OLG Frankfurt am Main, 27.09.2017 – 13 U 217/15

März 20, 2019

OLG Frankfurt am Main, 27.09.2017 – 13 U 217/15
Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das am 04.11.2015 verkündete Urteil des Landgerichts Darmstadt und das zugrundeliegende Verfahren aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen.

Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlussentscheidung des Landgerichts vorbehalten.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe

I.

Der in Stadt1 lebende, am …1966 geborene Kläger macht gegen die Beklagten Schadensersatzansprüche wegen anwaltlicher Pflichtverletzung geltend.

Der Kläger schloss unter dem 01.11.2002 mit der A AG (fortan: A) mit Sitz in Stadt2 einen Anlageauftrag zu einem Vermögensaufbauprogramm [Anlage K 75, Anlagenband 3]. Eine Erlaubnis für eine Vermögensverwaltung nach § 32 KWB besaß die A nicht. Der Kläger leistete diverse Zahlungen an die A, ohne dass diese eine Vermögensverwaltung betrieb.

Über das Vermögen der A wurde in der Schweiz ein Nachlassverfahren eröffnet. In diesem Zusammenhang nahmen Ende des Jahres 2010 die Prozessbevollmächtigten des Klägers, die auch von zahlreichen weiteren A-Geschädigten mit der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen in Zusammenhang mit A-Anlagen mandatiert sind, mit dem Beklagten zu 1), einem Rechtsanwalt mit Sitz in Stadt2, Kontakt auf verbunden mit der Anfrage, ob dieser Mandanten im Nachlassverfahren vertreten könne.

Am 03.01.2011 übersandte der Beklagte zu 1) an die Klägervertreter per E-Mail ein Anschreiben an potentiell geschädigte Anleger der A [Anlage K 9, Anlagenband 2] sowie einen Auftragsvordruck nebst Schweigepflichtentbindungserklärung [Anlage K 2, Bl. 18 ff. d.A.]. In dem Anschreiben stellte der Beklagte zu 1) seine Anwaltskanzlei und das Nachlassverfahren kurz vor und erklärte die Bereitschaft, die Geschädigten im Nachlassverfahren zu vertreten. Die Beklagten zu 1) und zu 2) unterhielten eine deutsch- und englischsprachige Internetseite, die von Deutschland aus erreichbar war.

Die Prozessbevollmächtigten des Klägers leiteten diese Unterlagen an ihre Mandanten, auch den Kläger weiter, der daraufhin den Auftrag zur Forderungseingabe im Nachlassverfahren sowie zur Vertretung an den Gläubigerversammlungen nebst Schweigepflichtentbindung am 09.02.2011 unterzeichnete. Das Honorar sollte pauschal 150 € betragen. Als Gerichtsstand vereinbarten die Vertragsparteien den Geschäftssitz der Beklagten zu 1) und 2) in Stadt2 [Anlage K 2, Bl. 18 ff. d.A.]. Nach Rückgabe der Unterlagen an seine Prozessbevollmächtigten leiteten diese die Unterlagen wiederum an den Beklagten zu 1) weiter.

Am 17.06.2011 gründeten die Beklagten zu 1) und zu 2) die Beklagte zu 3), eine Anwaltsgesellschaft in der Form einer Aktiengesellschaft nach Schweizer Recht, und brachten alle Passiven und Aktiven ihrer vormaligen Anwaltsgesellschaft in die neue Gesellschaft ein.

Der Beklagte zu 1) meldete auftragsgemäß die klägerischen Forderungen im Nachlassverfahren an. Am 07.11.2011 stimmte der Beklagte zu 1) auf der Gläubigerversammlung einem Nachlassvertrag zwischen dem Unternehmen und den Gläubigern auch im Namen des Klägers zu. Der Nachlassvertrag wurde am 11.02.2012 vom Nachlassrichter beim Bezirksgericht Stadt2 bestätigt.

Wegen der im Zusammenhang mit der an die A geleisteten Zahlungen erlittenen Verluste nahm der Kläger die ehemaligen Direktoren und Verwaltungsräte der A gerichtlich in Anspruch. Mit rechtskräftigem Urteil vom 14.11.2013 wies das Landgericht Darmstadt (Az. …/12) die Klage unter Berufung auf Art. 303 Abs. 2 des Schweizer Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs ab, nach dessen Absatz 2 ein Gläubiger, welcher dem Nachlassvertrag zugestimmt hat, seine Rechte gegen Mitschuldner, Bürgen und Gewährleistungspflichtige nur wahrt, sofern er ihnen mindestens zehn Tage vor der Gläubigerversammlung deren Ort und Zeit mitgeteilt und ihnen die Abtretung seiner Forderung gegen Zahlung angeboten hat, was vorliegend unstreitig nicht geschehen war.

Nunmehr verlangt der Kläger wegen des Verlusts dieser Ansprüche von den Beklagten Schadensersatz.

Der Kläger ist der Ansicht, das Landgericht Darmstadt sei nach den verbraucherschützenden Bestimmungen des Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 30.10.2007 (fortan: LugÜ 2007) international zuständig. Der Kläger sei Verbraucher, er habe Gelder aus seinem Privatvermögen bei der A angelegt und durch den mit den Beklagten abgeschlossenen Anwaltsvertrag sich als Privatmann um deren Rückerlangung bemüht. Die Geschäftstätigkeit der Beklagten sei auf Deutschland ausgerichtet gewesen.

Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf das angefochtene Urteil [Bl. 250 ff. d.A.] verwiesen, mit dem das Landgericht seine internationale Zuständigkeit verneint und die Klage allein hierauf gestützt als unzulässig abgewiesen hat. Zur Begründung hat es ausgeführt: Die Zuständigkeit des Landgerichts Darmstadt könne sich nur aus dem Sondergerichtsstand für Verbraucherverträge gemäß Art. 16 Abs. 1, 15 Abs. 1 lit. c, 2. Alt. LugÜ 2007 ergeben, nachdem die internationale Zuständigkeit beim Gericht des Ortes, an dem der Verbraucher seinen Wohnsitz hat, begründet ist. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift seien vorliegend freilich nicht erfüllt. Die Beklagten hätten nämlich ihre berufliche Tätigkeit nicht auch auf Deutschland „ausgerichtet“ im Sinne dieser Vorschrift. Weder die Gestaltung der Internetseite der Beklagten noch das Anschreiben vom 03.01.2011 ließen diesen Schluss zu. Die Frage, ob der Kläger überhaupt Verbraucher im Sinne dieser Vorschrift ist, könne demnach offengelassen werden.

Mit seiner Berufung rügt der Kläger, dass das Landgericht die internationale Zuständigkeit rechtsfehlerhaft verneint habe. Er verfolgte seine Klage zunächst in vollem Umfang weiter. Mit Schriftsatz vom 06.06.2016 hat er den Rechtsstreit bezüglich des Klageantrags Ziff. 1 in einem Umfang von 8.459,64 € teilweise für erledigt erklärt, nachdem er vom Nachlassverwalter über das Vermögen der A am 31.05.2016 eine Gutschrift in Höhe dieses Betrages erhalten hatte.

Der Kläger beantragt,

1.

die Beklagten unter Abänderung des am 04.11.2015 verkündeten Urteils des Landgerichts Darmstadt, Az. 4 O 398/14, als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger 23.300,15 € nebst Zinsen in aus 31.759,79 € in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit bis zum 31.05.2016, sowie Zinsen aus 23.300,15 € in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.06.2016 zu zahlen;
2.

die Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 7.461,98 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 3.576,00 € seit dem 27.03.2014 und aus 3.885,95 € seit Rechtshängigkeit zu zahlen;
3.

die Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 1.947,46 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 27.03.2014 zu zahlen;
4.

die Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 1.954,46 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagten widersprechen der Teilerledigungserklärung [Bl. 547 d.A.] und beantragen,

die Berufung zurückzuweisen,

hilfsweise, für den Fall, dass der Senat das Vorliegen der Sachentscheidungsvoraussetzungen annimmt, die Sache an das Gericht des ersten Rechtszugs zurückzuverweisen.

Die Beklagten verteidigen die angefochtene Entscheidung und berufen sich weiterhin auf die internationale Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts. Zuständig sei laut getroffener Vereinbarung ausschließlich die Gerichtsbarkeit im Kanton Stadt2.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Der Senat hat den Kläger in der Senatssitzung vom 06.09.2017 [Sitzungsprotokoll Bl. 676 ff. d.A.] persönlich angehört. Die Akten des Landgerichts Darmstadt, Az. …/12, waren beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

II.

Die zulässige Berufung ist insoweit begründet, als das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an das Landgericht zurückzuverweisen ist (§ 538 II ZPO). Die Klage hätte nicht als unzulässig abgewiesen werden dürfen.

Für die vom Kläger erhobene Anwaltshaftungsklage ist das Landgericht Darmstadt international zuständig, da die deutsche Gerichtsbarkeit nach den Regelungen des Luganer Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 30.10.2007 (LugÜ 2007) eröffnet ist und der Kläger im Landgerichtsbezirk seinen Wohnsitz hat. Das Lugano-Übereinkommen vom 30.10.2007, für Deutschland am 01.01.2010 in Kraft getreten, regelt gemäß Art. 1 I, III S. 1, 4 I, 60 I LugÜ 2007 die internationale Zuständigkeit im Verhältnis zur Schweiz und findet auf die vorliegende, im Jahr 2014 erhobene Klage Anwendung.

Die deutschen Gerichte sind international zuständig gemäß Art. 15 I lit. c, 16 I Alt. 2 LugÜ 2007. Nach diesen Vorschriften kann ein Verbraucher vor dem Gericht des Ortes, an dem er seinen Wohnsitz hat, gegen den anderen Vertragspartner klagen, wenn Gegenstand des Verfahrens Ansprüche aus einem Vertrag sind, der in den Bereich einer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit fällt, die der andere Vertragspartner auf irgendeinem Weg auf den Wohnsitzstaat des Verbrauchers oder auf mehrere Staaten, einschließlich dieses Staats, ausgerichtet hat.

Gegenstand des Rechtsstreits bilden Ansprüche aus einem Vertrag (Art. 15 I LugÜ 2007). Der Kläger macht gegen die Beklagten Ansprüche auf Schadensersatz aus Anwaltshaftung geltend, die er aus einem Anwaltsvertrag ableitet.

Der vom Kläger mit den Beklagten zu 1) und zu 2) abgeschlossene Anwaltsvertrag fiel in deren berufliche Tätigkeit, die sie nicht nur auf die Schweiz, sondern auch auf mehrere andere Staaten, u.a. auf Deutschland, ausgerichtet hatten (Art. 15 I lit. c LugÜ 2007).

Der Bundesgerichtshof hat in vier am 09.02.2017 verkündeten Urteilen – und mithin freilich nach der angefochtenen Entscheidung – festgestellt, dass die Anwaltstätigkeit der Beklagten zu 1) und zu 2) auch auf Deutschland ausgerichtet war (BGH, Urt. IX ZR 9/16; IX ZR 66/16; IX ZR 67/16; IX ZR 103/16). In einem Urteil vom 06.07.2017 sowie in einem auf den 18.05.2017 und acht auf den 30.05.2017 datierten Hinweisbeschlüssen hat der BGH diese Rechtsprechung in weiteren Parallelverfahren, die in Bezug auf die Anwaltstätigkeit der Beklagten auf einem identischen Sachverhalt beruhen, nochmals bestätigt (BGH, Urt. IX ZR 38/16; Beschl. IX ZR 36/16; Beschl. IX ZR 73/16; Beschl. IX ZR 109/16; Beschl. IX ZR 123/16; Beschl. IX ZR 124/16; Beschl. IX ZR 181/16; Beschl. IX ZR 182/16; Beschl. IX ZR 183/16; Beschl. IX ZR 222/16). Auf die ausführlichen Begründungen dieser Entscheidungen nimmt der Senat Bezug und macht sie sich zu eigen.

Aus der Gesamtschau des Inhalts der Internetseite der Beklagten zu 1) und zu 2) sowie ihrer Tätigkeiten, um den Vertragsschluss zu erreichen, ergibt sich das Ausrichten ihrer Tätigkeit gerade auch auf Deutschland (vgl. BGH, Urt. v. 09.02.2017, IX ZR 67/16, Rn. 20 ff.). So belegt der Internetauftritt, dass die Beklagten zu 1) und zu 2) ihre Tätigkeit auch auf Mandanten aus dem Ausland ausgerichtet haben, ohne Verbraucher als Mandanten auszuschließen. In der in deutscher und englischer Sprache abgefassten Internetseite warben die Beklagten zu 1) und zu 2) mit umfassenden Sprachkenntnissen und internationalen Kompetenzen. Sie wiesen weiter darauf hin, auch Personen aus dem Ausland zu vertreten und gaben ihre Kontaktdaten mit Auslandsvorwahl und Länderkennzeichen versehen an.

Das Schreiben der Beklagten zu 1) und zu 2) vom 03.01.2011 ist als Werbeschreiben zu qualifizieren, durch das ein Ausrichten begründet wird (vgl. BGH, ebenda, Rn. 39 ff.). Die Beklagten zu 1) und zu 2) haben mit diesem Schreiben ihnen weder namentlich noch in der Zahl bekannten Mandanten der klägerischen Anwaltskanzlei beworben, um sie zu einem Vertragsschluss zu veranlassen. Dadurch haben sie ihren Willen zum Ausdruck gebracht, in Deutschland ansässige Mandanten zum Abschluss eines Anwaltsvertrages zu motivieren (vgl. BGH, ebenda, Rn. 39).

Der Verbrauchergerichtsstand kann auch nicht deswegen verneint werden, weil der Kläger den Anwaltsvertrag mit den Beklagten zu 1) und zu 2) letztlich aufgrund einer dahin gehenden Beratung und Empfehlung durch seine deutschen Anwälte geschlossen hat. Gegen das Merkmal des Ausrichtens spricht jedenfalls nicht die fehlende (oder über den Zurechnungszusammenhang zu modifizierende) Kausalität oder Motivation durch die absatzfördernde Tätigkeit des Unternehmers, weil diese nicht erforderlich ist (vgl. BGH, ebenda, Rn. 47).

Der für seine Verbrauchereigenschaft darlegungs- und beweisbelastete Kläger hat den Anwaltsvertrag mit den Beklagten zu 1) und zu 2) allein zu nicht-beruflichen und nicht-gewerblichen Zwecken und somit als Verbraucher im Sinne von Art. 15 LugÜ 2007 abgeschlossen.

Dabei ist für die Auslegung des Begriffs „Verbraucher“ im Rahmen des Luganer Übereinkommens 2007 von folgendem Begriffsverständnis auszugehen: Verbraucher sind natürliche Personen, die zu einem privaten Zweck einen Vertrag schließen, der nicht einer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit zugerechnet werden kann. Der Begriff des Verbrauchers ist eng auszulegen und nach der Stellung dieser Person innerhalb des konkreten Vertrages in Verbindung mit dessen Natur und Zielsetzung und nicht nach der subjektiven Stellung dieser Person zu bestimmen, so dass ein und dieselbe Person im Rahmen bestimmter Geschäfte als Verbraucher und im Rahmen anderer als Unternehmer angesehen werden kann. Es fallen nur Verträge unter diese Sonderregelung, die eine Einzelperson ohne Bezug zu einer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit oder Zielsetzung und unabhängig von einer solchen schließt. Im Hinblick auf den Ausnahmecharakter des Verbrauchergerichtsstandes ist dieser nicht begründet, wenn die andere Vertragspartei den nicht-beruflichen Zweck des Geschäftes deswegen nicht zu kennen brauchte, weil der Verbraucher durch sein eigenen Verhalten gegenüber seinem zukünftigen Vertragspartner bei diesem den Eindruck erweckt hat, dass er zu beruflich-gewerblichen Zwecken handelte (vgl. BGH, ebenda, Rn.13 m.w.N.).

Der Kläger hat den Anwaltsvertrag allein zu nicht-beruflichen und nicht-gewerblichen Zwecken mit den Beklagten zu 1) und zu 2) geschlossen, weil sich im Anwaltsvertrag kein Bezug zu seiner beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit ergab und er den dem Anwaltsvertrag zugrundeliegenden Kapitalanlagevertrag zu einem allein nicht-beruflichen und nicht-gewerblichen Zweck geschlossen hat.

Das vom Kläger ausgefüllte und unterzeichne Auftragsformular [Anlage K 2, Bl. 18 ff. d.A.] der Beklagten zu 1) und zu 2) enthält keine Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagten zu 1) und zu 2) im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit als selbstständiger …meister beauftragt werden sollten. Der Kläger gab seinen Namen und seine privaten Kontaktdaten an; es fehlt jeglicher Hinweis darauf, dass er für seinen …betrieb auftritt.

Entsprechend sind die Beklagten zu 1) und zu 2) auch offensichtlich davon ausgegangen, dass ihre Tätigkeit der Durchsetzung privater Ansprüche des Klägers dient. Denn die Anmeldung der Forderungen des Klägers in dem Nachlassverfahren erfolgte unter Angabe allein des Namens und der Anschrift des Klägers, ein auf der Forderungsanmeldung vorgesehenes Feld „Firma“ blieb leer (Anlage K 7, Anlagenband 2).

Auch die vom Kläger beauftragte Anwaltstätigkeit im Nachlassverfahren, mit der er Schadensersatzansprüche im Zusammenhang mit einer fehlgeschlagenen Kapitalanlage geltend machte, weist keinen Bezug auf seine berufliche Tätigkeit auf. Insofern ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ein Gleichlauf der Verbraucherqualifikation bezüglich des ursprünglichen Anlagevertrages und der zum Zwecke der Durchsetzung von hieraus resultierenden Schadensersatzansprüchen abgeschlossenen Anwaltsverträge anzunehmen. Hatte der Anleger den Anlagevertrag zu privaten Zwecken als Verbraucher abgeschlossen, so ist er auch bei der zur Forderungsdurchsetzung erfolgenden Anwaltsbeauftragung Verbraucher (vgl. BGH, ebenda, Rn. 14).

Vorliegend besteht für den Senat kein Zweifel daran, dass der Kläger eine allein seinen privaten Zwecken dienende Kapitalanlage getätigt hat. Grundlage der Überzeugung des Senats ist der gesamte Inhalt der Verhandlung (§ 286 ZPO), und insbesondere die informatorische Anhörung des Klägers in der Berufungsverhandlung einschließlich des dabei gewonnenen persönlichen Eindrucks.

Bereits der Inhalt der Kapitalanlage erscheint typisch für eine private Altersvorsorge. Das „Vermögensaufbauprogramm“ sah eine Aufbauzeit von 16 Jahren durch Ratensparen und eine Gesamtlaufzeit von 25 Jahren vor [Anlage K 75, Anlagenband 3]. Hierbei handelt es sich um einen Zeithorizont, der für die Anlage betrieblicher Mittel einer Einzelfirma in gleicher Weise untypisch ist wie das Eingehen der Verpflichtung, in der Ansparphase jährlich fixe Raten einzuzahlen. Andererseits spricht der Umstand, dass die Anlage nach 25 Jahren auslaufen sollte und damit zu einem Zeitpunkt, zu dem der Anleger im vorliegenden Fall sein 61. Lebensjahr erreicht hat, objektiv dafür, dass sie zu dessen privaten Altersvorsorge zählte. Den privaten Charakter der „Vermögensverwaltung“ bestätigt auch der Umstand, dass in ihrem Verlauf Fondslebensversicherungen mit dem Kläger als Versicherungsnehmer abgeschlossen wurden, die im Todesfall an dessen Ehefrau bzw. dessen Kinder auszuzahlen gewesen wären [vgl. Anlage K 76, Anlagenband 3]. Einen Hinweis auf den …betrieb des Klägers enthält im Übrigen auch der Anlageauftrag an keiner Stelle; aufgeführt werden nur Name und Vorname des Klägers sowie seine Privatanschrift [Anlage K 75, Anlagenband 3].

Im Rahmen seiner persönlichen Anhörung bestätigte der Kläger glaubhaft, er habe die Verträge zu seiner eigenen Altersvorsorge abgeschlossen. Seine Angaben sind frei von nicht erklärbaren Widersprüchen, decken sich mit den vorhandenen Unterlagen und sind plausibel.

Der Kläger schilderte nachvollziehbar, dass er durch die Werbeargumente, wonach es sich um eine besonders sichere, aber auch dem Vollstreckungszugriff von Dritten entzogene und zugleich steuerfreie Anlage handelt, überzeugt gewesen sei, mit dieser Anlage sich und seine Ehefrau privat für die Zukunft abzusichern.

Vor dem Hintergrund, dass der Senat für eine Vermögensanlage zu betrieblichen Zwecken schon objektiv keinerlei Anhaltspunkte erkennt, erscheinen die Angaben des Klägers, zu privaten Zwecken gehandelt zu haben, nachvollziehbar und sehr glaubhaft. Dass der Kläger unter denselben Kontaktdaten wie seine Privatanschrift auch das Büro seiner … unterhält, stellt sich bei einem selbständigen Handwerksmeister als nicht untypisch dar und lässt belastbare Rückschlüsse auf den mit einem Anlagevertrag verfolgten Zweck nicht zu.

Der persönlich angehörte Kläger hat beim Senat auch einen glaubwürdigen Eindruck hinterlassen. Er bemühte sich ersichtlich, alle Fragen wahrheitsgemäß und umfassend zu beantworten. Soweit er zur Frage der Mittelherkunft ergänzte, bei den angelegten Geldern habe es sich zum Teil auch um Geldgeschenke gehandelt, die er und seine Ehefrau erhalten hätten, setzt sich der Kläger entgegen der Ansicht der Beklagten nicht mit seinen früheren Angaben in Widerspruch. Vielmehr vervollständigte er den für ihn gehaltenen schriftsätzlichen Vortrag in einem Detail. Der Kläger hatte schriftsätzlich ausgeführt, dass die angelegten Gelder vom Privatkonto des Klägers stammten, das „aus unterschiedlichen Quelle gespeist [wurde], im Wesentlichen – wie bei den meisten Menschen – durch Erträge der beruflichen Tätigkeit des Klägers“( Schriftsatz vom 24.09.2015, S. 8 [Bl. 239 d.A.]) Dass der Kläger dies um den Hinweis ergänzte, die Gelder rührten auch aus Schenkungen her, spricht für sein Bemühen, vollständige und wahrheitsgemäße Angaben zu machen. Entgegen der Ansicht der Beklagten hat der Kläger im Übrigen keineswegs behauptet, die angelegten Gelder rührten insgesamt aus Schenkungen her. Es geht daher der Vorwurf fehl, der Kläger habe im Rahmen seiner informatorischen Anhörung die Mittelherkunft in ein für ihn besseres Licht stellen und insgesamt dem Vorwurf entziehen wollen, es handele sich um unversteuerte Mittel aus seiner selbstständigen Tätigkeit.

Der Senat erkennt keine Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger – und sei es auch nur zu Randbereichen wie der Mittelherkunft – bewusst falsche Angaben gemacht hat und deshalb ein Vertrauen in die Richtigkeit seiner Angaben zum Zweck der Vermögensanlage nicht gerechtfertigt wäre.

Entgegen der Ansicht der Beklagten ist die Frage der Mittelherkunft im Übrigen für die Beurteilung der Verbrauchereigenschaft ebenso unerheblich wie die Frage, ob die Anlagebeträge ordnungsgemäß versteuert waren (vgl. BGH, ebenda, Rn. 17). Die Anlage von Geldern, die aus der beruflichen Tätigkeit des Anlegers herrührt, dient dann privaten Zwecken, wenn der Anleger mit ihr private Zwecke verfolgt. Ob es sich insofern um ordnungsgemäß versteuerte Entnahmen aus dem Betriebsvermögen handelt, oder aber im Zusammenhang mit der selbstständigen Tätigkeit erlangte, unversteuerte Mittel, ist insofern belanglos (vgl. BGH, ebenda). Einen Bezug zur beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit läge nur dann vor, wenn durch die Anlage Betriebsvermögen als solches angelegt werden sollte, wofür vorliegend – wie aufgezeigt – keinerlei Anhaltspunkte bestehen.

Der Verbrauchergerichtsstand nach Art. 15 I lit. c LugÜ 2007 greift auch im Verhältnis zu der Beklagten zu 3). Die Beklagte zu 3) wurde zwar erst nach Abschluss des Anwaltsvertrages gegründet. Sie haftet aber nach dem Vortrag des Klägers nach dem schweizerischen Recht als Gesamtschuldnerin neben den Beklagten zu 1) und zu 2). Damit greift auch ihr gegenüber die Zuständigkeitsregelung ein, denn für die Annahme der internationalen Zuständigkeit am Wohnsitz des Verbrauchers ist es unerheblich, ob dieser den Vertragspartner oder einen Rechtsnachfolger des Vertragspartners verklagt (vgl. BGH, ebenda, Rn. 51 ff.).

Die Begründung des Verbrauchergerichtsstands am Wohnsitz des Klägers gemäß Art. 15 I Lit. c, Art. 16 LugÜ 2007 steht der Wirksamkeit der im Anwaltsauftrag formulierten Vereinbarung über die Zuständigkeit der Gerichte im Kanton Stadt2 gemäß Art. 17 LugÜ 2007 entgegen.

Der erkennende Senat hat von einer eigenen Sachentscheidung abgesehen, da die Voraussetzungen für eine Zurückverweisung der Sache nach § 538 II Ziff. 3 ZPO vorliegen: Die Beklagten haben die Zurückverweisung beantragt und durch das angefochtene Urteil ist nur über die Zulässigkeit der Klage entschieden worden.

Die Kostenentscheidung war der neuen Entscheidung des Landgerichts vorzubehalten.

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat seine Grundlage in § 708 Nr. 10 ZPO (zur Notwendigkeit der Anordnung bei einem zurückverweisenden Urteil vgl. Zöller-Herget, ZPO, 30. Aufl., § 708 ZPO Rn. 12).

Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 543 II ZPO nicht vorliegen.

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