OLG Frankfurt am Main, 27.01.2014 – 23 W 120/13

April 17, 2019

OLG Frankfurt am Main, 27.01.2014 – 23 W 120/13
Tenor:

Die Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des Landgerichts Frankfurt am Main vom 3. Dezember 2013, Az.: 2-28 O 103/13, wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.200,00 Euro festgesetzt.
Gründe
1

Die Beschwerde ist zulässig, gegen einen Aussetzungsbeschluss ist diese nach § 567 Abs. 1 ZPO statthaft, da ein Ausschluss der Anfechtbarkeit vom Gesetzgeber bewusst – in Abkehr von der bisherigen Regelung in § 7 Abs. 1 Satz 4 KapMuG a.F. – nicht vorgesehen wurde (BT-Drs 17/8799, S. 21). Die Beschwerde wurde auch form- und fristgerecht eingelegt (§ 569 Abs. 1, 2 ZPO).
2

Die Beschwerde ist jedoch unbegründet, das Landgericht hat zu Recht den Rechtsstreit nach § 8 KapMuG im Hinblick auf den Vorlagebeschluss vom 27. September 2013, 2-12 OH 4/13, ausgesetzt, da die Entscheidung des Rechtsstreits von den dort geltend gemachten Feststellungszielen abhängt. Dies ist hier schon deshalb der Fall, weil die Ansprüche auf die gleichen tatsächlichen und rechtlichen Grundlagen gestützt werden, die den Feststellungszielen des Vorlagebeschlusses zugrunde liegen.
3

Entgegen der Ansicht der Beklagten ist für die Aussetzung auch keine vollständige Schlüssigkeitsprüfung erforderlich und geboten in dem Sinne, dass die Entscheidung allein von den Feststellungszielen abhängt, mithin die Klage nicht bereits aus anderen Gründen abzuweisen ist.
4

Solche Gründe trägt die Beklagte hier – bezogen auf den konkreten Einzelfall – schon nicht vor, sondern rügt überwiegend die Unzulässigkeit bereits des Vorlagebeschlusses. Dabei verkennt die Beklagte, dass dieser nach § 6 Abs. 1 Satz 2 KapMuG nicht anfechtbar ist, er mithin einer Überprüfung im Verfahren nach § 8 KapMuG entzogen ist (so auch OLG München, Beschluss vom 27. August 2013, 19 U 5140/12, zit. nach juris, Rn. 9).
5

Ergänzend ist insofern auch darauf hinzuweisen, dass die geltend gemachten Ansprüche als solche einem Musterverfahren nach dem KapMuG zugänglich sind. Dieses erfasst nach der Neufassung des § 1 Abs. 1 Nr. 2 KapMuG (im Gegensatz zu § 1 Abs. 1 Satz 1 KapMuG a.F.) auch vertragliche Ansprüche im (weit zu verstehenden) Zusammenhang mit einer Kapitalmarktinformation, wozu der Gesetzgeber gerade auch Ansprüche aufgrund der Verletzung von vorvertraglichen Pflichten bzw. Nebenpflichten zählt (vgl. BT-Drs. 17/8799, S. 16. rechte Spalte, letzter Absatz). Ob danach die von Klägerseite angenommenen vertraglichen Bindungen bestehen, ist keine Frage der Zulässigkeit des Musterverfahrens, sondern der Begründetheit der Feststellungsziele.
6

Die Rüge, die Aktivlegitimation sei nicht hinreichend bewiesen, greift ebenfalls nicht, da diese hinreichend vorgetragen ist, was im derzeitigen Verfahrensstadium ausreichend ist. Die Frage, ob die streitgegenständlichen Zertifikate (noch) gehalten werden, betrifft das individuelle Verfahren und ist nach Durchführung des Musterverfahrens zu klären.
7

Soweit die Beklagte die Ansicht zu vertreten scheint, die Aussetzung sei nur nach einer vollständigen Schlüssigkeitsprüfung möglich, berücksichtigt sie nicht hinreichend die dem § 8 KapMuG zugrunde liegende gesetzgeberische Intention. Danach (vgl. BT-Drs 17/8799, S. 20) reicht es aus, wenn die Entscheidung von der Klärung der Feststellungsziele „mit hinreichender Wahrscheinlichkeit“ abhängen „kann“, eine Entscheidungsreife i.S.v. § 300 ZPO wird gerade nicht gefordert (BT-Drs. 17/8799, S. 17. rechte Spalte, letzter Absatz).
8

Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass ein zu eng gefasster Begriff der Schlüssigkeit den Besonderheiten des Verfahrens nach dem KapMuG nicht gerecht wird. Wird hier allein darauf abgestellt, ob die Subsumtion der – behaupteten – Tatsachen den Tatbestand einer Rechtsnorm bzw. einer Anspruchsgrundlage erfüllt (dazu Prütting, in: Münchener Kommentar zur ZPO, 4. Aufl. (2013), § 337 ZPO, Rn. 10), bleibt außer Betracht, dass nach dem KapMuG nicht nur Tatsachen-, sondern auch Rechtsfragen Gegenstand eines Musterverfahrens sein können (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 1 KapMuG). Ist aber erst im Musterverfahren zu klären, welche Anspruchsgrundlagen überhaupt anwendbar sind bzw. welche Voraussetzungen diese jeweils haben, kann die Schlüssigkeitsprüfung nur insofern einer Aussetzung entgegenstehen, als im Einzelfall bei Annahme einer Bejahung aller Feststellungsziele der Klägerseite und Unterstellung aller insofern behaupteten Tatsachen ein Anspruch unter keinen Umständen bestehen kann; dies wird hier jedoch von der Beklagten nicht, bezogen auf den konkreten Fall, vorgetragen.
9

Einer Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens bedurfte es nicht, da diese Kosten des Rechtsstreits sind, die von der dort unterliegenden Partei zu tragen sein werden (dazu BGH, Beschluss vom 16. Juni 2009, XI ZB 33/08, zit. nach juris, Rn.19: Beschluss vom 12. Dezember 2005, II ZB 30/04, zit. nach juris, Rn. 12).
10

Bei der Bemessung des Streitwerts hat sich der Senat am geschätzten Interesse der Beklagten an der Verhinderung der Aussetzung orientiert und dies mit 1/5 der geltend gemachten Forderung bemessen (vgl. OLG Saarbrücken, Beschluss vom 10. Dezember 2012, 5 W 422/12, zit. nach juris, Rn. 11).
11

Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen, da die Sache keine grundsätzliche Bedeutung hat und weder die Fortbildung des Rechts, noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung der Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts bedarf (§ 574 Abs. 1 und 2 ZPO).

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