, auf dessen tatsächliche Feststellungen im Übrigen Bezug genommen wird, hat das Landgericht die auf Rückzahlung des Anlagebetrags abzüglich erhaltener Ausschüttungen und auf Feststellung gerichtete Klage abgewiesen. Die Beklagte habe ihre Pflichten aus dem Beratungsvertrag durch Übergabe des Prospekts erfüllt, Rückvergütungen seien allenfalls an die A, nicht jedoch an die Beklagte geflossen.
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Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin, die ihr erstinstanzliches Begehr weiter verfolgt und ihren Vortrag wiederholt und vertieft.
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Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil und begehrt Zurückweisung der Berufung. Für den Fall, dass das Gericht eine Anrechnung der Steuervorteile nicht vornimmt, beantragt sie hilfsweise widerklagend,

festzustellen, dass die Klägerin verpflichtet ist, etwaige von der Beklagten erhaltene Schadensersatzleistungen, die seitens der zuständigen Finanzbehörde nicht der Nachversteuerung unterworfen werden, in Höhe der aufgrund der Beteiligung an der B (A 1…) erhaltenen Steuervorteile an die Beklagte auszukehren.

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Die Klägerin beantragt,

die Hilfswiderklage abzuweisen.

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II.

Die Berufung ist zulässig, insbesondere an sich statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. In der Sache hat sie indes keinen Erfolg. Die angefochtene Entscheidung beruht weder auf einer Rechtsverletzung noch rechtfertigen dem Berufungsverfahren zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung (§ 513 ZPO).
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Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Ein Schadensersatzanspruch steht der Klägerin unter dem Gesichtspunkt der Verletzung von Pflichten aus dem Beratungsvertrag durch die Beklagte (§ 280 BGB) nicht zu. Dieser Vertrag verpflichtete die Beklagte, die Klägerin zu einer anleger- und objektgerechten Beratung (st. Rspr. seit BGHZ 123, 126, 128 f.). Inhalt und Umfang der Beratungspflichten hängen von den Umständen des Einzelfalls ab. Maßgeblich sind einerseits der Wissensstand, die Risikobereitschaft und das Anlageziel des Kunden und andererseits die allgemeinen und speziellen Risiken, die sich aus den Besonderheiten des Anlageobjekts ergeben. Die Beratung hat sich auf diejenigen Eigenschaften des Anlageobjekts zu beziehen, die für die jeweilige Anlageentscheidung wesentliche Bedeutung haben oder haben können. Während die Bank über diese Umstände richtig, sorgfältig, zeitnah, vollständig und für den Kunden verständlich zu unterrichten hat, muss die Bewertung und Empfehlung des Anlageobjekts unter Berücksichtigung der genannten Gegebenheiten lediglich ex ante betrachtet vertretbar sein. Das Risiko, dass eine aufgrund anleger- und objektgerechter Beratung getroffene Anlageentscheidung sich im Nachhinein als falsch erweist, trägt der Anleger (vgl. zusammenfassend BGH Urteile vom 27. September 2011 – XI ZR 182/10 = BGHZ 191, 119 Rn. 22 – und – XI ZR 178/10 = WM 2011, 2261 Rn. 23 [BGH 27.09.2011 – XI ZR 178/10] mwN). Diesen Anforderungen hat die Beklagte vorliegend genügt.
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Entgegen der Ansicht der Klägerin stellt es keine Pflichtverletzung der Beklagten dar, dass sie die Beteiligung an dem Fonds als „zur Altersvorsorge geeignet“ bezeichnete. Aus einer solchen Formulierung folgt nicht zwingend, dass die Anlage keine Risiken aufweist, insbesondere das eingezahlte Kapital ungeschmälert erhalten bleibt. In dem Kurzprospekt, der unstreitig Grundlage der Beratung war, ist die entsprechende Formulierung mit dem Hinweis verbunden, es handele sich um eine Langfristige und ausschüttungsorientierte Anlage. Beide Aspekte können – neben der Sicherheit der Anlage – für eine Altersvorsorge von Bedeutung sein.
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Zu Recht ist das Landgericht davon ausgegangen, dass die Klägerin über alle mit der Anlage verbundenen Risiken durch das ihr übergebene vollständige Prospekt hinreichend aufgeklärt wurde. Dass ihr das Prospekt vorlag, hat die Klägerin durch ihre Unterschrift auf dem Zeichnungsschein bestätigt, Beweis dafür, dass dies nicht der Fall war, hat sie nicht angeboten. Wegen der die wesentlichen Eigenschaften des Anlageobjekts abdeckenden Prospektinhalte kann auf die landgerichtliche Entscheidung Bezug genommen werden.
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Selbst wenn man nicht von einer Erfüllung der Beratungspflichten durch das Prospekt ausgehen wollte, liegt eine Pflichtverletzung durch die Beklagte nicht vor. In Anbetracht der Erfahrung der Klägerin und deren Ehemannes mit der Kapitalanlage in unternehmerische Beteiligungen durfte sie davon ausgehen, dass es eines erneuten Hinweises auf die damit verbundenen Risiken ihr gegenüber nicht mehr bedurfte.
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Dies gilt auch für die von der Beklagten grundsätzlich geschuldete Pflicht zur Aufklärung über Rückvergütungen. Entgegen der Ansicht der Klägerin kann eine Rückvergütung i.S.d. Rechtsprechung des BGH lediglich in dem Agio liegen. Die im Prospekt ausgewiesene Platzierungsgarantie-Gebühr stellt keine solche Rückvergütung dar, sondern war das Entgelt für die Übernahme des Platzierungsrisikos. In diesem Fall war die Beklagte verpflichtet, dem Fonds nicht beschafftes Eigenkapital zur Verfügung zu stellen. Auch in dem von der Klägerin zitierten Urteil des BGH vom 19.02.2013 – XI ZR 493/11– wird die Platzierungsgarantie nicht als Rückvergütung angesehen, sondern lediglich als zusätzliches, die Interessenkollision steigerndes Element. Bezüglich des Vertriebsbonus fehlt es an substantiiertem Vortrag, an wen und welcher Höhe dieser tatsächlich gezahlt wurde.
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Letztlich kann indes sowohl dahin stehen, in welcher Höhe Rückvergütungen erfolgten noch, ob solche, die an die A flossen als von der Beklagten vereinnahmt anzusehen sind. Auch insoweit nämlich durfte die Beklagte davon ausgehen, dass die Klägerin um die Rückvergütungen wusste. Aufgrund ihrer Erfahrungen aus den früheren Beteiligungen an A-Fonds war ihr bekannt, dass Verhandlungen über die Höhe des Agios möglich waren, so dass es ihr vorliegend gelang, dieses auf die Hälfte herabzusetzen. Im vorliegenden Prozess hat die Klägerin (im Schriftsatz vom 04.09.2013, S. 9 = Bl. 412 d.A.) zudem ausdrücklich erklärt, sie sei davon ausgegangen, „dass das Agio eine Vergütung für den (Fonds-)Initiator ist“. Dann aber war ihr klar, dass dieses Agio nicht beim Fonds verblieb, sondern entweder an die A oder an die Beklagte zurückfloss. Vor dem Hintergrund dieser Behauptung stellt es sich als unsubstantiiert dar, wenn die Klägerin im gleichen Schriftsatz (S. 6) ihre Kenntnis von Rückvergütungen bestreitet.
15

III.

Mangels Erfolgs der Klage bedarf es einer Entscheidung über die Hilfswiderklage der Klägerin nicht.
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IV.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen, da dieses ohne Erfolg geblieben ist (§ 97 Abs. 1 ZPO).
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
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Eine Zulassung der Revision ist nicht möglich, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO nicht vorliegen.

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