OLG Frankfurt am Main, 26.10.2017 – 6 U 111/16

März 19, 2019

OLG Frankfurt am Main, 26.10.2017 – 6 U 111/16
Leitsatz:

Wird ein Vorname (im Streitfall: „Sam“), der mit einer für Bekleidungsstücke eingetragenen Wortmarke identisch ist, in einem Internetangebot als Modellbezeichnung für eine Hose verwendet, liegt darin grundsätzlich zugleich eine markenmäßige, d.h. die Herkunftsfunktion der Marke beeinträchtigende Benutzung. Etwas anderes gilt allenfalls dann, wenn der angesprochene Durchschnittsverbraucher auf Grund einer ihm bekannten verbreiteten Branchenübung weiß, dass derartige Modellbezeichnungen – etwa als Bestellzeichen – allein dazu dienen, das Modell von anderen Modellen desselben Anbieters zu unterscheiden (im Streitfall verneint).
Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das am 12.5.2016 verkündete Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main wird zurückgewiesen.

Auf die Anschlussberufung der Klägerin wird das Urteil teilweise abgeändert. Die Beklagte wird weiter verurteilt, an die Klägerin € 1.752,90 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 26.8.2015 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Anschlussberufung zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen hat die Beklagte zu tragen.

Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von € 85.000,00 abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von € 85.000,00 leistet.

Die Revision wird zugelassen.
Gründe

A.

Die Parteien streiten über markenrechtliche Ansprüche.

Die Klägerin ist Rechtsnachfolgerin der A GmbH. Sie ist Inhaberin der am 03.05.1991 angemeldeten und am 27.09.1991 unter anderem für „Bekleidungsstücke“ (Klasse 25) eingetragenen deutschen Wortmarke „SAM“ (Reg.Nr. …, Anlage K3).

Die Beklagte gehört zu den führenden Anbietern aktueller Markenmode für Herren in Deutschland, insbesondere im Bereich des Onlinehandels. Sie betreibt unter anderem die Onlineshops www.just4men.de und www.(…).de, auf denen Bekleidungsstücke einer Vielzahl verschiedener Hersteller angeboten werden. Auf diesen Portalen bot die Beklagte unter der Bezeichnung „EUREX BY BRAX“ Jeanshosen der Herstellerin B GmbH & Co. KG an (Anlagen K1, K2). Im Beschreibungstext der Angebote findet sich jeweils die Angabe „Modell: Sam“. Beispielhaft wird auf das nachfolgende Angebot verwiesen:

Die Klägerin mahnte die Beklagte mit anwaltlichem Schreiben vom 25.03.2015 ab (Anlage K 16). Die Beklagte und die Herstellerfirma B GmbH & Co. KG haben daraufhin gegen die Klägerin beim Landgericht Stadt1 eine negative Feststellungsklage erhoben (Az. …, Anlage K26). Der Rechtsstreit ist hinsichtlich der Feststellung des Nichtbestehens eines Unterlassungsanspruchs gegenüber der (hiesigen) Beklagten übereinstimmend für erledigt erklärt worden (Anlagen B96, B100).

Die Klägerin ist der Auffassung, die Beklagte nutze das Zeichen „Sam“ markenmäßig im Sinne einer Zweitmarke. Sie hat beantragt, die Beklagte zur Unterlassung der Verwendung der Bezeichnung wie in den Anlagen K1 und K2 geschehen und zur Erstattung von Abmahnkosten zu verurteilen.

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Sie hat behauptet, sie verwende stets die Modellnamen, die die Hersteller den Produkten zuweisen. Es sei seit Jahrzehnten in der Bekleidungsbranche üblich und gängige Praxis, zur Benennung der Modelle innerhalb einer Kollektion eines Herstellers Vornamen zu verwenden. Die Vornamen dienten nicht dazu, die Bekleidungsstücke eines Herstellers von denjenigen eines anderen Herstellers zu unterscheiden. Dem Durchschnittsverbraucher sei diese Praxis geläufig.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf das angegriffene Urteil des Landgerichts Frankfurt Bezug genommen (§ 540 I Nr. 1 ZPO).

Das Landgericht hat die Beklagte verurteilt, es bei Meidung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr unter der Bezeichnung „Modell: Sam“ Bekleidungsstücke anzubieten und/oder anbieten zu lassen, wenn dies wie in Anlage K1 und in Anlage K2 ersichtlich geschieht. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen.

Gegen diese Beurteilung wendet sich die Beklagte mit der Berufung. Im Berufungsrechtszug wiederholen und vertiefen die Parteien ihr Vorbringen.

Die Beklagte beantragt,

unter teilweiser Abänderung des am 12.05.2016 verkündeten Urteils des Landgerichts Frankfurt am Main – 2-03 O 318/15 – die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Im Wege der Anschlussberufung beantragt sie,

das angefochtene Urteil teilweise abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin ein Betrag in Höhe von 1.752,90 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Anschlussberufung zurückzuweisen.

Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen Bezug genommen.

B.

I. Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg.

Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Unterlassung der Verwendung der Bezeichnung „Sam“, wie in den Anlagen K1, K2 geschehen, aus § 14 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 5 MarkenG zu. Die Beklagte hat die Bezeichnung „Sam“ in den beanstandeten Onlineangeboten für Herrenhosen nach Art einer Marke benutzt.

1. Es liegt ein Fall der Doppelidentität vor (§ 14 II Nr. 1 MarkenG). Es besteht Warenidentität. Die als Wortmarke eingetragene Klagemarke „SAM“ (Register-Nr. …) genießt unter anderem Schutz für „Bekleidungsstücke“. Die angegriffenen Verwendungsformen betreffen Angebote für Hosen (Anlagen K1, K2). Es besteht auch Zeichenidentität. Die Beklagte verwendet die Bezeichnung zwar in einer von der Eintragung abweichenden Schreibweise („Sam“). Zeichenidentität setzt grundsätzlich eine vollständige Übereinstimmung der kollidierenden Zeichen voraus. Unschädlich sind aber so geringfügige Unterschiede, dass sie einem Durchschnittsverbraucher entgehen können. Wenn sich Marke und Zeichen nur in ihrer Groß- oder Kleinschreibung unterscheiden, ist in der Regel von einem unbedeutenden Unterschied auszugehen (EuGH GRUR 2011, 1124 Rn. 33 – Interflora; BGH GRUR 2015, 607 [BGH 12.03.2015 – I ZR 188/13] Rn. 22 – Uhrenankauf im Internet). Der Streitfall ist nicht anders zu beurteilen. In der Groß- oder Kleinschreibung der beiden letzten Buchstaben sehen die angesprochenen Verkehrskreise keinen relevanten Unterschied.

2. Der Markeninhaber kann einer Benutzung des mit der Marke identischen Zeichens auch im Fall der Doppelidentität nur widersprechen, wenn dadurch eine der Funktionen der Marke beeinträchtigt werden kann. Die Hauptfunktion der Marke wird beeinträchtigt, wenn die Bezeichnung im Rahmen des Produkt- und Leistungsabsatzes zur Unterscheidung der Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens von denen anderer Unternehmen verwendet wird. Daneben kommt auch eine Beeinträchtigung von Sekundärfunktionen, namentlich der Kommunikations-, Investitions- oder Werbefunktion in Betracht (BGH GRUR 2011, 1135 [BGH 14.04.2011 – I ZR 33/10], Rn. 11 – GROSSE INSPEKTION FÜR ALLE m.w.N.).

3. Im Streitfall ist von einer Beeinträchtigung der Herkunftsfunktion auszugehen. Eine glatt beschreibende Verwendung oder eine Verwendung als rein interne Artikelbezeichnung bzw. als bloßes Bestellzeichen können aus der maßgeblichen Verkehrssicht nicht angenommen werden.

a) Die Bezeichnung „Sam“ beschreibt aus der maßgeblichen Sicht des Durchschnittsverbrauchers – für sich genommen – keine Merkmale oder Eigenschaften von Bekleidungsstücken. Aus Namen gebildete Marken sind für Bekleidungsstücke grundsätzlich von Haus aus unterscheidungskräftig (vgl. BGH GRUR 2005, 513, 514 [BGH 24.02.2005 – I ZB 2/04] – MEY/Ella May). Dies gilt auch für Vornamen (BGH GRUR 1970, 552 – Felina-Britta). Auch der Bezeichnung „Sam“ kommt originäre Unterscheidungskraft zu. Davon hat der Senat als Verletzungsgericht ohnehin auszugehen, weil er an die Eintragung der gleichnamigen Klagemarke gebunden ist und ihr nicht jegliche Schutzfähigkeit absprechen darf.

b) Auch aus der konkreten Verwendung der Bezeichnung durch die Beklagte (Anlagen K1, K2) ergibt sich keine glatt beschreibende Verwendung. Die Anlagen K1 und K2 zeigen Angebote aus den Online-Shops „www.(…).de“ und „JUST4MEN.de“. Links ist jeweils ein Foto einer Herrenhose eingeblendet. Rechts befindet sich unter der blickfangmäßigen Überschrift „EUREX BY BRAX“ eine textliche Erläuterung des Angebots. Zu Beginn einer stichpunktartigen Auflistung findet sich die Angabe „Modell: Sam“. Darunter finden sich weitere Stichpunkte zu „Details“; „Verschluss“; „Obermaterial“; „Farbe“; etc. Der Verkehr hat bei dieser Art der Darstellung keinen Anlass, die Bezeichnung „Sam“ in einem beschreibenden Sinn, etwa als Bezeichnung eines bestimmten Schnitts oder einer bestimmten Passform aufzufassen. Dagegen spricht schon, dass sich Angaben zu Schnitt und Passform nicht in der Zeile „Modell:“, sondern erst in der darunter liegenden Zeile „Details:“ finden („Regular Fit, gerader Beinverlauf, komfortable Leibhöhe …“). Auch sonst ist nicht ersichtlich, dass aus Sicht des Durchschnittsverbrauchers die Bezeichnung „Sam“ bestimmte Produkteigenschaften beschreiben könnte. Es liegt auch keine dekorative Verwendung vor.

c) Diese Umstände sprechen dafür, dass durchschnittlich verständige und aufmerksame Verbraucher die Bezeichnung „Sam“ in diesem Zusammenhang als eigenständiges Kennzeichen im Sinne einer Zweitmarke ansehen. Der Verkehr ist vielfach an die Verwendung von Zweitkennzeichen gewöhnt (BGH WRP 2017, 1209Rn. 30 – Dorzo m.w.N.). Dies gilt seit jeher auch im Bekleidungssektor (vgl. BGH BB 1961, 229 – Tosca). Der Verkehr erkennt in der Bezeichnung „EUREX BY BRAX“ eine Erstmarke, die sich als eine Art Dachmarke für eine ganze Produktlinie darstellt. Die Bezeichnung „Sam“ wird als Kennzeichen für das konkrete Produkt, namentlich das Hosenmodell, angesehen. Nichts anderes ergibt sich aus dem vorangestellten Begriff „Modell:“. Der Verkehr ist daran gewöhnt, dass bestimmte Modelle einer Produktpalette mit eigenen Marken gekennzeichnet werden. Ein allgemein bekanntes Beispiel für diese Übung ist neben dem Bekleidungssektor die KfZ-Branche. Wird in der Werbung ein Produkt mit einem unterscheidungskräftigen Begriff in einer Weise bezeichnet, die weder beschreibend noch dekorativ verstanden wird, ist im Regelfall von einer kennzeichenmäßigen Verwendung auszugehen. Es spielt aus den genannten Gründen auch keine maßgebliche Rolle, dass die Bezeichnung „Sam“ nicht drucktechnisch hervorgehoben ist und sich nicht in der Artikelüberschrift befindet.

d) Etwas anderes könnte nur dann gelten, wenn die angesprochenen Verkehrskreise die Modellbezeichnung „Sam“ trotzdem keinem bestimmten Hersteller zuordnen würden. Dies wäre der Fall, wenn der Verkehr davon ausginge, dass auch andere Hersteller die gleiche Bezeichnung zur Individualisierung ihrer Modelle verwenden können. Hierfür gibt es keine hinreichenden Anhaltspunkte. Insbesondere spricht dafür entgegen der Ansicht der Beklagten nicht die Verkehrsübung im Bekleidungssektor.

aa) Der Verkehr ist im Bekleidungssektor daran gewöhnt, dass Hersteller Hosen und andere Kleidungsstücke mit Vornamen als Modellbezeichnungen versehen. Dies können die Mitglieder des Senats aus eigener Anschauung beurteilen. Außerdem ergibt sich dies aus den Anlagenkonvoluten B6 – B72, B86 – B91, B95. Daraus ist mit hinreichender Deutlichkeit erkennbar, dass zahlreiche Hersteller zur Benennung der Modelle eines Herstellers Vornamen verwenden. Zwar besteht insoweit – unstreitig – keine brancheneinheitliche Übung sämtlicher Hersteller und Händler. Jedoch sprechen die vorgetragenen Umstände dafür, dass die Praxis so häufig anzutreffen ist, dass sie dem Durchschnittsverbraucher nicht verborgen geblieben ist. Beispielhaft kann in Bezug auf Herrenhosen auf die Anlagen B6 (BRAX), B10 (Boss), B12 (Tom Tailor) und B15 (Joop) verwiesen werden. Die Vornamen werden meist als Teil einer mehrteiligen Bezeichnung (z.B. „Jim 316 – Herrenhose Chino“, Anlage B7; „Shorts Mike in Marine“, Anlage B15; „Denim Jeans Herren Marvin“, Anlage B12), teilweise auch in Alleinstellung verwendet (z.B. Hose „Anna“, Anlage B40). Diese verbreitete Praxis bestätigen auch die Branchenverbände und Modeunternehmen in ihren von der Lieferantin der Beklagten eingeholten Erklärungen (Anlagen B7, B8).

bb) Damit ist jedoch nicht gesagt, dass der Durchschnittsverbraucher solche Bezeichnungen nicht als Herkunftshinweis auffasst. Dies wäre nur dann zu verneinen, wenn dem Verkehr bekannt wäre oder er davon ausginge, dass ein- und derselbe Vorname nicht nur von einem, sondern von mehreren Herstellern als Modellbezeichnung verwendet werden kann. Hierfür gibt es keine hinreichenden Anhaltspunkte. Grundsätzlich muss davon ausgegangen werden, dass eine unterscheidungskräftige Bezeichnung, die als Name eines Produkts eingesetzt wird, als Herkunftshinweis verstanden wird. Dies gilt auch bei Vornamen, die als Modellbezeichnung im Bekleidungssektor verwendet werden (vgl. BGH GRUR 1970, 552 – Felina-Britta; Hacker in Ströbele/Hacker, 11. Aufl., § 14 Rn. 135).

(1) Ohne Erfolg beruft sich die Beklagte für ihre abweichende Auffassung auf Stellungnahmen von Branchenverbänden und branchenangehörigen Unternehmen (Anlagen B7, B8). In den Stellungnahmen des Verbandes der Norddeutschen Textil- und Bekleidungsindustrie und des Modeverbands GermanFashion heißt es, der Endkunde sei daran gewöhnt, dass die Vornamen nur zur Unterscheidung verschiedener Modelle innerhalb einer Kollektion eines Herstellers dienten. Es käme auch immer wieder vor, dass gleiche Namen von unterschiedlichen Herstellern genutzt würden. Oft würden Vornamen gewählt, deren Anfangsbuchstabe auf den Schnitt hinweise, z.B. „S“ für Slim-fit (Anlagen B7). Die Einschätzung der Verbände ist letztlich nicht maßgeblich, da es nicht auf das Verständnis der Fachkreise ankommt. Die streitgegenständlichen Angebote richten sich an Endkunden. Die Stellungnahmen lassen nicht erkennen, auf welcher Tatsachengrundlage die Fachverbände zu ihrer Einschätzung des Verbraucherverständnisses gelangt sind. Es kommt auf die Sicht des Durchschnittsverbrauchers an, der gelegentlich Kleidung kauft und mit entsprechenden Angeboten konfrontiert wird. Die Auffassung dieser Verkehrskreise kann der Senat, dessen Mitglieder zu den angesprochenen Verkehrskreisen gehören, aus eigener Sachkunde beurteilen. Auch dem angebotenen Sachverständigenbeweis war daher nicht nachzugehen.

(2) Dem Durchschnittsverbraucher ist nicht bekannt, dass verschiedene Hersteller häufig die gleichen Modellbezeichnungen verwenden. Er nimmt dies auch nicht an. Dagegen spricht schon die Vielfalt möglicher Vornamen. Entgegen der Ansicht der Beklagten genügt es für die Annahme einer entsprechenden Verkehrsgewöhnung nicht, dass 35 Vornamen in Deutschland jeweils von 10 verschiedenen Herstellern bzw. -anbietern als Modellbezeichnung verwendet werden (Anlagen B38 – B72). Angesichts der kaum überschaubaren Fülle von Bekleidungsangeboten kann es nur auf Zufall berufen, wenn einem Verbraucher ein- und derselbe Vorname zur Bezeichnung von Kleidungsartikeln verschiedener Hersteller in einem überschaubaren Zeitraum mehrfach begegnet und ihm die Übereinstimmung auffällt. Unter den von der Beklagten ermittelten 35 besonders häufig verwendeten Namen findet sich im Übrigen nicht der Name „Sam“. Dieser Name ist den deutschen Verkehrskreisen zwar als Vorname geläufig. Als Modellbezeichnung unterschiedlicher Hersteller ist er jedoch nicht geläufig. Es ist schließlich auch kein beschreibender Anklang des Anfangsbuchstabens „S“ zum Schnitt („Regular-Fit“) erkennbar.

e) Ein herkunftshinweisender Gebrauch kann im Streitfall auch nicht mit der Begründung verneint werden, bei der Bezeichnung „Modell: Sam“ handele es sich um ein bloßes Bestellzeichen.

aa) Als Bestellzeichen oder Sortenbezeichnungen werden zum einen branchenübliche Bezeichnungen für eine bestimmte Produktgattung angesehen (BGH GRUR 2009, 484Rn. 61 – METROBUS). Zum anderen fallen darunter solche Zeichen, die in Katalogen, Preislisten und Dekorationen als Artikelbezeichnung verwendet werden, um die einzelnen Produkte zu individualisieren und dadurch das Angebot und die Bestellung zu erleichtern. In frühen, noch unter Geltung des alten Warenzeichengesetzes ergangenen Entscheidungen wurde angenommen, in der Schuh- und Textilbranche sei es üblich, weibliche Vornamen als Bestellzeichen in diesem Sinn zu verwenden (BGH BB 1961, 229 – Tosca; GRUR 1970, 552 – Felina-Britta; GRUR 1988, 307 – Gaby). Die Einordnung als Bestellzeichen bedeutet jedoch nicht automatisch, dass das Zeichen nicht auch zur Bezeichnung der betrieblichen Herkunft verwendet wird. Vielmehr kommt es auf die Umstände des Einzelfalls an. Ein Herkunftshinweis ist zu verneinen, wenn die Bezeichnung zweifelsfrei ausschließlich als internes Zeichen im Rahmen eines Bestellzeichensystems aufgefasst wird. Meistens geht die Verkehrsauffassung in solchen Fällen jedoch dahin, dass die Bezeichnung sowohl eine einzelne Warensorte bezeichnet als auch daneben auf die Herkunft der Ware aus einem bestimmten Betrieb hinweist (BGH GRUR 1970, 552 – Felina-Britta; Hacker in Ströbele/Hacker, 11. Aufl., § 14 Rn. 135). Denn dem Verkehr ist auch die Übung der Hersteller bekannt, sich Zweitmarken zu bedienen, um ihre Produkte zu kennzeichnen (BGH BB 1961, 229 – Tosca). Unter anderem soll es auch auf die Gebräuchlichkeit oder Ungebräuchlichkeit des Vornamens ankommen (BGH GRUR 1988, 307- Gaby).

bb) Im Streitfall kann nicht angenommen werden, dass die angesprochenen Verkehrskreise die Bezeichnung „Sam“ als reines Bestellzeichen auffassen. Bei den in Rede stehenden Internetangeboten ist es für die Bestellung weder erforderlich noch möglich, die Bezeichnung „Sam“ als Bestellzeichen anzugeben. Vielmehr erfolgt die Bestellung durch Klicken des Buttons „Bestellen“ (Anlage K2) bzw. „in den Einkaufswagen“ (Anlage K1). Für den Verkehr ist nicht erkennbar, dass die Bezeichnung Teil eines Bestellzeichensystems ist. Nach dem Vortrag der Beklagten verfügt das Herstellerunternehmen B über ein System, das jedem Kleidungsstück einen Vornamen zuweist. Die Beklagte ist nach ihrem Vortrag nur Zwischenhändlerin. Sie übernimmt die Modellnamen der Hersteller. Da ihr Online-Shop Produkte verschiedener Hersteller führt, folgen die übernommenen Modellnamen keiner einheitlichen Linie. Für eigene Zwecke verwendet sie ein sechsstelliges Produktnummernsystem (Bl. 195 d.A.). Zwar kommt es grundsätzlich nicht darauf an, ob die Bestellzeichensystematik von dem angegriffenen Handelsunternehmen stammt oder vom Bekleidungshersteller übernommen wurde. Für den Verkehr muss jedoch bei Befassung mit dem Angebot erkennbar sein, dass der Vorname überhaupt Teil eines Bestellzeichensystems ist. Daran fehlt es im Streitfall.

cc) Im Übrigen geht der Durchschnittsverbraucher selbst dann von einer herkunftshinweisenden Bedeutung aus, wenn er erkennt, dass die Modellbezeichnung auch internen Zwecken dienen soll, um die Hose innerhalb der Kollektion zu individualisieren. Er geht von einer Zweitmarke aus, die das konkrete Hosenmodell kennzeichnet. Insoweit kann auf die obigen Ausführungen Bezug genommen werden. Anders als in dem der BGH-Entscheidung „Gaby“ zugrunde liegenden Fall kann auch nicht angenommen werden, dass „Sam“ in Deutschland ein „Allerweltsname“ ist, der wegen seines häufigen Vorkommens „jeder besonderen Eigenart entbehrt“ (BGH GRUR 1988, 307- Gaby). Es ist schon zweifelhaft, ob es im harmonisierten Markenrecht für die markenmäßige Benutzung noch auf eine besondere Eigenart ankommen kann. Von einem „Allerweltsnamen“ ist jedenfalls nicht auszugehen. Dafür spricht auch nicht der Umstand, dass der Name „Sam“ auf Platz 86 der am häufigsten vergebenen Baby-Vornamen stehen soll.

II. Die zulässige Anschlussberufung hat überwiegend Erfolg.

1. Die Klägerin hat gegen die Beklagte Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten in Höhe von € 1.752,90. Als Anspruchsgrundlagen kommen der Schadensersatzanspruch nach § 14 VI MarkenG oder Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 670, 677,683 BGB) in Betracht (Senat, GRUR 2016, 623 Rn. 14 – Retardtabletten). Die Klägerin hat erstinstanzlich nicht dargelegt, auf welcher Grundlage sie die Erstattung von Abmahnkosten verlangt. Sie hat auch nur zu den Voraussetzungen der Markenverletzung vorgetragen. Außerdem hat sie die Abmahnung vorgelegt (Anlage K16). Es kann dahingestellt bleiben, ob dies ausreichend war. Im Berufungsrechtszug hat die Klägerin klargestellt, dass sie sich auf einen Anspruch aus GoA stützt. Sie hat begründet, weshalb sie von einem Streitwert von € 75.000,00 ausgeht. Ferner hat sie dargelegt, dass die Beklagte durch die vor der vorliegenden Klageerhebung erhobene negative Feststellungsklage vor dem Landgericht Stadt1 zum Ausdruck gebracht hat, die Erstattung ernsthaft und endgültig zu verweigern. Auf die Frage, ob die Klägerin die Anwaltsrechnung ihrerseits bezahlt hat, kommt es deshalb nicht an. Der Freistellungsanspruch hat sich gemäß § 257 BGB in einen Zahlungsanspruch umgewandelt (BGH GRUR 2013, 925 [BGH 06.02.2013 – I ZR 106/11] Rn. 59 – VOODOO). Die vorgetragenen tatsächlichen Umstände sind unstreitig. Die Abmahnung war berechtigt. Der Streitwert erscheint angemessen. Eine 1,3-Gebühr nebst Auslagenpauschale ergibt den beanspruchten Betrag von € 1.752,90.

2. Der Zinsanspruch besteht allerdings nur in der zuerkannten Höhe (§§ 291, 288 I BGB). Die Abmahnkosten sind seit Rechtshängigkeit mit 5%, nicht mit 8% über dem Basiszinssatz zu verzinsen. Der Senat hält an seiner Auffassung fest, wonach § 288 II BGB auf Abmahnkosten nicht anwendbar ist, weil es sich nicht um eine Entgeltforderung im Rahmen eines Austauschgeschäfts handelt. Hinsichtlich des beantragten höheren Zinssatzes war die Anschlussberufung zurückzuweisen.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

IV. Der Gewährung des von beiden Parteien vorsorglich beantragten Schriftsatznachlasses auf die zuletzt eingereichten Schriftsätze der Gegenseite bedurfte es nicht, da beide Schriftsätze kein neues entscheidungserhebliches Vorbringen enthalten; dies gilt insbesondere auch für die Schriftsätze des Klägervertreters vom 18.10.2017 und vom 25.10.2017

V. Die Revision war zur Fortbildung des Rechts zuzulassen (§ 543 II Nr. 1 ZPO). Es ist noch nicht hinreichend geklärt, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen davon auszugehen ist, dass der Verkehr die Verwendung eines Modellnamens als bloße Artikelbezeichnung auffasst und nicht zugleich als zeichenmäßige Benutzung ansieht. Insoweit stellt sich auch die Frage, ob die alte „Bestellzeichenrechtsprechung“, die auf den analogen Versandhandel zugeschnitten war und den Online-Handel noch nicht im Blick hatte, weiterhin anzuwenden ist. Die Instanzgerichte beurteilen die Frage, ob im Bekleidungssektor als Modellbezeichnung verwendete Vornamen die Herkunftsfunktion einer entsprechenden Marke beeinträchtigen, nicht einheitlich. Das Landgericht Stadt1 hat hinsichtlich der gleichen Verletzungsform abweichend entschieden (vgl. LG München, Urt. v. 26.9.2017, 33 O 19313/16, Anlage B104).

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